Hessischer VGH, Urteil vom 27.04.1988 - 5 UE 174/86
Fundstelle
openJur 2012, 18447
  • Rkr:
Tatbestand

Die Beklagte ließ im Jahre 1974 in der S.-straße im Ortsteil S. einen neuen Sammelkanal aus Schleuderbetonrohren mit der Nennweite DN 500 verlegen. Der dadurch ersetzte alte Kanal bestand aus Zementrohren mit der Nennweite ON 300. In dem Erläuterungsbericht des Ingenieurbüros ..., Wiesbaden, von Februar 1974 wurde diese Kanalbaumaßnahme damit begründet, daß ausreichende Vorflutverhältnisse für eine Ableitung der Abwässer aus dem Neubaugebiet "Neue ..." über die S.-straße an den Hauptsammler in der B 276 geschaffen werden müßten, solange der geplante Gruppensammler des Abwasserverbandes "Bracht" für diese Abwässer noch nicht zur Verfügung stehe.

Wegen der Verlegung der neuen Sammelleitung mußten 1974 auch neue Hausanschlußleitungen in der S.-straße verlegt werden. Für die drei Hausanschlüsse des Grundstücks S.-straße stellte die Firma ... der Beklagten mit Schreiben vom 30. Dezember 1975, das ausweislich des Eingangsstempels am 26. März 1976 bei dem mit der Bauleitung beauftragten Ingenieurbüro ... einging, Beträge in Höhe von 328,78 DM, 520,67 DM und 338,31 DM in Rechnung. Das Grundstück S.-straße gehörte zu diesem Zeitpunkt noch der Beklagten. Im Jahre 1977 erwarben der Kläger und seine Ehefrau auf Grund Kaufvertrages vom 30. März 1977 das Eigentum an dem Grundstück. In dem Kaufvertrag heißt es, daß die Übergabe bereits am 1. Juni 1974 erfolgt sei, und daß in diesem Zeitpunkt auch die "Gefahr, Nutzungen und allgemeine Lasten" auf die Käufer übergegangen seien.

Die Beklagte zog den Kläger mit drei gesonderten Bescheiden vom 4. November 1980 zu den oben genannten Kosten für die Verlegung der neuen Hausanschlüsse des Grundstücks S.-straße sowie mit Bescheid vom 29. Dezember 1980 zu einem Kanalanschlußbeitrag in Höhe von 2.697,60 DM für die Verlegung des neuen Sammelkanals heran. Den gegen sämtliche Bescheide erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 1983 als unbegründet, zurück. Daraufhin erhob der Kläger am 10. März 1983 beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Klage. Im Verlaufe des Klageverfahrens hob die Beklagte auf Grund des für sie negativen Ausgangs des zugehörigen Eilverfahrens (Verwaltungsgericht Frankfurt am Main I/2 H 1238/83 = Hess. VGH 5 TH 70/83) den Beitragsbescheid vom 29. Dezember 1980 auf. Insoweit ist das Verfahren nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Beteiligten vom Verwaltungsgericht eingestellt worden.

Seine anhängig gebliebene Klage gegen die Heranziehung zu Hausanschlußkosten begründete der Kläger damit, daß es unzulässig sei, ihn allein und nicht auch seine Ehefrau heranzuziehen. Die Forderung der Beklagten sei auch bereits verjährt, da die Hausanschlüsse bereits 1974 erneuert worden seien. Außerdem stehe der Heranziehung entgegen, daß die Beklagte ihm und seiner Ehefrau nach dem Inhalt des Kaufvertrages lastenfreies Eigentum an dem Grundstück S.-straße habe verschaffen müssen. Soweit sich daraus ein vertraglicher Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte ergebe, rechne er, der Kläger, hiermit auf.

Mit Urteil vom 28. November 1985 gab das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main der Klage gegen die Heranziehung zu Hausanschlußkosten statt. In den Entscheidungsgründen heißt es, daß sich die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide nicht aus den von dem Kläger geltend gemachten Gründen ergebe. Weder sei die alleinige Heranziehung des Klägers als Gesamtschuldner zu beanstanden, noch seien die Erstattungsansprüche, die erst mit dem Eingang der Unternehmerrechnung im Jahre 1976 hätten entstehen können, verjährt, noch könne der Kläger unter Berufung auf den Inhalt des Grundstückskaufvertrages vom 30. März 1977 mit einem vertraglichen Schadensersatzanspruch aufrechnen. Die Heranziehung sei aber deswegen rechtswidrig, weil ein Kostenerstattungsanspruch nach § 12 des Gesetzes überkommunale Abgaben in Hessen (KAG) dann ausscheide, wenn die Erneuerung der Hausanschlußleitung die Folge einer nicht beitragspflichtigen Erneuerung der Hauptleitung in der Straße sei. Daß die Verlegung des neuen Sammelkanals in der S.-straße keine beitragspflichtige Erneuerungsmaßnahme gewesen sei, habe der erkennende Senat im vorangegangenen Eilverfahren mit Beschluß vom 29. Oktober 1984 - 5 TH 70/83 - entschieden. Das führe dazu, daß die Gemeinde auch die durch die beitragsfreie Erneuerung verursachten "Folgekosten" - also die Kosten für die notwendig gewordene Erneuerung oder Änderung der Hausanschlüsse - selbst zu tragen habe. Der Auffassung des Senats in seinem Urteil vom 16. Januar 1985 - 5 UE 401/84 - , daß der Kostenerstattungsanspruch in solchen Fällen nur dann entfalle, wenn die Baumaßnahme am Hauptkanal auf Gründen beruhe, die mit dem Betrieb der Entwässerungsanlage nichts zu tun hätten, könne nicht gefolgt werden.

Die Beklagte hat gegen dieses Urteil, das ihr am 16. Dezember 1985 zugestellt worden ist, am 8. Januar 1986 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung verweist sie auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und auf die Ausführungen des Senats in dessen Urteil vom 16. Januar 1985. Auf Befragen hat sie in der mündlichen Verhandlung angegeben: Der Abwassersammler des Abwasserverbandes Bracht sei in der ersten Hälfte der 80er Jahre verlegt worden. Das Baugebiet "..." und an der Verbindungsstraße nach H. sei aber entwässerungsmäßig nach wie vor an die S.-straße angeschlossen und werde über den dortigen Hauptkanal in den Sammler in der B 276 entwässert.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 28. November 1985 - I/2 E 778/83 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er nimmt zur Begründung auf seinen Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren und auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Das erstinstanzliche Urteil kann keinen Bestand haben, da die Heranziehung des Klägers zu den Kosten der 1974 durchgeführten Arbeiten an den drei Hausanschlüssen seines Grundstücks auf der Grundlage des § 12 KAG und der hierauf gestützten Bestimmungen im Satzungsrecht der Beklagten zu Recht erfolgt ist.

Nach § 12 Satz 1 KAG können die Gemeinden und Landkreise bestimmen, daß ihnen die Aufwendungen für die Herstellung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung sowie die Kosten für die Unterhaltung eines Grundstücksanschlusses an Versorgungsleitungen und Entwässerungsanlagen in der tatsächlich entstandenen Höhe oder nach Einheitssätzen erstattet werden. Von dieser Ermächtigung hat die Beklagte in ihrem Satzungsrecht Gebrauch gemacht. Als Satzungsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zur Kostenerstattung kommt allerdings nicht die in den Heranziehungsbescheiden genannte Kanalbeitrags- und -gebührensatzung der Beklagten vom 29. Juni 1978, die den Kostenerstattungsanspruch in ihrem § 15 regelt, in Betracht. Diese Satzung galt im Zeitpunkt der möglichen Entstehung des Erstattungsanspruchs noch nicht, da sie erst zum 1. Januar 1978 in Kraft gesetzt worden ist und damit den zugrundegelegten Erstattungstatbestand, der am 26. März 1976 mit dem Eingang der Rechnung der Firma ... bei dem Ingenieurbüro ... und der dadurch vermittelten Berechenbarkeit der zu erstattenden Kosten verwirklicht wurde, zeitlich nicht erfaßt. Im März 1976 galt noch die Kanalbeitrags- und -gebührensatzung der Beklagten vom 15. September 1971 (KBGS 1571). Auf diese Satzung ist infolgedessen bei der Frage, ob die Heranziehung des Klägers zu Anschlußkosten auf eine wirksame Satzungsgrundlage gestützt werden kann, abzustellen. In ihrer ursprünglichen Fassung enthielt die Satzung vom 15. September 1571 noch keine gültige Regelung des Kostenerstattungsanspruchs nach § 12 KAG. Denn sie sah in ihrem § 13 Abs. 5 die Erstattungspflicht des Grundstückseigentümers "im Zeitpunkt der Entstehung des Erstattungsanspruchs" vor. Das verstieß gegen höherrangiges Recht. Nach § 11 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. § 12 Satz 2 KAG ist erstattungspflichtig, wer im Zeitpunkt der Zustellung des Erstattungsbescheides Eigentümer des Grundstücks ist. Satzungsregelungen, die in Abweichung hiervon den Eigentümer im Zeitpunkt der Entstehung des Erstattungsanspruchs für erstattungspflichtig erklären, sind nach ständiger Senatsrechtsprechung ungültig (vgl. Senatsurteile vom 4. Juni 1980 - V DE 77/77 - , HessVGRspr. 1980 S.81 = DÖV 1982 S.127 [L] = ZU 1983 S.175, vom 28. April 1982 - V DE 20/80 - , HSGZ 1983,112, und vom 13. August 1986 - 5 UE 2325/85 -, HSGZ 1987 S.37 = Gemeindehaushalt 1987 S.135). Dieser der Kanalbeitrags- und -gebührensatzung vom 15. September 1971 in der ursprünglichen Fassung anhaftende Mangel ist jedoch durch die Änderungssatzung vom 11. Juni 1981 mit Rückwirkung auf den 1. Januar 1976 behoben worden. Nach der geänderten Fassung des § 13 Abs. 5 KBGS 1971 trifft die Erstattungspflicht - in Übereinstimmung mit § 11 Abs. 7 Satz 1, 12 Satz 2 KAG - den Eigentümer des Grundstücks im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides: Die der Änderungssatzung beigelegte Rückwirkung auf den 1. Januar 1976 geht nicht über den "Verjährungszeitraum" von fünf Jahren für vor dem 1. Januar 1977 entstandene Erstattungsforderungen (vgl. §§ 14 Abs. 4, 12 Satz 2 KAG) hinaus; sie war damit nach § 3 Abs. 2 KAG zulässig und stellte alle ab 1. Januar 1976 verwirklichten Erstattungstatbestände nach § 12 KAG auf eine gültige satzungsrechtliche Grundlage.

Aus der "Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser" (AVBWasserV) vom 20. Juni 1980, BGBl. I S.750, ergibt sich keine Einschränkung des Rechts der Beklagten, Erstattung der Kosten für die 1974 durchgeführten Leitungsarbeiten an den drei Hausanschlüssen des klägerischen Grundstücks zu verlangen. Der Anwendung der genannten Verordnung im vorliegenden Fall steht zum einen entgegen, daß sie erst mit Wirkung vom 1. April 1980 in Kraft getreten ist und überdies in ihrem § 35 Abs. 2 den Gemeinden eine Frist bis 1. Januar 1982 zur Anpassung gemeindlichen Satzungsrechts an die Bestimmungen der Verordnung einräumt. Zum anderen handelt es sich bei den auf § 12 KAG beruhenden Satzungsbestimmungen über die Kostenerstattung bei Anschlußleitungen um "gemeinderechtliche Vorschriften zur Regelung des Abgabenrechts", die gem. § 35 Abs. 1 2. Halbsatz AVBWasserV der Pflicht zur Anpassung an die Bestimmungen dieser Verordnung ohnehin nicht unterliegen, wie der Senat mit zwei Urteilen vom 16. September 1987 (5 UE 1041/87 und 5 UE 1176/87, letzteres abgedruckt in HSGZ 1988 S.134 ff.) entschieden hat.

Die Festsetzungsfrist von fünf - nicht, wie das Verwaltungsgericht fälschlicherweise angenommen hat, vier - Jahren für vor dem 1. Januar 1977 entstandene Erstattungsansprüche (§ 14 Abs. 4 KAG) war im Zeitpunkt der Heranziehung des Klägers - November 1980 - noch nicht abgelaufen. Die Festsetzungsfrist für im Jahre 1976 entstandene Erstattungsforderungen begann mit Ablauf dieses Jahres (vgl. §§ 170 Abs. 1 AO, 4 Abs. 1 Nr. 4 b, 12 Satz 2 KAG) und endete demgemäß mit Ablauf des Jahres 1981. Die Annahme des Klägers, die gegen ihn gerichteten Erstattungsforderungen seien im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung bereits verjährt gewesen, beruht auf der irrigen Vorstellung, daß es für die Entstehung von Ansprüchen auf Kostenerstattung nach § 12 KAG allein auf die Beendigung der Bauarbeiten ankomme. Die Entstehung des Erstattungsanspruchs nach § 12 KAG hängt aber, wie das Verwaltungsgericht zutreffend unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats ausgeführt hat, auch von der Berechenbarkeit der erstattungsfähigen Kosten ab. Im vorliegenden Fall waren die Kosten erst mit dem Eingang der Rechnung der Firma ... beim Ingenieurbüro ... am 26. März 1976 berechenbar. Vor diesem Zeitpunkt konnten die von der Beklagten geltend gemachten Kostenerstattungsansprüche nicht entstehen. Eine Anspruchsentstehung vor dem 1. Januar 1976 würde im übrigen - wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt - an dem Erfordernis einer gültigen Satzungsgrundlage scheitern, so daß es der Berufung auf Verjährung in diesem Falle gar nicht bedürfte.

Da 1974 in der S.-straße ein neuer größer dimensionierter Sammelkanal, bestehend aus Schleuderbetonrohren DN 500, verlegt wurde, der den bisherigen Kanal aus Zementrohren DN 300 ersetzte, mußten hierzu passende neue Anschlußleitungen verlegt werden. Ob diese Arbeiten als "Erneuerung" oder "Änderung" der bestehenden Hausanschlüsse zu bezeichnen sind, bedarf im vorliegenden Fall keiner Festlegung; denn § 13 Abs. 1 KBGS 1971 begründet in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Ermächtigung in § 12 KAG für beides - Erneuerung wie Änderung - die Kostenerstattungspflicht.

Das Verwaltungsgericht hat einen Erstattungsanspruch der Beklagten gleichwohl verneint und dies damit begründet, daß eine durch Verlegung eines neuen Sammelkanals (Hauptkanals) in der Straße erforderlich werdende Erneuerung (Änderung) der in diesen Kanal einmündenden Anschlußleitungen nur dann den Erstattungsanspruch nach § 12 KAG auslöse, wenn die Verlegung des neuen Sammelkanals in eine beitragspflichtige Erneuerung des Kanalsystems eingebettet sei. Diese Auffassung ist mit dem Urteil des Senats vom 16. Januar 1985 - 5 UE 401/84 - (abgedruckt in HSGZ 1985 S.341), wie das Verwaltungsgericht selbst feststellt, nicht zu vereinbaren. Der Senat hat in dem genannten Urteil ausgeführt, daß sich die Kostenerstattungspflicht auch auf Maßnahmen der Erneuerung oder Änderung einer Anschlußleitung bezieht, die deshalb notwendig geworden sind, weil die in der Straße verlaufende Hauptleitung aus Gründen, die mit dem ordnungsgemäßen Funktionieren der Abwasserbeseitigungsanlage zu tun haben, erneuert wurde. Hiernach kommt es nicht darauf an, ob die Erneuerung der Hauptleitung in eine beitragspflichtige Erneuerung der Entwässerungsanlage eingebettet ist oder nicht. Es genügt vielmehr, daß sich die Erneuerung der Hauptleitung als eine für das Funktionieren des Systems notwendige und - wie klarstellend hinzugesetzt werden muß - nicht durch frühere Fehler beim Leitungs- oder Straßenbau, die die Gemeinde zu vertreten hat, verursachte Einzelmaßnahme darstellt. Um eine in diesem Sinne notwendige Maßnahme handelt es sich gerade dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - verstärkter Abwasseranfall als Folge der leitungsmäßigen Erschließung von Neubaugebieten es erfordert, daß einzelne Straßen mit größer dimensionierten Leitungsrohren ausgestattet werden müssen. Diese Auffassung vertreten auch andere Obergerichte. So hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in seinem Urteil vom 22. November 1984 - 3 OVG A 33/83 - , KStZ 1985 S.33 (mit zustimmender Urteilsanmerkung von David, KStZ 1985 S.34), ausgeführt, daß eine Gemeinde im Rahmen des ihr bei der Ausgestaltung der Entwässerungsanlage zustehenden Ermessens berechtigt sei, einen bestimmten Teil der Anlage zu ändern, auch wenn dadurch die Abwässer der angeschlossenen Grundstücke ohne Veränderung der bisher benutzten Grundstücksanschlußleitungen dem gemeindlichen Straßenkanal nicht mehr zugeführt werden könnten. Die durch die Gemeinde veranlaßte Veränderung der Entwässerungsanlage habe nicht zur Folge, daß sie selbst auch die Kosten für die Herstellung der Grundstücksanschlüsse zu tragen habe. Eine Begrenzung des Erstattungsanspruchs sei allenfalls dann angebracht, wenn die Notwendigkeit zur Änderung von Grundstücksanschlüssen aus Gründen verursacht worden sei, die mit der Benutzung der öffentlichen Entwässerungsanlage und deren Unterhaltung in keinem Zusammenhang mehr stünden. Ähnlich argumentiert der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (vgl. Urteil vom 18. Januar 1978, DGStZ 1978 S.183). Eine andere Auffassung vertritt dagegen das OVG Münster, welches den Erstattungsanspruch der Gemeinden grundsätzlich auf Fälle beschränkt, in denen der Grundstückseigentümer selbst die Veränderung der Grundstücksanschlußleitung veranlaßt hat (vgl. OVG Münster, Urteile vom 11. Oktober 1974, KStZ 1975 S.713, und vom 24. Mai 1978, KStZ 1979 S.134).

Die Argumentation des Verwaltungsgerichts in dem vorliegenden Verfahren gibt dem Senat keine Veranlassung, seine bisherige Rechtsprechung aufzugeben oder zu modifizieren. Das Verwaltungsgericht will die Kostenerstattungspflicht des Grundstückseigentümers bei einer mit der Auswechslung des Straßenhauptkanal verbundenen Erneuerung oder Änderung der Anschlußleitung davon abhängig machen, ob die Auswechslung des Hauptkanals als Teil einer beitragspflichtigen Erneuerung der Kanalisationsanlage die Beitragspflicht der Anlieger auslöst. Falls eine Beitragspflicht nicht entsteht, sollen auch die Erneuerungs- oder Änderungsarbeiten an den Anschlußleitungen kostenfrei bleiben. Die dafür gegebene Begründung, der mit beitragspflichtigen Erneuerungsmaßnahmen verbundene Vorteil für die Anlieger rechtfertige - konsequenterweise - auch deren Belastung mit den "Folgekosten", überzeugt nicht. Für den Anlieger von "Vorteil" ist es selbstverständlich auch, wenn lediglich der in seiner Straße verlaufende Hauptkanal, der wegen Verschleißes oder zu geringer Dimensionierung den Anforderungen nicht mehr genügt, im Rahmen der der Gemeinde obliegenden ständigen Unterhaltung und Instandsetzung des Kanalnetzes ohne Einbettung in eine Gesamterneuerung erneuert (ausgewechselt) wird. Daß in diesem Fall keine Beitragspflicht entsteht, liegt allein daran, daß eine solche Einzelmaßnahme noch keine "Erneuerung der öffentlichen Einrichtung" im Sinne des in § 11 Abs. 1 KAG geregelten Beitragstatbestandes der Erneuerung darstellt. Daraus ergeben sich aber keinerlei Einschränkungen für die Möglichkeit der Abwälzung der Kosten erneuerter oder geänderter Hausanschlüsse auf die Anlieger gem. § 12 KAG. Die Belastung der Anlieger mit den Kosten einer notwendig werdenden Erneuerung oder Änderung ihrer Hausanschlüsse, wenn wegen gestiegenen Abwasseranfalls im Gemeindegebiet ein einzelner Hauptleitungsstrang größer dimensioniert werden muß, setzt sich zu den "materiellen Gerechtigkeitsvorstellungen", mit denen das Verwaltungsgericht argumentieren zu können glaubt, nicht in Widerspruch. Sämtliche an das Kanalnetz angeschlossenen Bürger bilden, was die Benutzung des Entwässerungssystems angeht, eine Solidargemeinschaft. Das Entwässerungssystem kann den Mitgliedern dieser Solidargemeinschaft nur in der Beschaffenheit zur Verfügung gestellt werden, wie sie für das ordnungsgemäße Funktionieren des gesamten Systems unter Berücksichtigung des gleichrangigen Benutzungsrechts der anderen Mitglieder jeweils erforderlich ist. Kein Anlieger kann daher damit rechnen, daß die einmal gewählte Nennweite der in seiner Straße verlaufenden Hauptleitung auf Dauer erhalten bleibt. Dementsprechend gibt es auch bei den Hausanschlüssen keine Garantie, daß sie so, wie sie einmal verlegt worden sind, für immer beibehalten werden können. Der Anlieger hat mit der Erstverlegung des Hausanschlusses "seine Pflicht und Schuldigkeit" nicht abschließend getan; er muß vielmehr darauf gefaßt sein, daß sich seine Anschlußpflicht bei künftigen Veränderungen des Hauptkanals als Folge nicht zu beanstandender organisatorischer Entscheidungen der Gemeinde, die mit der Weiterentwicklung des Gemeindegebiets und der Notwendigkeit der Bewältigung eines größeren Abwasseranfalls zusammenhängen, neu "aktualisiert". In diesem Sinne spricht das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (Urteil vom 22. November 1984, a.a.O.) von der Verpflichtung des Anschlußnehmers, seine Anschlußleitung fortgesetzt in gebrauchsfähigem Zustand zu erhalten.. Das Verwaltungsgericht hält es demgegenüber für "gerechter", die Kosten für Maßnahmen der Erneuerung oder Änderung von Hausanschlüssen, die durch die Verlegung eines neuen Hauptkanals als Folge wiederum gestiegenen Abwasseranfalls durch Anschluß eines Neubaugebiets notwendig geworden sind, als "Nebenkosten" der Erschließung des Neubaugebiets zu behandeln und sie als solche in den von den "Neuanliegern" zu entrichtenden Beitrag für den Anschluß des Neubaugebiets einzubeziehen. Dem steht aber entgegen, daß die Abrechnung von Hausanschlußkosten nach § 12 KAG, wenn sich die Gemeinde für dieses Verfahren entscheidet, zwingend ist und als spezielles Verfahren andere Möglichkeiten der Geltendmachung solcher Kosten ausschließt. Bei der allgemein praktizierten Erhebung von Anschlußbeiträgen nach Einheitssätzen wäre es auch höchst unzweckmäßig, Anschlußkosten, die an anderer Stelle des Stadtgebiets als - im Sinne der Terminologie des Verwaltungsgerichts - "Folgekosten" entstehen, über die Erweiterungsbeiträge für das erstmals angeschlossene Neubaugebiet abrechnen zu wollen. Ob überhaupt und gegebenenfalls in welchem Umfang bei der Erweiterung des Kanalnetzes solche "Folgekosten" entstehen, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Es ist daher kaum möglich, sie generalisierend in die Kalkulation der Einheitssätze für Kanalerweiterungsmaßnahmen einzubeziehen. Fallen sie im Einzelfall nicht an, so könnte die Anwendung eine um einen entsprechenden Kostenanteil erhöhten Beitragssatzes zu einer Kostenüberdeckung führen. Dem Risiko, daß sich aus diesem Grunde der vorgesehene Beitragssatz auf eine Erweiterungsmaßnahme nicht anwenden läßt, wird sich eine Gemeinde kaum aussetzen wollen.

Für die Kostenerstattungspflicht des Klägers kommt es nach allem allein darauf an, ob die Verlegung des neuen Sammelkanals in der S.-straße im Jahre 1974 eine Maßnahme war, die von der Beklagten im Interesse des ordnungsgemäßen Funktionierens der Entwässerungsanlage bei pflichtgemäßer Ausübung des ihr insoweit zustehenden organisatorischen Ermessens als erforderlich angesehen werden durfte. Das ist zu bejahen. Die Beklagte stand im Jahre 1974 vor der Situation, ausreichende Vorflutverhältnisse für die Ableitung der Abwässer des Neubaugebiets im Bereich "..." und der Verbindungsstraße ... schaffen zu müssen. Zur Lösung dieses Problems hat sie sich dafür entschieden, den Kanal in der S.-straße, der wegen seines Alters und seiner Herstellung aus Zementrohren ohnehin in absehbarer Zeit zur Erneuerung anstand, durch einen größer dimensionierten Kanal aus Schleuderbetonrohren zu ersetzen, um so die zusätzlich anfallenden Abwässer aus dem Neubaugebiet über die S.-straße in den Hauptsammler in der B 276 ableiten zu können. Diese Entscheidung bewegt sich im Rahmen des organisatorischen Ermessens der Beklagten und läßt sich nicht beanstanden. Der Gruppensammler des Abwasserverbandes Bracht stand im Jahre 1974 noch nicht zur Verfügung. Deshalb mußte, um das Neubaugebiet entwässern zu können, eine andere Lösung ergriffen werden. Die Entwässerung über die S.-straße bot sich als geeignete Alternative an. Die Beklagte hat es, wie ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen ist, bei dieser Lösung des Entwässerungsproblems auch nach Fertigstellung des Abwassersammlers des Abwasserverbandes Bracht in der ersten Hälfte der 80er Jahre belassen. Von Jäher ist es - rückblickend - nicht gerechtfertigt, hier nur von einer "Zwischenlösung" zu sprechen.

Anderweitige Bedenken gegen die Heranziehung des Klägers zu Hausanschlußkosten bestehen nicht. Daß sich die Beklagte darauf beschränken durfte, nur den Kläger und nicht auch seine Ehefrau als gesamtschuldnerisch haftende Miteigentümerin des Grundstücks heranzuziehen, hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt. Aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründe unberechtigt ist auch der Einwand des Klägers, die im Kaufvertrag mit der Beklagten vom 30. März 1977 getroffenen Vereinbarungen stünden seiner Heranziehung zur Kostenerstattung entgegen. Es liegen schließlich auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die angefochtenen Heranziehungsbescheide der Höhe nach fehlerhaft sein könnten.

Der Berufung der Beklagten ist nach allem in vollem Umfang stattzugeben. Die ausgesprochene Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.