Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 20.12.2011 - 10 UF 217/10
Fundstelle
openJur 2012, 16393
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 5. Oktober 2010 wird als unzulässig verworfen.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf zwischen 19.001 € und 22.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die am ….10.1962 geborene Antragstellerin und der am ….1.1942 geborene Antragsgegner haben am 25.10.1991 geheiratet. Sie leben seit 14.12.2008 voneinander getrennt.

Für den Antragsgegner wird beim Amtsgericht Neukölln unter dem Geschäftszeichen 50 XVII H 1192 ein Betreuungsverfahren geführt. Rechtsanwalt H… S… ist seit 14.4.2005 zum Betreuer des Antragsgegners bestellt. Sein Aufgabenkreis umfasst Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitssorge und Vertretung vor Behörden und Gerichten. Die bestehende Betreuung wurde unter Beibehaltung des übertragenen Aufgabenkreises durch Beschluss des Amtsgerichts Neukölln vom 25.8.2011 nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens verlängert. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten der ärztlichen Sachverständigen, Frau Dr. med. W… W…, vom 10.3.2011 Bezug genommen.

Mit dem dem Antragsgegner am 11.3.2010 zugestellten Schriftsatz hat die Antragstellerin die Scheidung der Ehe beantragt. Der Betreuer des Antragsgegners hat mit Schriftsatz vom 15.3.2010 unter Bezugnahme auf seine Betreuerstellung die Vertretung des Antragsgegners im vorliegenden Scheidungsverfahren angezeigt und mit weiterem Schriftsatz vom 28.9.2010 im Einverständnis mit dem Antragsgegner dessen Vertretung im vorliegenden Scheidungsverfahren durch Rechtsanwalt K… mitgeteilt. Rechtsanwalt K… ist unter Bezugnahme auf die vorgelegte Vollmacht des Betreuers vom 29.9.2010 für den Antragsgegner dem Scheidungsantrag entgegengetreten und hat die Folgesache Zugewinnausgleich im Wege des Stufenantrages anhängig gemacht.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 5.10.2010 hat das Amtsgericht die Ehe der beteiligten Ehegatten geschieden und unter Hinweis auf § 137 Abs. 2 FamFG beschlossen, den Stufenantrag zum Güterrecht als isolierte Familiensache zu führen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich Rechtsanwalt K… mit der für den Antragsgegner eingelegten Beschwerde. Er trägt vor:

Der Antragsgegner sei verhandlungsunfähig, was sich aus den zu den Akten gereichten ärztlichen Zeugnissen ergebe. Der Antragsgegner habe daher in den erstinstanzlichen Terminen entschuldigt gefehlt, so dass die Entscheidung des Amtsgerichts ohne dessen Anhörung den Grundsatz rechtlichen Gehörs verletze. Auch die Nichtdurchführung des Versorgungsausgleichs sei fehlerhaft. Schließlich bedeute die Scheidung für den Antragsgegner eine schwere Härte. Der Gedanke an die endgültige Scheidung löse bei diesem konkrete Suizidgedanken aus.

Rechtsanwalt K… beantragt für den Antragsgegner,

den Antrag auf Scheidung der Ehe der Beteiligten zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zu verwerfen.

Die Antragstellerin rügt die ordnungsgemäße Bevollmächtigung von Rechtsanwalt K…. Sie weist im Übrigen darauf hin, dass der Antragsgegner seit mindestens 1 ½ Jahren in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit Frau D… M… lebe, so dass die Scheidung der Ehe für ihn keine Härte bedeute.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die für den Antragsgegner eingelegte Beschwerde des Rechtsanwalts K… vom 23.11.2010 ist unzulässig, weil eine wirksame Bevollmächtigung des handelnden Rechtsanwalts, wie die Antragstellerin zu Recht rügt, nicht gegeben ist. Die Beschwerde ist deshalb gemäß § 117 Abs. 1 S. 4 FamFG i. V. m. § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO zu verwerfen.

Eine wirksame Bevollmächtigung durch den Antragsgegner kann nicht festgestellt werden. Soweit Rechtsanwalt K… der Auffassung ist, er sei durch den Betreuer des Antragsgegners, Rechtsanwalt S…, beauftragt worden, kann von einer wirksamen Bevollmächtigung nicht ausgegangen werden. Denn der genannte Betreuer war zu einer Auftragserteilung dahingehend, den Antragsgegner im anhängigen Ehescheidungsverfahren zu vertreten, nicht befugt. Ausweislich des Beschlusses des Amtsgerichts Neukölln vom 14.4.2005, Geschäftszeichen 50 XVII H 1192, ist Rechtsanwalt S… als Berufsbetreuer zum Betreuer des Antragsgegners bestellt worden. Die Betreuung ist mit Beschluss vom 25.8.2011 verlängert worden. Der für ihn festgelegte Aufgabenkreis umfasst jedoch nicht die Vertretung in dem vorliegenden Scheidungsverfahren.

Soweit Rechtsanwalt K… meint, das vorliegende Scheidungsverfahren falle unter den in dem genannten Beschluss als Aufgabenkreis angegebene „Vertretung vor Behörden und Gerichten“, ist dies unzutreffend. Der Betreuer vertritt den Betroffenen nur in dem ihm zugewiesenen Aufgabenkreis gerichtlich und außergerichtlich, § 1902 BGB, hier also im Rahmen der Aufenthaltsbestimmung und der Gesundheitssorge. Die Bestimmung des Aufgabenkreises „Vertretung vor Behörden und Gerichten“ dient lediglich der Klarstellung der Vertretungsberechtigung des Betreuers im Rahmen eines zugleich übertragenen Aufgabenkreises (KG, FamRZ 2008, 919). Ist nicht nur eine Klarstellung des übertragenen Aufgabenkreises beabsichtigt, muss das Betreuungsgericht regelmäßig einen Bezug zu dem konkret bezeichneten Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren herstellen, für das die Notwendigkeit der Vertretung durch einen Betreuer besteht (vgl. KG, a.a.O.; OLG Zweibrücken, FamFR 2011, 312; Palandt/Diederichsen, BGB, 71. Aufl., § 1896, Rz. 19). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn der Betroffene etwa krankheitsbedingt dazu neigt, eine Vielzahl sinnloser Verfahren zu betreiben, und sich dadurch schädigt (vgl. KG, a.a.O.; Palandt/Diederichsen, a.a.O.). Dafür gibt es vorliegend keine Anhaltspunkte.

Für die Notwendigkeit der gesonderten Bestimmung des Aufgabenkreises „Vertretung im Ehescheidungsverfahren“ spricht im Übrigen auch die Vorschrift des § 125 FamFG, die die Verfahrensfähigkeit in Ehesachen regelt und damit im besonderen Maße hervorhebt, dass die Ehescheidung eine höchstpersönliche Angelegenheit darstellt. Gemäß § 125 Abs. 1 FamFG wird in Ehesachen ein in der Geschäftsfähigkeit beschränkter Ehegatte als verfahrensfähig behandelt. Nur für einen geschäftsunfähigen Ehegatten wird das Verfahren durch den gesetzlichen Vertreter geführt, wobei dieser für den Scheidungsantrag sogar der Genehmigung des Familien- oder Betreuungsgerichts bedarf, § 125 Abs. 2 FamFG.

Aus den genannten Gründen wird die Vertretung des Antragsgegners im vorliegenden Scheidungsverfahren nicht schon von dem allgemein formulierten Aufgabenkreis „Vertretung vor Behörden und Gerichten“ erfasst. Erforderlich wäre vielmehr die konkrete Bestimmung des Aufgabenkreises „Vertretung im Ehescheidungsverfahren“ (vgl. OLG Zweibrücken, a.a.O.). Eine entsprechende Erweiterung des Aufgabenkreises, auf deren Notwendigkeit der Senat mit Verfügung vom 28.7.2011 hingewiesen und die er beim Betreuungsgericht angeregt hat, ist jedoch nicht erfolgt und wurde auch vom Betreuer des Antragsgegners nicht veranlasst. Aus der Verfügung des Amtsgerichts Neukölln vom 25.8.2011, durch die es darauf hingewiesen hat, dass es eine Erweiterung des Aufgabenkreises nicht für erforderlich hält, kann eine Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers nicht abgeleitet werden. Im Hinblick auf die Notwendigkeit einer hinreichenden Bestimmtheit des Aufgabenkreises beinhaltet eine derartige Meinungsäußerung auch nicht etwa eine Genehmigung des Handelns des Betreuers im vorliegenden Scheidungsverfahren.

Soweit schließlich der Betreuer erstinstanzlich unter dem 28.9.2010 mitgeteilt hat, die Vertretung durch Rechtsanwalt K… erfolge im Einverständnis des Antragsgegners, und Rechtsanwalt K… darüber hinaus im Senatstermin am 6.12.2011 eine Vollmacht des Antragsgegners gemäß § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO vorgelegt hat, führt dies zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Denn eine etwaige Zustimmung oder Genehmigung des Antragsgegners bezüglich des Handelns von Rechtsanwalt K… wäre nur wirksam, wenn der Betreute geschäftsfähig wäre. Ausweislich des vom Betreuer vorgelegten aktuellen psychiatrischen Gutachtens der Dr. med. W… W… vom 10.3.2011, das im Betreuungsverfahren zur Frage der Notwendigkeit der Fortdauer oder Aufhebung der bestehenden Betreuung eingeholt worden ist, ist dies bei dem Antragsgegner jedoch nicht der Fall. Er befindet sich entsprechend den gutachterlichen Feststellungen vielmehr in einem die freie Willensbestimmung dauerhaft ausschließenden Zustand krankhafter Geistestätigkeit, wobei angesichts eines progredienten Krankheitsverlaufs mit einer Besserung des Gesamtbefindens nicht zu rechnen ist. Der Senat geht daher – wie im Übrigen auch der Betreuer selbst – von Geschäftsunfähigkeit des Antragsgegners im Sinne von § 104 Nr. 2 BGB aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 150 FamFG, Rz. 10). Allerdings ist unabhängig davon, dass der Antragsgegner eine wirksame Vollmacht nicht erteilen konnte, davon auszugehen, dass der Verfahrensbevollmächtigte auf Veranlassung des Antragsgegners die Beschwerde eingelegt hat, sodass der Antragsgegner die Kosten des Verfahrens zu tragen hat (vgl. BGH, NJW 1993, 1865).

Die nicht nachgelassenen Schriftsätze vom 19.12.2011 geben keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung. Das Amtsgericht Neukölln hat mit Beschluss vom 16.12.2011 den bestehenden Aufgabenkreis des Betreuers nicht erweitert. Selbst wenn man jedoch zugunsten des Antragsgegners von einer Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers ausginge, lag jedenfalls im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung dessen erteilte Genehmigung der Verfahrenshandlungen von Rechtsanwalt K… nicht vor (vgl. GemS-OGB, NJW 1984, 2149; BGH, NJW 2006, 2260; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 89, Rz. 11).