OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 20.12.2001 - 20 W 184/01
Fundstelle
openJur 2012, 23174
  • Rkr:
Tenor

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts Dieburg vom 20. September 2000 werden aufgehoben.

Das Amtsgericht Dieburg wird angewiesen, die Eintragung des Eigenbetriebes nicht aus den Gründen der angefochtenen Entscheidungen abzulehnen.

Gründe

Die beiden Betriebsleiter und stellvertretenden Betriebsleiter meldeten in notariell beglaubigter Form sowie mit Zeichnung ihrer Unterschriften unter Verlage der Eigenbetriebssatzung die Eintragung des Eigenbetriebes in das Handelsregister an. Der Rechtspfleger beanstandete, die Anmeldung habe durch sämtliche Magistratsmitglieder zu erfolgen, die auch als Vorstand im Sinne des § 33 Abs. 2 HGB mit Nachweis ihrer Bestellung und Erfüllung der Zeichnungspflicht gemäß § 35 HGB anzumelden seien. Nachdem die Antragstellerin eine Änderung der Anmeldung abgelehnt und insbesondere auf der Eintragung der Betriebsleiter als Vorstand bestanden hatte, wies das Amtsgericht den Eintragungsantrag mit Beschluss vom 20. September 2000 zurück.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde wurde durch das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der weiteren Beschwerde.

Die weitere Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg, da die Entscheidungen der Vorinstanzen auf einer Verletzung des Gesetzes beruhen (§ 27 FGG, 550 ZPO). Die Anmeldung der Eintragung des Eigenbetriebes in das Handelsregister konnte durch dessen Betriebsleiter erfolgen, die auch als Vorstand im Sinne des § 33 Abs. 2 HGB einzutragen sind.

Durch das Handelsrechtsreformgesetz (HRefG) wurde die in § 36 HGB a. F. enthaltene registerrechtliche Privilegierung gewerblicher Unternehmen der öffentlichen Hand beseitigt. Rechtlich unselbständige wirtschaftliche Unternehmen im Sinne eines Gewerbebetriebes, die von einer Gebietskörperschaft selbst als Eigenbetrieb geführt werden, unterfallen damit der Pflicht zur Eintragung in das Handelsregister gemäß § 33 HGB.

Im Hinblick auf die ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit und die nach dem Hessischen Eigenbetriebsgesetz (HessEigBG) in dessen § 11 Abs. 3 und 5 vorgegebenen Verpflichtung zur Gewinnerwirtschaftung und Rücklagenbildung und des mit 2,5 Mio DM angegebenen Stammkapitals besteht an der Eintragungspflicht gemäß § 29 HGB in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und 2 HGB wegen des Vorliegens eines vollkaufmännischen Gewerbebetriebes hier kein Zweifel (vgl. hierzu näher Kohler-Gehrig Rpfleger 2000, 46 ff; Boos DB 2000, 1061 ff; BGH NJW 1991, 2134; KG NJW-RR 1999, 638).

Gemäß § 33 Abs. 1 HGB ist eine juristische Person, deren Eintragung in das Handelsregister mit Rücksicht auf den Gegenstand oder auf die Art und den Umfang ihres Gewerbebetriebes zu erfolgen hat, von sämtlichen Mitgliedern des Vorstandes zur Eintragung anzumelden. Diese Personen sind gemäß § 33 Abs. 2 HGB neben Firma, Sitz und Unternehmensgegenstand sowie besonderen Bestimmungen der Satzung über die Vertretungsbefugnis und die Zeitdauer des Unternehmens auch in die Anmeldung und die Eintragung ins Handelsregister aufzunehmen. Bei dem Vorstand handelt es sich um das zur Vertretung der juristischen Person berechtigte Organ, dem organschaftliche Vertretungsmacht zukommt (vgl. HK-HGB/Ruß, 5. Aufl., § 33 Rn. 2; Münch Komm-HGB/Lieb, § 33 Rn. 8; Boos, a.a.O., S. 1063).

Vorstand in diesem Sinne ist bei einem kommunalen Eigenbetrieb nach der HessEigBG entgegen der Auffassung der Vorinstanzen nicht der Gemeindevorstand als allgemeiner Vertreter der Gemeinde gemäß § 71 HGO, sondern die oder der Betriebsleiter gemäß § 2 HessEigBG. Dies ergibt sich sowohl aus der rechtlichen Konstruktion des Eigenbetriebs als auch aus Sinn und Zweck des Wegfalls der Privilegierung des § 36 HGB a. F. durch das HRefG.

Gemäß § 1 HessEigBG besitzt der Eigenbetrieb zwar keine eigene Rechtspersönlichkeit, ist aber als Sondervermögen der Kommune organisatorisch und finanzwirtschaftlich gegenüber der Kommunalverwaltung verselbständigt und nach den speziellen Vorschriften des Eigenbetriebsrechtes zu führen. Dabei ist die organisatorische Selbständigkeit des Eigenbetriebes maßgeblich gekennzeichnet durch besondere Organe und eine gegenüber den Gemeindeverfassungen eigenständige Regelung der Vertretungsmacht dieser Organe in den Angelegenheiten des Eigenbetriebs. Die Führungs- und Leitungsfunktionen der Eigenbetriebe sind nach der HGO und dem HessEigBG auf die vier Organe Betriebsleitung, Magistrat, Betriebskommission und Stadtverordnetenversammlung verteilt (vgl. hierzu Boos, a.a.O., S. 1061/1064 m.w.N.). Das zur Vertretung der Gemeinde in Angelegenheiten des Eigenbetriebes befugte Organ für die ihm nach dem Eigenbetriebsgesetz und der Eigenbetriebssatzung zugewiesenen Aufgaben, insbesondere die laufende Betriebsführung des Eigenbetriebes, ist die Betriebsleitung (vgl. §§ 2 und 3 HessEigBG). Demgegenüber ist die Vertretungsbefugnis für Rechtsgeschäfte, die über die laufende Betriebsführung hinausgehen, dem Bürgermeister und einem weiteren Mitglied des Magistrates zugewiesen (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 3 HessEigBG). Die Betriebskommission sowie die Stadtverordnetenversammlung haben lediglich interne Entscheidungsbefugnisse und scheiden damit als Vertretungsorgane im Sinne des § 33 HGB aus (vgl. §§ 5 und 7 HessEigBG). Im Unterschied zur rechtsgeschäftlich eingeräumten Vertretungsbefugnis ist Merkmal der nach § 33 Abs. 1 und 2 HGB geforderten organschaftlichen Vertretungsmacht die gesetzlich eingeräumte Vertretungsbefugnis für ein bestimmtes Organ einer juristischen Person (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., Einf. v § 164 Rn. 5). Der Betriebsleitung des Eigenbetriebes ist kraft Gesetz und Satzung die laufende Betriebsführung des Eigenbetriebes übertragen. Deshalb handelt es sich bei der Betriebsleitung um ein nach außen handelndes besonderes Organ der Gemeinde in Angelegenheiten des Eigenbetriebes, wobei die Vertretungsmacht der Betriebsleitung durch die gesetzliche Regelung des § 3 HessEigBG und gegebenenfalls hiervon abweichende Bestimmungen der Satzung beschränkt ist. Daneben existiert als übliches Vertretungsorgan der Gemeinde der Magistrat, der zur Vertretung der Gemeinde in Angelegenheiten des Eigenbetriebes außerhalb der laufenden Betriebsführung berufen ist. In das Handelsregister als Vorstand einzutragen ist deshalb das insoweit speziellere Vertretungsorgan der Betriebsleitung, dem die Vertretung der Gemeinde in den laufenden Geschäften des Eigenbetriebes obliegt (ebenso Boos, a.a.O., S. 1064; Röhricht/von Westphalen HGB 2. Aufl., § 36 Rn. 14).

Hierfür spricht auch der Sinn und Zweck sowie die Gesetzesbegründung zum Wegfall des § 36 HGB a. F.. Nach der Begründung des Regierungsentwurfes soll die Erstreckung der Handelsregisterpflicht auf Unternehmen der öffentlichen Hand der Information und dem Schutz des Rechtsverkehrs dienen. Den interessierten Kreisen soll ermöglicht werden, sich auch über die Rechts- und Vertretungsverhältnisse derartiger Unternehmen durch Registereinsicht schnell und einfach zu informieren (BT-Drucks. 13/8444 S. 34 und 59), ohne auf das Studium der einschlägigen Gesetzes- und Amtsblätter angewiesen zu sein. Diesem Gesetzeszweck könnte durch die Eintragung des Magistrates als Vertretungsorgan nicht in der vom Gesetzgeber intendierten Weise Rechnung getragen werden. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass der Magistrat einer Gemeinde aus einer Vielzahl von Personen bestehen kann, was bei entsprechender Fluktuation im Falle deren namentlicher Eintragung zu ständigen Änderungen im Handelsregister führen würde. Mit der vom HRefG angestrebten Vereinfachung und Effizienzsteigerung des registergerichtlichen Verfahrens zugunsten einer größeren Handlungsfreiheit der betroffenen Unternehmen auch im Hinblick auf eine Verringerung der Kosten (vgl. BT-Drucks. 13/8444 S. 2 und 19) wäre dies nicht zu vereinbaren. Auch das Informationsbedürfnis des Rechtsverkehrs in Bezug auf die Vertretung des Eigenbetriebs bezieht sich primär auf die Personen, die zur Vertretung im Rahmen der laufenden Betriebsführung berufen sind und deshalb im Regelfall im Geschäftsverkehr für den Eigenbetrieb in Erscheinung treten. Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung ist deshalb jedenfalls die Betriebsleitung als Vertretungsorgan im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 2 HGB in das Handelsregister einzutragen (ebenso Holland ZNotP 1999, 466, 469).

Bestätigt wird dies des weiteren durch die gesetzliche Regelung des § 33 Abs. 2 Satz 3 HGB. Nach dieser Vorschrift sind besondere Bestimmungen der Satzung über die Befugnisse des Vorstandes zur Vertretung der juristischen Person ebenfalls in das Handelsregister einzutragen. Die hier auf der gesetzlichen Regelung des HessEigBG in Verbindung mit der Satzung beruhende Einschränkung der Vertretungsmacht der Betriebsleitung durch Beschränkung auf die laufenden Geschäfte des Eigenbetriebes ist demnach in die Handelsregistereintragung aufzunehmen. Hierdurch wird für den Rechtsverkehr aus dem Register die wechselseitig beschränkte Vertretungsbefugnis für die Gemeinde in den Angelegenheiten des Eigenbetriebes zwischen Betriebsleitung einerseits und Magistrat andererseits ersichtlich. Demgegenüber erscheint die Eintragung der personellen Zusammensetzung des gesamten Magistrates, die bei Bedarf den kommunalen Publikationsorganen entnommen werden kann, entbehrlich und zum Zwecke der Vermeidung einer Überfrachtung des Handelsregisters auch untunlich.

Die Annahme, für einen kommunalen Eigenbetrieb die Betriebsleitung als anmeldepflichtiges und in das Handelsregister einzutragende Vertretungsorgan anzusehen, steht des weiteren im Einklang mit der früheren Regelung des § 36 HGB a.F.. Nach h. M. war die vor dem HRefG in das Belieben der öffentlichen Körperschaft gestellte Anmeldung durch sämtliche Mitglieder der Betriebsleitung zu bewirken (vgl. Heymann/Emmerich HGB, 2. Aufl. 1995, § 36 Rn. 9; Brüggemann/Würdinger HGB, 3. Aufl. 1967, § 36 Anm. 6; Staub/Hüffer HGB, 4. Aufl. 1995 § 36 Rn. 11), während streitig war, ob daneben auch eine Anmeldung durch das allgemeine Vertretungsorgan der Gebietskörperschaft zulässig sein sollte (so wohl Keidel/Schmatz/Stöber, Registerrecht, 5. Aufl., Rn. 229; Schlegelberge/Hildebrandt/Steckhan, HGB, 3. Aufl., § 36 Rn. 4 (Fn. 6); Holland a.a.O., S. 467 und 470).

Nach alledem war das Registergericht nicht berechtigt, auf einer Anmeldung durch sämtliche Magistratsmitglieder zu bestehen und die Eintragung der Betriebsleiter und ihrer Stellvertreter als Vertretungsorgan in das Handelsregister abzulehnen. Die diesbezüglichen Beschlüsse der Vorinstanzen waren deshalb aufzuheben. Das Registergericht wird über die Handelsregistereintragung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden haben. Bei der Eintragung wird insbesondere zu berücksichtigen sein, dass die Beschränkung der Vertretungsmacht der Betriebsleiter gemäß §§ 33 Abs. 2 Satz 3 HGB aufzunehmen ist, wobei es sich hinsichtlich der Formulierung empfiehlt, die Bestimmung des § 5 Abs. 1 bis 3 der Eigenbetriebssatzung zu übernehmen.

Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO.