Hessischer VGH, Beschluss vom 02.07.1991 - 10 TG 1253/91
Fundstelle
openJur 2012, 19521
  • Rkr:
Tatbestand

Der im November 1952 geborene Antragsteller ist indischer Staatsangehöriger und Sikh. Nach seiner am 28. Dezember 1979 erfolgten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland stellte er mit Anwaltschreiben vom 24. Januar 1980 Asylantrag, den das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 17. Juli 1980 - Ind.-S- 9949 - ablehnte. Die daraufhin erhobene Asylverpflichtungsklage wies das Verwaltungsgericht Wiesbaden mit Urteil vom 13. Juli 1982 - IV/1 E 5220/81 - als offensichtlich unbegründet ab. Nachdem der beschließende Senat die Berufung des Antragstellers gegen dieses Urteil mit Beschluß vom 29. Dezember 1982 - X OE 457/82 -- verworfen hatte, erhob der Antragsteller am 7. Februar 1983 bei dem Verwaltungsgericht Wiesbaden Nichtigkeitsklage gegen dessen Urteil vom 13. Juli 1982, die das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 13. September 1983 - IV/1 E 5172/83 R - bezüglich des asylrechtlichen Verfahrensteils abwies. Die vom Antragsteller gegen das Urteil vom 13. September 1983 eingelegte Berufung wies der beschließende Senat hinsichtlich des asylrechtlichen Verfahrensteils mit Beschluß vom 9. Juli 1985 - 10 OE 170/83 - einstimmig als unbegründet zurück, die gegen diesen Beschluß gerichtete Revision des Antragstellers verwarf das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluß vom 1. Oktober 1985 - 9 C 222.85 --. Daraufhin ließ der Antragsteller mit Anwaltschreiben vom 11. Oktober 1985 einen Asylfolgeantrag stellen, den die zuständige Ausländerbehörde in F als unbeachtlich ansah und nicht an das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge weiterleitete. Gegen die von der Ausländerbehörde in F in diesem Zusammenhang erlassene Abschiebungsandrohung vom 3. Februar 1986 ließ der Antragsteller Klage erheben, die das Verwaltungsgericht Wiesbaden mit Urteil vom 3. April 1987 - IV E 20133/86 - als offensichtlich unbegründet abwies.

Einen daraufhin vom Antragsteller gestellten weiteren Asylfolgeantrag vom 22. September 1987 hielt die Ausländerbehörde in F ebenfalls für unbeachtlich und leitete ihn nicht an das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge weiter. Die Ausländerbehörde in F teilte dem damaligen Bevollmächtigten des Antragstellers mit Schreiben vom 16. Februar 1988 mit, man werde die frühere Abschiebungsandrohung vom 3. Februar 1986 vollziehen. Daraufhin erklärte sich der Antragsteller mit Anwaltschreiben vom 8. März 1988 zur freiwilligen Ausreise am 5. April 1988 bereit. Nachdem der Antragsteller bei einer persönlichen Vorsprache bei der Ausländerbehörde in F am 9. März 1988 unter Vorlage eines Flugtickets die Freigabe der zur Deckung der Rückreisekosten gesparten 1500,-- DM auf seinem Sparkonto bei der F er Sparkasse von 1822 erreicht hatte, trat er ausländer- und asylrechtlich nicht mehr in Erscheinung, bis er mit Anwaltschreiben vom 13. März 1989 einen erneuten Asylfolgeantrag stellen ließ. Bei einer persönlichen Anhörung zu diesem Antrag am 13. April 1989 in S am Taunus erklärte der Antragsteller, er sei seit 28. Dezember 1979 andauernd in Deutschland und wolle zu seinem Asylantrag jetzt nichts sagen; sein Rechtsanwalt werde bis zum 21. April 1989 eine schriftliche Begründung vorlegen. Nachdem die angekündigte Begründung nicht erfolgt war, erließ der Oberbürgermeister der Stadt F eine auf § 10 Abs. 1 und 2 AsylVfG gestützte Abschiebungsandrohung vom 19. Oktober 1989. Einen gegen diesen Bescheid gerichteten Aussetzungsantrag des Antragstellers lehnte das Verwaltungsgericht Wiesbaden mit Beschluß vom 13. März 1990 - IX H 21146/89 - ab, die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers wies der Senat mit Beschluß vom 4. Mai 1990 - 10 TH 1262/90 - zurück. An den negativen Ausgang dieses Eilverfahrens hatte die Ausländerbehörde in F das Ende der Gültigkeit einer Duldungsbescheinigung geknüpft, die sie dem Antragsteller am 15. Dezember 1989 im Anschluß an eine zuvor am 17. April 1989 erteilte und zuletzt bis 15. Dezember 1989 verlängerte Aufenthaltsgestattung erteilt hatte.

Mit einem an den Oberbürgermeister der Stadt F persönlich gerichteten Anwaltschreiben vom 3. Juli 1990 bat der Antragsteller darum, "sich für ein Aufenthaltsrecht des Mandanten einzusetzen". Das Regierungspräsidium in D, dem der Oberbürgermeister der Stadt F die Angelegenheit mit Bericht vom 3. September 1990 vorgelegt hatte, lehnte mit Verfügung vom 10. September 1990 eine Altfallregelung zugunsten des Antragstellers ab und bat den Oberbürgermeister, den Aufenthalt des Antragstellers unverzüglich zu beenden; eine Notwendigkeit, vor Durchführung der Abschiebung den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu bescheiden, bestehe nicht, da der Antrag nach § 28 Abs. 7 AsylVfG keine Fiktionswirkung entfalte.

Nachdem ihm anläßlich einer Vorsprache bei der Ausländerbehörde in F eine sogenannte Grenzübertrittsbescheinigung ausgehändigt worden war, die seine Ausreise bis Ende April 1991 vorsah, stellte der Antragsteller mit Anwaltschreiben vom 2. April 1991 ausdrücklich Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland mit der Begründung, er halte sich seit mehr als elf Jahren in der Bundesrepublik Deutschland auf und habe Asylverfahren ohne Erfolg betrieben.

Am 5. April 1991 hat der Antragsteller Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gestellt und sich zur Begründung auf § 100 AuslG berufen. Unter Vorlage einer eigenen eidesstattlichen Versicherung vom 19. April 1991 hat er geltend gemacht, er habe am 2. April 1991 mit Rücksicht auf das Ausländergesetz nochmals einen Antrag gestellt, nachdem sein Asylverfahren mit Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. Mai 1990 endgültig negativ beendet worden sei, er danach durch seine früheren Bevollmächtigten unter Berufung auf die sogenannte Altfallregelung mit Hilfe des Amtes für multikulturelle Angelegenheiten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragt habe und dieses Verfahren keine Fortschritte gemacht habe. Sein Aufenthalt sei über die Jahre hinweg rechtmäßig gewesen, er habe ab 1980 bis 31. Dezember 1985 bei der US-Armee gearbeitet, danach sei er in unregelmäßigen Arbeitsverhältnissen gewesen, bis er 1989 eine Beschäftigung bei einer Hotelgesellschaft gefunden habe.

Der Antragsteller hat beantragt,

der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, sich bis zur endgültigen Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausländerrechtlicher Maßnahmen gegenüber dem Antragsteller zu enthalten.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen,

und hat zur Begründung die Auffassung vertreten, der Antragsteller habe die Voraussetzungen eines Rechtsanspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 100 AuslG nicht glaubhaft gemacht. Wie das Regierungspräsidium D, das sich als Zentrale Abschiebungsbehörde für abgelehnte Asylbewerber die Entscheidung über Eilfälle nach § 100 AuslG vorbehalten habe, in seinem Schreiben vom 10. September 1990 zutreffend ausgeführt habe, sei der Aufenthalt des Antragstellers vor allem durch mehrere unbeachtliche Asylfolgeanträge in die Länge gezogen worden. Es bestehe deshalb keine Veranlassung, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluß vom 17. Mai 1991 dem Antrag stattgegeben und der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, den Antragsteller bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist gegen eine noch zu erlassende Entscheidung über seinen Antrag nach § 100 AuslG vorläufig zu dulden. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage sei der Ausgang der Entscheidung über den Antrag des Antragstellers, ihm nach § 100 AuslG eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen, offen. Die Entscheidung stehe im Ermessen der Behörde. Bei dieser Ermessensentscheidung werde zu berücksichtigen sein, daß auch Gesichtspunkte für eine Aufenthaltsbefugnis des Antragstellers sprächen, etwa sein langjähriger Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, eine in Aussicht gestellte Arbeitserlaubnis und eine vorhandene Arbeitsstelle. In dieser Situation gehe die notwendige Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers aus, da ihm nicht zuzumuten sei, sich für die Dauer des Verwaltungsverfahrens aus seinen hiesigen Lebensverhältnissen zu lösen und in sein Heimatland zurückzukehren. Es liege in der Hand der Antragsgegnerin, das Verfahren durch eine alsbaldige Entscheidung zu beschleunigen.

Gegen diesen Beschluß hat die Antragsgegnerin bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main am 27. Mai 1991 Beschwerde eingelegt, der das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat. Zur Begründung vertieft die Antragsgegnerin ihr Vorbringen aus der ersten Instanz und macht weiter geltend, das Verwaltungsgericht habe mit seiner Rechtsauffassung dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 100 AuslG eine Fiktionswirkung beigemessen, die der Gesetzgeber weder ausdrücklich noch inzident gewollt habe. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift vom 24. Mai 1991 Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

unter Aufhebung des mit der Beschwerde angefochtenen Beschlusses den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluß und macht geltend, aus den bei der Antragsgegnerin geführten Ausländerakten ergäben sich eindeutig die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 100 AuslG.

Dem Senat liegen die den Antragsteller betreffenden Akten der Ausländerbehörde, des Oberbürgermeisters der Antragsgegnerin, vor (4 Bände, paginiert bis Blatt 494).

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht entsprochen.

Hinsichtlich der Zulässigkeit des Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung und des Vorliegens eines Anordnungsgrundes im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO bestehen allerdings auch seitens des Senats keine Bedenken. Denn der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, daß seine Abschiebung nach Indien nach Ausschöpfung aller rechtlichen und nahezu aller politischen Möglichkeiten zur Verlängerung seines Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar bevorsteht. Dafür spricht insbesondere, daß das Regierungspräsidium D dem Oberbürgermeister der Stadt F mit Schreiben vom 10. September 1990 Weisung im Sinne des § 1 Satz 3 der Verordnung zur Bestimmung des Regierungspräsidiums D als Zentrale Abschiebungsbehörde für abgelehnte Asylbewerber vom 28. November 1989 (GVBl. I Seite 393) erteilt hat, den Aufenthalt des Antragstellers unverzüglich zu beenden.

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist jedoch deshalb unbegründet, weil der noch nicht beschiedene Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung in Form der Aufenthaltsbefugnis nach § 100 AuslG keine Fiktionswirkung hat und weil dem Antragsteller offensichtlich kein sicherungsfähiger Anspruch auf Erteilung der begehrten Aufenthaltsgenehmigung zusteht.

Fiktionswirkung in dem Sinne, daß der derzeitige Aufenthalt des Antragstellers schon wegen seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung als geduldet gilt (§ 69 Abs. 2 Satz 1 AuslG) kommt dem unbeschiedenen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 100 AuslG nicht zu, weil der Antragsteller bereits bei der Antragstellung aufgrund der letzten gegen ihn ergangenen Abschiebungsandrohung des Oberbürgermeisters der Stadt F vom 19. Oktober 1989 ausreisepflichtig war, nachdem der Senat mit Beschluß vom 4. Mai 1990 seine Beschwerde gegen die Ablehnung eines Aussetzungsantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO durch das Verwaltungsgericht Wiesbaden zurückgewiesen hatte und die Abschiebungsandrohung vom 19. Oktober 1989 dadurch vollziehbar geworden war (§ 10 Abs. 3 Satz 7 AsylVfG).

Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis im Wege einer Ermessensentscheidung nach § 100 Abs. 1 AuslG liegen entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts beim Antragsteller offensichtlich nicht vor, selbst wenn er sich bei Inkrafttreten des Ausländergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (BGBl. I Seite 1354) am 1. Januar 1991 (vgl. Art. 15 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes vom 9. Juli 1990) seit der ersten Asylantragstellung im Januar 1980 möglicherweise mehr als acht Jahre lang aufgrund von Aufenthaltsgestattungen oder geduldet im Bundesgebiet aufgehalten hat. Erhebliche Zweifel an der Erfüllung der Achtjahresfrist im Sinne des § 100 Abs. 1 Satz 1 AuslG bestehen allerdings schon deshalb, weil der Antragsteller während des knapp zehnjährigen Aufenthalts zwischen der ersten Asylantragstellung kaum acht Jahre lang Inhaber einer gültigen Aufenthaltsgestattung oder einer wirksamen Duldung gewesen sein dürfte, da die ihm erteilten Duldungen und Aufenthaltsgestattungen kraft der ihnen als Nebenbestimmungen beigefügten auflösenden Bedingungen bzw. gemäß § 20 Abs. 3 Nr. 3 und 4 AsylVfG mit der rechtskräftigen Ablehnung der ihnen jeweils zugrundeliegenden Asyl- bzw. Asylfolgeanträge erloschen sind. Hinzukommt, daß die dem Antragsteller am 22. Dezember 1986 erteilte Duldungsbescheinigung (Blatt 370 der beigezogenen Behördenakten) letztmals am 26. Juni 1987 bis 26. Juli 1987 verlängert worden war und die im Anschluß daran am 28. September 1987 erteilte Aufenthaltsgestattung (Bl. 393 der Behördenakten) nach Verlängerung mit Ablauf des 28. Februar 1988 ungültig geworden war. Der Antragsteller war nach Aktenlage anschließend bis zur Erteilung einer Aufenthaltsgestattung aufgrund des Asylfolgeantrags vom 13. März 1989 am 17. April 1989 (Blatt 418 der Behördenakten) ohne eine die Voraussetzungen des § 100 Abs. 1 Satz 1 AuslG erfüllende aufenthaltsrechtliche Position. Dies gilt für die Zeit von März 1988, als der Antragsteller sich gegenüber der Ausländerbehörde in F zur freiwilligen Ausreise bereit erklärte und ihm daraufhin die Grenzübertrittsbescheinigung vom 9. März 1988 (Blatt 378 der beigezogenen Behördenakten) ausgehändigt wurde, bis zur Folgeantragstellung Mitte März 1989 (vgl. Blatt 383 der beigezogenen Behördenakten).

Eine weitergehende Prüfung, ob die nach Abzug der angesprochenen Zeiträume verbleibenden Spannen insgesamt einen gestatteten oder geduldeten Aufenthalt von acht Jahren ergeben, erübrigt sich, weil dem Antragsteller auch aus anderen Gründen keine Aufenthaltsbefugnis nach § 100 AuslG erteilt werden darf. Denn der langjährige Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet beruht nicht auf einem einzigen Asylantrag, sondern überwiegend auf einer Kette unbeachtlicher Folgeanträge, die der Antragsteller jeweils zur Abwendung einer sonst drohenden Aufenthaltsbeendigung gestellt hat. Gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz AuslG bleiben bei der Berechnung der Achtjahresfrist "Aufenthaltszeiten vor Stellung des Asylantrages" außer Betracht. Daraus ergibt sich zur Überzeugung des Senats, daß die Altfallregelung nach § 100 Abs. 1 AuslG nur solchen Asylbewerbern zugute kommen soll, deren Aufenthalt bei Inkrafttreten des Ausländergesetzes 1990 aufgrund eines und desselben Asylantrags länger als acht Jahre gestattet oder geduldet war und bei denen mithin eine von ihrem Verhalten unabhängige überlange Verfahrensdauer zu einer Aufenthaltsverfestigung geführt hat, die ungeachtet des letztlich erfolglos gebliebenen Asylbegehrens eine Aufenthaltsbeendigung nach rechtskräftigem Abschluß des Asylverfahrens unangemessen erscheinen läßt. Diese Wortlautinterpretation wird durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift gestützt. In dem Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts (BT-Drucksache 11/6321) ist zu dem später fast unverändert als § 100 AuslG übernommenen § 98 des Entwurfs unter anderem ausgeführt (a.a.O., Seite 86): "Aufenthaltszeiten vor der Asylantragstellung bleiben außer Betracht, um nicht die Ausländer zu begünstigen, die den Asylantrag zur Abwendung einer Aufenthaltsbeendigung gestellt haben". Diese im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens unwidersprochen gebliebene Begründung zeigt, daß durch die Altfallregelung nicht solche Asylbewerber begünstigt werden sollten, die nach Abschluß ihres Erstverfahrens von der Ausländerbehörde beabsichtigten aufenthaltsbeendenden Maßnahmen durch Folgeantragstellung oder sonstige Rechtsbehelfe zuvorgekommen sind und dadurch ihre Abschiebung hinausgezögert haben.

Für diese Auslegung des § 100 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz AuslG, wonach bei wiederholter Asylantragstellung für die Berechnung der achtjährigen Aufenthaltsdauer Zeiten vor der jeweils letzten Asylantragstellung außer Betracht bleiben, spricht schließlich auch der Zweck der Vorschrift. Ihr Sinn besteht darin, Ausländern, die trotz Fehlens eines dauernden Bleiberechts aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen längere Zeit im Bundesgebiet geblieben und nicht in ihr Heimatland zurückgekehrt sind, wegen der daraus folgenden Verfestigung ihres Aufenthalts unter Vertrauensschutzgesichtspunkten ein Recht zum weiteren Aufenthalt einzuräumen. Dieser Gesetzeszweck würde geradezu ins Gegenteil verkehrt, wenn die Vergünstigung auch solchen Ausländern zugute käme, die - wie der Antragsteller - nach relativ kurzer Dauer eines Erstverfahrens in Kenntnis der Aussichtslosigkeit ihres Asylbegehrens durch Folgeanträge oder sonstige Rechtsbehelfe neue Verfahren in Gang setzen, um dadurch den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen hinauszuzögern.

Der Antragsteller gehört eindeutig zu dieser Kategorie von Asylbewerbern, denn er hat seit der rechtskräftigen Ablehnung seines ersten Asylbegehrens mit Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 13. Juli 1982 durch offensichtlich aussichtslose Asylfolgeanträge und Rechtsbehelfe systematisch - und bis heute erfolgreich - versucht, die von der Ausländerbehörde in F ... beabsichtigte Aufenthaltsbeendigung zu verhindern, wobei er in einem Fall sogar eine in Wahrheit nicht bestehende Ausreiseabsicht vorgetäuscht hat, um eine Freigabe der zur Deckung der Abschiebungskosten angesparten Beträge zu erreichen. Kann ein Ausländer schon aus der langen Dauer eines Asylverfahrens kein schutzwürdiges Vertrauen auf eine weitere Aufenthaltsmöglichkeit im Bundesgebiet herleiten (BVerwG, Beschluß vom 17. Februar 1987 - 1 B 5.87 --, InfAuslR 1987, 147 m. w. N.), gilt dies um so mehr für den Antragsteller, der die Gesamtdauer der zahlreichen ihn betreffenden Verwaltungs- und Gerichtsverfahren im wesentlichen selbst zu vertreten hat.

Schließlich wäre dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach Überzeugung des Senats selbst dann nicht stattzugeben, wenn man der Auffassung des Verwaltungsgerichts folgen und die Voraussetzungen einer noch offenen Ermessensentscheidung des Oberbürgermeisters der Stadt F - trotz der vom Regierungspräsidium D erteilten Weisung - als erfüllt ansehen wollte. Im Rahmen der dann vorzunehmenden Interessenabwägung gebührt dem Interesse des Antragstellers an einem vorläufigen Verbleib im Bundesgebiet während des Verfahrens auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 100 AuslG nämlich keinesfalls der Vorzug gegenüber dem öffentlichen Interesse an seiner Abschiebung nach bestandskräftigem Abschluß auch des jüngsten Folgeantragsverfahrens (vgl. zum Gewicht des öffentlichen Interesses an der Abschiebung Beschluß des Senats vom 19. April 1989 - 10 TH 898/89 --, HessVGRspr. 1989, 89). Denn dem Antragsteller, der sich 1988 gegenüber der Ausländerbehörde in F schon einmal - wenn auch wahrheitswidrig - zur freiwilligen Rückkehr in sein Heimatland bereit erklärt hat, ist es durchaus zuzumuten, den Ausgang des Verfahrens in seinem Heimatland abzuwarten, wo ihm offensichtlich keine politische Verfolgung droht.