Hessischer VGH, Beschluss vom 25.06.1998 - 7 UE 4200/96
Fundstelle
openJur 2012, 21766
  • Rkr:
Tatbestand

Der 1979 geborene Sohn der alleinerziehenden Klägerin besuchte während der Schuljahre 1990/91 - damals in der Jahrgangsstufe 5 - bis einschließlich 1994/95 die Sekundarstufe I des mehr als 3 km von der Wohnung entfernten Gymnasiums L schule in W; zu Beginn des Schuljahres 1995/96 wechselte er - jetzt in der Jahrgangsstufe 9 - auf das ebenfalls mehr als 3 km von der Wohnung entfernte Gymnasium G Schule in W über. Mit Bescheid vom 15. Januar 1991 hatte die Beklagte der Klägerin auf deren Antrag vom 29. August 1990 für den Schulbesuch ihres Sohnes "bis einschließlich Klasse 10 die Übernahme der notwendigen Beförderungskosten" nach § 34 des Schulverwaltungsgesetzes - SchVG - bewilligt.

Mit Bescheid vom 31. Januar 1994 widerrief die Beklagte den vorgenannten Bewilligungsbescheid unter Berufung auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 HVwVfG ab dem Schuljahr 1994/95 mit folgender Begründung: Sie, die Beklagte, wäre aufgrund einer geänderten Rechtsvorschrift, nämlich des am 1. August 1993 in Kraft getretenen § 161 Abs. 5 Nr. 3 des Hessischen Schulgesetzes - HSchG - berechtigt, den Bescheid vom 15. Januar 1991 nicht zu erlassen. Nach dieser Vorschrift seien nur noch die Beförderungskosten für den Besuch der nächstgelegenen Schule notwendig, deren Unterrichtsangebot es ermögliche, den gewünschten Abschluß am Ende der Sekundarstufe I ohne Schulwechsel zu erreichen. Dies sei die nicht mehr als 3 km von der Wohnung entfernte Theodor-Fliedner- Schule, eine kooperative Gesamtschule ohne gymnasiale Oberstufe. Ohne den Widerruf würde das öffentliche Interesse an einer sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung von Haushaltsmitteln gefährdet, wozu auch gehöre, daß Leistungen nur im gesetzlich gebotenen Umfang erbracht würden. Mit dem Widerruf werde das Ziel verfolgt, die Schülerbeförderungskostenerstattung auf das gesetzliche Maß zurückzuführen. Private finanzielle Dispositionen der Klägerin, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten, seien nicht erkennbar.

Hiergegen erhob die Klägerin mit am 23. Februar 1994 eingegangenem Schreiben Widerspruch. Zur Begründung wurde geltend gemacht: Sie habe für ihren Sohn den Bildungsgang an einem selbständigen Gymnasium gewählt und dürfe deshalb nicht auf eine Gesamtschule verwiesen werden. Sie habe zudem in schutzwürdiger Weise darauf vertraut, daß die Schülerbeförderungskosten für den gymnasialen Bildungsgang im bewilligten Umfang erstattet würden; die finanzielle Absicherung sei ein maßgebender Gesichtspunkt für die Wahl der L schule gewesen. Es sei auch absurd, von ihrem Sohn nunmehr nach der 8. Klasse einen Wechsel auf eine Gesamtschule zu verlangen, von der er nach der 10. Klasse wieder auf ein Gymnasium wechseln müßte.

Durch Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 1996, per Einschreiben abgesandt am 18. Januar 1996, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt: Die Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 HVwVfG seien erfüllt. Die Leistungsgewährung in der Vergangenheit hindere den Widerruf ab dem Schuljahr 1994/95 nicht, weil insoweit noch keine Erstattung erfolgt sei. Nach § 161 Abs. 5 Nr. 3 HSchG sei für den Sohn der Klägerin jetzt die Schule als nächstgelegene anzusehen, auf der ihm die Versetzung in die Jahrgangsstufe 11 der gymnasialen Oberstufe schulformbezogen ermöglicht werden könne; nur der Abschluß am Ende der Mittelstufe müsse nämlich ohne Schulwechsel erreichbar sein. Da danach vorliegend die T -Schule maßgebend sei, wäre die Behörde berechtigt, ab dem Schuljahr 1994/95 keine Schülerbeförderungskosten mehr zu erstatten. Das Vertrauen der Klägerin auf den Fortbestand der längerfristigen Bewilligung sei nicht schutzwürdig. Zur Zeit der Anmeldung ihres Sohnes Matthias für das Gymnasium sei der Antrag auf Schülerbeförderungskostenerstattung weder gestellt noch gar beschieden gewesen. Die Abwägung der widerstreitenden Interessen falle unter diesen Umständen zu Ungunsten der Klägerin aus. Durch den Widerruf solle das öffentliche Interesse an einer sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung von Haushaltsmitteln gewahrt werden; dazu gehöre auch, daß Leistungen nur im gesetzlich gebotenen Umfang erbracht würden. Private finanzielle Dispositionen der Klägerin, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten, seien nicht erkennbar. Das verfassungsmäßige Recht auf freie Schulwahl werde nicht beeinträchtigt, denn mit dem Widerruf sei nicht etwa die Forderung nach einem Schulwechsel verbunden.

Mit Schriftsatz vom 21. Februar 1996, der am selben Tage einging, erhob die Klägerin Klage.

Zur Begründung wurde auf das Vorbringen im Widerspruchsverfahren Bezug genommen und weiter geltend gemacht: Eine zum Widerruf berechtigende Rechtsänderung sei durch § 161 Abs. 5 Nr. 3 HSchG gar nicht erfolgt; auch nach dieser Vorschrift habe sie, die Klägerin, nämlich Anspruch auf Erstattung der Schülerbeförderungskosten für den Besuch des Gymnasiums durch ihren Sohn. Auf eine kooperative Gesamtschule ohne gymnasiale Oberstufe dürfe solchenfalls nicht verwiesen werden, da dies einen Schulwechsel nach der Sekundarstufe I bedinge und zudem in der Förderstufe keine schulformbezogene Differenzierung erfolge. Dem Widerruf stehe auch entgegen, daß von der Vergünstigung spätestens durch den Beginn des Schulbesuchs ab dem Schuljahr 1990/91 Gebrauch gemacht worden sei. Außerdem habe die Beklagte durch die ausgesprochene Bewilligung bis einschließlich Klasse 10, zu der sie gesetzlich nicht verpflichtet gewesen sei, einen Widerruf ungeachtet nachträglicher Rechtsänderungen selbst ausgeschlossen. Sie, die Klägerin, verdiene auch deshalb Vertrauensschutz, weil die Erstattung der Schülerbeförderungskosten seinerzeit ausschlaggebend für den Wechsel ihres Sohnes auf die Leibnizschule gewesen sei. Sie habe sich damals bei Eltern älterer Kinder über die Erstattungspraxis der Beklagten informiert, da sie lediglich über gut 1.300,-- DM Unterhalt monatlich zuzüglich Kindergeld für zwei Kinder verfügt habe. Der Widerruf verletze darüber hinaus das Recht auf freie Schulwahl, welches sich aus dem Elternrecht und dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ergebe.

Die Klägerin beantragte sinngemäß,

den Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 1994 und deren Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 1996 aufzuheben sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Sie nahm zur Begründung auf die Gründe der angefochtenen Bescheide Bezug und machte ergänzend geltend: Vor Januar 1994 hätten keine Widerrufsbescheide ergehen können, weil zuvor der gesamte Bestand von 4.000 bis 5.000 Schülerbeförderungskostenerstattungsfällen auf einschlägige Betroffenheit habe überprüft werden müssen.

Durch Urteil vom 11. Juni 1996 - zugestellt am 10. September 1996 - hob das Verwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide auf, soweit der Bescheid vom 15. Januar 1991 für das Schuljahr 1994/95 widerrufen wurde, wies die Klage im übrigen ab und erklärte die Zuziehung eines Bevollmächtigten "für das Verwaltungsverfahren" für notwendig. Zur Begründung wurde näher dargelegt: Der Widerruf bewilligter Schülerbeförderungskostenerstattung für das Schuljahr 1994/95 sei rechtswidrig. Die Voraussetzungen des hierfür allenfalls in Betracht zu ziehenden § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 HVwVfG lägen insoweit nicht vor. Zwar habe sich das Schülerbeförderungskostenrecht aufgrund des § 161 Abs. 5 Nr. 3 HSchG insofern geändert, als sich Schüler, deren Eltern den gymnasialen Bildungsgang gewählt haben, jetzt auch auf eine entsprechende Schule verweisen lassen müßten, die nur die Sekundarstufe I, nicht aber die Sekundarstufe II umfasse; es komme nämlich nicht mehr auf den gewünschten Abschluß am Ende des Bildungsgangs, sondern nur noch auf denjenigen am Ende einer Schulstufe an. Diese Änderung gelte nach dem eindeutig erkennbaren Willen des Gesetzgebers aber nur für diejenigen Schüler, die nach dem Inkrafttreten des § 161 Abs. 5 Nr. 3 HSchG in die Sekundarstufe I eintreten, nicht hingegen für solche, die - wie der Sohn M der Klägerin - sich bereits in der Sekundarstufe I befinden; anderenfalls würde unter schülerbeförderungskostenrechtlichen Gesichtspunkten ein Schulwechsel im Verlauf der Sekundarstufe I erforderlich, den das Gesetz gerade nicht zumuten wolle. Davon abgesehen sei ein Widerruf hier deshalb nicht möglich, weil von der Vergünstigung durch die im Vertrauen auf eine Erstattung der Schülerbeförderungskosten getroffene Schulwahl Gebrauch gemacht worden sei. Für die Schuljahre 1995/96 und 1996/97 sei der Widerruf dagegen rechtmäßig, weil der Sohn der Klägerin ab dem Schuljahr 1995/96 ein anderes Gymnasium besuche und dadurch der gesetzgeberische Zweck, ihm einen Schulwechsel während der Sekundarstufe I zu ersparen, ohnehin nicht mehr zu erreichen sei.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte mit am 9. Oktober 1996 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt.

Zur Begründung macht sie geltend: § 161 Abs. 5 Nr. 3 HSchG erfasse auch die beim Inkrafttreten bereits in der Sekundarstufe I befindlichen Schüler. Bereits aus dem Fehlen einer Übergangsregelung sei zu schließen, daß die geänderte Rechtsvorschrift auf alle Schüler anzuwenden sei. Der Widerrufsmöglichkeit stehe auch kein Gebrauchmachen von der Vergünstigung durch die Schulwahl entgegen, weil diese lange vor der Bewilligung der Schülerbeförderungskostenerstattung getroffen worden sei. Der Widerruf werde schließlich nicht durch einen zu berücksichtigenden Vertrauensschutz eingeschränkt, denn die Schulwahl erfolge erfahrungsgemäß allein unter pädagogischen und nicht unter schülerbeförderungskostenrechtlichen Erwägungen. Für den vorliegenden Fall werde dies durch den Wechsel von der L schule zur G -Schule ab dem Schuljahr 1995/96, also nach Inkrafttreten der Rechtsänderung, besonders deutlich.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

unter Abänderung des Urteils, soweit der Klage stattgegeben wurde, nach ihrem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil, vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht ergänzend geltend: Sofern § 161 Abs. 5 Nr. 3 HSchG auch beim Inkrafttreten bereits in der Sekundarstufe I befindliche Schüler erfassen sollte, wäre die Vorschrift wegen einer insoweit fehlenden Übergangsregelung mit Blick auf die rechtsstaatlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit nichtig. Die durch die Rechtsänderung bewirkte Beschränkung der zu erstattenden notwendigen Schülerbeförderungskosten lasse auch die verfassungsrechtlich geschützte Schulwahlentscheidung nicht unberührt, weil den Eltern zugemutet werde, entweder die Beförderungskosten selbst zu tragen oder einen - regelmäßig mit erheblichen Belastungen für das Kind verbundenen - Schulwechsel zu veranlassen.

Die Beteiligten sind dazu gehört worden, daß der Senat über die Berufung durch Beschluß entscheiden kann, wenn er sie einstimmig für begründet oder unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, des einschlägigen Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie der - korrespondierende Verfahren betreffenden - Gerichtsakten VG Wiesbaden 6/1 E 556/95 (= Hess. VGH 7 UE 4203/96), VG Wiesbaden 6/1 E 1058/95 (= Hess. VGH 7 UE 4202/96), VG Wiesbaden 6/V E 125/96 (= Hess. VGH 7 UE 4199/96) und VG Wiesbaden 6/1 E 334/96 (= Hess. VGH 7 UE 4201/96) Bezug genommen, die allesamt Gegenstand der Beratung gewesen sind.

Gründe

Der Senat entscheidet nach entsprechender Anhörung der Beteiligten (§ 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO) über die Berufung durch Beschluß, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 130a Satz 1 VwGO).

Die vom Verwaltungsgericht gemäß § 131 Abs. 2 Satz 1 a.F. VwGO zugelassene, frist- und formgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet, denn das Verwaltungsgericht hat der Klage, soweit der Bescheid vom 15. Januar 1991 hinsichtlich der Schülerbeförderungskostenerstattung für das Schuljahr 1994/95 widerrufen wurde, im Ergebnis zu Recht stattgegeben, weil der (Widerrufs-) Bescheid vom 31. Januar 1994 insoweit rechtswidrig ist.

Nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 HVwVfG, auf den allein die Beklagte den Widerruf gestützt hat, darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder aufgrund des Verwaltungsakts noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.

Rechtlich nicht zu beanstanden ist, daß die Beklagte für den Widerruf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 HVwVfG herangezogen hat, obgleich der widerrufene Verwaltungsakt vom 15. Januar 1991, soweit er das Schuljahr 1994/95 betrifft, am 1. August 1993 möglicherweise rechtswidrig geworden ist. Denn unabhängig davon ist die Behörde jedenfalls nicht gehindert, auch einen rechtswidrigen Verwaltungsakt nach Widerrufsgrundsätzen aufzuheben.

Bei seinem Erlaß war der Bescheid vom 15. Januar 1991 rechtmäßig; der ausgesprochenen Bewilligung einer Schülerbeförderungskostenerstattung bis einschließlich Klasse 10 lag damals § 34 Abs. 5 Nr. 3 Sätze 1 und 2 SchVG in der - am 1. August 1990 in Kraft getretenen - Fassung vom 26. Juni 1990 (GVBl. I S. 191) zugrunde. Danach waren notwendig die Beförderungskosten für den Besuch der nächstgelegenen aufnahmefähigen Schule, deren Unterrichtsangebot es ermöglichte, den gewählten Bildungsgang zu verfolgen, und galt als nächstgelegene Schule auch diejenige, in der der Schüler den Bildungsgang ohne Schulwechsel verfolgen konnte. Da der für den Sohn Matthias der Klägerin gewählte Bildungsgang des Gymnasiums an der Theodor-Fliedner-Schule angesichts der dort nicht vorhandenen gymnasialen Oberstufe nicht bis zum Abitur, mithin nicht ohne Schulwechsel, hätte verfolgt werden können, galt für ihn das Gymnasium Leibnizschule als nächstgelegene Schule und bestand für den dortigen Schulbesuch demzufolge wegen der Entfernung von mehr als 3 km zur Wohnung Anspruch auf Schülerbeförderungskostenerstattung. Die über das damals laufende Schuljahr 1990/91 hinaus bis einschließlich Klasse 10 erfolgte Bewilligung änderte an der Rechtmäßigkeit nichts, denn trotz des in § 34 Abs. 8 SchVG bestimmten schuljahresbezogenen Erstattungszeitraums stand es der Beklagten frei, im Interesse der Verwaltungsvereinfachung ihre Leistungspflicht für den gesamten voraussichtlichen Anspruchszeitraum schon im voraus dem Grunde nach anzuerkennen (vgl. Köller, Hessisches Schulgesetz, 3. Nachlieferung 1998, § 161, Erl. 9.2).

Darauf, ob der Bescheid vom 15. Januar 1991 mit dem Inkrafttreten des § 161 HSchG am 1. August 1993 ex nunc rechtswidrig geworden ist, kommt es für die hier relevante Frage der Anwendbarkeit des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 HVwVfG rechtlich nicht an. Ebenso kann offenbleiben, ob zur Abgrenzung des jeweiligen Anwendungsbereichs von § 48 HVwVfG einerseits und § 49 HVwVfG andererseits bei Dauerverwaltungsakten grundsätzlich die Rechtmäßig- bzw. Rechtswidrigkeit im Zeitpunkt des Erlasses des aufzuhebenden Verwaltungsakts maßgebend ist (so Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 5. Aufl. 1998, § 44, Rdnrn. 22 i.V.m. 25, u. § 48, Rdnrn. 59, 62 u. 64, sowie Knack, VwVfG, 5. Aufl. 1996, Vor § 43, Rdnr. 5.2.4.2, u. § 49, Rdnr. 6.4), oder ob dann, wenn ein auf eine Geldleistung gerichteter, ursprünglich rechtmäßiger Verwaltungsakt aufgrund einer Sachverhaltsänderung ab einem späteren Zeitpunkt rechtswidrig wird, jedenfalls für eine von da an wirkende Aufhebung hinsichtlich eines bereits vergangenen Zeitraums der Anwendungsbereich des § 48 HVwVfG eröffnet ist (so BVerwG, U. v. 22.09.1993 - 2 C 34.91 - NVwZ-RR 1994, 369, unter Hinweis auf U. v. 16.11.1989 - 2 C 43.87 - BVerwGE 84, 111) und ob dies bejahendenfalls auch für eine in die Zukunft reichende Aufhebung aufgrund einer Rechtsänderung gilt.

Diese Rechtsfragen bedürfen hier deshalb keiner Entscheidung, weil der Behörde die Möglichkeit des Widerrufs auch bei einem rechtswidrigen Verwaltungsakt nicht verschlossen ist (Stelkens/ Bonk/Sachs, a.a.O., § 49, Rdnr. 6). Denn die in § 49 Abs. 1 und 2 HVwVfG aufgeführten Voraussetzungen schränken den Anwendungsbereich dieser Vorschrift insofern nicht ein, sondern stellen lediglich dessen - im Vergleich zu § 48 HVwVfG - unterschiedliche Reichweite klar. Auch die letztgenannte Vorschrift steht einer dahingehenden Auslegung nicht entgegen, weil sie keine Verpflichtung zur Rücknahme begründet, sondern der Behörde hinsichtlich des "Ob" Entscheidungsfreiheit einräumt. Im übrigen verdient der rechtswidrige Verwaltungsakt erst recht keinen Schutz vor Aufhebung, wenn bei gleichen Gegebenheiten sogar der rechtmäßige Verwaltungsakt widerrufen werden kann (vgl. BVerwG, U. v. 21.11.1986 - 8 C 33.84 - NVwZ 1987, 498, ferner Stelkens/ Bonk/Sachs, a.a.O., § 49, Rdnr. 6, m.w.N., u. Knack, a.a.O., § 49, Rdnr. 2.3).

Die nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 HVwVfG sonst erforderlichen Voraussetzungen sind aber nicht allesamt erfüllt, und es läßt sich auch nicht feststellen, daß die Beklagte das ihr - wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen vorlägen - eröffnete Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat.

Freilich fehlt es nicht schon daran, daß die Behörde aufgrund einer geänderten Rechtsvorschrift - hier aufgrund des am 1. August 1993 in Kraft getretenen § 161 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 HSchG vom 17. Juni 1992 in der bis zum 1. August 1997 geltenden Fassung (GVBl. I S. 695) - berechtigt gewesen wäre, den Verwaltungsakt für das allein streitige Schuljahr 1994/95 nicht zu erlassen.

Nach § 161 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 HSchG in der vorgenannten Fassung sind notwendig Beförderungskosten für den Besuch der nächstgelegenen aufnahmefähigen Schule, deren Unterrichtsangebot es ermöglicht, den gewünschten Abschluß am Ende einer Schulstufe (§ 11 Abs. 2 HSchG) ohne Schulwechsel zu erreichen, und gilt dabei der Entscheidung der Eltern entsprechend als nächstgelegene entweder die Schule, auf der der gewählte Bildungsgang schulformbezogen, oder diejenige, auf der er schulformübergreifend angeboten wird (§ 12 Abs. 3 HSchG).

Durch diese Vorschrift ist im Vergleich zu § 34 Abs. 5 Nr. 3 Sätze 1 und 2 SchVG in der seit dem 1. August 1990 geltenden Fassung insofern eine Rechtsänderung eingetreten, als nicht mehr diejenige Schule als nächstgelegene anzusehen ist, auf der der gewählte Bildungsgang - hier der des Gymnasiums mit dem Abitur - ohne Schulwechsel abgeschlossen werden kann, sondern nunmehr diejenige, auf der der gewünschte Abschluß am Ende einer Schulstufe - hier die Versetzung in die Jahrgangsstufe 11 der gymnasialen Oberstufe am Ende der Mittelstufe im Bildungsgang des Gymnasiums - ohne Schulwechsel erreichbar ist (vgl. Köller, a.a.O., § 161, Erl. 6 zu Nr. 3 (S. 409, 2. Abs.)). Diese Rechtsänderung folgt allerdings nicht ohne weiteres aus dem Wortlaut der Vorschrift in der hier maßgebenden Fassung, weil dieser auf den gewünschten Abschluß am Ende einer der in § 11 Abs. 2 HSchG definierten drei Schulstufen - also der Primarstufe (Jahrgangsstufen 1 bis 4), der Sekundarstufe I (Jahrgangsstufen 5 bis 10) oder der Sekundarstufe II (Jahrgangsstufen 11 bis 13) - abstellt und damit für den vorliegenden Fall auch eine Auslegung im Sinne des letztlich gewünschten Abschlusses der Sekundarstufe II (vgl. § 13 Abs. 5 HSchG) jedenfalls nicht von vornherein ausschließt. Der Wille des Gesetzgebers ging jedoch dahin, nur den gewünschten Abschluß am Ende der Sekundarstufe I zu erfassen. Dies ergibt sich zum einen daraus, daß es ansonsten - hätte weiterhin der Abschluß des gewählten Bildungsgangs maßgebend bleiben sollen - keiner Neuformulierung des Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 des § 34 SchVG in der zuletzt geltenden Fassung bedurft hätte, und zum anderen vor allem daraus, daß es sich bei der am 1. August 1997 in Kraft getretenen erneuten Änderung des § 161 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 HSchG vom 15. Mai 1997 (GVBl. I S. 143), wonach jetzt ausdrücklich auf den "gewünschten Abschluß am Ende der Mittelstufe (Sekundarstufe I)" abgestellt wird, ausweislich der Begründung zu dem betreffenden Gesetzentwurf der Landesregierung lediglich um eine "redaktionelle Klarstellung... ohne materielle Änderungen" handelt (LTDrs. 14/2476 v. 03.12.1996, Begr. zu Art. 1 § (richtig: Nr.) 98 b), S. 53). Der danach gebotenen Auslegung auch der für das vorliegende Verfahren maßgebenden Fassung des § 161 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 HSchG dahin, daß es auf den gewünschten Abschluß im gewählten Bildungsgang am Ende der Sekundarstufe I ankommt, steht nicht entgegen, daß an Gymnasien am Ende der Sekundarstufe I der Mittlere Abschluß nicht ohne weiteres erworben werden kann (§ 26 Abs. 2 der Verordnung zur Ausgestaltung der Bildungsgänge und Schulformen der Mittelstufe (Sekundarstufe I) - MitStufVO - vom 07.07.1993 (ABl. S. 630)). Denn die Versetzung in die Jahrgangsstufe 11 der gymnasialen Oberstufe, die im gewählten Bildungsgang des Gymnasiums am Ende der Sekundarstufe I angestrebt wird, ist nach ihrer systematischen Einordnung im Dritten Teil "Abschlüsse und Gleichstellungen" (vgl. § 35 MitStufVO) als gewünschter Abschluß am Ende der Sekundarstufe I anzusehen, zumal diese Versetzung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 MitStufVO dem Mittleren Abschluß gleichsteht.

Die durch § 161 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 HSchG ab dem 1. August 1993 bewirkte Rechtsänderung beschränkt sich - entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung (vgl. S. 5, 2. Abs., des erstinstanzlichen Urteilsabdrucks) - nicht auf solche Schülerinnen und Schüler, die mit oder nach dem Inkrafttreten der Vorschrift in die Sekundarstufe I eingetreten sind; sie erfaßt vielmehr auch diejenigen, die sich - wie der Sohn Matthias der Klägerin - vor dem 1. August 1993 bereits in der Sekundarstufe I befunden haben. Dies folgt schon daraus, daß § 187 HSchG keine entsprechende ausdrückliche Übergangsregelung enthält. Eine solche ergibt sich auch nicht im Wege teleologischer oder verfassungskonformer Auslegung. Der Sinn der Rechtsänderung geht zwar dahin, den gewünschten Abschluß im gewählten Bildungsgang am Ende der Sekundarstufe I ohne Schulwechsel zu ermöglichen.

Dies schließt aber nicht notwendig aus, daß der Gesetzgeber Schülerinnen und Schülern aus Anlaß der Änderung des Schülerbeförderungskostenrechts gleichwohl einen Schulwechsel im gewählten Bildungsgang der Sekundarstufe I für den Fall zumuten wollte, daß ihre Eltern die beim Weiterbesuch der bisherigen Schule jetzt nicht mehr erstattungsfähigen Schülerbeförderungskosten nicht selbst tragen wollten oder konnten. Die gegenwärtige Organisation des Schulwesens verlangt Schülerinnen und Schülern, deren Eltern den Bildungsgang des Gymnasiums wählen, ohnehin einen mehrfachen Schulwechsel im Verlauf ihres Bildungsweges ab, unter Umständen nämlich nach der Primarstufe, nach der Förderstufe und nach der Sekundarstufe I; angesichts dessen übersteigt ein zusätzlicher Schulwechsel aufgrund einer Änderung des Schülerbeförderungskostenrechts, soweit er nicht im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstößt, nicht das Maß des Zumutbaren (Hess. VGH, U. v. 13.04.1981 - VI OE 23/80 -) und gibt deshalb grundsätzlich keinen Anspruch auf Erstattung der Beförderungskosten zu einer anderen als der nächstgelegenen Schule (Hess. VGH, Ue. v. 11.05.1981 - VI OE 31/80 - u. v. 27.07.1984 - 6 OE 16/83 - NVwZ 1984, 811). Deshalb bedurfte es, und zwar auch aus verfassungsrechtlicher Sicht, beim Inkrafttreten des § 163 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 HSchG ebensowenig einer Übergangsregelung für solche Schülerinnen und Schüler, die bereits vorher in die Sekundarstufe I eingetreten waren, wie eine solche beim Inkrafttreten früherer Änderungen des Schülerbeförderungskostenrechts - etwa des rechtsähnlichen § 34 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 SchVG i.d.F. vom 17. Dezember 1980 (GVBl. I S. 506) am 1. Januar 1981, wonach auf die nächstgelegene Schule mit einem zur Verfolgung des gewählten Bildungsgangs geeigneten Unterrichtsangebot auch dann abzustellen war, wenn sie nur einzelne Stufen dieses Bildungsgangs umfaßte - erforderlich war (vgl. Hess. StGH, B. v. 25.07.1984 - P.St. 997 - StAnz. S. 1585 (1588 f.), u. Hess. VGH, U. v. 13.04.1981 - VI OE 23/80 -).

Aufgrund der geänderten Rechtsvorschrift, nämlich des § 161 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 HSchG, wäre die Beklagte berechtigt gewesen, der Klägerin schon ab dem Schuljahr 1993/94 - erst recht also für das hier streitige Schuljahr 1994/95 - keine Schülerbeförderungskosten für ihren Sohn Matthias mehr zu erstatten. Das Unterrichtsangebot der nicht mehr als 3 km von der Wohnung entfernten Theodor-Fliedner-Schule, einer kooperativen Gesamtschule ohne gymnasiale Oberstufe, ermöglicht es dem Sohn der Klägerin nämlich, den gewählten Bildungsgang des Gymnasiums während der Sekundarstufe I entsprechend der Entscheidung der Klägerin schulformbezogen zu verfolgen und den gymnasialen Abschluß am Ende der Sekundarstufe I, nämlich die Versetzung in die Jahrgangsstufe 11 der gymnasialen Oberstufe, zu erreichen. Daß der Bildungsgang des Gymnasiums auch in den Jahrgangsstufen 7 bis 10 der kooperativen Gesamtschule schulformbezogen angeboten wird (§ 12 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. §§ 25 Abs. 1 Satz 4, 26 Abs. 1 Satz 1 HSchG) und beide deshalb jedenfalls insoweit schülerbeförderungskostenrechtlich gleich zu achten sind, stellt dabei übrigens keine mit dem Inkrafttreten des § 161 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 HSchG verbundene weitere Rechtsänderung dar; denn in diesem Punkt war die Rechtslage während der Geltung des § 34 SchVG nicht anders (Hess. VGH, Ue. v. 23.03.1981 - VI OE 28/80 -, v. 11.05.1981 - VI OE 31/80 -, v. 23.02.1990 - 7 UE 3284/89 - u. v. 03.03.1992 - 7 UE 151/89 -; Köller, a.a.O., § 161, Erl. 6 zu Nr. 3 (S. 408, 4. u. 5. Abs.); vgl. auch Hess. StGH, B. v. 25.07.1984 - P.St. 962 - StAnz. S. 1581 (1585)). Auch der Umstand, daß die kooperative Gesamtschule gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 HSchG in den Jahrgangsstufen 5 und 6 regelmäßig - so auch die Theodor-Fliedner-Schule - mit der Förderstufe beginnt, die ihrerseits eine schulformübergreifende Organisationsform darstellt (vgl. § 22 Abs. 2 Nr. 1 HSchG in der bis zum 01.08.1997 und § 22 Abs. 2 Nr. 2 HSchG in der seither geltenden Fassung), steht - entgegen der Auffassung der Klägerin - einer schülerbeförderungskostenrechtlichen Verweisung auf diese Schule nicht entgegen (im Ergebnis ebenso Köller, a.a.O., § 161, Erl. 6 zu Nr. 3 (S. 409, 3. Abs.)). Dies gilt unabhängig davon, ob die Jahrgangsstufen 5 und 6 auch bei schulformübergreifender Organisation als Förderstufe als den Bildungsgang der Grundschule fortführendes, zugleich aber die inhaltlichen Anforderungen der Bildungsgänge der Sekundarstufe I erfüllendes Bindeglied schon der letzteren zuzurechnen sind. Schülerbeförderungskostenrechtlich bedeutsam ist nämlich allein, daß auf der betreffenden Schule der gewählte Bildungsgang - hier des Gymnasiums - entsprechend der Entscheidung der Eltern nach § 77 Abs. 1 Satz 2 HSchG schulformbezogen bzw. schulformübergreifend angeboten wird. Dieses Wahlrecht, das zugleich mit der Wahl des Bildungsgangs als solchen auszuüben ist (vgl. § 77 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HSchG), setzt für den Fall, daß die Jahrgangsstufen 5 und 6 als Förderstufe organisiert sind, indes gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 HSchG in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise erst zum Ende der Jahrgangsstufe 6 ein (Hess. StGH, Ue. v. 04.04.1984 - P.St. 1002 - StAnz. S. 825 (828), v. 11.02.1987 - P.St. 1036 - StAnz. S. 562 (577 f.) u. v. 04.10.1995 - P.St. 1170 - StAnz. S. 3391 (3412); Hess. VGH, Be. v. 09.07.1986 - 6 NG 1038/86 - u. v. 24.08.1994 - 7 TG 2125/94 - NVwZ-RR 1995, 33, sowie U. v. 26.08.1994 - 7 UE 2325/90 -). Eine elterliche Entscheidung für gemäß § 21 Abs. 3 HSchG angebotene schulformbezogene Jahrgangsstufen 5 und 6 an einem Gymnasium ist demzufolge schülerbeförderungskostenrechtlich nicht relevant. Im konkreten Fall kommt hinzu, daß der Sohn der Klägerin im streitigen Schuljahr 1994/95 der Förderstufe längst entwachsen war.

Die der Beklagten danach grundsätzlich eröffnete Widerrufsmöglichkeit gemäß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 HVwVfG war hinsichtlich des Schuljahres 1994/95 auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß von der Vergünstigung Gebrauch gemacht oder Leistungen empfangen worden waren. Die Alternative des Gebrauchmachens von der Vergünstigung dürfte vorliegend von vornherein nicht einschlägig sein; denn sie erfaßt nach der Systematik der Vorschrift wohl nur solche Verwaltungsakte, aufgrund deren keine Leistungen gewährt werden, wie etwa Erlaubnisse oder Genehmigungen (vgl. Kopp, VwVfG, 6. Aufl. 1996, § 49, Rdnr. 43, u. Knack, a.a.O., § 49, Rdnr. 6.4.3). Unabhängig davon könnte in der von der Klägerin getroffenen Wahl der Leibnizschule schon deshalb kein Gebrauchmachen von der Bewilligung der Schülerbeförderungskostenerstattung gesehen werden, weil die Schulwahl mehr als ein halbes Jahr zuvor - wenn auch in Kenntnis der seinerzeitigen Rechtslage und Verwaltungspraxis hinsichtlich der Erstattung von Schülerbeförderungskosten - erfolgt war, so daß von einem "Inswerksetzen", also gleichsam einer Ausführung des begünstigenden Verwaltungsakts, ohnehin keine Rede sein könnte (vgl. BVerwG, U. v. 24.01.1992 - 7 C 38.90 - NVwZ 1992, 565). Die für Fälle bewilligter Geld- oder Sachleistungen - um einen solchen handelt es sich hier - einschlägige zweite Alternative stand dem unter dem 31. Januar 1994 für das - aus damaliger Sicht - kommende Schuljahr 1994/95, für das noch keine Schülerbeförderungskosten erstattet worden waren, ausgesprochenen Widerruf von vornherein nicht entgegen. Die für die vorangegangenen Schuljahre 1990/91 bis 1993/94 offenbar erstatteten Schülerbeförderungskosten hinderten den ab dem Schuljahr 1994/95 erfolgten Widerruf angesichts der "Soweit"-Fassung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 HVwVfG jedenfalls nicht. Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, daß es sich hier um einen grundsätzlich zugelassenen teilweisen Widerruf mit Wirkung für die Zukunft handelte.

Es fehlt jedoch an der - vom Verwaltungsgericht (aus seiner Sicht konsequent) nicht erkennbar geprüften - weiteren tatbestandlichen Voraussetzung des § 49 bs. 2 Satz 1 Nr. 4 HVwVfG, daß ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Danach genügt es nicht, daß der Widerruf im öffentlichen Interesse liegt; erforderlich ist vielmehr, daß er zur Beseitigung oder Verhinderung eines sonst drohenden Schadens für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten ist (BVerwG, U. v. 24.01.1992 - 7 C 38.90 - a.a.O., unter Berufung auf B. v. 16.07.1982 - 7 B 190.81 - DVBl. 1982, 1005; Knack, a.a.O., § 49, Rdnr. 6.3.2.; Kopp, a.a.O., § 49, Rdnr. 39; Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 49, Rdnr. 69). Diese Gefährdung muß von der Behörde dargetan und durch Tatsachen belegt werden, sofern sie nicht auf der Hand liegt (vgl. Knack, a.a.O., § 49, Rdnr. 6.3.2., u. Stelkens/Bonk/ Sachs, a.a.O., § 49, Rdnr. 117). Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden lediglich das prinzipiell berücksichtigungsfähige öffentliche Interesse an einer sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung von Haushaltsmitteln (vgl. BVerwG, B. v. 17.10.1985 - 7 B 161.85 - DÖV 1986, 202) angeführt, wozu auch gehöre, daß Leistungen nur im gesetzlich gebotenen Umfang gewährt würden. Eine Gefährdung dieses öffentlichen Interesses im Sinne eines drohenden Schadenseintritts für ein wichtiges Gemeinschaftsgut, etwa für die finanzielle Leistungsfähigkeit der Beklagten, wurde damit nicht hinreichend dargetan oder belegt. Der Umstand, daß der Klägerin und einer nicht bezifferten Zahl weiterer Eltern von bereits in der Sekundarstufe I befindlichen Schülerinnen und Schülern - nach Angaben der Beklagten wurden 4.000 bis 5.000 Schülerbeförderungskostenerstattungsfälle auf einschlägige Betroffenheit überprüft - aufgrund der damaligen Praxis der Beklagten, jeweils Grundbescheide bis einschließlich Jahrgangsstufe 10 zu erlassen, trotz zu ihrem Nachteil veränderter Rechtslage über den 1. August 1993 hinaus Schülerbeförderungskosten erstattet wurden bzw. würden, stellt jedenfalls für sich allein keine Gefährdung des öffentlichen Interesses im vorgenannten Sinne dar. Erst recht ist nichts dafür ersichtlich, daß angesichts der relativ geringen Beträge im jeweiligen Einzelfall selbst bei einer größeren Zahl von Fällen die finanzielle Leistungsfähigkeit der Beklagten gefährdet gewesen sein könnte, wenn von einem Widerruf abgesehen worden wäre. Weiterer diesbezüglicher Ermittlungen von Gerichts wegen bedurfte es schon wegen der Darlegungslast der Beklagten nicht, ganz abgesehen davon, daß entsprechendes neues Vorbringen nach dem Abschluß des Widerspruchsverfahrens jedenfalls nicht mehr beachtlich wäre (vgl. § 45 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 HVwVfG).

Darüber hinaus vermag der Senat auch eine fehlerfreie Ermessensausübung der Beklagten nicht festzustellen.

Der Widerruf steht, wenn sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, im Ermessen der Behörde; dieses muß entsprechend betätigt und begründet werden (Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 49, Rdnr. 8). Die anzustellenden Ermessenserwägungen und der Begründungsaufwand haben sich in Widerrufsfällen daran zu orientieren, ob und inwieweit die konkreten Umstände des Einzelfalls dafür hinreichenden Anlaß geben (BVerwG, B. v. 27.06.1990 - 7 B 93.90 - NVwZ-RR 1991, 63). Stellt der Widerruf die Regel, das Absehen davon hingegen die Ausnahme dar, so kann eine Mitteilung der angestellten Ermessenserwägungen eventuell sogar gänzlich unterbleiben (so BVerwG, B. v. 27.06.1990 - 7 B 93.90 - a.a.O., für den Widerruf einer Güternahverkehrserlaubnis wegen wiederholter Nichterfüllung steuerrechtlicher Verpflichtungen). Ein solches Regel-Ausnahme-Verhältnis liegt hier, zumal angesichts des bis einschließlich Jahrgangsstufe 10 reichenden Grundbescheids trotz in § 34 Abs. 8 SchVG vorgesehener schuljahresbezogener Erstattung, zur Überzeugung des Senats nicht vor. Allerdings kann nicht außer Betracht bleiben, daß jedenfalls in den Widerrufsfällen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 3 bis 5 HVwVfG das öffentliche Interesse an einem Widerruf im allgemeinen schwerer wiegt als das Vertrauen des Betroffenen auf den Fortbestand des Verwaltungsakts, denn Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes sind bereits vom Gesetzgeber in die betreffenden Widerrufsregelungen und die Entschädigungsvorschrift des § 49 Abs. 6 HVwVfG eingearbeitet (BVerwG, U. v. 24.01.1992 - 7 C 38.90 - a.a.O.; Stelkens/ Bonk/Sachs, a.a.O., § 49, Rdnr. 34). Aus diesem Grunde bedürfen Kriterien des Vertrauensschutzes im Rahmen des der Behörde eröffneten Widerrufsermessens nur dann gesonderter Berücksichtigung, wenn der dem Betroffenen unmittelbar kraft Gesetzes zustehende Vertrauensschutz aus besonderen Gründen nicht ausreichend erscheint (BVerwG, U. v. 24.01.1992 - 7 C 38.90 - a.a.O.). Das kann beispielsweise bei bereits vor dem eigentlichen Gebrauchmachen von dem Verwaltungsakt getroffenen erheblichen Investitionen oder sonstigen Dispositionen der Fall sein (vgl. Stelkens/ Bonk/Sachs, a.a.O., § 49, Rdnr. 76, u. Kopp, a.a.O., § 49, Rdnr. 20 a.E.). Vergleichbare besondere Gründe sieht der Senat vorliegend darin, daß die Klägerin zwar nicht in Ausführung der bewilligten Schülerbeförderungskostenerstattung, aber im Vorgriff auf diese und im Vertrauen auf die damalige Rechtslage und Verwaltungspraxis für ihren Sohn M die L schule gewählt hat. Hinzu kommt, daß die Beklagte, obwohl dies gesetzlich nicht geboten war, einen bis einschließlich Klasse 10 reichenden Grundbescheid erlassen hat, dessen Unwiderruflichkeit zwar nicht festgeschrieben, dem aber andererseits auch kein ausdrücklicher Widerrufsvorbehalt für den Fall künftiger Rechtsänderungen beigegeben wurde, wie dies offenbar späterer Verwaltungsübung - die Klägerin hat beispielhaft einen entsprechenden Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 1995 vorgelegt - entspricht (vgl. hierzu auch Köller, a.a.O., § 161, Erl. 9.2). Danach setzt eine fehlerfreie Ermessensausübung im vorliegenden Fall voraus, daß die Beklagte sich überhaupt des ihr eröffneten Ermessensspielraums bewußt war und daß sie die vorgenannten Erwägungen in ihre Ermessensbetätigung zumindest eingestellt hat. Dies ist den angefochtenen Bescheiden zur Überzeugung des Senats nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen.

Es ist schon nicht erkennbar, daß die Beklagte sich bei Erlaß des Widerspruchsbescheids, der die Gestalt des ursprünglichen Verwaltungsakts für das Verwaltungsstreitverfahren maßgebend bestimmt (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), überhaupt darüber im klaren war, daß sie auch bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 HVwVfG noch Ermessen auszuüben hat. Darauf deutet zunächst hin, daß von Ermessen in keinem der beiden angefochtenen Bescheide ausdrücklich die Rede ist. Dafür spricht des weiteren, daß im Widerspruchsbescheid lediglich der Obersatz erscheint, die Voraussetzungen der einschlägigen Widerrufsvorschrift seien erfüllt, während der verbleibende Entscheidungsspielraum auf der Rechtsfolgenseite unerwähnt bleibt. Soweit beide Bescheide Erwägungen enthalten, die materiell einer Ermessensentscheidung zugerechnet werden könnten, sind diese nach Aufbau und Systematik des jeweiligen Bescheids von der Beklagten - auch wenn im Widerspruchsbescheid anders als im Erstbescheid von einer Abwägung der widerstreitenden Interessen gesprochen wird - ersichtlich der Tatbestandsvoraussetzung zugeordnet, ob ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Außerdem ist hinsichtlich von der Klägerin etwa getroffener Dispositionen, die nach Auffassung der Beklagten eventuell eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten, in zu enger Betrachtungsweise allein auf solche finanzieller Art abgestellt; die im Vorgriff auf die nach damaliger Rechtslage und Verwaltungspraxis erwartete Bewilligung der Schülerbeförderungskostenerstattung getroffene Schulwahlentscheidung der Klägerin für ihren Sohn Matthias wird dagegen im Widerspruchsbescheid nur in anderem Zusammenhang, nämlich bei der vorausgegangenen Prüfung eines Gebrauchmachens von der Vergünstigung, erwähnt. Und der Umstand, daß die Beklagte ohne Not einen bis einschließlich Klasse 10 reichenden Grundbescheid erlassen hat, kommt im jeweiligen rechtlichen Teil der Bescheidgründe überhaupt nicht zur Sprache. Es hat keine Veranlassung bestanden, der Beklagten von Gerichts wegen gemäß §§ 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7, 114 Satz 2 VwGO ausdrücklich Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vorbringens hinsichtlich nicht ausreichender Ermessenserwägungen zu geben. Denn zum einen wäre dadurch ein begangener Verfahrensfehler wohl nicht unbeachtlich geworden, weil das Vorverfahren längst abgeschlossen war (§ 45 Abs. 2 HVwVfG), und dürfte § 114 Satz 2 VwGO hier gar nicht anwendbar sein, weil mehr als eine bloße Ergänzung von Ermessenserwägungen in Frage steht. Und zum anderen ist die fehlerhafte Ermessensausübung letztlich nicht entscheidungserheblich, da es - wie weiter oben dargelegt - bereits an einer tatbestandlichen Voraussetzung für den Widerruf fehlt, nämlich daran, daß ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Nur der Vollständigkeit halber sei bemerkt, daß allerdings - und zwar, entgegen der von der Klägerin im Berufungsverfahren geäußerten Rechtsmeinung, auch nicht aus verfassungsrechtlicher Sicht (vgl. Hess. StGH, B. v. 25.07.1984 - P.St. 997 - a.a.O. (1588)) - keine Rede davon sein kann, das Ermessen der Beklagten sei von vornherein im Sinne eines Absehenmüssens von einem Widerruf auf Null reduziert gewesen; denn die Realisierung des verfassungsrechtlichen Rechts der Eltern auf freie Schulwahl hängt nicht von der Erstattung der betreffenden Schülerbeförderungskosten ab, mag ein gewisser, jedoch nicht unsachlicher, Einfluß auf dessen Ausübung auch durchaus denkbar sein (Hess. StGH, B. v. 25.07.1984 - P.St. 997 - a.a.O. (1588)).

Ob die angefochtenen Bescheide darüber hinaus noch wegen Versäumung der Jahresfrist des § 49 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 HVwVfG rechtswidrig sind, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Freilich wurde der neugefaßte § 161 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 HSchG schon am 30. Juni 1992 verkündet, während der Widerrufsbescheid erst vom 31. Januar 1994 datiert. Die Jahresfrist beginnt jedoch erst zu laufen, wenn der Behörde sämtliche für einen Widerruf relevanten Tatsachen vollständig bekannt sind, wenn also bei objektiver Betrachtung keine Notwendigkeit mehr für weitere Überlegungen besteht (BVerwG, B. v. 19.12.1984 - Gr.Sen. 1 u. 2.84 - BVerwGE 70, 356, u. U. v. 24.01.1992 - 7 C 38.90 - a.a.O.). Dies setzt voraus, daß die Behörde nicht nur die geänderte Rechtsvorschrift, sondern auch deren Auswirkung auf den konkreten Fall kennt (Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 49, Rdnr. 83). Daran dürfte es bei der Beklagten jedenfalls zunächst gefehlt haben, da ihren Angaben zufolge 4.000 bis 5.000 Schülerbeförderungskostenerstattungsfälle auf einschlägige Betroffenheit überprüft werden mußten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbar beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 13 Abs. 2 GKG. _