Hessischer VGH, Urteil vom 12.02.1993 - 4 UE 2744/90
Fundstelle
openJur 2012, 20016
  • Rkr:
Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Auflage zur Zahlung einer naturschutzrechtlichen Ausgleichsabgabe.

Mit Bescheid vom 05.12.1988 erteilte der Beklagte dem Kläger die Baugenehmigung für den Neubau eines Mutterkuhstalles mit Bergehalle und Pferdeboxen auf dem Grundstück in der Gemarkung W., Flur 2, Flurstück 89. Mit Auflage Nr. 2 zu dieser Baugenehmigung forderte der Beklagte den Kläger auf, eine Ausgleichsabgabe gemäß § 6 Abs. 3 HENatG in Höhe von 28.872,10 DM bis einen Monat nach Unanfechtbarkeit der Baugenehmigung auf eine Haushaltsstelle des Beklagten zu entrichten. Der Betrag setze sich nach der beigefügten Begründung folgendermaßen zusammen:

a) 11.682,10 DM für den sogenannten Restschaden durch die Beeinträchtigung des Landschaftsbilde und des Erholungswertes, die auch nach dem erfolgten Teilausgleich durch die mit der Auflage Nr. 1 geforderten Anpflanzungen noch verblieben. Zur Berechnung dieses Restschadens wurde auf das Differenzverfahren gemäß Erlaß des Hessischen Ministers für Landwirtschaft und Forsten und Naturschutz vom 17.12.1987 verwiesen.

b) 17.190,00 DM für die nicht ausgleichbare Flächenversiegelung von 1.719 qm, wobei für "Schotterrasen" und Forulith-Ökopflaster nur 50 % berechnet wurden.

Zur Begründung wurde weiter ausgeführt, bei einer Flächenversiegelung handele es sich um einen nicht ausgleichbaren Eingriff. Deshalb sei gemäß § 6 Abs. 3 HeNatG eine Ausgleichsabgabe festzusetzen, die zu Zwecken des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu verwenden sei. Bei der Festsetzung der Ausgleichsabgabe bei Flächenversiegelungen falle u. a. die Beeinträchtigung des Wasserhaushaltes und der bodenlebenden Kleintierwelt und Mikroorganismen ins Gewicht. Die Kosten für die Rekultivierung von versiegelten Flächen betrügen zwischen 10,00 DM und 15,-- DM/qm. Dabei sei der Abbau bituminöser Oberflächen zugrundegelegt worden, da die Kosten für Fundamentabbrüche pauschal nicht angegeben werden könnten und auch erheblich höher lägen.

Gegen die Auflage Nr. 2 zur Baugenehmigung vom 05.12.1988 legte der Kläger am 05.01.1989 Widerspruch ein. Diesen Widerspruch wies das Regierungspräsidium Gießen mit Widerspruchsbescheid vom 05.09.1989 zurück mit der Maßgabe, daß die Zahlungsfrist für die Ausgleichsabgabe auf einen Monat nach Unanfechtbarkeit der Auflage geändert wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Erhebung einer Ausgleichsabgabe nach § 6 Abs. 3 HENatG sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Gemäß § 8 Abs. 9 des Bundesnaturschutzgesetzes sei der Landesgesetzgeber zur Einführung einer Ausgleichsabgabe ermächtigt. Sie stelle eine verfassungsrechtlich zulässige Sonderabgabe dar. Das Bauvorhaben mit einer überbauten bzw. befestigten Fläche von insgesamt 1.719 qm Grundfläche stelle - unabhängig von der Privilegierung im Außenbereich - einen Eingriff in Natur und Landschaft dar. Das Vorhaben führe im Außenbereich zu einer Versiegelung einer Fläche von insgesamt 1.719 qm, ohne daß hierfür ein Ausgleich geschaffen werde. In diesem Fall sei § 6 Abs. 3 Satz 1 HENatG eine Abgabe in Höhe der ersparten Rekultivierungskosten zu leisten. Ein Ermessen bestehe insoweit nicht. Die Ausgleichsabgabe sei nicht zu hoch. Da ein Ausgleich objektiv nicht möglich sei, bedürfe es für die Höhe der Abgabe der Berechnung sowohl nach dem Differenzverfahren bezüglich des Restschadens als auch nach den fiktiven Rückbaukosten. Hinsichtlich des Restschadens für das Landschaftsbild nahm der Widerspruchsbescheid Bezug auf die dem Widerspruchsbescheid beigefügte Berechnung nach dem Differenzverfahren durch die untere Naturschutzbehörde. Hinsichtlich der fiktiven Rückbaukosten sei die gedachte Beseitigung der baulichen Anlagen einschließlich Fundamenten sowie die anschließende Erdauffüllung mit Eingrünungsmaßnahmen zu berechnen. Dafür seien 10,00 DM/qm angemessen.

Mit Schriftsatz vom 28.09.1989, bei Gericht eingegangen am 02.10.1989, hat der Kläger Klage erhoben.

Er hat vorgetragen, es werde bei der Entscheidung des Rechtsstreites zunächst zu prüfen sein, ob das Bauvorhaben gemäß § 34 BauGB innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile von W. errichtet worden sei, da in diesem Bereich ein "Eingriff" in die Natur und das Landschaftsbild von vornherein ausscheide. Der von dem Kläger errichtete Stall schließe sich unmittelbar an die Wohnbebauung an.

Dar gesetzlichen Grundlage für die Erhebung der Ausgleichsabgabe fehle die Bestimmtheit, die nach rechtsstaatlichen Grundsätzen bei der Festsetzung von Sonderabgaben gegeben sein müsse. Mangels einer näheren Definition der Maßnahmen, die bei der Berechnung der hypothetischen Aufwendungen für eine Rekultivierung in Ansatz zu bringen seien, sei für den Normadressaten nicht erkennbar, mit welchem Betrag er rechnen müsse und nach welchen Kriterien die Abgabe ermittelt werde. Auch eine konkrete Berechnung scheide aus, weil keine bestimmten mit dem Bauvorhaben unmittelbar im Zusammenhang stehenden Rekultivierungsmaßnahmen erfolgten, zu deren Finanzierung die Ausgleichsabgabe dienen könne. Die fehlende Präzisierung der Berechnungskriterien könne nicht durch verwaltungsinterne Richtlinien ersetzt werden. überdies zeige das als Anlage zum Widerspruchsbescheid vorgelegte Formblatt, daß die dort genannten Bewertungskriterien keinerlei Bezug zu irgendwelchen Rekultivierungskosten hätten, sondern allenfalls - wenn auch nicht nachvollziehbar - etwas über die angebliche Schwere des Eingriffs aussagen sollten. Auch die Berechnungsgrundlage für die konkrete Berechnung der Ausgleichsabgabe in den angefochtenen Bescheiden sei nicht erkennbar.

Der Kläger habe überdies den angeblichen Eingriff in die Natur durch andere Maßnahmen mehr als ausgeglichen. Durch landschaftsangepaßte Gestaltung des Stalles, durch umfangreiche Neubepflanzung und durch Verwendung ökologisch geeigneter Materialien habe er mit hohem Kostenaufwand weit über den üblichen Rahmen hinaus alle denkbaren Vorkehrungen zur Vermeidung einer Schädigung der Natur und des Landschaftsbildes getroffen. Durch die Umstellung der von ihm bewirtschafteten Flächen auf eine umweltschonende Nutzung leiste er einen weiteren Ausgleich. Vor der Durchführung des Bauvorhabens sei nicht nur das Baugrundstück intensiv landwirtschaftlich genutzt worden, vielmehr seien auch weitere Flächen, die der Kläger auf umweltschonende Bewirtschaftung umgestellt habe, zuvor intensiv unter Einsatz von Herbiziden, Fungiziden, Pestiziden etc. bebaut worden. Die Umstellung der intensiv genutzten Landwirtschaftsfläche auf extensiv genutzte Weideflächen setze indessen das Vorhandensein eines Stalles für die Rinderherde voraus, so daß die Baumaßnahme mit der Entlastung der Umwelt in einem untrennbaren Zusammenhang stehe und folglich in diesem Zusammenhang beurteilt werden müsse.

Der Kläger hat beantragt,

die in Nr. 2 der Anlage zum Bauschein Nr. A 08.10/146/88 vom 05.12.1988 enthaltene Festsetzung einer Ausgleichsabgabe gemäß § 6 Abs. 3 HENatGi.V.m. §§ 5 und 7 HENatG in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.09.1989 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat ausgeführt, der hessische Gesetzgeber habe bewußt darauf verzichtet, eine Verordnungsermächtigung in das Hessische Naturschutzgesetz aufzunehmen, welche es dem zuständigen Fachminister ermöglicht hätte, durch Rechtsverordnung Höhe und Berechnung der festzusetzenden Ausgleichsabgabe zu bestimmen. Die Berechnung der Abgabe bestimme sich vielmehr nach der Höhe der ersparten Rekultivierungskosten. Insoweit besitze die Verwaltungsbehörde einen Beurteilungsspielraum. Um sicherzustellen, daß gleichgelagerte Fälle nicht ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt würden, sei die ministerielle Richtlinie vom 17.12.1987 erlassen worden. Die Vorschrift des § 6 Abs. 3 HENatG verstoße nicht gegen das Bestimmtheitsgebot. Die Ausgleichsabgabe könne zusätzlich auch dann erhoben werden, wenn der Ausgleichspflichtige bereits andere Aufwendungen zum Ausgleich des Eingriffs zu tragen habe. Es komme allein darauf an, ob sich die Baumaßnahme nach Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen immer noch als erheblicher oder nachhaltiger Eingriff in den Naturhaushalt darstelle. Das Bauvorhaben des Klägers liege nicht innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile gemäß § 34 Abs. 1 BauGB, sondern sei als privilegiertes Vorhaben im Sinne von § 35 BauGB einzustufen. Im Ergebnis komme es jedoch nicht darauf an, weil die gesetzliche Regelung auch für die unbeplante Ortslage gelte. Der durch das Vorhaben des Klägers ausgelöste Eingriff sei sowohl erheblich als auch nachhaltig. Die Neuerrichtung der beantragten Stallgebäude bedinge die Versiegelung nicht unerheblicher Flächen, die vorher von Bebauung freigehalten waren. Es leuchte ohne weiteres ein, daß dadurch die Leistung, also die Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes in diesem Bereich herabgesetzt werde. Darüber hinaus sei die dadurch bedingte Veränderung von Natur und Landschaft für jeden normalen, ungeschulten Beobachter wahrzunehmen. Der Eingriff werde durch die Auflagen Nr. 1, 3 und 4 zur Baugenehmigung nicht vollständig ausgeglichen. Die vorgesehenen Anpflanzungen minderten allenfalls die Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes, also den optischen Teil des Eingriffs. Die Zerstörung der Bodenstruktur selbst werde dadurch nicht gemildert oder ausgeglichen. Darüber hinaus seien die beabsichtigten Flächenversiegelungen auf den zu bebauenden Bodenflächen durch die auferlegten Maßnahmen objektiv in keinem Fall auszugleichen. Eine Flächenversiegelung könne schon begriffsnotwendig nur durch eine Flächenentsiegelung an anderer Stelle in gleichem Umfang ausgeglichen werden. Soweit der Kläger geltend mache, die von ihm selbst vorgenommenen Ausgleichsmaßnahmen würden den Eingriff mehr als ausgleichen, können er damit keinen Erfolg haben. Zum einen seien nach der Gesetzessystematik die im räumlichen Zusammenhang mit dem Eingriff stehenden Ersatzmaßnahmen von der Naturschutzverwaltung durchzuführen. Zum anderen könnten auch die von dem Kläger selbst beabsichtigten Ausgleichsmaßnahmen den Eingriff nicht vollständig ausgleichen. Die vom Kläger beabsichtigten bzw. durchgeführten Maßnahmen zum Schutz der Umwelt seien zu begrüßen. Die vorgenommene bzw. beabsichtigte Umstellung von intensiver auf extensive Bodennutzung entlaste den Naturhaushalt erheblich. Neben den die Umwelt zweifellos begünstigenden Maßnahmen sei aber festzustellen, daß die mit der Gebäudeerrichtung verbundene Flächenversiegelung nicht auszugleichen sei. Die Höhe der Ausgleichsabgabe sei in Übereinstimmung mit dem für die Berechnung maßgeblichen Erlaß des Hessischen Ministeriums für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz vom 17.12.1987 ermittelt worden. Anhand der entsprechenden Bewertungsskala, innerhalb derer Punktewerte von 3 (volle Funktionsfähigkeit) bis 0 (keine Funktionsfähigkeit) zu vergeben seien, seien die verschiedenen Funktionen des Naturhaushalts daraufhin überprüft worden, wie sich der Eingriff jeweils auswirke. Der Voreingriffs- und der Nacheingriffszustand seien gegenübergestellt worden. Gleichzeitig seien die vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen berücksichtigt und ebenfalls in Punktewerten ausgedrückt worden. Die sich ergebenden Differenzen ergäben den sogenannten Restschaden. Nachfolgend sei festgestellt worden, welcher Geldbetrag für die vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen anfallen werde. Dieser Geldbetrag sei durch die Gesamtpunktzahl der Ausgleichsmaßnahme geteilt worden. Anschließend sei die Punktzahl des Restschadens mit diesem Geldbetrag multipliziert worden, woraus sich die Ausgleichsabgabe für den verbleibenden Restschaden ergeben habe.

Durch Urteil vom 29.05.1990 hat das Verwaltungsgericht Gießen die Auflage Nr. 2 zur Baugenehmigung vom 05.12.1988 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Gießen vom 05.09.1989 aufgehoben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Berechnung der Ausgleichsabgabe durch den Beklagten sei rechtsfehlerhaft. Soweit der Beklagte für den sogenannten Restschaden durch die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und des Erholungswertes nach erfolgtem Teilausgleich einen Teilbetrag von 11.682,-- DM festgesetzt habe, entspreche die dem zugrundeliegende Berechnung nicht dem gesetzlichen Kriterium zur Bemessung der Ausgleichsabgabe. Zielvorstellung des Differenzverfahrens nach dem Ministererlaß vom 17.12.1987 sei die Ermittlung des monetären Wertes des "Restschadens", d. h. derjenigen Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft, die nach Durchführung konkreter Ausgleichsmaßnahmen verblieben und durch weitere Maßnahmen nicht mehr ausgeglichen werden könnten. Diese Zielsetzung sei grundsätzlich mit dem Gesetz vereinbar. Das konkrete Berechnungsverfahren führe jedoch zu willkürlichen und unsachlichen Ergebnissen. Nach den Richtlinien erfolge nach der in Punkte umgesetzten Bewertung der Zustände von Natur und Landschaft vor dem Eingriff (1), vor dem Ausgleich (2) und nach dem Ausgleich (3) zum einen eine Punktbewertung des Restschadens, und zwar dadurch, daß der Punktwert für den Zustand nach dem Ausgleich von dem Punktwert für den Zustand vor dem Eingriff abgezogen wird (1 minus 3), zum anderen eine Punktbewertung der durchgeführten Ausgleichsmaßnahmen, indem der Punktwert für den Zustand vor dem Ausgleich von dem Punktwert für den Zustand nach dem Ausgleich abgezogen wird. Anschließend würden die Kosten der Ausgleichsmaßnahmen mit Hilfe der als Anlage 5 zu den Richtlinien erstellten Kostendatei errechnet. Diese Kosten würden durch den Punktwert der Ausgleichsmaßnahme dividiert, so daß sich ein Geldwert je erreichtem Punkt für den Ausgleich ergebe. Sodann werde dieser Geldwert mit dem Punktwert des Restschadens multipliziert. Der daraus resultierende Betrag solle dann als Geldwert des Restschadens Grundlage für die festzusetzende Ausgleichsabgabe sein. Bei diesem Verfahren hänge die Höhe der Ausgleichsabgabe zum einen davon ab, welcher Punktwert für den Restschaden ermittelt worden sei, zum anderen aber auch davon, welche Kosten durchschnittlich erforderlich gewesen seien, um jeweils einen Punktwert bei den Ausgleichsmaßnahmen zu erreichen. Dies bedeute, je höher der Aufwand für die Ausgleichsmaßnahmen im Verhältnis zum erreichten Ausgleichseffekt seien, desto höher falle auch die Ausgleichsabgabe für den verbleibenden Restschaden aus. Umgekehrt falle die Ausgleichsabgabe für den Restschaden um so niedriger aus, je günstiger die Kostenrelation für jeden bereits erreichten Ausgleichspunkt sei. Damit werde die Bemessung der Ausgleichsabgabe von dem gesetzlichen Kriterium der Höhe der ersparten Rekultivierungskosten abgelöst.

Soweit der Beklagte mit Auflage Nr. 2 zur Baugenehmigung vom 05.12.1988 eine Ausgleichsabgabe in Höhe von 17.190,00 DM für die nicht ausgleichbare Flächenversiegelung von 1.719 qm festgesetzt habe, seien die angefochtenen Bescheide ebenfalls rechtswidrig. Der Beklagte habe nicht berücksichtigt, daß der Kläger den durch die Bodenversiegelung bewirkten Eingriff in den Naturhaushalt durch konkrete Ausgleichsmaßnahmen mehr als ausgeglichen habe, so daß unter diesem Gesichtspunkt ein Restschaden, der Grundlage für eine Ausgleichsabgabe sein könne, nicht vorhanden sei. In §§ 5 und 6 HENatG finde sich der Begriff der Flächenversiegelung nicht. Im Gesetz sei ausschließlich von Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes, des Landschaftsbildes, des Erholungswertes oder des örtlichen Klimas die Rede. Die Flächenversiegelung führe zu Beeinträchtigungen des Wasserhaushaltes und der bodenlebenden Kleintierwelt sowie der Mikroorganismen. Der Kläger habe diese Beeinträchtigungen vollständig ausgeglichen. Das auf den überbauten Flächen anfallende Regenwasser werde aufgefangen und auf dem Grundstück zum Versickern gebracht. Die Umstellung der Landwirtschaft von der früheren intensiven Nutzung unter Einsatz von Herbiziden, Fungiziden und Pestiziden zu einer extensiven Weidewirtschaft werde innerhalb der nächsten Jahre zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen für Mikroorganismen und bodenlebende Kleintiere führen. Demgegenüber falle der negative Effekt der Flächenversiegelung nicht mehr ins Gewicht. Die Umstellung der Bewirtschaftungsform könne hier berücksichtigt werden, weil das Vorhaben, das mit der Baugenehmigung vom 05.12.1988 genehmigt werde, in einem unmittelbaren sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Umstellung der Bewirtschaftungsweise der landwirtschaftlichen Flächen stehe. Im Hinblick auf die vom Kläger getätigten Investitionen könne von einer Nachhaltigkeit der Umstellung der Bewirtschaftungsweise ausgegangen werden.

Dieses Urteil wurde dem Beklagten am 27.08.1990 zugestellt. Der Beklagte hat am 14.09.1990 Berufung eingelegt und macht im wesentlichen geltend, die vom Kläger durchgeführten Ersatzmaßnahmen seien vorbildlich, könnten aber den spezifischen Eingriff der Flächenversiegelung nicht ausgleichen, da dies nur durch die Entsiegelung einer anderen Fläche ausgeglichen werden könne. Im übrigen könne der Kläger nicht daran gehindert werden, die zur Zeit extensiv genutzten Flächen wieder intensiv zu bewirtschaften. Schon deshalb könne die erfolgte Umstellung der Bewirtschaftung nicht dem Ausgleich von Versiegelung dienen. Eine bis ins einzelne gebende gesetzliche Berechnungsanleitung sei nicht erforderlich. § 6 Abs. 3 Satz 1 HENatG bestimme, daß die Abgabe nach der Höhe der ersparten Rekultivierungskosten zu berechnen sei. Das durch diese Formulierung angedeutete gesetzgeberische Ziel der Vorteilsabschöpfung sei ohne weitere Ausführungsvorschriften erreichbar. Denn auch für nicht durchführbare Maßnahmen ließen sich die fiktiven Kosten bestimmen. Den verbleibenden Beurteilungsspielraum könne die Behörde in zulässiger Weise ausfüllen. Dies habe sie getan. Die durch den Ministererlaß vom 17.12.1987 vorgegebene Richtlinie zur Bewertung des Ausgleichs und die Bemessung der Abgabe bei Eingriffen in Natur und Landschaft nach dem Differenzverfahren ermögliche für jeden Einzelfall eine hinreichend bestimmte Berechnung der Ausgleichsabgabe. Das Differenzverfahren orientiere sich an einem hypothetischen Wiederherstellungsaufwand und folge damit exakt der Vorgabe des § 6 Abs. 3 Satz 1 HENatG, wonach auf ersparte Rekultivierungskosten abzustellen sei.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich auf sein bisheriges Vorbringen sowie auf das angegriffene Urteil und führt ergänzend aus, gemäß § 1 BNatSchG bestehe die Aufgabe des Naturschutzes darin, die Lebensgrundlage des Menschen zu erhalten. Eine Erhaltung des Status quo sei damit nicht ausgesprochen. Vielmehr verpflichte auch § 8 Abs. 2 BNatSchG den Eingreifer nur zu unspezifischen Ausgleichsmaßnahmen. Die eindimensionale und formale Betrachtungsweise des Beklagten widerspreche dem Sinn und Zweck des Naturschutzgesetzes.

Ein Hefter Bauakten des Beklagten und ein Hefter Akten der unteren Naturschutzbehörde sind beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig (§§ 124, 125 VwGO), aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben; die Klage ist zulässig und begründet, denn die angegriffene Auflage ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Das Gericht brauchte dem Vortrag des Klägers, sein Vorhaben liege im unbeplanten Innenbereich, nicht nachzugehen. Auch dann, wenn das Baugrundstück innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteiles läge, wäre die Rechtmäßigkeit der aus § 6 Abs. 3 HENatG gestützten Auflage nicht dadurch in Frage gestellt, daß innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile eine abschließende Regelung über die Zulässigkeit des Vorhabens nach § 34 BauGB vorliegt, die jede weitere Regelung, durch die zusätzliche Anforderungen an die Bebaubarkeit der Flächen gestellt werden, ausschließt. Das Bauplanungsrecht trifft in §§ 30, 34 BauGB eine bodenrechtlich abschließende Regelung (BVerwG, Urteil vom 24.02.1978 - 4 C 12.76 - BVerwGE 55, 222 bis 280 und Urteil vom 12.06.1970 - IV C 77.68 - DVBI. 1970, 827 bis 829). Dieser Umstand steht der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung jedoch nicht entgegen. Zum einen handelt es sich nicht lediglich um isoliert dastehendes Landesrecht, sondern um die landesrechtliche Ausgestaltung des Bundesrahmenrechtes der bundesnaturschutzrechtlichen Eingriffsregelung, die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts über den durch § 4 Satz 3 BNatSchG umschriebenen Umfang hinaus auch in § 8 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG " striktes Recht" enthält (Beschluß vom 30.10.1992 - BVerwG 4 A 4.92 - UPR 1993, 62 - 65). Zum anderen ist von entscheidender Bedeutung, daß die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung hinsichtlich ihrer kompetenzrechtlichen Qualität nicht als Bodenrecht, sondern als Naturschutzrecht einzuordnen ist (hierzu und zum folgenden vgl. Kuchler, Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung und Bauplanungsrecht 1989, S. 26 ff.). Maßgeblich für die kompetenzrechtliche Einordnung ist nicht in erster Linie der Gegenstand einer Norm, sondern ihr Zweck. Ungeachtet dessen, daß die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung Auswirkungen auf Grund und Boden hat, dient sie nicht wie das Bauplanungsrecht einer geordneten städtebaulichen Entwicklung, sondern einem umfassenden Naturschutz. Der Umstand, daß das Bauplanungsrecht seinerseits Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege zur Geltung bringt, steht einer ergänzenden Regelung durch weitergehende naturschutzrechtliche Normen grundsätzlich nicht entgegen. Das Bauplanungsrecht des Baugesetzbuches legt sich selbst keine abschließende Geltung bei im Hinblick auf die rechtliche Beurteilung von Bauvorhaben, sondern läßt - wie in § 29 Satz 4 BauGB ausdrücklich festgehalten ist - andere öffentlich-rechtliche Vorschriften unberührt. Die Eingriffsregelung nach §§ 5, 6 HENatGi.V.m. 8 BNatSchG enthält hinsichtlich der betroffenen Fläche keine Begrenzung; sie gilt nicht nur im Außenbereich, sondern auch im beplanten und unbeplanten Innenbereich. Dem steht nicht entgegen, daß bauliche Anlagen im Innenbereich unter den Regelbeispielen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 8 HENatG nicht aufgeführt werden. Es handelt sich hierbei nämlich lediglich um diejenigen Tatbestände, bei denen von einem Eingriff im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 HENatG schon kraft gesetzlicher Fiktion auszugehen ist, so daß es einer Prüfung der sachlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 HENatG nicht mehr bedarf. Die gesetzliche Definition des Eingriffs in Natur und Landschaft in §§ 5 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 1 Satz 2 HENatG und § 8 Abs. 1 BNatSchG ist umfassend und beschränkt sich vom Wortlaut her nicht auf den Außenbereich. In §§ 1 Abs. 1 Nr. 5, 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, 4 Abs. 2 und 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 bezieht das HENatG Siedlungsbereiche in seinen Regelungsbereich ein. Aus der Regelung in § 8 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG läßt sich ebenfalls entnehmen, daß die Eingriffsregelung auch im beplanten Bereich gelten soll. Nach dieser Vorschrift brauchen Entscheidungen über einen Eingriff, die aufgrund eines Bebauungsplanes getroffen werden, nicht im Benehmen mit der Naturschutzbehörde zu erfolgen. Damit wird in § 8 Abs. 5 BNatSchG erkennbar vorausgesetzt, daß jedenfalls Eingriffe im Sinne dieser Vorschrift auch im beplanten Bereich erfolgen können und daß die Eingriffsregelung auch in diesem Bereich Geltung beansprucht.

Zwischen den genannten naturschutzrechtlichen Normen und den bauplanungsrechtlichen besteht kein Rangverhältnis. Danach steht fest, daß auch für Bauvorhaben im Innenbereich die Eingriffsregelung nach §§ 5, 6 HENatGi.V.m. § 8 BNatSchG anzuwenden ist.

Zweifellos stellt das Bauvorhaben einen Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 HENatG dar, denn es führt auf den betroffenen Flächen zu erheblichen und nachhaltigen Beeinträchtigungen zumindest der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes.

Solche Eingriffe sind naturschutzrechtlich genehmigungspflichtig. Vorhaben, die baurechtlich zulässig sind - und nicht etwa auf naturschutzrechtlich besonders geschützten Flächen wie Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebieten verwirklicht werden sollen -, sind auch naturschutzrechtlich im erforderlichen Umfang zu genehmigen. Die naturschutzrechtliche Genehmigung war im vorliegenden Verfahren unproblematisch und wurde mit der Baugenehmigung erteilt, denn die vom Bauvorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen waren unvermeidbar im Sinne von § 8 Abs. 2 BNatSchG, das heißt sie wären nur bei einem vollständigen Verzicht auf das baurechtlich zulässige Vorhaben zu vermeiden gewesen.

Die unvermeidbaren Beeinträchtigungen müssen gemäß § 6 Abs. 2 HENatGi.V.m. § 8 Abs. 2 BNatSchG in erster Linie ausgeglichen werden. Ausgeglichen ist ein Eingriff gemäß § 6 Abs. 2 Satz 3 HENatG, wenn nach seiner Beendigung keine erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigung des Naturhaushaltes zurückbleibt und das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet ist. Ein unmittelbarer Ausgleich, insbesondere für die Bodenversiegelung durch Überbauung und Oberflächenbefestigung ist nicht immer möglich und wird vom Gesetz auch nicht gefordert. Es sind aber vielfältige Maßnahmen denkbar, die nachteilige Wirkungen von Eingriffen in bestimmter Hinsicht kompensieren können, z. B. intensivere Pflanzungen, Verbesserung eines Landschaftsbildes, Versickerung statt Ableitung von Regenwasser und vieles andere mehr. Ob die positiven Wirkungen von Ausgleichsmaßnahmen die negativen des Eingriffs vollständig ausgleichen können, ist im Wege einer Gesamtbetrachtung aller maßgebenden Einflüsse auf die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes, das Landschaftsbild, den Erholungswert und das örtliche Klima zu beurteilen. Im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sind dabei auch aufwendige Ausgleichsmaßnahmen geboten. § 8 Abs. 9 BNatSchG ermächtigt die Länder, bei nicht ausgleichbaren, aber vorrangigen Eingriffen Ersatzmaßnahmen der Verursacher vorzusehen. Auf dieser Ermächtigungsgrundlage beruht § 6 Abs. 3 HENatG, der vorschreibt, daß im Falle nicht (vollständig) ausgleichbarer oder nach § 6 Abs. 2 Satz 4 HENatG nicht auszugleichender Eingriffe eine Abgabe zu leisten ist, die zu Zwecken des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu verwenden ist; die Ersatzmaßnahmen sollen in räumlichem Zusammenhang mit dem Eingriff stehen. Diese Vorschrift, auf die die angefochtene Auflage gestützt ist, ist ihrerseits mit höherrangigem Recht vereinbar.

Generelle finanzverfassungsrechtliche Bedenken gegen die Erhebung einer Ausgleichsabgabe für nicht ausgleichbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft bestehen nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat für die naturschutzrechtliche Ausgleichsabgabe nach § 11 des Baden-Württembergischen Naturschutzgesetzes entschieden, daß die Ausgleichsabgabe sowohl nach § 8 Abs. 9 BNatSchG gedeckt als auch im Hinblick auf die bundesstaatliche Finanzverfassung (Art. 104 a ff. GG) unbedenklich sei (BVerwG, Urteil vom 20.01.1989 - 4 C 15.87 - DVBI. 1989 S. 658 bis 660 und Urteil vom 04.07.1986 - 4 C 50.83 - DVBl. 1986 S. 1009 bis 1011). Allerdings stoßen Sonderabgaben als außersteuerliche Geldleistungen auf enge kompetenzrechtliche Grenzen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 02.12.1980 - BvF 3/77 - BVerfGE 55 S. 274 bis 329) darf das Aufkommen von Sonderabgaben nicht zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben verwendet werden; eine gesellschaftliche Gruppe kann nur dann mit einer Sonderabgabe in Anspruch genommen werden, wenn sie durch eine gemeinsame, in der Rechtsordnung oder in der gesellschaftlichen Wirklichkeit vorgegebene Interessenlage oder durch besondere gemeinsame Gegebenheiten von der Allgemeinheit und anderen Gruppen abgrenzbar ist; ferner setzt die Erhebung einer Sonderabgabe eine spezifische Beziehung (Sachnähe) zwischen dem Kreis der Abgabenpflichtigen und dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck voraus. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, denn zur naturschutzrechtlichen Ausgleichsabgabe werden diejenigen herangezogen, die nicht ausgleichbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft hervorrufen. Dem Zweck der Finanzierung von Ersatzmaßnahmen steht diese Gruppe näher als die Allgemeinheit der Abgabepflichtigen; denn die Ersatzmaßnahmen treten an die Stelle der Ausgleichsmaßnahmen, deren Herstellung eigentlich Aufgabe der Sonderabgabepflichtigen wäre. Das Gesetz sieht in § 6 Abs. 3 HENatG eine zweckgebundene Verwendung der Ausgleichsabgaben vor. Bei der naturschutzrechtlichen Ausgleichsabgabe handelt es sich dem Charakter nach um eine zulässige Ausgleichs-Finanzierungsabgabe im Sinne des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 06.11.1984 (- 2 BvL 19, 20/83, 2 BvR 363, 491/83 - BVerfGE 67 S. 256 bis 290), die den Vorteil, eine naturschutzrechtliche Beeinträchtigung nicht ausgleichen zu können, abschöpfen soll.

Die konkrete inhaltliche Fassung der Ausgleichsabgabe nach § 6 Abs. 3 HENatG, wonach die Abgabe in Höhe der ersparten Rekultivierungskosten zu leisten ist, führt jedenfalls bei rahmenrechtskonformer und verfassungskonformer, insbesondere am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierter Interpretation zu sachgerechten Ergebnissen. In der Gestalt dieser Auslegung erscheint dem Senat die Zahlungspflicht gerade noch hinreichend gesetzlich bestimmt.

Zunächst läßt sich feststellen, daß die Zahlungspflicht nach § 6 Abs. 3 HENatG bei jeder Art von Eingriffen, also auch bei Eingriffen durch die Errichtung von Gebäuden in Betracht kommt, und nicht nur in den Fällen, in denen wie etwa beim Abbau von Bodenschätzen im Tagebau eine spätere Rekultivierung möglich und üblich ist. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs. 3 HENatG ist jede Form von Eingriffen umfaßt; dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Gesamtkonzeption der naturschutzrechtlichen Eingriffs- und Ausgleichsregelung, die erkennbar einen möglichst umfassenden Schutz von Naturgütern anstrebt. Für die Bestimmung des Betrages der Ausgleichsabgabe, die "in Höhe der ersparten Rekultivierungskosten" zu leisten ist, ist es allerdings wichtig zu beachten, daß im Falle eines Eingriffs in Natur und Landschaft durch Errichtung eines Gebäudes (anders als beim Abbau von Bodenschätzen im Tagebau) Rekultivierungskosten nicht wirklich erspart werden. Bei der Formulierung des Gesetzes hatte der Gesetzgeber lediglich jene Fälle im Blick, in denen eine Rekultivierung generell möglich wäre, wie der Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung (Hessischer Landtag, Drucksache 9/1565) zu entnehmen ist:

"Die Höhe der Rekultivierungsabgabe bei nicht rekultivierbaren Eingriffen bestimmt sich grundsätzlich nach den Rekultivierungskosten ähnlicher, aber ausgleichbarer Eingriffe, dabei ist von den Grundsätzen der Naturalrestitution auszugehen. Bisweilen kann auf eine Neugestaltung verzichtet werden, um besondere Ziele des Naturschutzes zu verwirklichen (z. B. Erhalt von Steilwänden in Steinbrüchen oder beim Kiesabbau zur Schaffung von Nistplätzen bedrohter Vogelarten). Insbesondere in diesem Fall, aber auch dann, wenn die Wiederherstellung der Landschaft tatsächlich unmöglich ist, verhindert die Rekultivierungsabgabe ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile und eine Gesetzesumgehung; auch dies verdeutlicht die Notwendigkeit einer derartigen Lösung.

Der Gesetzgeber hatte mithin bei dem Begriff der Rekultivierung nicht etwa abzubrechende Gebäude, sondern einen Steinbruch oder eine Kiesgrube vor Augen. Diejenigen Nutzer eines Steinbruchs oder einer Kiesgrube, die so starke Eingriffe vorgenommen haben, daß diese nicht mehr zu rekultivieren waren, und diejenigen, auf deren Grundstücken sich wertvolle Pflanzen und Tierarten angesiedelt haben, so daß eine Rekultivierung gar nicht mehr als wünschenswert erscheint, sollten nach dem Willen des Gesetzgebers keinen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber denjenigen Steinbruch- oder Kiesgrubenbetreibern erhalten, die Rekultivierungsmaßnahmen durchführen können und müssen - sie sollten eine Abgabe in Höhe der ersparten Rekultivierungskosten erbringen. In diesen Fällen stellt die Rekultivierung eine denkbare und darüber hinaus die nächstliegende Form des Ausgleichs dar. Die Verknüpfung der Ausgleichsabgabe mit der Höhe der Rekultivierungskosten stellt insoweit eine wichtige gesetzliche Konkretisierung dar, als es nicht der Behörde überlassen bleibt, im Falle eines nicht ausgleichbaren Eingriffs ein Programm denkbarer Ausgleichsmaßnahmen zu entwerfen, die fiktiv einen vollständigen Ausgleich erbringen würden, und die geschätzten Kosten dieser Maßnahmen dem Abgabepflichtigen aufzuerlegen. Die Höhe der ersparten Rekultivierungskosten ist in den Fällen, in denen eine Rekultivierung abgesehen von Besonderheiten des Einzelfalles generell möglich wäre, relativ einfach bestimmbar. Aber auch in den Fällen, in denen der Eingriff durch die Errichtung eines Gebäudes erfolgt, ist die Höhe der fiktiven Rekultivierungskosten noch hinreichend bestimmt; sie liegt allerdings nicht ohne weiteres auf der Hand. Zu den ersparten Rekultivierungskosten bei Gebäuden (und anderen oberirdischen Bauwerken) gehören maximal die Kosten, die - nach Entfernung der Bauteile, die sich über dem Boden befinden -, zur Entfernung von Bauteilen im Erdboden und zur landschaftsgerechten Herstellung oder Neugestaltung des Landschaftsbildes erforderlich wären. Die Kosten für den Abbruch und die Entfernung von Bauteilen, die sich über dem Erdboden befinden, können nicht zu den ersparten Rekultivierungskosten zählen. Denn zum einen stehen diese Kosten weder in einem Sachzusammenhang zu der Erheblichkeit und Nachhaltigkeit der vom Eingriff ausgehenden Beeinträchtigungen, noch zu den Kosten der eigentlich vorrangigen Ausgleichsmaßnahme. Eine Anknüpfung an die Abbruchkosten wäre sachwidrig und willkürlich. Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß die Kosten für die Beseitigung eines Bauwerkes auf den Bauherrn oder seinen Rechtsnachfolger nach endgültiger Beendigung der baulichen Nutzung irgendwann einmal zukommen werden. Auch aus diesem Grund sind die Abriß- und Beseitigungskosten der Teile eines Bauwerkes, die sich über dem Boden befinden, nicht erspart. Eine Rekultivierungspflicht kann erst dort ansetzen, wo die nach Bauordnungsrecht (§ 83 HBO) zukünftig ohnehin bestehende Abbruch- und Beseitigungspflicht endet.

In den Fällen, in denen immerhin ein teilweiser Ausgleich der von einem Eingriff ausgehenden Beeinträchtigungen möglich ist und durchgeführt wird, ist die Ausgleichsabgabe nicht in voller Höhe zu zahlen. Für die Anrechnung der zum teilweisen Ausgleich aufgebrachten Aufwendungen bieten sich nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 3 HENatG gedanklich zwei Wege an.

Die Formulierung, daß die Abgabe in Höhe der ersparten Rekultivierungskosten zu leisten ist und der Gesetzeszweck der Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils sprechen dafür, die tatsächlich aufgebrachten Aufwendungen für Ausgleichsmaßnahmen vom Höchstbetrag der Abgabe, der ohne Ausgleichsmaßnahmen zu zahlen wäre, abzuziehen. Nur diesen Betrag hat der Ausgleichspflichtige nämlich erspart, und er soll abgeschöpft werden. Diese Methode hätte zugleich den praktischen Vorteil, daß die vorzunehmende Berechnung relativ sicher und einfach vorgenommen werden könnte und daß sich die Frage der Verhältnismäßigkeit auch bei sehr kostenintensiven, aber in ihrem ökologischen Effekt beschränkten Ausgleichsmaßnahmen nur selten stellen dürfte.

Es erscheint dem Senat schließlich jedoch systemgerecht, die vorrangig an den konkreten Möglichkeiten und am erzielbaren ökologischen Erfolg und im übrigen am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgerichtete Handlungspflicht zur Naturalrestitution oder -kompensation auch bezüglich ihrer finanziellen Auswirkung, also der Höhe der notwendigen Aufwendungen, nicht mit der Pflicht zur Zahlung eines Teilausgleichsbetrages nach einem anderen, für die große Mehrzahl der Fälle pauschalierenden Maßstab zu verquicken.

Deshalb ist die ökologische Wirkung des (Teil-) Ausgleichs in Natur nach einem auch für die Bewertung der Wirkung des Eingriffs in die Naturgüter geltenden Maßstab zu beurteilen; eine solche Bewertung ist grundsätzlich möglich; auch die Bodenversiegelung ist gegebenenfalls in die Gesamtbetrachtung von Eingriffs- und Ausgleichswirkungen einzubeziehen. Der nicht ausgeglichene Teil des Eingriffs ist der Restschaden. Für ihn ist eine Abgabe in Höhe eines seinem Umfang entsprechendem Bruchteils oder Prozentsatzes vom Höchstbetrag der Ausgleichsabgabe, der ohne Ausgleich zu zahlen wäre, zu entrichten.

Bei Anwendung des vorstehend entwickelten Maßstabes auf den vorliegenden Fall ergibt sich, daß die angegriffene Auflage den Kläger in seinen Rechten verletzt. Denn der Beklagte hat weder die durch den vorliegenden Eingriff ausgelösten Beeinträchtigungen noch den vom Kläger vorgenommenen Ausgleich rechtlich einwandfrei bewertet.

Der Beklagte hat einerseits angenommen, daß die durch das Vorhaben entstandenen Flächenversiegelungen von vornherein nicht ausgleichbar sind, und hat im übrigen anhand des Formblattes A "Bewertung von Natur und Landschaft" der Richtlinie zur Bewertung des Ausgleichs und Bemessung der Abgaben bei Eingriffen in Natur und Landschaft (§ 6 Abs. 3 HENatG) nach dem Differenzverfahren des Hessischen Ministers für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz vom 17.12.1987 eine Bewertung der Situation vor dem Eingriff, vor dem Ausgleich und nach dem Ausgleich vorgenommen. Dabei hat er unter dem Gliederungspunkt Pflanzen- und Tierwelt die Kriterien Lebensgemeinschaft und Raumansprüche und unter dem Gliederungspunkt Landschaftsbild und Erholung die Kriterien Relief, natürliche Kleinstrukturen, technische Elemente, Lärm und Zugänglichkeit bewertet. Damit hat sich der Beklagte in unzulässiger Weise von den vier im Gesetz vorgegebenen naturschutzrechtlichen Belangen (Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes, Landschaftsbild, Erholungswert, örtliches Klima) gelöst. Denn einerseits ist die Flächenversiegelung nicht per se als Beeinträchtigung zu klassifizieren, sondern muß anhand der genannten naturschutzrechtlichen Belange bewertet werden. Je nach Größe und Lage kann eine Flächenversiegelung unter Umständen hinsichtlich aller vier Belange Beeinträchtigungen auslösen. Diese Beeinträchtigungen, die konkret festgestellt werden müssen, können aber andererseits zumindest teilweise etwa durch Regenwasserversickerung, Intensivierung der Pflanzungen auf Restflächen und ähnliche geeignete Maßnahmen ausgeglichen werden. Werden bei Versiegelung einer Teilfläche einer Wiese auf einer anderen Teilfläche dieser Wiese - wie hier - Bäume und Sträucher angepflanzt, so wird dadurch dem Verlust an Biomasse entgegengewirkt und darüber hinaus die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens vergrößert. Diese Aspekte hat der Beklagte übersehen. Es fehlt deshalb insoweit bereits an einer rechtlich einwandfreien Bewertung der durch den Eingriff ausgelösten Beeinträchtigungen und der positiven Auswirkungen der vorgenommenen Ausgleichsmaßnahmen. Im übrigen repräsentieren die vom Beklagten bewerteten oben genannten sieben Faktoren weder für sich noch zusammen mit dem Gesichtspunkt der Flächenversiegelung die Gesamtheit der vier hier maßgeblichen naturschutzrechtlichen Belange. Es fehlt an einer Gesamtbewertung, die alle Aspekte dieser vier Belange berücksichtigt. Auch aus diesem Grund sind die vorliegenden Bewertungen von Eingriff und Ausgleich rechtsfehlerhaft.

Darüber hinaus sind die vom Beklagten gefundenen Teilwerte auch nicht verständlich. Der Beklagte hat sich nämlich darauf beschränkt, hinsichtlich der bewerteten Kriterien bestimmte Punktwerte festzusetzen, ohne zu erläutern, welche Erwägungen für diese Bewertung jeweils maßgebend waren. Die Gewichtung der Kriterien untereinander erscheint ebenfalls nicht plausibel. Dadurch, daß in dem vom Beklagten verwendeten Formblatt unter den Hauptgliederungspunkten unterschiedlich viele Einzelkriterien aufgeführt sind, wird unausgesprochen eine unterschiedliche Gewichtung dieser Gesichtspunkte herbeigeführt, ohne daß dargelegt würde oder sonst ersichtlich wäre, worauf diese Gewichtung beruht.

Die Berechnung der streitigen Abgabe ist darüber hinaus auch deshalb rechtswidrig, weil die angewandte Berechnungsmethode nach dem Differenzverfahren gemäß der ministeriellen Richtlinie vom 17.12.1987 notwendigerweise zu willkürlichen Ergebnissen führt. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, erfolgt nach der Richtlinie nach der in Punkte umgesetzten Bewertung der Zustände von Natur und Landschaft vor dem Eingriff, vor dem Ausgleich und nach dem Ausgleich zum einen eine Punktbewertung des Restschadens und zum anderen eine Punktbewertung der durchgeführten Ausgleichsmaßnahmen, indem der Punktwert für den Zustand vor dem Ausgleich von dem Punktwert für den Zustand nach dem Ausgleich abgezogen wird. Anschließend werden die Kosten der Ausgleichsmaßnahmen mit Hilfe einer Kostendatei errechnet. Diese Kosten werden durch den Punktwert der Ausgleichsmaßnahme dividiert, so daß sich ein Geldwert je erreichtem Punkt für den Ausgleich ergibt. Sodann wird dieser Geldwert mit dem Punktwert des Restschadens multipliziert. Der daraus resultierende Betrag soll dann als Geldwert des Restschadens Grundlage für die festzusetzende Ausgleichsabgabe sein. Dieses Verfahren hat notwendigerweise zur Folge, daß die Höhe der Ausgleichsabgabe u. a. davon abhängt, welche Kosten durchschnittlich erforderlich waren, um jeweils einen Punktwert bei den Ausgleichsmaßnahmen zu erreichen. Je höher der Aufwand für die Ausgleichsmaßnahmen im Verhältnis zum erreichten Ausgleichseffekt ist, desto höher fällt also die Ausgleichsabgabe für den Restschaden aus. Umgekehrt ergibt sich eine niedrige Ausgleichsabgabe für den Restschaden, wenn die Kostenrelation je erreichtem Ausgleichspunkt günstig ist. Dieses Ergebnis ist vom Zufall abhängig und nicht sachgerecht. Es entspricht nicht der gesetzlichen Regelung, einen Ausgleich nach den ersparten Rekultivierungskosten zu bemessen.

Um zu einer rechtlich einwandfreien Bemessung der Ausgleichsabgabe zu gelangen, wäre zunächst eine umfassende und in den Einzelaspekten nachvollziehbare, plausible, schriftlich niedergelegte Bewertung der durch den Eingriff hervorgerufenen Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes, des Landschaftsbildes, des Erholungswertes und des örtlichen Klimas erforderlich gewesen. Daran hätte sich eine entsprechende schriftlich niedergelegte Bewertung der günstigen Auswirkungen der Ausgleichsmaßnahmen anschließen müssen. In diese Bewertung wäre die vom Kläger geltend gemachte Veränderung der Bewirtschaftungsform allerdings nicht einzubeziehen gewesen, da es sich insoweit nicht um rechtlich gesicherte und auch nicht um sicherungsfähige Maßnahmen handelt.

Falls der Beklagte im Rahmen der Bewertung der Wirkungen der Ausgleichsmaßnahmen zum Ergebnis gekommen wäre, daß die durch den Eingriff hervorgerufenen Beeinträchtigungen nicht vollständig ausgeglichen sind, so hätte er bewerten müssen, zu welchem Bruchteil oder Prozentsatz ein Ausgleich fehlt. Den so ermittelten Anteil der ersparten Rekultivierungskosten, also der Kosten, die zur Entfernung der im Erdboden befindlichen Teile des Stallgebäudes und zur landschaftsgerechten Wiederherstellung einer Wiese erforderlich wären, hätte der Beklagte dem Kläger als Ausgleichsabgabe auferlegen können.

Da die angegriffene Auflage rechtswidrig ist, hat das Verwaltungsgericht sie zu Recht in vollem Umfang aufgehoben. Eine Aufhebung nur zum Teil kam nicht in Betracht, denn das Gericht ist im vorliegenden Fall nicht in der Lage, an die Stelle der rechtswidrigen Ermittlung der Höhe der Ausgleichsabgabe durch den Beklagten eine eigene Berechnung zu setzen. Aufgrund der vorliegenden Unterlagen läßt sich nämlich weder eine umfassende Bewertung der Beeinträchtigungen noch des bereits erfolgten Ausgleichs vornehmen. Auch die Höhe der ersparten Rekultivierungskosten läßt sich aus dem Inhalt der Akten nicht feststellen.

Es steht dem Beklagten allerdings frei, unter Beachtung der im vorliegenden Urteil dargelegten Grundsätze eine neue Bewertung und Berechnung anzustellen und gegebenenfalls dem Kläger eine Ausgleichsabgabe aufzuerlegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.