Hessischer VGH, Urteil vom 13.03.1991 - 1 UE 2302/90
Fundstelle
openJur 2012, 19411
  • Rkr:
Tatbestand

Der am 20.11.1951 geborene Kläger bestand am 09.04.1986 die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an beruflichen Schulen gewerblich-technischer Fachrichtung mit der Note "gut". Mit Wirkung vom 01.05.1987 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Studienreferendar ernannt und bestand am 19.10.1988 die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an beruflichen Schulen mit der Note "gut".

Mit seinem Antrag auf Zulassung zum Vorbereitungsdienst vom 15.12.1986 reichte er u. a. eine "Erklärung zu Strafen und Disziplinarmaßnahmen sowie zu laufenden Verfahren" ein, datiert vom 16.12.1986, wobei er entsprechende Angaben durch einen Schrägstrich verneinte. Ausweislich eines Führungszeugnisses des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof -- Dienststelle Bundeszentralregister -- vom 21.01.1987 lagen damals aber zwei Verurteilungen vor:

1. wegen Vergehens nach §§ 242, 248 a StGB am 16.02.1984 (Diebstahl geringwertiger Sachen), das am 25.05.1984 vom Amtsgericht Darmstadt mit einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 10,00 DM geahndet wurde;

2. wegen Vergehens nach §§ 242, 248 a StGB (Diebstahl geringwertiger Sachen) am 29.01.1985, das vom Amtsgericht Darmstadt am 11.06.1985 mit einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 10,00 DM geahndet wurde.

Der Kläger, vom Regierungspräsidenten ... hierzu gehört, erklärte unter dem 05.02.1987, er habe diese Vergehen nicht angegeben, weil er davon ausgegangen sei, daß lediglich Ahndungen von mehr als 90 Tagessätzen mitzuteilen seien. Er sei über die Berücksichtigung im Führungszeugnis überrascht, zumal ihm seitens des Amtsgerichts Darmstadt mitgeteilt worden sei, daß nur Strafen über 90 Tagessätze aufgenommen würden. Die Vergehen selbst hätten auf psychischen und daher bewußtseinsmäßigen Ausnahmesituationen beruht, die als einmalig anzusehen seien. In beiden Fällen habe die Ursache der Vergehen in mangelnder psychischer und materieller Sicherheit gelegen. Eine auch aus diesem Grunde erfolgreich durchgeführte Therapie habe den einmaligen Charakter der Vergehensmotive deutlich werden lassen.

Ausweislich eines Vermerks in den Personalakten über den Kläger wurde er in Kenntnis dieser Umstände zum pädagogischen Vorbereitungsdienst zugelassen, weil das strafbare Verhalten des Klägers eine Jugendverfehlung darstelle, die offenbar aus Gedankenlosigkeit begangen worden sei.

Mit Formularschreiben vom 17.01.1989 teilte das Regierungspräsidium ... dem Kläger mit, unter der Voraussetzung, daß alle rechtlichen und sonstigen Einstellungsbedingungen erfüllt seien und der zuständige Personalrat seine Zustimmung erteile, sei beabsichtigt, ihn zum 01.02.1989 in den hessischen Schuldienst einzustellen. Daraufhin bewarb sich der Kläger zur Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe und nannte in der beigefügten "Erklärung zu Strafen und Disziplinarmaßnahmen sowie zu laufenden Verfahren", datiert vom 27.01.1988, die Straftat vom 29.01.1985. Das eingeholte Führungszeugnis vom 08.02.1989 wies keine Eintragung mehr aus.

Mit Bescheid vom 12.04.1989 teilte das Regierungspräsidium dem Kläger mit, seine Absicht, ihn in den Schuldienst einzustellen, könne nach Durchsicht aller erforderlichen Unterlagen nicht realisiert werden. Die im Führungszeugnis vom 21.01.1987 enthaltenen Vergehen dürften nach § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG berücksichtigt werden, weil es hier um die Einstellung in den öffentlichen Dienst gehe. Diebstähle offenbarten Charaktermängel, so daß die Eignung des Klägers für den öffentlichen Dienst nicht feststellbar sei. Diese Mängel würden dadurch bekräftigt, daß der Kläger in seiner Erklärung vom 16.12.1986 angegeben habe, nicht gerichtlich verurteilt worden zu sein. Er habe dadurch die Einstellungsbehörde getäuscht. Daß er in das Beamtenverhältnis auf Widerruf übernommen worden sei, habe seinen Grund darin gehabt, ihm die Ausbildung bis zur Zweiten Staatsprüfung für das Lehramt an beruflichen Schulen zu ermöglichen. Im übrigen könne aus medizinischer Sicht gegenwärtig keine überzeugende Aussage darüber gemacht werden, ob und wann die beim Kläger eingetretene Malariaerkrankung als ausgeheilt angesehen werden könne. Diese Ausführungen bezogen sich auf entsprechende Feststellungen in dem amtsärztlichen Gesundheitszeugnis über den Kläger vom 10.02.1989 und Stellungnahmen hierzu des Medizinaldezernats im Regierungspräsidium.

In seinem Widerspruch vom 18.05.1989 wies der Kläger zunächst darauf hin, die genannte Vorschrift des Bundeszentralregistergesetzes scheide aus, weil nach deren Sinn und Zweck nur schwerwiegende Straftaten zu berücksichtigen seien, nicht jedoch "Lappalien", wie vorliegend. Die Taten hätten bei einem Beamtenverhältnis auf Probe oder auf Lebenszeit keineswegs beamtenrechtliche Nachteile. Unter Würdigung der Straftaten wies er auf den eingetretenen Zeitablauf und auf den erwähnten Aktenvermerk vor seiner Zulassung zum Vorbereitungsdienst hin. Im übrigen berief er sich auf Vertrauensschutz.

Das Regierungspräsidium ... wies den Widerspruch mit Bescheid vom 06.07.1989 aus folgenden Gründen zurück: Der Kläger besitze nicht die nach § 8 Abs. 1 HBG erforderliche charakterliche Eignung. Er sei in seiner Persönlichkeit nicht derart gefestigt, daß seine einwandfreie Führung in Anbetracht des zu übertragenen Amtes bei prognostischer Wertung auf Dauer erwartet werden könne. Die Verfehlungen begründeten für sich allein den Eindruck einer charakterlichen Schwäche, die seine Eignung, insbesondere mit Rücksicht auf das dienstliche Aufgabenfeld eines Lehrers, ausschließe. Das Persönlichkeitsbild des Klägers weise Strukturen auf, wonach er in Ausnahmesituationen seine ordentliche Führung nicht mehr unter Kontrolle habe. Es habe sich keineswegs um gedankenlose Jugendverfehlungen gehandelt, wie sich bereits aus dem Alter des Klägers zur Zeit der Taten ergebe. Eine entsprechende Unterstellung würde lediglich dazu führen, dem Kläger eine stark verzögerte Entwicklung zuzubilligen, die ihn ebenfalls für die Beamtenlaufbahn ungeeignet erscheinen lasse, in der er als Lehrer den staatlichen Erziehungsauftrag zu verwirklichen habe. Zumindest sei der Kläger in Hinblick auf die frühere Malariaerkrankung zur Zeit gesundheitlich ungeeignet.

Am 24.07.1989 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Darmstadt durch seine Bevollmächtigten Klage erhoben. Er ist der vom Regierungspräsidenten aufgestellten Prognose entgegengetreten und hat im übrigen seine Darlegungen hinsichtlich der disziplinarrechtlichen Konsequenzen bei Probe- und Lebenszeitbeamten im Lichte der wiedergegebenen Straftaten wiederholt.

Der Kläger hat in seiner Klageschrift vom 20.07.1989 sinngemäß beantragt,

den Bescheid des Regierungspräsidiums ... vom 12.04.1989 sowie den Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 06.07.1989 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, den Kläger in den hessischen Schuldienst als Beamten auf Probe einzustellen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 26.04.1990 hat er den Verpflichtungsantrag dahingehend gestellt, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über sein Einstellungsbegehren neu zu bescheiden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat im wesentlichen die Ausführungen des Widerspruchsbescheides im Hinblick auf die dem Kläger vorgehaltenen charakterlichen Mängel vertieft.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch Urteil vom 26.04.1990 unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide stattgegeben und das beklagte Land verpflichtet, das Begehren des Klägers auf Einstellung in den hessischen Schuldienst unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden. Die Behörde habe den Begriff der "Eignung" verkannt und sei deshalb zu einer ungerechtfertigten Negativprognose gelangt.

Gegen dieses am 22.06.1990 zugestellte Urteil hat das beklagte Land mit Schriftsatz des Regierungspräsidiums ... vom 23.07.1990, bei dem Verwaltungsgericht in Darmstadt eingegangen am selben Tage, einem Montag, Berufung eingelegt und diese unter Bezugnahme auf das bisherige Vorbringen wie folgt begründet:

Entgegen den Ausführungen in dem angefochtenen Urteil indizierten die Straftaten des Klägers dessen charakterliche Nichteignung für den Schuldienst. Das zweimalige Fehlverhalten begründe durchaus eine Vermutung dahingehend, daß der Kläger auch künftig in Krisensituationen sich in einer mit den dienstlichen Obliegenheiten nicht zu vereinbarenden Art und Weise auffällig verhalten werde. Angesichts des Alters des Klägers beim Begehen der Straftaten könne nicht von einem Ausnahmecharakter ausgegangen werden. Es erscheine vielmehr naheliegend, daß der Kläger infolge einer ungefestigten Persönlichkeitsstruktur in problematischen Lebenssituationen zu sozial abweichendem Verhalten neige, was nicht immer zwangsläufig kriminellen Charakter tragen müsse, mit den Anforderungen an den Erziehungsauftrag und mit der Vorbildfunktion eines Lehrers jedoch kollidieren könne. Eine grundlegende Änderung der Persönlichkeitsstruktur sei nicht überzeugend dargetan.

Unzutreffend sei auch die Wertung des Verwaltungsgerichts, Straftaten geringerer Intensität könnten im Rahmen des § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG in der Regel nicht berücksichtigt werden. Dabei werde verkannt, daß im Rahmen des Tatbestandsmerkmals "erhebliche Gefährdung der Allgemeinheit" auf das zu schützende Rechtsgut abgestellt werden müsse. Die ordnungsgemäße Erfüllung des verfassungsrechtlich normierten staatlichen Bildungsauftrages liege im besonderen öffentlichen Interesse.

Darüber hinaus sei dem Kläger zu Recht vorgehalten worden, beim Ausfüllen der Bewerbungsunterlagen seine strafgerichtlichen Verurteilungen verschwiegen zu haben. Der Wortlaut des Formulars habe für die vom Kläger angestellten Überlegungen keinen Raum gelassen.

Schließlich sei festzustellen, daß die seinerzeitige Zulassung des Klägers zum Vorbereitungsdienst ohne zukunftsbezogenen einschränkenden Hinweis keineswegs die konkludente Aussage enthalten habe, der Kläger sei generell charakterlich geeignet. Eine derartige Schlußfolgerung verbiete sich im Hinblick auf die erheblichen Unterschiede zwischen Widerrufs- und Probebeamtenverhältnis mit unterschiedlichen Anforderungen an die Eignung.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Er bezieht sich auf dessen Gründe und seine erstinstanzlichen Ausführungen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt, der Kläger mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 20.02.1991 und der Beklagte mit Schriftsatz vom 07.02.1991.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Personalakte des Regierungspräsidenten ... (1 Band) und die Strafakten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Darmstadt 60 Js 9687/84 und 11231/85 verwiesen, die zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sind.

Gründe

Die nach §§ 124, 125 VwGO zulässige Berufung, über die der angerufene Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, so daß das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen ist. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch darauf, daß dieser über sein Einstellungsbegehren erneut entscheidet.

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht allerdings davon ausgegangen, daß der Kläger -- wie jeder andere Bewerber um Einstellung in den öffentlichen Dienst -- keinen Anspruch auf Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe hat. Weder Art. 33 Abs. 2 GG noch Art. 134 der Verfassung des Landes Hessen oder die beamtenrechtliche Vorschrift des § 8 des Hessischen Beamtengesetzes (HBG) gewährleisten einen solchen Anspruch. Die Entscheidung über die Einstellung eines Bewerbers liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn. Die im Rahmen dieser Ermessensentscheidung vorzunehmende Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ist nach der Rechtsprechung ein Akt wertender Erkenntnis, der von den Gerichten nur beschränkt daraufhin überprüft werden kann, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff verkannt, der Beurteilung einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat (vgl. hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 07.05.1981 -- 2 C 42.79 --, Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 19 m.w.N.; Senatsurteil vom 20.12.1978 -- I UE 84/75 --, ESVGH 29, 52, 53 unter Hinweis auf BVerfG, Beschluß vom 22.05.1975, BVerfGE 33, 334 ff. und Senatsurteil vom 19.04.1978 -- I UE 77/75 --, Hess. VGRspr. 1979, 1; OVG Münster, Urteil vom 24.02.1982 -- 6 A 1842/80 --, Schütz, ES/A II 1.5 Nr. 2). Desweiteren hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt, unter Eignung im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 HBG sei sowohl die ("allgemeine") Eignung nach den geistigen Anlagewerten und nach den körperlichen, gesundheitlichen Verhältnissen als auch nach Charakter und Persönlichkeit zu verstehen. Insoweit sei der unbestimmte Rechtsbegriff der Eignung ein umfassendes Qualifikationsmerkmal, das die gesamte Persönlichkeit des Bewerbers betreffe (vgl. Fürst, GKÖD I K § 8 Rndr. 15; Plog-Wiedow-Beck, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, § 8 Rdnr. 8 -- 11 und Schütz, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Kommentar, § 7 Rdnr. 4, jeweils m.w.N.). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat der Beklagte jedoch die Frage der charakterlichen Eignung des Klägers für den Lehrerberuf durch seine ihm allein obliegende Prognoseentscheidung in den angefochtenen Bescheiden zu Recht verneint.

Zunächst ist es unter dem Blickwinkel des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz, der die freie Berufswahl schützt, aber unter dem Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz steht, nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber in § 8 Abs. 1 Satz 1 HBG durch die subjektive Zulassungsvoraussetzung "Eignung" die freie Berufswahl zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter eingeschränkt hat, die von einem Persönlichkeitsmerkmal abhängig ist (vgl. hierzu etwa BVerfGE, 7, 377, 405 ff.; 39, 334, 369 f.). Die Zulassungsschranke der charakterlichen Eignung eines Bewerbers um Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe spricht, gemessen an dem Vorwurf früherer strafgerichtlicher Verurteilungen, etwas an, worauf der Bewerber selbst Einfluß hatte. Sie steht deshalb auch zu dem angestrebten und von dem Beklagten verfolgten Zweck, den Beruf als Lehrer ordnungsgemäß erfüllen zu lassen, nicht außer Verhältnis. Daß die Erziehung junger Menschen durch charakterlich einwandfreie Persönlichkeiten zu den schutzwürdigen Gemeinschaftsgütern gehört, steht in Anbetracht des Art. 56 der Verfassung des Landes Hessen außer Frage. Danach ist es Ziel der Erziehung, den jungen Menschen zur sittlichen Persönlichkeit zu bilden, seine berufliche Tüchtigkeit und die politische Verantwortung vorzubereiten zum selbständigen und verantwortlichen Dienst am Volk und der Menschheit durch Ehrfurcht und Nächstenliebe, Achtung und Duldsamkeit, Rechtlichkeit und Wahrhaftigkeit. Bestehen, gemessen an diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben, Bedenken gegen die charakterliche Eignung eines Bewerbers um Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe im Schuldienst, so schließen sie seine Eignung für die in Betracht kommende Laufbahn aus (vgl. hierzu Senatsurteil vom 25.07.1990 -- 1 UE 2162/87 -- unter Hinweis auf Schütz, a.a.O., § 7 Rdnr. 4 und 7; OVG Münster, Urteil vom 16.06.1978, DÖD 1979, 36 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 06.02.1975, BVerwGE 47, 330, 347/348). Daraus folgt zugleich, daß die streitige charakterliche Eignung eines Bewerbers von der Einstellungsbehörde im Lichte der jeweiligen Laufbahn, des konkret in Betracht kommenden Amtes, d. h. im vorliegenden Falle im Lichte des Lehrerberufs zu sehen ist, wovon auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen ist.

In der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, daß die Frage der Bestraftheit zumindest dann dazu führen kann, die charakterliche Ungeeignetheit eines Bewerbers zu begründen, wenn es sich um ein Delikt mit erheblicher krimineller Energie handelt, das auch zu einer harten Bestrafung geführt hat (so etwa OVG Münster, Urteil vom 24.02.1982, a.a.O., unter Hinweis auf BVerwG, Beschluß vom 13.10.1978 -- 2 B 67.78 --, n.v.; Bayer. VGH, Urteil vom 17.02.1978, ZBR 1978, 308). Andererseits wird es für sachfremd gehalten, ein "Bagatelldelikt" aus früheren Zeiten als Argument für die Ungeeignetheit eines Bewerbers heranzuziehen (so etwa Senatsurteil vom 20.12.1978 -- 1 UE 84/75 --, a.a.O.). Demnach wird nicht jede vorherige strafgerichtliche Verurteilung eines Bewerbers um Übernahme in den Schuldienst als geeignet angesehen, den staatlichen Erziehungsauftrag zu gefährden. Entscheidend sind hier die Umstände des Einzelfalles, insbesondere das Gewicht, die Zeit und die Art des einzelnen Deliktes, wobei allerdings die Anforderungen an die "charakterliche Eignung" bei der Einstellung eines Beamten auf Probe oder auf Lebenszeit höher zu gewichten sind als bei dem Ausbildungscharakter des Vorbereitungsdienstes (so ausdrücklich OVG Münster, Urteil vom 24.02.1982, a.a.O.).

Ausgehend von diesen rechtlichen Grundsätzen durfte der Beklagte die Einstellung des Klägers in den Schuldienst als Beamter auf Probe wegen Fehlens der charakterlichen Eignung unter Hinweis auf dessen zweimalige strafgerichtliche Verurteilung ablehnen. Es ist zwar aus den ausgesprochenen Geldstrafen von 20 Tagessätzen zu je 10,00 DM (Strafbefehl des Landgerichts Darmstadt vom 25.05.1984) und von 45 Tagessätzen zu je 10,00 DM (Strafbefehl des Amtsgerichts Darmstadt vom 11.06.1985) ersichtlich, daß es sich nicht um erhebliche kriminelle Delikte handelte, doch lassen Zeit und Art der Begehung der einzelnen Delikte vor dem Hintergrund des Erziehungsauftrages eines Lehrers sie in einem anderen Licht erscheinen.

Die beiden Straftaten des Klägers können nicht mehr als "Jugendverfehlungen" charakterisiert werden. Er war im Zeitpunkt der beiden Taten über 32 bzw. knapp 34 Jahre alt. Er hatte zu dieser Zeit bereits in mehreren, teilweise qualifizierten, Berufsfeldern gearbeitet, nach Erwerb der Fachhochschulreife an der Fachhochschule ... im Fachbereich "Chemische Technologie" studiert und wurde mit Urkunde vom 17.11.1977 zum Ingenieur (grad.) graduiert; mit Urkunde der selben Fachhochschule vom 14.10.1983 wurde ihm der akademische Grad "Diplom-Ingenieur" verliehen. Sowohl von seinem Alter als auch von seinem Werdegang her muß er im Zeitpunkt der beiden Straftaten als "reifer Mann" bezeichnet werden. Hieran ändert nichts seine erst im Laufe des Verwaltungsverfahrens in seiner Stellungnahme vom 05.02.1987 vorgetragene Einlassung, die beiden Straftaten beruhten "auf psychischen und daher bewußtseinsmäßigen Ausnahmesituationen, die als einmalig anzusehen sind." Ihre Ursache habe "in der mangelnden psychischen und materiellen Sicherheit seiner Zeit" bestanden, "eine auch aus diesem Grunde danach erfolgreich durchgeführte Therapie offenbarte den einmaligen Charakter dieser Vergehensmotive eindeutig. Im ersten Fall lag ein persönlicher Verlust vor, und im zweiten Fall war psychischer Prüfungsstreß die Ursache des Vergehenswunsches." Diese Einlassung erscheint als reine Schutzbehauptung, zumal entsprechende Hinweise in der Stellungnahme des Klägers in dem Ermittlungsverfahren der Strafsache aus dem Jahre 1984 (noch) nicht enthalten sind; in der zweiten Strafsache hat sich der Kläger zur Sache nicht geäußert. Demgegenüber läßt die Einlassung zu der Straftat vom 16.02.1984 sowie die Art ihrer Begehung einen Charaktermangel erkennen. Geht man allein von der Einlassung des Klägers aus, er "habe noch während des Einkaufens zwei Tafeln Krokant-Schokolade in die Jackentasche gesteckt, von der einen habe ich noch während des Einkaufens gegessen, weil ich Hunger hatte. An der Kasse hatte ich die Schokolade vergessen, da ich sie nicht im Korb, sondern in der Jackentasche hatte", so läßt sich dieses Verhalten mit den Anforderungen an einen zukünftigen Lehrer, wie sie in Art. 56 Abs. 4 der Verfassung des Landes Hessen umschrieben sind, nicht vereinbaren, insbesondere den jungen Menschen zur Persönlichkeit zu bilden, seine politische Verantwortung zum Dienst an der Menschheit durch Achtung, Rechtlichkeit und Wahrhaftigkeit vorzubereiten. Das Berufsziel, Berufsschullehrer zu werden, hatte der Kläger durch sein Studium für das Lehramt an Berufsschulen mit den Fächern Politik und Deutsch an der Technischen Hochschule ... im Jahre 1982 bereits begonnen. Die Einlassung des Klägers, die Schokolade noch während des Einkaufens gegessen zu haben, weil er Hunger gehabt habe, mag menschlich verständlich sein, vermag aber sein späteres Verhalten, die angebrochene Tafel und die zweite Tafel Schokolade nicht wieder in den Korb zurückzulegen, um sie an der Kasse zu bezahlen, sondern sie in seine Jackentasche zu stecken, nicht zu rechtfertigen. Dieses Verhalten offenbart eine charakterliche Schwäche eines erwachsenen Menschen, der sich auf einen pädagogischen Beruf vorbereitet. Denn es gehört zu den Aufgaben eines Lehrers, der junge Menschen zur sittlichen Persönlichkeit bilden soll, ihnen beizubringen und bei gegebenen Anlässen wie etwa auf Klassenausflügen oder Klassenfahrten vorzuleben, augenblickliche Bedürfnisse wie Hunger, Durst usw. entweder zu beherrschen oder in dem Rahmen zu befriedigen, die die Rechts- und Wirtschaftsordnung hierfür zur Verfügung stellt, nämlich durch Kauf der begehrten Artikel. Nur so kann die "Rechtlichkeit" einer "sittlichen Persönlichkeit" verwirklicht werden.

Auch das Verhalten des Klägers nach der Tat bestätigt die Zweifel des Beklagten an seiner charakterlichen Eignung für den Lehrerberuf. Hierin kommt ein Mangel an "Wahrhaftigkeit" zum Ausdruck. Vor diesem Hintergrund kann das Ziel der Erziehung, den jungen Menschen zur sittlichen Persönlichkeit zu bilden, nur erreicht werden, wenn ihm auch beigebracht wird, daß diese ethische Norm lediglich dann erfüllt werden kann, wenn man auch zu seinen Verfehlungen steht und sich seinen Folgen stellt. Entsprechendes gilt für die zweite Straftat aus dem Jahre 1985, bei der der Kläger aus dem Regal eines Kaufhauses einen Steckschlüsselsatz stahl. Dieses Verhalten des Klägers nach dem Grundsatz "nimm dir was du brauchst, es trifft keinen Armen" ist mit dem von einem Lehrer geforderten Erziehungsauftrag nach "Rechtlichkeit" nicht zu vereinbaren und rechtfertigt die von dem Beklagten getroffene Prognoseentscheidung der charakterlichen Nichtgeeignetheit des Klägers. Es kommt hinzu, daß diese Tat in zeitlicher Nähe zu der Rechtskraft des Strafbefehls wegen des ersten Diebstahls begangen wurde, nämlich nur drei Monate später.

Der Gedanke der Resozialisierung eines Straftäters kann nicht zugunsten des Klägers ins Feld geführt werden. Bereits die Vorschriften des Bundeszentralregistergesetzes über die Tilgung von Eintragungen über Verurteilungen im Bundeszentralregister (§§ 45 ff. BZRG) tragen diesem Gedanken Rechnung, indem sie in § 51 Abs. 1 BZRG ein Verwertungsverbot aussprechen, wenn die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden oder zu tilgen ist. Hiervon macht jedoch § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG eine Ausnahme, wenn der Betroffene die Einstellung in den öffentlichen Dienst beantragt, falls sie sonst zu einer erheblichen Gefährdung der Allgemeinheit führen würde. Diese Voraussetzungen bejaht der erkennende Senat, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt. Dabei geht es entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht darum, daß Straftaten mit geringerer krimineller Intensität auch unter Berücksichtigung des Erziehungsauftrages des Lehrers und einer schulbezogenen Vorbildfunktion nicht für sich charakterliche Nichteignung anzeigen, sondern daß dieses Ergebnis -- wie dargelegt -- auf den Kläger zutrifft.

Allerdings ist dem Verwaltungsgericht zuzugeben, daß der Beklagte seine negative charakterliche Eignungsprognose hinsichtlich des Klägers nicht auf dessen (verneinende) "Erklärung zu Strafen und Disziplinarmaßnahmen sowie zu laufenden Verfahren" vom 16.12.1986 stützen kann. Das ergibt sich schon daraus, daß der Kläger in dem erwähnten Formular nicht ordnungsgemäß belehrt worden ist (vgl. § 53 Abs. 2 BZRG). Auch in den Fällen des § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG kann das Verweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 BZRG für getilgte oder tilgungsreife Verurteilungen nicht eingeschränkt werden, es sei denn, der Betroffene ist hierüber belehrt worden (vgl. hierzu Rebmann/Uhlig, Bundeszentralregistergesetz, Kommentar, 1985, § 53 BZRG Rdnr. 16 und 17).

Die ablehnende Entscheidung des Beklagten, den Kläger wegen mangelnder charakterlicher Eignung nicht in den Schuldienst einzustellen, ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil der Beklagte es unterlassen hätte, das grundsätzliche Verwertungsverbot des § 49 Abs. 1 BZRG samt seiner Ausnahme nach § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG in seine Erwägungen mit einzubeziehen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.12.1983, ZBR 1984, 281). Das hat er sowohl in dem Ausgangsbescheid des Regierungspräsidiums ... vom 12.04.1989 als auch in dem Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 06.07.1989 getan.

Der Kläger kann sich zu seinen Gunsten nicht auf eine "Zusage" aus dem Bescheid des Regierungspräsidiums ... vom 17.01.1989 berufen, in dem ihm mitgeteilt wurde, "unter der Voraussetzung, daß alle rechtlichen und sonstigen Einstellungsbedingungen erfüllt sind und der zuständige Personalrat seine Zustimmung erteilt," sei "beabsichtigt", ihn zum 01.02.1989 in den hessischen Schuldienst einzustellen. Bei diesem Schreiben, das zwar die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 Satz 1 HVwVfG erfüllt, handelt es sich nicht um eine Zusicherung im Rechtssinne. Sie ist, wie der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Darmstadt vom 26.04.1990 auf Befragen ausdrücklich erklärt hat, allein deswegen abgesandt worden, weil der Kläger die 2. Staatsprüfung bestanden habe und aufgrund der Rangliste für die Bewerber, die einstellungsgeeignet gewesen seien, in Frage gekommen sei. Der Begriff "einstellungsgeeignet" kann sich im gegebenen Zusammenhang nach Auffassung des Senats allein darauf beziehen, daß der Kläger die genannte Staatsprüfung für das Lehramt an beruflichen Schulen mit der Gesamtbewertung "gut bestanden" (Gesamtnote: 2,0) abgelegt hat. Im übrigen hat das Regierungspräsidium ... in seinem Bescheid vom 17.01.1989 -- wie erwähnt -- auf das Erfordernis hingewiesen, daß alle rechtlichen und sonstigen Einstellungsbedingungen erfüllt sein müssen. Dieser Bescheid ist daher als Bekanntgabe einer personalen Planung über die Einstellung in den hessischen Schuldienst zum 01.02.1989 anzusehen und nicht als Zusage im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 1 HVwVfG zu bezeichnen (vgl. hierzu Kopp, VwVfG, 4. Aufl. 1986, § 38 Rdnr. 4 unter Hinweis auf BVerwGE 63, 166).

Nach allem hat der Beklagte den Begriff der "charakterlichen Eignung" nicht verkannt und bei seiner Würdigung in Bezug auf den Kläger auch nicht allgemein gültige Wertmaßstäbe unbeachtet gelassen. Es ist ferner nicht ersichtlich, daß der Beklagte hierbei von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat; entsprechendes behauptet der Kläger selbst nicht.

Kann die Prognose des Beklagten hinsichtlich der fehlenden charakterlichen Eignung des Klägers für den hessischen Schuldienst nicht beanstandet werden, so kommt es auf die in den angefochtenen Entscheidungen weiter erhobenen Bedenken, der Kläger sei "zumindest zur Zeit gesundheitlich ungeeignet" nicht mehr an. In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, daß laut amtsärztlichem Gesundheitszeugnis des Gesundheitsamtes der Stadt ... und des Landkreises ... vom 10.02.1969 "derzeit amtsärztlicherseits keine Bedenken gegen die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe" bestehen. "Vor einer Verbeamtung auf Lebenszeit sollte jedoch unbedingt eine erneute internistische Untersuchung im Hinblick auf die durchgemachte Malaria Tropica erfolgen. Zur Frage der endgültigen Ausheilung der Erkrankung kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Stellung genommen werden. Das Auftreten eines Malariarezidivs bei dieser Malariaform ist unwahrscheinlich, ein rezidivfreies Intervall von einem Jahr sollte jedoch zur endgültigen Beurteilung abgewartet werden." Nachdem der medizinische Dezernent des Regierungspräsidiums ... unter dem 20.02.1989 zunächst keine Bedenken gegen die Übernahme als Studienrat zur Anstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe erhoben hatte, empfahl derselbe Dezernent auf entsprechende Rückfrage des zuständigen Personaldezernenten unter dem 23.02.1989 "zunächst ein Angestelltenverhältnis auf ein bis zwei Jahre. In dieser Zeit internistische Kontrolluntersuchung zur Frage eines Malariarezidivs. Danach kann die Verbeamtung auf Probe erfolgen." Diese Stellungnahme veränderte der Medizinaldezernent unter dem 03.04.1989 insofern, als er den Zeitraum von einem Jahr des Angestelltenstatus für ausreichend erachtete. Er setzte hinzu: "Meine Stellungnahme ist nach telefonischer Rücksprache mit dem Sachbearbeiter und unter Berücksichtigung der Bedenken der Abt. VI (Personalabteilung) entstanden. Dadurch sollte ein brauchbarer gemeinsamer Nenner gefunden werden. Wenn sie sich medizinisch schlau machen möchten, können noch ganz andere Dinge diskutiert werden!" Ausgehend von dem Grundsatz, daß die gesundheitliche Eignung eines Bewerbers für den öffentlichen Dienst durch amtsärztliche Untersuchung festgestellt wird, der Nachweis der Nichteignung insoweit der Behörde obliegt (vgl. etwa Schütz, a.a.O., § 7 Rdnr. 4), der Amtsarzt aber -- wie dargelegt -- in seinem Gutachten vom 10.02.1989 "derzeit amtsärztlicherseits keine Bedenken gegen die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe" erhoben hat, sieht sich der angerufene Senat trotz Ablaufs der vom Amtsarzt genannten Jahresfrist wegen der unsubstantiierten Darlegungen des Medizinaldezernenten des Regierungspräsidiums ... in den zitierten Stellungnahmen nicht mehr veranlaßt, hierüber Beweis zu erheben, zumal diese Frage in Anbetracht der festgestellten charakterlichen Nichteignung des Klägers nicht mehr entscheidungserheblich ist.

Die Berufung des Beklagten gegen das angefochtene Urteil muß daher Erfolg haben, es ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte