Hessischer VGH, Beschluss vom 19.11.1993 - 12 TG 2539/93
Fundstelle
openJur 2012, 20277
  • Rkr:
Gründe

Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie eine Asylstreitigkeit betrifft und deshalb gemäß § 80 AsylVfG nicht statthaft ist.

Da sich der Antragsteller gegen den Vollzug einer asylrechtlichen Abschiebungsandrohung wendet, handelt es sich um eine Streitigkeit nach dem Asylverfahrensgesetz, in der entgegen der dem angegriffenen Beschluß beigefügten Rechtsmittelbelehrung die Beschwerde nicht stattfindet. Der Rechtsmittelausschluß des § 80 AsylVfG soll sich nach dem Willen des Gesetzgebers auf "sämtliche Verfahren" des vorläufigen Rechtsschutzes "erstrecken" (BT-Drs. 12/2062 S. 42). Zu den damit erfaßten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gehört unter anderem auch ein Antrag auf Aussetzung der Abschiebung aufgrund einer nach dem Asylverfahrensgesetz erlassenen Abschiebungsandrohung (Kanein/ Renner AuslR, 6. Auf., 1993, § 76 AsylVfG Rdnr. 7, § 80 AsylVfG Rdnr. 2; ebenso betr. Vollzug einer Androhung nach § 28 AsylVfG 1982/1991 VGH Baden-Württemberg, 09.08.1993 - A 16 S 1294/93 -, OVG Nordrhein-Westfalen, 15.10.1993 - 19 L 3826/93.A; a. A. betr. Maßnahmen der Zentralen Abschiebebehörden VGH Baden-Württemberg, 03.12.1992 - A 13 S 3108/92 -, EZAR 046 Nr. 2 = NVwZ, 295 = VBLBW 1993, 310; ebenso betr. durchgeführte Abschiebung eines Asylbewerbers VGH Baden-Württemberg, 26.04.1988 - A 13 S 443/88 -, VBlBW 1989, 152). Die Voraussetzungen für die Duldung eines Ausländers sind zwar in §§ 55 ff. AuslG auch insoweit geregelt, als es sich um Asylbewerber handelt. Die der Ausländerbehörde obliegende Vollziehung der Abschiebung ist aber mit der zugrundeliegenden Abschiebungsandrohung so unmittelbar verbunden, daß sie hinsichtlich des Rechtsschutzverfahrens nicht anders betrachtet werden kann als die im Asylverfahrensgesetz geregelte Abschiebungsandrohung selbst. Schließlich handelt es sich um die Verwaltungsvollstreckung im Anschluß an ein asylrechtliches Verfahren und liegt deshalb der Schwerpunkt der Sachprüfung ohnehin in der Regel im Asylrecht begründet. Für diese Betrachtung spricht auch eindeutig der erkennbare gesetzgeberische Zweck, durch den Ausschluß der Beschwerde die Durchsetzung der Ausreisepflicht eines abgelehnten Asylbewerbers zu beschleunigen. Diesem gesetzgeberischen Anliegen liefe es zuwider, wenn es dem Asylbewerber nach Abschluß des Verfahrens um vorläufigen Rechtsschutz gegenüber der Antragsablehnung und der damit verbundenen Abschiebungsandrohung freistünde, in einem anschließenden Verfahren um vorläufigen Rechtsschutz gegen Abschiebemaßnahmen die Beschwerdeinstanz anzurufen. Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz fallen danach immer dann unter § 80 AsylVfG, wenn es um die Anordnung oder Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen aufgrund von Entscheidungen über einen Asylantrag geht. Mit welchen Gründen um Rechtsschutz nachgesucht wird, ist dagegen unerheblich.

Anders verhält es sich, wenn ein Ausländer während oder nach einem erfolglos verlaufenen Asylverfahren einen Aufenthalt aus asylverfahrensunabhängigen Gründen anstrebt und gegen die Ablehnung seines Aufenthaltsbegehrens Rechtsschutz in Anspruch nimmt. Auch wenn in diesem Zusammenhang mittelbar die Wirksamkeit oder Vollziehbarkeit einer zuvor ergangenen asylrechtlichen Abschiebungsandrohung tangiert wird (vgl. § 55 Abs. 2 AsylVfG), hat diese Rechtsverfolgung ihre Grundlage im allgemeinen Ausländerrecht und nicht im Asylverfahrensrecht mit der Folge, daß die Ablehnung vorläufigen Rechtsschutzes in diesem Zusammenhang mit der Beschwerde angegriffen werden darf.

Da die Ausländerbehörde der Antragsgegnerin die gegen den Antragsteller erlassene und bestandskräftig gewordene Abschiebungsandrohung aus dem Bescheid des Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 21. Dezember 1992 zu vollziehen beabsichtigt und der Antragsteller mit seinem Rechtschutzantrag die Untersagung dieser Abschiebungsmaßnahmen erreichen will, stellt der angegriffene Beschluß eine Entscheidung in Rechtsstreitigkeit nach dem Asylverfahrensgesetz im Sinne des § 80 AsylVfG dar.

Ungeachtet der Unzulässigkeit der Beschwerde sieht sich der beschließende Senat veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß die Rechtsverfolgung des Antragstellers dadurch unzumutbar erschwert wird, daß ihm die Mitteilung des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge über die Nichteinleitung eines weiteren Asylverfahrens nicht mit Gründen versehen mitgeteilt worden ist (vgl. dazu auch VG Schleswig, 14.09.1992 - 15 B 110/90 -, EZAR 224 Nr. 24, m. Anm. Bell, ZAR 1993, 37). Deshalb könnte es im Hinblick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG gerechtfertigt sein, die dahingehenden Vorschriften des § 71 Abs. 5 AsylVfG dahin auszulegen, daß es sich bei der Mitteilung des Bundesamts um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG handelt, der der Begründung und der Bekanntgabe an den Asylfolgeantragsteller bedarf (§§ 39, 40 HVwVfG; Kanein/ Renner, a. a. O., § 71 AsylVfG Rdnr. 43, 45), daß dieser wegen der drohenden Abschiebung gegen die Ausländerbehörde und nicht gegen das Bundesamt vorgehen muß, daß aber in diesem Verfahren die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Bundesamts, kein weiteres Verfahren durchzuführen, inzident überprüft werden muß. Unter diesen Umständen wäre es rechtsfehlerhaft, wenn eine derartige Überprüfung unterlassen wird, wie es in dem angegriffenen Beschluß geschehen ist. Unabhängig von dieser Rechtsverfolgung gegenüber der Ausländerbehörde müßte der Folgeantragsteller aber gleichzeitig gegen das Bundesamt gerichtlich mit dem Ziel vorgehen, dieses durch eine Verpflichtungsentscheidung zur Durchführung eines weiteren Verfahrens anzuhalten und gegebenenfalls eine unmittelbare Sachentscheidung des Gerichts zu erreichen (vgl. dazu Bell, a. a. O., S. 39).

Schließlich wird darauf hingewiesen, daß der Antragsteller mit seinem Vorbringen, er beabsichtige ernsthaft, mit der deutschen Staatsangehörigen die Ehe zu schließen, nur Erfolg haben kann, wenn er unter Berufung auf diesen ausländerrechtlichen Sachverhalt zunächst bei der Ausländerbehörde eine dahingehende Aufenthaltsgenehmigung oder eine entsprechende Duldung beantragt. Im Falle der Ablehnung oder Weigerung der Ausländerbehörde könnte er sodann vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch nehmen, für den die Beschwerde nicht nach § 80 AsylVfG ausgeschlossen wäre. Dabei ist zu berücksichtigen, daß dem Antragsteller erst nach erfolgter Eheschließung eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zusteht (vgl. § 23 AuslG, § 9 Abs. 2 Nr. 1 DVAuslG), daß ihm aber für die Zwischenzeit zwischen dem Aufgebot und der Eheschließung unter Umständen eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden darf, wenn die Eheschließung sicher erscheint und unmittelbar bevorsteht (vgl. § 30 Abs. 1 bis 3, 55 Abs. 3 AuslG; Fraenkel, Einführende Hinweise zum neuen Ausländergesetz, 1991, S. 107, 149; Hailbronner, AuslR, § 17 Rdnr. 34; Kanein/Renner, a. a. O., § 17 AuslG Rdnr. 9; BVerwG, 02.10.1984 - 1 B 114.84 -, InfAuslR 1985, 130). Zumindest ist eine Duldung aus dringenden persönlichen Gründen (§ 55 Abs. 3 AuslG) in Betracht zu ziehen. Mit der Vorlage der Aufgebotsbescheinigung vom 20. Oktober 1993 sind diese Voraussetzungen aber nicht ausreichend dargetan; erforderlich sind vielmehr noch Angaben über die Beschaffung der für die Eheschließung notwendigen Papiere und über den Heiratstermin.