Hessischer VGH, Urteil vom 05.04.1995 - 8 UE 846/91
Fundstelle
openJur 2012, 20675
  • Rkr:
Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine dem Beigeladenen mit Bescheid vom 23. November 1987 bewilligte Vergütung für die endgültige Aufgabe der Milcherzeugung. Der Kläger als jetziger Eigentümer des Hofes möchte auf diesem weiter Milchwirtschaft betreiben; er möchte mit seiner Klage deshalb die Freisetzung der Milch-Referenzmenge infolge der Gewährung der Milchaufgabevergütung an den Beigeladenen verhindern und erstrebt diese Referenzmenge für sich und seinen Hof. Dieser Hof, der den Eheleute H, den Eltern des Beigeladenen, gehörte, wurde im Zwangsversteigerungsverfahren mit Zuschlagsbeschluß des Amtsgerichts vom 1. Juni 1988 von der Firma E erworben und durch notariellen Kaufvertrag vom 19. Juni 1990 an den Kläger verkauft. Die Eheleute H hatten den Hof bereits seit 1984 an ihren Sohn, den Beigeladenen verpachtet; dieser bewirtschaftete in der Folgezeit den Betrieb und hat ihn endgültig erst im Laufe des Klageverfahrens an den neuen Eigentümer herausgegeben.

Im Jahre 1985 hatte der Beigeladene seinen gesamten Viehbestand an die Firma E sicherungsübereignet; am 16. Juni 1987 hatte er eine noch zu beantragende Vergütung für die Aufgabe der Milcherzeugung an die Firma B abgetreten. Nachdem die Firma E befürchten mußte, daß der Beigeladene das sicherungsübereignete Vieh verkaufen würde, erstritt sie am 19. Juni 1987 eine einstweilige Verfügung des Landgerichts auf Herausgabe des Viehs. In dem Vollstreckungstermin am 22. Juni 1987 wurde das gesamte Vieh vom Gerichtsvollzieher beschlagnahmt und vereinbart, daß die Tiere auf dem Hof bleiben und von dem Beigeladenen gefüttert und gepflegt werden.

Mit Formularantrag vom 23. Juni 1987 beantragte der Beigeladene eine Vergütung für die Aufgabe der Milcherzeugung. Der Verpächter, erklärte unter dem 23. Juni 1987 sein Einverständnis, daß der Pächter einer Vergütung für die endgültige Aufgabe der Milcherzeugung beantragt habe, d.h. er gab die sogenannte Verpächtereinwilligung ab. Die Ehefrau des Verpächters reichte ihre schriftliche Verpächtereinwilligung mit Schreiben vom 15. Januar 1988 nach.

Mit Beschluß des Amtsgerichts W vom 05. August 1987 wurde gegen die Eheleute H die Zwangsverwaltung angeordnet und als Zwangsverwalter Rechtsanwalt G, der frühere Prozeßbevollmächtigte des Klägers, bestellt. Mit Schreiben vom 7. September 1987, bei der Beklagten eingegangen am 8. September 1987, gab der Zwangsverwalter dem Bundesamt von der Zwangsverwaltung Kenntnis und bat, den Antrag auf Gewährung der Milchrente vorerst zurückzustellen, bis er seine Widerrufsmöglichkeit im Hinblick auf die Verpächtereinwilligung geprüft habe. Nach Angaben des Schuldners belaufe sich der Wert des Hofes ohne Milchkontingent auf etwa 350.000,00 DM, mit Milchkontingent auf ca. 500.000,00 DM. Am 14. Oktober 1987 widerrief der Zwangsverwalter die vom Verpächter H erteilte Einwilligung zur Aufgabe der Milcherzeugung gegenüber dem Bundesamt.

Mit Bescheid vom 23. November 1987 gewährte die Beklagte dem Beigeladenen eine Vergütung in Höhe von 105.380,80 DM. Der Bescheid enthält den folgenden Zusatz: "Die Bewilligung erfolgt unter der Bedingung, daß die Verpächtereinwilligung wirksam erteilt worden ist und auch nicht wirksam widerrufen wird." Als Freisetzungstermin wird in dem Bescheid der 29. Februar 1988 genannt. Der Zwangsverwalter, dem eine Kopie des Bescheids von der Beklagten zugesandt worden war, legte am 21. Dezember 1987 Widerspruch gegen den Bescheid ein, den er im wesentlichen damit begründete, daß seitens des Zwangsverwalters die Verpächtereinwilligung bezüglich der Aufgabe der Milchwirtschaft widerrufen worden sei und daher der Bescheid nicht habe ergehen dürfen.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Zwangsverwalters mit Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 1988 zurück und führte zur Begründung aus, der Milchaufgabevergütungsbescheid verletze den Zwangsverwalter und Widerspruchsführer nicht in seinen Rechten, denn Herrn H sei zu Recht die Aufgabevergütung gewährt worden, weil dieser die gesetzlichen Beihilfevoraussetzungen erfüllt habe. So sei H im Zeitpunkt der Antragstellung landwirtschaftlicher Betriebsleiter gewesen und habe Milch geliefert. Die Sicherungsübereignung des Viehbestandes an die Firma E sowie die aufgrund einstweiliger Verfügung des Gerichts angeordnete Herausgabe des Viehbestandes beeinträchtigten die Erzeugereigenschaft des M H nicht, da die Tiere in dessen Besitz belassen wurden und auf dem Betrieb weiterhin die Milchwirtschaft betrieben werden konnte. Die Eheleute O H hätten als Verpächter die nach § 13 Abs. 3 MAVV erforderliche Verpächtereinwilligung trotz des gegen sie eingeleiteten Zwangsverwaltungsverfahrens wirksam erteilt. Der Widerruf der Verpächtereinwilligung durch den Zwangsverwalter sei unwirksam. Die Anordnung der Zwangsverwaltung beeinträchtige weder das Recht eines landwirtschaftlichen Betriebsleiters als Vollstreckungsschuldner, einen Antrag auf Gewährung einer Vergütung für die Aufgabe der Milcherzeugung zu stellen, noch seine Befugnis als ein von der Zwangsverwaltung betroffener Verpächter, dem Pächter die erforderliche Verpächtereinwilligung zu erteilen. Die Beschlagnahme im Rahmen der Zwangsverwaltung erfasse nicht die Referenzmenge mit der Folge, daß der Inhaber einer Referenzmenge trotz erfolgter Anordnung der Zwangsverwaltung einen Antrag auf Gewährung einer Vergütung für die Aufgabe der Milcherzeugung stellen könne. Daher bleibe auch ein Verpächter befugt, trotz angeordneter Zwangsverwaltung, ohne Mitwirkung des Zwangsverwalters eine erforderliche Verpächtereinwilligung zu erteilen. § 148 Abs. 2 ZVG, wonach dem Schuldner durch die Beschlagnahme die Verwaltung und Benutzung des Grundstücks entzogen sei, greife nicht ein, da die Referenzmenge von der Beschlagnahme nicht erfaßt werde. Auch § 152 Abs. 1 ZVG, wonach der Zwangsverwalter das Recht und die Pflicht habe, alle Handlungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und ordnungsgemäß zu benutzen, ändere an diesem Ergebnis nichts. Die Aufgaben des Verwalters bezögen sich ausdrücklich auf die Erhaltung und Bewirtschaftung des Grundstücks. Da die Referenzmenge hiervon nicht erfaßt werde, habe der Zwangsverwalter kein Recht, rechtsgeschäftliche Handlungen, die im Zusammenhang mit der Referenzmenge vorgenommen werden, zu unterbinden oder zu widerrufen. Nach alledem sei der Widerruf des Zwangsverwalters nicht wirksam gewesen mit der Folge, daß M H die Milchaufgabevergütung zu Recht gewährt worden sei.

Gegen den dem Zwangsverwalter am 2. Februar 1988 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Zwangsverwalter am 1. März 1988 Klage erhoben. Die Klage wurde mit Zuschlag vom 1. Juni 1988 an die Realgläubigerin, Firma E, durch diese anstelle des Zwangsverwalters aufgenommen, und nach Verkauf des Hofes an den jetzigen Kläger hat dieser die Klage fortgeführt. Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt, es sei schon fraglich, ob der Beigeladene überhaupt Erzeuger und somit befugt gewesen sei, den Antrag auf Milchaufgabevergütung zu stellen. Hierbei sei zu berücksichtigen, daß auch gegen den Beigeladenen Zwangsversteigerungsmaßnahmen von der Firma E ergriffen worden seien. Das Vieh sei schon vor Antragstellung sicherungsübereignet gewesen, das Futter sei von der Firma Eg. angeliefert worden, und zwar im Interesse der Firma E, damit die Tiere hätten versorgt werden können. Auch der Erlös aus der Milchablieferung an die Molkerei sei an die Firma E abgetreten gewesen. Zwar habe der Gerichtsvollzieher die Kühe am 22. Juni 1987 bei dem Beigeladenen zur weiteren Versorgung belassen, da dieser bereit gewesen sei, die Tiere zu füttern und pflegen. Da dies aber nicht ordnungsgemäß vorgenommen worden sei, seien die Tiere endgültig am 12. November 1987 vom Hof geführt worden. Im übrigen unterliege das Recht auf Zahlung der Milchaufgabevergütung als Grundstücksbestandteil der Hypothekenhaftung, da dieses Recht mit dem Eigentum an dem Grundstück verbunden sei. Die Aufgabe der Milcherzeugung stelle nämlich eine Belastung des Grundstücks in Form der Einschränkung der Bewirtschaftungsfreiheit dar. Die Gewährung der Milchaufgabevergütung habe nicht erfolgen dürfen, weil der Zwangsverwalter die Verpächtereinwilligung habe wirksam widerrufen können.

Der Kläger hat beantragt,

den Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 23. November1987 sowie den Widerspruchsbescheid vom 29. Januar1988 aufzuheben.Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.Sie hat sich im wesentlichen auf ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren berufen, wonach der Widerruf der Verpächtereinwilligung durch den Zwangsverwalter nicht rechtswirksam habe erfolgen können. Da die Vergütung mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht bewilligt worden sei, sei die Freisetzung der entsprechenden Referenzmenge mit Ablauf des 29. Februar 1988 erfolgt.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Mit Urteil vom 17. Januar 1991 hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der angegriffene Bewilligungsbescheid sei rechtmäßig. Der Beigeladene habe Anspruch auf Gewährung der von ihm beantragten Vergütung für die endgültige Aufgabe der Milcherzeugung, da sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien. So sei der Beigeladene Milcherzeuger gewesen, habe die Verpflichtungserklärung, die Milcherzeugung endgültig aufzugeben, abgegeben, habe eine Bestätigung der Molkerei über die ihm zustehende Anlieferungs- Referenzmenge beigefügt und auch die notwendige Verpächtereinwilligung vorgelegt. Der Vater des Beigeladenen habe seine Verpächtereinwilligung unter dem 23. Juni 1987 abgegeben und die Mutter des Beigeladenen als Miteigentümerin habe die Verpächtereinwilligung unter dem 15. Januar 1988 erklärt. Beide Einwilligungen seien rechtswirksam erteilt worden. Dies gelte sowohl für die von dem Vater des Beigeladenen vor Anordnung der Zwangsverwaltung abgegebene, als auch für die von der Mutter des Beigeladenen nach Anordnung der Zwangsverwaltung abgegebene Erklärung. In den weiteren Gründen hat das Verwaltungsgericht dazu Stellung genommen, welche Rechtsqualität der Milchquote zukommt und wie die Zwangsverwaltung bzw. Zwangsversteigerung dieses Recht tangiert. Die Kammer ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, daß die Milchquote nicht als persönliches, dem Milcherzeuger zustehendes Recht angesehen werden könne und sie einen erheblichen Wertfaktor für den Betrieb darstelle. Daher müßten die berechtigten Interessen eines Realgläubigers bei der Verfügung über die Quote durch Verkauf an das Bundesamt geschützt werden. Dieser Schutz werde durch § 25 ZVG in der Weise gewährt, daß man dem Realgläubiger die Möglichkeit gibt, dem Schuldner vollstreckungsgerichtlich zu untersagen, einen Antrag auf Milchaufgabevergütung zu stellen bzw. den Schuldner vollstreckungsgerichtlich zu verpflichten, seinen schon gestellten Antrag zurückzunehmen. Wenn der Antrag des Schuldners und Milcherzeugers auf Milchaufgabevergütung somit nur durch eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichts seiner Wirksamkeit beraubt werden könne, was von der Beklagten im Rahmen ihrer Entscheidung auf Gewährung der Milchrente zu beachten sei, müsse dasselbe für die Einwilligung des Schuldners, der lediglich Verpächter ist, gelten. Eine derartige vollstreckungsgerichtliche Entscheidung zugunsten des Klägers liege nicht vor. Die Widerrufserklärung des Zwangsverwalters komme einer solchen Entscheidung nicht gleich mit der Folge, daß die Einwilligungserklärungen der Eltern des Beigeladenen wirksam seien und der Bewilligungsbescheid somit rechtmäßig sei.

Gegen das dem Kläger am 28. Februar 1991 zugestellte Urteil richtet sich seine am 28. März 1991 eingegangene Berufung, mit der er weiterhin die Aufhebung des angegriffenen Vergütungsbescheids erstrebt. Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, das Verwaltungsgericht habe die Kernfrage des Rechtsstreits, ob nämlich der Zwangsverwalter die Verpächtereinwilligung wirksam widerrufen könne, nur am Rande behandelt und im wesentlichen Ausführungen zu den möglichen zivilrechtlichen Wegen gemacht, die ein Realgläubiger beschreiten könne. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht festgestellt, daß es sich bei den aus der Zuteilung einer Referenzmenge an einen Milcherzeuger ergebenden Rechten, wie auch bei dem Recht zu deren Aufgabe gegen Vergütung jedenfalls nicht um ein lediglich persönliches Recht des jeweiligen Erzeugers handele. Dem stehe vor allem die Tatsache entgegen, daß die Referenzmenge auf einen Milchbetrieb als solchen bezogen und an ihn gebunden sei. Sie gehe auch ohne entsprechende Willenserklärung mit dem Betrieb auf den Erwerber bzw. Nachpächter über. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts müsse jedoch davon ausgegangen werden, daß die Rechtsposition, über die durch die Abgabeerklärung verfügt werde, bei der Zwangsverwaltung der Beschlagnahme unterworfen sei. Die vom Verwaltungsgericht aufgezeigte Möglichkeit, den Realgläubiger auf § 25 ZVG zu verweisen, werde dem Schutz seiner Interessen nicht voll gerecht. Der Zwangsverwalter, der gemäß § 152 Abs. 2 ZVG in seiner Funktion als Zwangsverwalter in bestehende Pachtverträge eintrete, habe daher auch das Recht, die vor Anordnung der Zwangsverwaltung erteilte Verpächtereinwilligung zu widerrufen. Dem Verpächter bzw. demjenigen, der seine Funktion ausübe, solle die letzte Kontrollmöglichkeit über die "Entleerung" des Betriebes um die Milchquote erhalten bleiben. Wenn diese Befugnis nach dem Willen des Verordnungsgebers mit der Position des Verpächters verbunden sein soll, müsse dem wie einen Verpächter gebundenen Zwangsverwalter auch die Kontrollmöglichkeit wie dem Verpächter zustehen. Es könne nicht angehen, dem Zwangsverwalter ein Pachtverhältnis aufzubürden, ihm aber andererseits zu verwehren, durch die Befugnis nach § 13 Abs. 3 MAVV die Kontrolle über den Bestand des Grundstücks auszuüben.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils desVerwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 17. Januar1991 den Bewilligungsbescheid des Bundesamtes vom23. November 1987 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom29. Januar 1988 aufzuheben.Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.Sie verteidigt das angefochtene Urteil und macht insbesondere dazu Ausführungen, daß die Referenzmenge kein Bestandteil des Grundstücks im Sinne von § 96 BGB sei und daher von der Beschlagnahme im Rahmen der Zwangsverwaltung nicht erfaßt werde.

Der Auffassung des Klägers, entsprechend dem Einwilligungserfordernis des Verpächters sei im Falle der Zwangsverwaltung auch die Zustimmung des Zwangsverwalters erforderlich, könne nicht gefolgt werden. Die Interessen des Realgläubigers könnten mit denen des Verpächters bzw. Eigentümers nicht gleichgestellt werden. Das Erfordernis der Verpächtereinwilligung diene dem berechtigten Interesse des Eigentümers auf Übertragung der auf dem Betrieb ruhenden Referenzmenge bei Rückgabe der Pachtsache. Dem Realgläubiger gehe es hingegen in erster Linie um die Erhaltung seiner dinglichen Sicherheit und Befriedigung aus dem Vollstreckungsobjekt. Da auch während des Zwangsversteigerungs- oder Zwangsverwaltungsverfahrens der Vollstreckungsschuldner Eigentümer des Betriebes bleibe, sei damit nur seine Einwilligung zur Aufgabe der Milcherzeugung durch den Pächter erforderlich. Entgegen der Auffassung des Klägers ergebe sich ein Zustimmungserfordernis des Zwangsverwalters auch nicht aus der Regelung des § 152 Abs. 2 ZVG, wonach ein bereits vor der Beschlagnahme bestehender Pachtvertrag auch dem Verwalter gegenüber wirksam sei. Zwar ergebe sich aus § 152 Abs. 2 ZVG, daß der Zwangsverwalter in bereits bestehende Verträge eintrete und alle Rechte aus ihnen geltend machen könne. Das Zustimmungserfordernis des Verpächters folge jedoch nicht aus dem Pachtvertrag als privatrechtlicher Vereinbarung, sondern stelle eine öffentlich-rechtliche Bewilligungsvoraussetzung nach der einschlägigen Milch- Aufgabevergütungs-Verordnung dar.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie auf die Behördenakte der Beklagten (1 Hefter), die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist.

Gründe

Die gemäß den §§ 124, 125 VwGO zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Der vom Kläger angegriffene Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 23. November 1987 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 1988 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Auf die Berufung des Klägers hin ist daher das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 17. Januar 1991 abzuändern und der Bescheid der Beklagten vom 23. November 1987 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 1988 aufzuheben.

Der Bescheid der Beklagten vom 23. November 1987, mit dem dem Beigeladenen auf seinen Antrag hin eine Vergütung für die endgültige Aufgabe der Milcherzeugung gewährt worden war, ist rechtswidrig, da die notwendige Verpächtereinwilligung im Zeitpunkt der Bescheiderteilung nicht vorlag. Der von dem Zwangsverwalter erklärte Widerruf der Verpächtereinwilligung ist nämlich wirksam und führt dazu, daß die Voraussetzungen für die Bewilligung der Milchaufgabevergütung an den Beigeladenen nicht gegeben sind.

Rechtsgrundlage für die Gewährung einer Vergütung für die Aufgabe der Milcherzeugung für den Markt ist das Gesetz über die Gewährung einer Vergütung für die Aufgabe der Milcherzeugung für den Markt vom 17. Juli 1984 (BGBl. I S. 942 - MAVG -), welches in Durchführung der VO (EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Abgabe gemäß Art. 5c der VO (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABl. EG Nr. L 90, S. 13) erlassen wurde, und die aufgrund dieses Milch-Aufgabevergütungsgesetzes erlassene Verordnung über die Gewährung einer Vergütung für die Aufgabe der Milcherzeugung für den Markt vom 20. Juli 1984 (BGBl. I S. 1023 - MAVV -) in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung der Milch-Aufgabevergütungs-Verordnung vom 24. Juli 1987 (BGBl. I S. 1699). Danach wird an Erzeuger im Sinne des Art. 12 Buchstabe c) der VO (EWG) Nr. 857/84, die bei Antragstellung Milch für den Markt erzeugt haben und sich verpflichten, die Milcherzeugung für den Markt endgültig aufzugeben, eine Vergütung gewährt (§§ 11, 12, 13 MAVV); Pächter eines gesamten Betriebes haben die schriftliche Einwilligung des Verpächters beizufügen (§ 13 Abs. 3 MAVV).

Zwar hat der Beigeladenen seinem Antrag vom 23. Juni 1987 die Einwilligungserklärung seines Vaters, H, beigefügt. Diese Erklärung ist jedoch von dem Zwangsverwalter mit Schreiben vom 13. Oktober 1987 - eingegangen bei der Beklagten am 14. Oktober 1987 - wirksam widerrufen worden, so daß ein Bewilligungsbescheid nicht ergehen konnte. Wie der Senat bereits mit rechtskräftigem Urteil vom 9. März 1994 entschieden hat, kann eine einmal erklärte Verpächtereinwilligung zur Aufgabe der Milcherzeugung ohne Angabe von Gründen widerrufen werden, solange ein die Milchaufgabevergütung bewilligender Bescheid noch nicht ergangen ist (Hess. VGH, U. v. 09.03.1994 - 8 UE 715/90 -). Im vorliegenden Fall hat jedoch nicht der Eigentümer und Verpächter des Milcherzeugungsbetriebes, H die Verpächtereinwilligung widerrufen sondern der gemäß Beschluß des Amtsgerichts Wetzlar vom 5. August 1987 für die Grundstücke und den Betrieb der Eheleute: H eingesetzte Zwangsverwalter, Rechtsanwalt G. Die Berechtigung des Zwangsverwalters, anstelle des Eigentümers H den Widerruf zu erklären, ergibt sich nach Ansicht des Senats aus folgenden Überlegungen:

Der Beigeladene war Pächter eines Milcherzeugungsbetriebes, für den während des laufenden Pachtverhältnisses die Zwangsverwaltung wegen Forderungen Dritter gegen seinen Verpächter angeordnet wurde. Der Beigeladene war außerdem Inhaber einer Milch- Referenzmenge (sogenanntes Milchkontingent bzw. Milchquote), die ihn dazu berechtigte, in Höhe der Referenzmenge abgabenfrei Milch zu liefern.

Die Anordnung der Zwangsverwaltung über einen Betrieb, auf dem eine Referenzmenge liegt, hat keine direkten Auswirkungen auf die Milch-Referenzmenge. Für den Milcherzeuger, der Schuldner des zwangsverwalteten Betriebes ist, folgt dies daraus, daß die Beschlagnahme bei der Zwangsverwaltung das Milchkontingent nicht erfaßt. Neben dem Grundstück umfaßt die Beschlagnahme nämlich nur diejenigen Gegenstände, auf die sich bei einem Grundstück die Hypothek erstreckt (§ 146 Abs. 1; § 20 ZVG). Vorliegend kommt unter den verschiedenen Möglichkeiten (vgl. §§ 1120, 1123, 1126, 1127 BGB) ernsthaft nur die einer Bestandteilseigenschaft nach § 96 BGB in Betracht. Das Recht zur abgabenfreien Milchanlieferung gehört jedoch nicht zu den mit dem Eigentum am Grundstück verbundenen Rechten im Sinne des § 96 BGB. Wie sich aus Art. 7 der VO (EWG) Nr. 857/84 und aus Art. 5 Nr. 1 der VO (EWG) Nr. 1371/84 ergibt, ist die Referenzmenge dem einzelnen Milcherzeuger zugeordnet (personenbezogen) und im übrigen an den Betrieb (betriebsakzessorisch) gebunden (s. BVerwG, U. v. 13.11.1989 - 3 C 47.88 -, BVerwGE 84, 140); sie steht insbesondere auch einem Nichteigentümer, nämlich dem Pächter, der Milcherzeugung betreibt, zu. Dies zeigt, daß die Referenzmenge nicht wie die sogenannten dinglichen Rechte mit dem Eigentum am Grundstück verbunden ist (so auch die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur s. BGH, U. v. 26.04.1991 - VZR 53/90 - (283) -, Agrarrecht 1992, 55; OLG Celle, B. v. 15.12.1987 - 16 VA 6/87 - (193) -, Agrarrecht 1988, 170; Palandt/Heinrichs, BGB, 50. Auflage § 96 Rdnr. 2; Rundschreiben des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 4. März 1986 - Az.: 416 - 4893 - BSE - 4 - in Agrarrecht 1986, 255; Zeller/Stöber, ZVG, 14. Auflage 1993, § 148 Rdnr. 2.7). Für den Pächter eines zwangsverwalteten Betriebes hat die Zwangsverwaltung die Auswirkung, daß er die Pacht nicht mehr an den Verpächter, sondern an den Zwangsverwalter abzuführen hat; das Pachtverhältnis als solches bleibt bestehen und ist auch dem Verwalter gegenüber wirksam (s. § 152 Abs. 2 ZVG) mit der Folge, daß der Pächter weiterhin abgabenfrei Milch liefern, also die Referenzmenge nutzen kann.

Allerdings kann durch Handlungen des Zwangsverwalters die Milchquote mittelbar betroffen werden. Verpachtet der Verwalter z.B. den Betrieb - sei es erstmals oder nach wirksamer Kündigung des alten Pachtvertrages -, so geht mit der Verpachtung und Übergabe des Betriebes an den neuen Pächter - zum Abschluß von Pachtverträgen ist der Verwalter im Rahmen seiner Geschäftsführungsbefugnis grundsätzlich befugt - die Milch-Referenzmenge automatisch auf diesen neuen Pächter über (s. Art. 7 der VO (EWG) Nr. 857/84 und Art. 5 der VO (EWG) Nr. 1371/84, aus denen sich ergibt, daß die Referenzmenge im Grundsatz an die für die Milcherzeugung verwendeten Flächen gebunden sind - sogenannte Betriebsakzessorietät -). Dies ist jedoch keine Folge der Zwangsverwaltung, sondern ergibt sich aus der öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung des Rechts zur abgabenfreien Milchanlieferung (so ausdrücklich auch BGH, U. v. 26.04.1991, a.a.O.).

Ebenso wie der Verwalter einen zwangsverwalteten Betrieb verpachten darf (auch wenn damit die Nutzungsmöglichkeit des Milchkontingents vom Eigentümer auf den Pächter übergeht), hat er auch allgemein über die Verwaltung und Benutzung des Betriebes zu bestimmen, da diese dem Schuldner durch die Beschlagnahme entzogen sind (siehe § 148 Abs. 2 ZVG). Der Verwalter hat daher im Rahmen seiner Geschäftsführungsbefugnis dafür zu sorgen, daß das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand erhalten bleibt (§ 152 Abs. 1 ZVG); wesentliche Veränderungen des Objekts sind nicht ratsam (etwa die Umwandlung eines abgeholzten Waldgrundstücks in einen Acker, siehe Zeller/Stöber, ZVG, § 152 Rdnr. 3.7). Der Verwalter hat sich im Rahmen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft zu halten, wobei die bisherige Benutzungsart in der Regel beizubehalten ist. Die Verwaltung ist so zu führen, wie sie ein sparsamer, ordentlich wirtschaftender Eigentümer führen würde, der ständig bemüht bleibt, seine Gläubiger zu befriedigen (Zeller/Stöber, ZVG, § 152 Rdnr. 3.2).

Aus alledem folgt für den Senat, daß während der Zwangsverwaltung keine Handlungen vorgenommen werden dürfen, die zu einer Veränderung oder gar einer Verschlechterung des zwangsverwalteten Betriebes führen. Das heißt mit anderen Worten, der Verwalter hat alle Handlungen vorzunehmen, die eine Veränderung verhindern.

Hat der Eigentümer und Schuldner des zwangsverwalteten Betriebes die Verpächtereinwilligung zur endgültigen Aufgabe der Milcherzeugung abgegeben, so würde das dazu führen, daß aus einem verpachteten Milchbetrieb bei Rückgabe der Pachtsache ein Nicht- Milchbetrieb geworden wäre. Der Grund für die Notwendigkeit der Verpächtereinwilligung liegt im Verpächterschutz und damit im Eigentumsschutz: Hat der Pächter einen Betrieb in Besitz, auf dem Milcherzeugung möglich ist, so muß er auch einen solchen Betrieb nach Ende der Pachtzeit zurückgeben, es sei denn der Verpächter verzichtet (durch seine Einwilligungserklärung) darauf. In der Verpächtereinwilligung liegt demnach der Verzicht, bei Ende der Pachtzeit einen Milcherzeugungsbetrieb zurückzuerhalten. Wenn dies auch - worauf auch die Beklagte hinweist - nicht bedeutet, daß auf dem Betrieb nie mehr (wirtschaftlich sinnvoll) Milchwirtschaft betrieben werden kann, so findet doch zunächst einmal eine andere Art der Nutzung des Betriebes statt. Über diese andere Art der Nutzung darf aber ein Schuldner, dessen Betrieb der Zwangsverwaltung unterliegt, nicht mehr allein entscheiden, denn ihm ist die Verwaltung und Benutzung des Grundstücks entzogen (§ 148 Abs. 2 ZVG). Daher kann der Zwangsverwalter, dem anstelle des Schuldners die Verwaltung und Benutzung des Grundstücks obliegt, die Einwilligung zur Umnutzung des Grundstücks widerrufen. Mit dem Widerruf der Verpächtereinwilligung bzw. der Versagung der Verpächtereinwilligung verfügt der Verwalter auch nicht über die beschlagnahmefreie Milchquote. Er macht lediglich von seinem Recht hinsichtlich der Verwaltung des Betriebes in der Weise Gebrauch, daß er eine Änderung der Nutzung untersagt. Folge dieser Untersagung ist, daß der Pächter die nicht beschlagnahmte Milchquote nicht an die Bundesrepublik Deutschland "verkaufen", er also keine Milchaufgabevergütung erhalten kann. Dies folgt aber aus der öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung der Milchaufgabevergütung, die nur bei einer Umnutzung des Betriebes (keine weitere Milcherzeugung) gewährt werden darf.

Ob der Zwangsverwalter in jedem Fall die Verpächtereinwilligung versagen bzw. widerrufen muß, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Es mag auch Fälle geben, in denen die Aufgabe der Milcherzeugung nicht zu einer völligen Umnutzung des Betriebes führt (z.B. dann, wenn Milchwirtschaft nur nebenbei betrieben wird) und der Zwangsverwalter daher nach vernünftigen wirtschaftlichen Grundsätzen einer Verpächtereinwilligung zustimmt. Eine Zwangsverwaltung muß nicht nach starren Regeln durchgeführt werden. Der Verwalter muß mit Blick auf das Verfahrensziel wirtschaftlich sinnvoll, wie ein verantwortungsbewußter Eigentümer handeln (Zeller/Stöber, ZVG, § 146 Rdnr. 2.3).

Auch der Umstand, daß der Gläubiger ggf. beim Vollstreckungsgericht einen Antrag nach § 25 ZVG mit dem Ziel stellen kann, dem Schuldner die Aufgabe des Milchkontingents zur Erlangung einer Vergütung für die Aufgabe der Milcherzeugung zu untersagen (Zeller/ Stöber, ZVG, § 25 Rdnr. 2.1; LG Oldenburg, B. v. 07.01.1986 - 6 T 890/85 -, Agrarrecht 1986, 206), ändert nichts an dem o.a. Ergebnis. Im einen Fall handelt es sich um die Rechte des. Gläubigers und im anderen Fall um die Rechte des Zwangsverwalters.

Da Voraussetzung für die Gewährung der Milchaufgabevergütung das Vorliegen der Verpächtereinwilligungserklärung beider Eigentümer und Verpächter des Hofes, also H, ist und der Zwangsverwalter die von H gegebene Einwilligungserklärung - wie oben ausgeführt - wirksam widerrufen hat, brauchte auf die Frage, ob der Zwangsverwalter auch die von H am 15.01.1988 gegebene Erklärung widerrufen mußte oder ob deren Erklärung, da nach Anordnung der Zwangsverwaltung abgegeben, ohne Zustimmung des Zwangsverwalters bereits unwirksam war, nicht eingegangen zu werden. Der Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 23. November 1987 ist wegen fehlender Verpächtereinwilligung rechtswidrig mit der Folge, daß der Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheids aufzuheben ist.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Beklagte zu tragen, da sie unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig; der Beigeladene hat keine Anträge gestellt und daher auch nicht das Risiko eigener Kostenpflicht nach § 154 Abs. 3 VwGO übernommen. Es entspricht vorliegend nicht der Billigkeit seine außergerichtlichen Kosten der unterliegenden Partei oder der Staatskasse aufzuerlegen (§ 152 Abs. 3 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Frage, ob ein Zwangsverwalter die Verpächtereinwilligung wirksam widerrufen kann, kommt allgemeine Bedeutung zu. Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts dazu liegt daher aus Gründen der Rechtseinheitlichkeit und der Rechtssicherheit im allgemeinen Interesse.