OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 22.03.2000 - 9 U 107/99
Fundstelle
openJur 2012, 22309
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 9. September 1999 verkündete Urteil des Landgerichts Gießen - Aktenzeichen 4 O 149/99 - wird zurückgewiesen. Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Wert der Beschwer beträgt für den Kläger DM 13.105,50.

Gründe

Der Kläger verlangt Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einer Verletzung, die er bei einem Fußballspiel erlitt.

Am 14.3.1999 spielten die D-Jugendmannschaften L., der der Kläger angehört, und I., der der Beklagte angehört, gegeneinander. Bei einem Spielzug, an dem beiden Parteien beteiligt waren und den der Schiedsrichter als Foulspiel des Beklagten pfiff, erlitt der Kläger eine Fraktur von Waden- und Schienbein links.

Der Kläger hat behauptet, er habe den Ball ins Aus gespielt, erst zeitlich deutlich danach sei der Beklagte ihm von hinten in die Beine gesprungen. Er macht mit der vorliegenden Klage seinen materiellen Schaden in Höhe von DM 1.105,50 (Bl. 4) sowie ein mit DM 7.000.- beziffertes Schmerzensgeld geltend und verlangt Feststellung der Ersatzpflicht auch künftiger Schäden.

Der Beklagte hat behauptet, er sei dem den Ball führenden Kläger hinterher gelaufen und habe nach dem Ball gegrätscht, den er auch getroffen habe. Der Kläger sei dann über den Ball gestolpert.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von je fünf "L.- Zeugen" und fünf "I.- Zeugen" sowie des Schiedsrichters S. und die Klage danach abgewiesen, da sich ein Regelverstoß des Beklagten nicht feststellen lasse.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der an seinem Vortrag festhält, die Beweiswürdigung des Landgerichts rügt und die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Behauptung beantragt, die eingetretenen Verletzungen könnten nur durch den vom Kläger geschilderten Geschehensablauf eingetreten sein.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Von der weiteren Darstellung des Urteilstatbestandes wird nach § 543 I ZPO abgesehen.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, hat in der Sache indes keinen Erfolg.

Der Kläger kann vom Beklagten Ersatz des ihm anlässlich des Fußballspiels vom 14. März 1999 entstandenen Schadens nicht verlangen. Ein dahingehender Anspruch steht ihm insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung durch den Beklagten (§ 823 I BGB) zu. Eine solche kann nur in einem förmlichen Regelverstoß (Foul) liegen. Erfolgt eine Körperverletzung im Rahmen eines sportlichen, gegeneinander ausgeübten und mit körperlichem Einsatz verbundenen Wettkampfs, so nimmt jeder Teilnehmer diejenigen Verletzungen in Kauf, die bei Einhaltung der anerkannten Regeln dieses Sports nicht zu vermeiden sind. Jeder Spieler darf darauf vertrauen, bei regelgerechtem Verhalten nicht in Ersatz genommen zu werden und muss deswegen im Gegenzug bei regelgerechtem Verhalten des Gegners auf einen eigenen Schadensersatzanspruch verzichten (§ 242 BGB). Diese Risikoverteilung gilt nach ständiger Rechtsprechung insbesondere auch für das Fußballspiel (BGHZ 63, 140).

Dass der Beklagte einen haftungsauslösenden Regelverstoß begangen hätte, steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht fest. Insbesondere kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagte versucht hat, den Ball zu spielen und diesen möglicherweise sogar erreicht hat. Galt der Angriff aber dem Ball und nicht dem Gegner, so liegt ein Foulspiel auch dann nicht vor, wenn der Beklagte zwischen die Beine des Kläger gegrätscht hat und dieser dadurch zu Fall gekommen ist (BGH NJW 1976, 2161).

Den Vortrag des Klägers, der Beklagte sei ihm von hinten in die Beine gesprungen, haben lediglich die Zeugen N. und J. bestätigt. Deren Aussagen kann der Senat, der sich insoweit der Beweiswürdigung des Landgerichts anschließt und auf dessen Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug nimmt, indes nicht folgen, weil sie im Widerspruch zu nahezu allen anderen Zeugenaussagen stehen und deswegen unglaubhaft sind. Die übrigen Zeugen haben den Zusammenprall der beiden Parteien als - von den Fußballregeln gedeckten - Kampf um den Ball gesehen und es zumindest für möglich gehalten, dass der Beklagte den Ball auch erreicht hat. Dies gilt insbesondere auch für den Schiedsrichter S., dessen Angaben wegen seiner Neutralität und seiner Funktion als Spielbeobachter ein besonders hoher Beweiswert zukommen muss.

Der Kläger kann den Beweis eines Regelverstoßes seitens des Beklagten auch nicht durch die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Behauptung, die Verletzung des Beklagten sei nur durch den vom ihm vorgetragenen Geschehensablauf (und damit durch einen erheblichen, groben und durch nichts zu rechtfertigenden Regelverstoß) möglich gewesen, führen. Diese Frage kann der Senat in analoger Anwendung des § 244 III StPO in eigener Sachkunde beantworten. Ein Bruch von Waden- und Schienbein kann durch jede Form von Sturz und auch dadurch eintreten, dass der Betroffene ohne äußeren Anlass über seine eigenen Füße (oder, wie es der Beklagte hier vorträgt, über den Ball) stolpert.

Die Unerweislichkeit der Frage, ob ein Regelverstoß vorliegt, wirkt sich prozessual zu Lasten des Klägers aus, weil er insoweit die Beweislast trägt. Eine Beweiserleichterung, insbesondere eine Umkehr der Beweislast, greift für ihn nicht. Es hieße das kämpferische Element des Fußballspiels und den Inhalt der ihm zugrundeliegenden Spielordnung verkennen, wollte man einem Spieler, weil er der Angreifer gewesen war, die Beweislast für spielgerechtes Verhalten auferlegen, einen Beweis, den er kaum führen kann. Solche Beweislastverteilung würde ihn, bei ruhiger Überlegung, wohl von dem Angriff um den Ball abhalten, den zu unternehmen aber gerade Aufgabe jedes Spielers und Inhalt des Spiels selbst ist. Zu dem von jedem Mitspieler mit Spielbeginn in Kauf genommenen Risiko gehört somit auch und gerade die Notwendigkeit, einen eventuellen Regelverstoß selbst beweisen zu müssen (BGH, a.a.O.).

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen, da sein Rechtsmittel in vollem Umfang erfolglos geblieben ist (§ 97 I ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Festsetzung des Werts der Beschwer erfolgt gemäß § 546 II ZPO.