KG, Beschluss vom 26.10.2011 - 4 Ws 92/11, 4 Ws 93/11 - 2 OAR 37/11, 4 Ws 92/11 - 2 OAR 37/11, 4 Ws 93/11
Fundstelle
openJur 2012, 16115
  • Rkr:

1. Die Beurteilung, ob die mutmaßliche Anschlagsvorbereitung auf eine staatsgefährdende Straftat im Sinne des § 89a Abs. 1 Satz 2 StGB gerichtet war, erfordert eine in irgendeine Richtung wenigstens im Groben konkretisierten Planung des Täters. Soll die Staatsschutzklausel ihre materielle Berechtigung nicht im Wesentlichen einbüßen, genügt eine Tatbestimmung allein nach dem Typus "Tat gegen das Leben" oder "Tat gegen die persönliche Freiheit" nicht. In die Beurteilung der "nach dem Umständen" gegebenen "Eignung" der Tat einzubeziehende Umstände sind etwa das Ausmaß der Gewalttat, die Prominenz der Opfer, die Öffentlichkeit oder Symbolträchtigkeit des Ortes, ferner Umstände der Tathandlung wie ein Selbstmordattentat, und das Nachtatverhalten, wie z.B. ein Bekennerschreiben, oder sonst eine propagandistische Aufbereitung der Tat. Die Feststellung einer wenigstens in groben Zügen vorhandenen Tätervorstellung setzte mindestens voraus, dass er einen der maßgeblichen Tatumstände (etwa das Anschlagsziel, den symbolträchtigen Ort oder einen entsprechenden Zeitpunkt, das Tatmittel) oder eine jedenfalls in Ansätzen umrissene mediale "Verwertung" des Tatgeschehens, die es als islamistisch motiviert erkennen ließe, in seine Planung aufgenommen hat.

2. Bei der Anwendung des § 89a StGB ist zu bedenken, dass nicht das äußere Verhalten des Täters den Ausgangspunkt der strafrechtlichen Beurteilung bildet, sondern umgekehrt die Tathandlungen unter der Voraussetzung des für sie erforderlichen Anschlagsvorsatzes zu sehen sind, dieser Vorsatz mithin der Ausgangspunkt der Beurteilung der Vorbereitungshandlung ist. Diese Besonderheit der Norm gebietet es, an die Feststellung der subjektiven Tatseite, der Motivation zu einem staatsgefährdenden Anschlag, strenge Anforderungen zu stellen. Ergibt sich das Unrecht des Handelns allein und erst aus rein internen, in der Vorstellung des Täters gelegenen Vorgängen, so muss diese Vorstellung durch Umstände indiziert sein, die äußeren Vorgängen innewohnen, etwa erkennbar werden durch ein äußerliches Verhalten oder kommunikative Umstände, die einer Objektivierung zugänglich sind.

3. Die Annahme, der Täter habe eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er einen zur Herstellung von Tatmitteln im Sinne des § 89a Abs. 2 Nr. 1 StGB wesentlichen Grundstoff verwahrt hat, setzt voraus, dass er den potentiellen Grundstoff tatbezogen in sein Bewusstsein aufgenommen, sich also (auch) unter dessen Berücksichtigung gedanklich mit der Begehung des Anschlags befasst hat. In Fällen, in denen der Besitz eines zuvor legal und ohne kriminellen Hintergrund erworbenen Stoffes erst durch eine spätere Tatplanung seine Bewertung als strafbewehrtes Verwahren erfahren soll, sind die Anforderungen an die Feststellung der zur Ausfüllung der inneren Tatseite erforderlichen Tatsachen in gesteigertem Maße hoch; erforderlich ist eine äußerlich erkennbare Manifestation der subjektiven Absichten, Planungen und sonstigen tatbezogenen Vorstellungen des Täters auch im Hinblick auf eben jene Substanzen. Erst dann, wenn er sich nach außen hin erkennbar entschlossen hat, die konkrete Substanz, welche er bereits in Besitz hält, zum Begehen einer staatsgefährdenden schweren Gewalttat einzusetzen, wird die Annahme gerechtfertigt sein, dass der subjektive Tatbestand erfüllt ist.

Tenor

Auf die weitere Beschwerde der Beschuldigten werden derHaftbefehl des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 9. September2011 – (352 Gs) 231 Js 2274/11 (3272/11) - und der Beschlussdes Landgerichts Berlin vom 30. September 2011 – 502 Qs 114,115/11 - aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der LandeskasseBerlin zur Last.

Gründe

Die Staatsanwaltschaft Berlin wirft den beiden Beschuldigten vor, seit dem 17. Juni 2011 gemeinschaftlich eine staatsgefährdende Straftat des Mordes (§ 211 StGB) vorbereitet zu haben, „indem sie sich Stoffe zur Herstellung von Sprengstoffen, Spreng- oder Brandvorrichtungen verschafft, verwahrt und einem anderen überlassen“ hätten (§ 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 StGB). Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat am 9. September 2011 gegen die Beschuldigten nach deren vorläufiger Festnahme am Vortag einen entsprechenden, auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützten Haftbefehl erlassen, auf dessen Grundlage seitdem die Untersuchungshaft vollzogen wird.

Den zu den Anhängern des Salafismus gezählten Beschuldigten wird zur Last gelegt, sie verfügten über eine „dschihadistische Grundeinstellung“, auf deren Grundlage sie den Entschluss gefasst hätten, „durch einen Sprengstoff- oder Brandanschlag eine größtmögliche Anzahl von Menschen zu töten“. In Umsetzung dieses Entschlusses hätten sie sich spätestens seit Mitte des Jahres 2011 um die Beschaffung zur Herstellung von Sprengstoffen oder Spreng- und Brandvorrichtungen geeigneter Substanzen bemüht (Hervorhebung durch den Senat). Der Beschuldigte N habe in Verfolgung des gemeinsamen Zieles jeweils über das Internetportal „eBay“ am 17. Juni 2011 (richtig: am 9. Juni 2011) zwölf Kilogramm einer 37%igen Schwefelsäure (Batteriesäure) für 19,90 Euro zuzüglich Versandkosten sowie am 22. Juni 2011 (richtig: am 21. Juni 2011) 100 Trockeneis-Kühlkompressen zum Preis von 49 Euro zuzüglich Versandkosten bestellt. Letztere hätten als Hauptbestandteile entweder Ammoniumnitrat oder Harnsäure aufgewiesen, welche jeweils in Verbindung mit weiteren Komponenten zur Herstellung von Sprengstoff geeignet seien. Während die Schwefelsäure infolge eines Versehens des Verkäufers an einen Dritten gelangte, seien die Kompressen am 22. Juni 2011 per Nachnahme an die Wohnanschrift des Beschuldigten N geliefert und dort bar bezahlt worden. Die Kältekompressen seien „bislang unbekannten Dritten überlassen“ worden, wobei nicht ausgeführt worden ist, wann und durch wen dies geschehen sei. Ferner hätten sich die Beschuldigten in der Folgezeit ebenfalls mit dem Ziel der Herstellung von Sprengstoffen jeweils einen Liter 25%iger Salzsäure und Brennspiritus sowie zwei Liter Aceton beschafft, die der Beschuldigte N – ebenso wie eine nicht aus der o.g. Lieferung stammende Kühlkompresse - in seiner Wohnung bis zu deren Durchsuchung am 8. September 2011 aufbewahrt habe. Auch der Beschuldigte M habe in Verfolgung des gemeinsamen Tatplans über das Internet „zur Herstellung entsprechender Sprengstoffe oder -vorrichtungen benötigte Gegenstände“ beschafft, die er jedenfalls teilweise am 11. August 2011 in die Wohnung des Mitbeschuldigten verbracht habe.

Umfangreiche Telekommunikationsüberwachungs- und Observationsmaßnahmen in den Monaten Juli und August 2011 haben ergeben, dass beide Beschuldigte engen Kontakt zueinander pflegen und mit Personen verkehren, die nach Ansicht der Ermittlungsbehörden ebenfalls radikal-islamistische Ansichten vertreten. Dazu zählen die jeweils wegen Unterstützens einer terroristischen Vereinigung im Ausland verurteilten K und T (der zudem wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für eine solche Vereinigung – noch nicht rechtskräftig - schuldig gesprochen wurde).

Die nach § 310 Abs. 1 Nr. 1 StPO zulässigen weiteren Beschwerden der Beschuldigten haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Haftbefehls und des die Haftbeschwerden verwerfenden Beschlusses des Landgerichts Berlin.

A. Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen fehlt es an dringendem Tatverdacht (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO) gegen die Beschwerdeführer. Ein solcher liegt vor, wenn nach dem Ermittlungsergebnis eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Beschuldigte als Täter oder Teilnehmer eine Straftat begangen hat (vgl. Meyer-Goßner, StPO 54. Aufl., § 112 Rdn. 5). Dies ist nicht der Fall. Es bestehen zwar Verdachtsgründe, diese belegen aber keinen dringenden Tatverdacht für eine als Grundlage für einen Haftbefehl allein in Betracht kommende Straftat nach § 89a StGB.

I. Beschuldigter M

Soweit es den Beschuldigten M angeht, fehlt es bereits an Anhaltspunkten dafür, dass er sich im Sinne der Vorwürfe an dem Geschehen beteiligt hat. Der Haftbefehl hat für den von beiden Beschuldigten vermeintlich gemeinsam gefassten Entschluss, ein Tötungsverbrechen gegen möglichst viele Menschen zu begehen, keinen tragfähigen tatsächlichen Anhaltspunkt bezeichnet. Allein die mutmaßliche radikal-islamistische Gesinnung des Beschwerdeführers und die enge Verbundenheit beider Beschuldigter genügen nicht.

1. Beide Beschwerdeführer verfügten allerdings über umfangreiches islamistisches Propagandamaterial sowie auch über Anleitungen zum Bau von Brand- und Sprengsätzen in digitaler Form. Hierbei hat die Staatsanwaltschaft angesichts dessen, dass beide über identisches Material verfügten, und hat das Landgericht explizit aus dem Umstand, es handele sich bei der betreffenden Dateisammlung („Mujahid-Bag-Full“) nicht um „ein gebräuchliches Werk in der militant-dschihadistischen Szene“, darauf geschlossen, dass die Beschuldigten als Mittäter anzusehen seien. Die Bewertung des Landgerichts stützt sich auf einen Zwischenbericht des LKA Berlin vom 22. September 2011, auf den auch die Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang ausdrücklich Bezug genommen hat. Darin heißt es in einem Zusatz, der genannte Dateiordner sei bei in der Vergangenheit vorgenommenen Durchsuchungen bei Mitgliedern der „Berliner Islamistenszene“ bislang nicht aufgefunden worden; deshalb sei davon auszugehen, dass es sich nicht um ein Standardwerk - wie beispielsweise die Publikation „39 Wege zum Jihad“ - handele, über das jede der Szene zugehörige Person verfüge.

Diese Bewertung erscheint nicht zwingend. Ob die bislang in Berlin vorgenommenen Durchsuchungen überhaupt ein verlässliches Bild vom Verbreitungsgrad einzelner Publikationen vermittelt haben, kann dahinstehen. Denn der Bericht des LKA Berlin verweist selbst darauf, dass die hier in Rede stehende Datensammlung, die mehr als 4500 Bücher umfasst, im Internet frei verfügbar ist und in mehreren einschlägigen Internetforen beworben wird. Das Machwerk existiert bereits in dritter Version, was für einen nicht geringen Verbreitungsgrad spricht. Soweit es die hier festgestellte aktualisierte Version angeht, ist diese erst seit Mitte Juni 2011 verfügbar. Der Beschuldigte N hat sie dementsprechend am 15. Juni 2011 auf seiner externen Festplatte und der Beschuldigte M am 1. August 2011 auf seinem Laptop gespeichert (Datumsangaben jeweils in der Annahme zutreffend eingestellter Systemzeit).

2. Soweit die Staatsanwaltschaft in der Überbringung eines Paketes am 11. August 2011 in Verbindung mit einem Telefonat vom 26. Juli 2011 ein gewichtiges Indiz für die Mittäterschaft des Beschuldigten M sieht, gilt Folgendes: Es liegen keinerlei Erkenntnisse darüber vor, was der Beschuldigte M in dem etwa zehn Zentimeter dicken Paket in DIN-A4-Größe (wahrscheinlich) in die Wohnung Ns verbracht hat. Für die Richtigkeit der Annahme der Ermittlungsbehörden, es habe sich um „relevante Substanzen“ gehandelt, die M zuvor im Auftrag Ns über das Internet besorgt gehabt habe, oder in dem Paket hätten sich zur Herstellung von Sprengstoffen oder Sprengvorrichtungen benötigte (nicht näher bezeichnete) „Gegenstände“ befunden, liegt kein plausibler Anhaltspunkt vor. Irgendwelche dieser Annahme entsprechenden „Gegenstände“ wurden bei der Durchsuchung der Wohnung Ns nicht gefunden. Auch das Telefongespräch vom 26. Juli 2011 stützt den dringenden Tatverdacht nicht. Die Staatsanwaltschaft hat dem Gespräch entnommen, der Beschuldigte M habe für den Mitbeschuldigten „im Internet etwas besorgen“ sollen. Dies entspricht der - vom Landgericht übernommenen - Beurteilung seitens des LKA Berlin, wonach M für N „etwas im Internet gemacht“ habe. Der Gesprächsverlauf gestaltete sich nach der wörtlichen Verschriftung wie folgt: N fragt M: „Hast Du das gemacht? Internet. Hallo!“. Auf Ms Frage, was er meine, antwortet N: „Mein Internet“, worauf M erwidert: „Ja, hab ich gemacht“. Angesichts dieses Wortlauts kann nicht ohne weiteres angenommen werden, damit sei die Beschaffung irgendwelcher Dinge im Internet gemeint, wobei auch zu bedenken ist, dass N in der Lage war, solche Geschäfte selbst zu erledigen. Die von Seiten der Staatsanwaltschaft und Polizei vorgenommene eindeutig belastende Bewertung gestattet das Gespräch jedenfalls nicht; dass mit „mein Internet“ eine „Besorgung im Internet“ gemeint ist, ist nach der Formulierung nicht hoch wahrscheinlich, wie es für die Bejahung eines dringenden Verdachts erforderlich wäre. Es kann deshalb dahinstehen, ob es etwa denkbar oder gar nahe liegend ist, dass sich M als IT-Student um ein Computerproblem seines Freundes gekümmert hat.

3. Auch ein weiteres Telefongespräch zwischen M und N, nämlich jenes vom 25. August 2011, erfährt eine Bewertung, die keine tragfähige Grundlage hat. Dieses Gespräch soll nach Auffassung des LKA Berlin den Schluss zulassen, dass M Substanzen zur Sprengstoffherstellung an einem anderen Ort als in seiner Wohnung aufbewahre; denn M habe dem Beschuldigten N nach einer in anderer Sache (wegen des Verdachts einer gefährlichen Körperverletzung) vorgenommenen polizeilichen Durchsuchung seiner Wohnung am besagten Tag am Telefon gesagt, die „Kuffar“ (gemeint sind die Polizeibeamten) hätten nichts gefunden, „weil er ja dort nichts habe“. Diese Bewertung des Gesprächs, insbesondere der Schluss auf zur Sprengstoffherstellung geeignete Substanzen, ist nicht stichhaltig. Es mag sein, dass die Polizei ungeachtet der Durchsuchung in einem Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung nach solchen Substanzen gesucht hat, nahe liegt das allerdings nicht. Zu dem genannten Verfahren und dem Ziel der dortigen Durchsuchung ist hier nichts bekannt. Selbst wenn die Polizei aber tatsächlich nach Substanzen oder Vorrichtungen zur Herstellung von Sprengsätzen u.ä. gesucht haben sollte, die im hier gegebenen Verfahren von Belang wären, erlaubte der Inhalt der Äußerung des Beschwerdeführers nicht, jedenfalls nicht mit der gebotenen Verlässlichkeit, dass er eben solche Dinge gemeint hat, als er zu N sagte: „Die haben aber, hamdullah, ja nee, ich hab ja nichts. Und die haben nur ein komisches Buch mitgenommen, so’n Nachdruck“. Dieser Äußerung kann nicht entnommen werden, der Beschuldigte habe lediglich in seiner Wohnung keine zur Sprengstoffherstellung geeigneten Substanzen, wohl aber woanders.

4. Die Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten M ist in Bezug auf Stoffe oder Vorrichtungen im Sinne der Strafvorschrift ergebnislos verlaufen.

5. Soweit in der Wohnung Ns die oben angeführten Chemikalien gefunden wurden, fehlt es für die Annahme, der Beschuldigte M sei an deren Beschaffung auch nur im Sinne einer gemeinsamen Planung beteiligt gewesen, an tragfähigen Anhaltspunkten; solche sind von den Ermittlungsbehörden auch nicht dargelegt worden.

II. Beschuldigter N

1. Dem Beschuldigten N kann die bloße Bestellung der Schwefelsäure nicht als Tathandlung im Sinne des § 89a Abs. 2 Nr. 3 StGB zur Last gelegt werden. Dieses Verhalten mag als Anzeichen für seine Gesinnung und mutmaßliche Tatgedanken gelten, auch wenn zu bedenken ist, dass der Beschwerdeführer nach dem Fehlschlagen seiner Bestellung keine Bemühungen um den Erhalt der Ware unternommen hat, obgleich ihm dies möglich gewesen wäre und er insbesondere durch eine E-Mail der Verkäuferin an den Vorgang erinnert worden ist, ohne weitere Aktivitäten zu entfalten. Er hat sich diesen Stoff nicht im Sinne der Vorschrift verschafft; der Versuch des Verschaffens ist nicht unter Strafe gestellt, sodass der Tatbestand schon aus diesem Grund (objektiv) nicht erfüllt ist.

2. Auch im Übrigen ist nicht hinreichend feststellbar, dass der Beschuldigte durch eine Tathandlung im Sinne des § 89a Abs. 2 Nr. 3 StGB eine Mordtat vorbereitet hat, die nach den Umständen bestimmt und geeignet wäre, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beeinträchtigen oder Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben (§ 89a Abs. 1 Satz 2 StGB).

a) Hinsichtlich der Kühlkompressen ist – ungeachtet der dies weiterhin zugrunde legenden Berichte des LKA Berlin - zunächst festzuhalten, dass keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass in den Kompressen als Hauptbestandteil Ammoniumnitrat enthalten war. Deshalb können die hierzu angestellten, recht umfangreichen (gutachtlichen) Erwägungen keine Basis für den Tatvorwurf bieten. Die polizeilichen Ermittlungen haben ergeben, dass die Kompressen mit größerer Wahrscheinlichkeit den Hauptbestandteil Harnstoff enthielten. Eine Vergleichsuntersuchung einer Kompresse der gelieferten Art hat ergeben, dass diese kein Ammoniumnitrat, sondern Harnstoff enthielt. Nach den Ermittlungen hat der Hersteller die Änderung der Befüllung von Ammoniumnitrat zu Harnstoff bereits Mitte 2010 vorgenommen, um den Vorgaben einer Chemikalienverordnung (Verordnung [EG] Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates) zu genügen. Da die Verkäuferin die Ware ihrerseits erst am 1. Juni 2011 von dem Hersteller bezogen hatte, ist anzunehmen, dass die dem Beschuldigten gelieferten Kompressen ausschließlich Harnstoff enthielten, zu dem lediglich eine knappe und wenig aussagekräftige gutachtliche Einschätzung vorliegt, die insbesondere keine verlässliche Beurteilung der Sprengwirkung eines mutmaßlich zu fertigenden Selbstlaborats zuließe. Darauf kommt es im Ergebnis aber ebenso wenig an, wie auf die Fragen, ob der Beschuldigte über eine Anleitung zur Fertigung von Harnstoffnitrat aus dem Harnstoff, über den weiteren unerlässlichen Baustein Salpetersäure und/oder die für eine erforderliche Initialzündung nötigen weiteren Sprengstoffe verfügt oder sich zumindest darum bemüht hat.

Denn entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft und dem Haftbefehl genügt es für die Verwirklichung des Tatbestands des § 89a Abs. 2 Nr. 3 StGB nicht, dass die 100 Kompressen unbekannten Dritten überlassen worden sind. Anders als in den Fällen der Nr. 2 der Vorschrift, die u.a. Sprengstoffe erfasst, reicht es bei potentiellen sog. Grundstoffen wie dem Harnstoff nicht aus, dass diese einem Dritten überlassen werden, sondern als Tathandlungen kommen allein das jeweils von einem Gebrauchswillen getragene Sich-Verschaffen und Aufbewahren in Betracht. Diese Differenzierung findet ihren Grund in der besonderen, dem bloßen Besitz der (fertigen) Tatmittel der Nr. 1 innewohnenden Vielgefährlichkeit; denn diese Tatmittel können auch ohne weiteres Zutun des Täters und insbesondere durch das unkontrollierte Handeln des Dritten, dem sie überlassen werden, bereits zu Rechtsgutsschäden führen.

Für die Variante des Verwahrens spricht hier nichts. Es ist auch zweifelhaft, ob mit der gebotenen hohen Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass sich der Beschuldigte die Kompressen selbst im Sinne der Nr. 3 verschafft hat. Ob er die Warenlieferung persönlich in Empfang genommen hat, ergibt sich aus dem Auslieferungsvermerk der DHL nicht zuverlässig. Hinzu kommt, dass nicht geklärt ist, wann, durch wen und an wen die Kompressen aus welchem Grund gelangt sind. Für die Annahme der Ermittlungsbehörden, sie seien als Bestandteile eines präsumtiven Sprengsatzes konspirativ behandelt worden und würden von Unbekannten an einem anderen Ort bereits verarbeitet oder zur Verarbeitung vorbereitet, fehlt es jedenfalls an tatsächlichen Anhaltspunkten. Die nicht unerheblichen Durchsuchungs-, Telekommunikationsüberwachungs- und Observationsmaßnahmen haben solche Erkenntnisse nicht erbracht. Aber auch für den Fall, dass der Beschuldigte die Kompressen selbst entgegen genommen haben sollte, bliebe nach den Ermittlungsergebnissen gleichwohl die - rechtserhebliche (vgl. Fischer aaO., § 146 Rn. 11 m.w.N.) - Frage offen und ließe sich nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit zu seinen Lasten beantworten, ob er seinen Besitz mit dem Willen zu eigenständiger Verfügung oder Mitverfügung begründet und nicht etwa ausschließlich im Drittinteresse gehandelt hat.

b) In Bezug auf die Substanzen, die in dem gemeinsam mit der Ehefrau und zwei Kleinkindern bewohnten Haushalt des Beschwerdeführers aufgefunden worden sind, fehlt es jedenfalls an Tatsachen, aus denen die hohe Wahrscheinlichkeit entnommen werden könnte, der Beschuldigte habe mit Blick auf diese, dann als Grundstoffe anzusehenden Materialien eine Tat im Sinne des § 89a Abs. 1 StGB mit dem erforderlichen Vorsatz vorbereitet.

Die Besonderheit der Vorschrift besteht darin, dass sich das strafbewehrte Verhalten in aller Regel nur dann als solches erkennen und bestimmen lässt, wenn man sein Ziel, also den Gegenstand der „Vorbereitung“ bereits kennt. Äußerlich an sich neutrale, insbesondere sozialadäquate Handlungen können also nur dann eine Grundlage für den Unrechtszusammenhang bieten, wenn man die Vorstellungen oder Absichten des Täters kennt. Zwar mag es im Ausnahmefall möglich sein, dass äußerlich neutrale Handlungen einen so starken objektiven Vorbereitungscharakter besitzen, dass aus ihnen der Schluss auf tatbestandliches Unrecht zulässig ist, wenn der Täter etwa bestimmte Grundstoffe in einer solchen Menge beschafft, die ohne Berücksichtigung der Anschlagsplanung für seine private oder berufliche Lebensgestaltung schlechterdings keinen Sinn ergeben können (vgl. ähnlich Sieber, NStZ 2009, 361). Ein solch klarer Vorbereitungscharakter der möglichen Tathandlungen liegt hier aber hinsichtlich keiner der in Rede stehenden Substanzen vor und wird beim bloßen Verwahren im Regelfall ohnehin nicht gegeben sein (vgl. Fischer aaO., § 89a Rn. 38).

Bei der Anwendung des § 89a StGB ist zu bedenken, dass nicht das äußere Verhalten des Täters, welches eine Unrechtsvertypung darstellt, den Ausgangspunkt der strafrechtlichen Beurteilung bildet, sondern umgekehrt die „Tathandlungen unter der Voraussetzung des für sie erforderlichen Anschlagsvorsatzes zu sehen“ sind, dieser Vorsatz mithin der „Ausgangspunkt“ der Beurteilung der Vorbereitungshandlung ist (vgl. Kauder, ZRP 2009, 21). Diese Besonderheit der Norm gebietet es, an die Feststellung der subjektiven Tatseite, der Motivation zu einem staatsgefährdenden Anschlag, strenge Anforderungen zu stellen. Ergibt sich das Unrecht des Handelns allein und erst aus rein internen, in der Vorstellung des Täters gelegenen Vorgängen, so muss diese Vorstellung durch Umstände indiziert sein, die äußeren Vorgängen innewohnen, etwa erkennbar werden durch ein äußerliches Verhalten oder kommunikative Umstände, die einer Objektivierung zugänglich sind.

Daran fehlt es hier; die nötigen tatsächlichen Grundlagen sind nicht feststellbar. Allein die Tatsache, dass der Beschwerdeführer offensichtlich Gewalttaten gegen „Juden und Christen“, „die Feinde Allahs“, „Heiden und Abtrünnige und alle Ungläubige“ befürwortet („Oh Allah … töte sie alle und lass keinen von ihnen übrig“), reicht mit Blick auf die dem Beschuldigten zur Last zu legenden Tathandlungen nicht aus.

aa) Es ist bereits zweifelhaft, ob hinreichende Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass die mutmaßliche Anschlagsvorbereitung des Beschwerdeführers hinsichtlich des Schutzgutes auf eine staatsgefährdende Straftat im Sinne des § 89a Abs. 1 Satz 2 StGB gerichtet war. Selbst wenn man annimmt, dass auch die Tat eines Einzelnen eine Staatsgefährdung auslösen kann (zweifelnd Backes, StV 2008, 656), stellte sich die Frage, ob hinreichende Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass ein Schutzgut des § 89a Abs. 1 Satz 2 StGB betroffen gewesen wäre. Da der Bestand eines Staates durch einen (auch verheerenden) Anschlag auf Menschen schwerlich beeinträchtigt wird, käme die Sicherheit (irgend) eines Staates in Betracht. Insoweit ist es vom Gesetzgeber gewollt, diese schon dann als beeinträchtigt zu erachten, wenn durch die beabsichtigte Tat „das Vertrauen der Bevölkerung erschüttert wird, vor gewaltsamen Einwirkungen in ihrem Staat geschützt zu sein“ (BT-Drucks. 16/12428, S. 14). Es mag dahinstehen, ob diese vom Gesetzgeber gewünschte Auslegung an der Grenze des möglichen Wortsinns der Norm scheitert (in diese Richtung Becker, Kriminalistik 2010, 568, 569). Bedenken ergeben sich aber schon dahin, ob tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, dass eine solche Folge das Ergebnis des vom Beschwerdeführer geplanten Tuns gewesen wäre. Die zitierte Begründung des Gesetzgebers orientiert sich offensichtlich an einer in anderem rechtlichen Zusammenhang, nämlich zur Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern bei der Jurisdiktionsmacht und Strafverfolgung (vgl. Paeffgen in NK-StGB 3. Aufl., § 89a Rn. 16), ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHSt 46, 238 - Fall Eggesin). Ungeachtet der Frage, ob die Argumentation des Bundesgerichtshofs für die Auslegung der tatbestandlichen Begriffe des § 89a Abs. 1 StGB beachtlich ist, bezog sie sich auf die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland in Gestalt des Verfassungsgrundsatzes des Ausschlusses jeder Gewalt- und Willkürherrschaft gegenüber Minderheiten (vgl. BGH aaO. S. 251f.), und es fragt sich, ob die Erwägungen des Bundesgerichtshofs – wie es der Gesetzgeber getan hat - ohne weiteres auf die Gesamtbevölkerung (irgend) eines Staates übertragbar sind.

Dies bedarf indessen keiner abschließenden Entscheidung; denn die Beurteilung des Sachverhalts auf der Grundlage der vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze erfordert eine besondere Wertung aller Umstände des konkreten Geschehens und dessen Folgen. Die vom Bundesgerichtshof angenommene Folgerung ist nur dann gerechtfertigt, wenn „die konkrete Tat nach den jeweiligen Umständen das innere Gefüge des Gesamtstaates beeinträchtigen kann oder sich gegen dessen Verfassungsgrundsätze richtet“ (vgl. BGH aaO. S. 250). Mangels hinreichender Erkenntnisse über die vom Beschwerdeführer in Aussicht genommene Tat fehlen die für diese Gesamtabwägung erforderlichen Tatsachen (dazu sogleich; zur Frage, ob eine noch völlig unbestimmte [Tötungs-] Tat mit ihrem erforderlichen Charakter als staatsgefährdend vereinbart werden kann, vgl. auch Fischer aaO., Rn. 21).

bb) Angesichts des Fehlens einer in irgendeine Richtung wenigstens im Groben konkretisierten Planung ist auch sonst nicht ersichtlich, welcher Art die vom Beschuldigten mutmaßlich in Aussicht genommene Tötungstat hätte sein sollen. In diesem Zusammenhang ist fraglich, ob es genügt, dass sich die Tat überhaupt gegen das Leben eines oder mehrerer Menschen richten sollte. Nach dem gesetzgeberischen Willen sollen allerdings die Voraussetzungen der Konkretisierung der geplanten Straftat bei § 89a StGB nicht hoch sein; denn es ist ein wesentliches Ziel der Norm, in Bezug auf die Konkretisierung der geplanten Tat geringere Anforderungen als die von der Rechtsprechung zu § 30 StGB entwickelten genügen zu lassen (vgl. BT-Drucks. aaO., S. 15). Deshalb soll der Tatbestand nicht voraussetzen, dass die vorbereitete Tat hinsichtlich Ort und Zeit, eines bestimmten Tatobjekts und der genauen Tatausführung bereits konkretisiert ist, sondern es soll ausreichen, dass der Deliktstypus hinreichend bestimmt, die Tat also ihrer Art nach bestimmt ist (vgl. dazu befürwortend Wasser/Piaszek, DRiZ 2008, 317).

Soll die Staatsschutzklausel ihre materielle Berechtigung aber nicht im Wesentlichen einbüßen, dann wird eine Tatbestimmung allein nach dem Typus „Tat gegen das Leben“ oder „Tat gegen die persönliche Freiheit“ nicht genügen (so jedoch BT-Drucks. aaO., S. 14). Die genannte Klausel verlöre ihre begrenzende Wirkung, weil die „nach dem Umständen“ zu beurteilende „Eignung“ der Tat allein durch eine solche pauschale Tatbestimmung nicht erhellt würde. Solche, in die Frage der Eignung einzubeziehenden Umstände sind etwa das Ausmaß der Gewalttat, die Prominenz der Opfer, die Öffentlichkeit oder Symbolträchtigkeit des Ortes, ferner Umstände der Tathandlung wie ein Selbstmordattentat, und das Nachtatverhalten, wie z.B. ein Bekennerschreiben, oder sonst eine propagandistische Aufbereitung der Tat (vgl. Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 28. Aufl., § 89a Rn. 8). Erforderlich sein dürfte deshalb – um dem Bestimmtheitsgebot zu genügen und auch angesichts der erheblichen Strafdrohung, die im Höchstmaß zu einer Gleichstellung mit den Tatbeständen des § 129a Abs. 1 und 2 StGB führt, - die Feststellung einer wenigstens in groben Zügen vorhandenen Vorstellung, was mindestens voraussetzt, dass der Täter einen der maßgeblichen Tatumstände (etwa das Anschlagsziel, den symbolträchtigen Ort oder einen entsprechenden Zeitpunkt, das Tatmittel) oder eine jedenfalls in Ansätzen umrissene mediale „Verwertung“ des Tatgeschehens, die es als islamistisch motiviert erkennen ließe, in seine Planung aufgenommen hat (vgl. ähnlich Paeffgen aaO., Rn. 24). Auch die Befürworter einer dem gesetzgeberischen Willen folgenden, weiten Auslegung bilden entsprechende Beispiele (vgl. Wasser/Piaszek aaO., S. 316 zu Fn. 19: „beispielsweise einen Bombenanschlag auf ein öffentliches Verkehrsmittel“, wobei „zunächst offen bleiben [könne], ob der Anschlag einer U-Bahn in einer deutschen Großstadt oder einem Nahverkehrszug, der im ländlichen Raum verkehrt, gelten soll“).

Entsprechende Erkenntnisse liegen hier nicht vor; der Haftbefehl benennt keinen äußeren Tatumstand und lässt schon die Art der Tatausführung (Sprengstoff- oder Brandanschlag) ausdrücklich offen. Der Schluss, dass jegliche kriminelle Betätigung von islamistisch radikalisierten Personen gegen das Leben von Menschen, welcher konkreten Art sie auch immer sein mag, die Voraussetzungen des § 89a Abs. 1 StGB stets erfülle, erscheint zu weitgehend. Auch die Annahme der Ermittlungsbehörden, die Beschwerdeführer hätten geplant, eine „größtmögliche Anzahl von Menschen“ zu töten, ist Folge einer gänzlich abstrakten Bewertung und entbehrt hinreichender tatsächlicher Anhaltspunkte.

Der Beschwerdeführer befand sich ersichtlich in einem ganz frühen und unkonkreten Planungsstadium mit lediglich vagen Tatvorstellungen. Die allein gegebene Erkenntnis, dass er irgendwo und irgendwann mit einem unbestimmten Brand- oder Sprengsatz irgendeine Mordtat gegen nicht genauer bestimmbare Christen, Juden, sonstige in seinem Verständnis „Ungläubige“ oder Abtrünnige (wozu vermutlich auch gemäßigte Muslime gehören würden) habe begehen wollen, reicht nicht aus.

cc) Es fehlt darüber hinaus an einem nachvollziehbaren, äußerlich erkennbaren Zusammenhang zwischen dem Besitz an den hier noch in Rede stehenden Substanzen und einer mutmaßlichen Tatplanung, der den Schluss darauf zuließe, der Beschwerdeführer habe den Vorbereitungscharakter der Verwahrung der Stoffe erkannt und diesen billigend in Kauf genommen.

Erforderlich ist nach § 89a Abs. 2 Satz 1 StGB, dass der Täter die schwere staatsgefährdende Gewalttat „vorbereitet, indem er“ einen zur Herstellung von Tatmitteln im Sinne des § 89a Abs. 2 Nr. 1 StGB wesentlichen Grundstoff sich verschafft oder diesen verwahrt. Dies setzt auch unter Zugrundelegung der Ansicht, dass hinsichtlich aller Merkmale des objektiven Tatbestands bedingter Vorsatz genügt, voraus, dass der präsumtive Täter den potentiellen Grundstoff tatbezogen in sein Bewusstsein aufnimmt, er sich also (auch) unter dessen Berücksichtigung gedanklich mit der Begehung des Anschlags befasst. Die Verwahrung - als Aufbewahren zum späteren Gebrauch (vgl. Fischer aaO., Rn. 33) - müsste mit „staatsschutzrelevanter Zielsetzung“ (vgl. BT-Drucks. aaO., S. 15) geschehen sein. Es reicht mit anderen Worten nicht aus, dass sich in einem umfangreichen Konvolut möglicher Herstellungs- und Bauanleitung wie dem vorliegenden, von dem nicht feststeht, dass der Täter dessen Inhalt zur Kenntnis genommen hat, an irgendeiner Stelle neben zahlreichen Stoffen – auch - eine Substanz Erwähnung findet, die der Beschuldigte - auch, und ggf. bereits seit langer Zeit - in seinem Gewahrsam hat.

Dabei mag der grundsätzlich schwierige Nachweis der subjektiven Tatseite (hierzu Wasser/Piaszek aaO., S. 319) leichter gelingen, wenn sich der Täter bei schon gegebener terroristischer Gesinnung und dem Vorliegen einer wenigstens pauschalen Tatplanung potentielle Grundstoffe (eigens) verschafft. Anders liegt es in Fällen, in denen der Besitz eines zuvor legal und ohne kriminellen Hintergrund erworbenen Objektes erst durch eine spätere Tatplanung seine Bewertung als strafbewehrtes Verwahren erfahren soll. Hier sind die Anforderungen an die Feststellung der zur Ausfüllung der inneren Tatseite erforderlichen Tatsachen in gesteigertem Maße hoch; erforderlich ist eine äußerlich erkennbare Manifestation der im menschlichen forum internum liegenden subjektiven Absichten, Planungen und sonstigen tatbezogenen Vorstellungen des Täters auch im Hinblick auf eben jene Substanzen (vgl. Sieber aaO., S. 360f.). Erst dann, wenn sich der Betreffende nach außen hin erkennbar entschlossen hat, den konkreten Gegenstand oder die konkrete Substanz, welche er bereits in Besitz hält, zum Begehen einer staatsgefährdenden schweren Gewalttat einzusetzen, wird die Annahme gerechtfertigt sein, dass der subjektive Tatbestand erfüllt ist (ähnlich Wasser/Piaszek aaO., S. 320). Diese Fallgestaltung ist hier zugrunde zu legen.

?) Dass eine gezielte Beschaffung der fraglichen Stoffe bei schon vorliegender Tatmotivation gegeben ist, ist nicht durch Tatsachen belegt. Dass sich diese Stoffe in dem Paket befanden, das M am 11. August 2011 vermutlich in die Wohnung des Beschuldigten N verbracht hat, ist nur denkbar; ob die Ermittlungsbehörden dies zugrunde legen, ist unklar, da sie in dem Paket pauschal „Gegenstände“ zur Herstellung von Sprengstoffen oder auch „Sprengvorrichtungen“ vermutet haben. Insoweit stellte sich zudem die Frage, weshalb die Beschaffung der hier fraglichen Substanzen, die teilweise als „Allerweltsstoffe“ gelten dürfen, auf eine solch komplizierte und konspirative Weise organisiert und zudem das unvernünftige Risiko der Verwahrung in der gemeinsam mit Ehefrau und zwei Kleinstkindern bewohnten Wohnung eines der mutmaßlichen Mittäter eingegangen worden sein soll. Ferner wäre nicht verständlich, weshalb einzelne Grundstoffe dort gelagert worden sein sollen, während nach der Annahme der Ermittlungsbehörden andere Bestandteile eines möglichen Brand- oder Sprengsatzes an anderen Orten von Unbekannten verarbeitet oder zur Verarbeitung vorbereitet würden.

?) In Bezug auf die - bereits angebrochene, nur noch mit 440 ml gefüllte - Salzsäureflasche ist bereits zu bedenken, dass die bei der Wohnungsdurchsuchung anwesende Ehefrau des Beschuldigten gegenüber den Polizeibeamten spontan erklärt hat, diese Flasche selbst zum Zwecke der Badreinigung gekauft zu haben, was entgegen der Annahme der Staatsanwaltschaft weder grundsätzlich und auch angesichts des angebrochenen Zustands nicht gänzlich unglaubhaft erscheint. Insoweit ist schon aus diesem Grund der Vorbereitungscharakter der in Betracht kommenden Tathandlung fraglich. Mit dem Verbrauch einer nicht ganz geringfügigen Teilmenge der Salzsäure zu - wenigstens nicht ausschließbar - nicht kriminellen Zwecken hat sich der angefochtene Beschluss, der vielmehr unzutreffend das Aufbewahren eines Liters der Substanz zugrunde gelegt hat, nicht auseinander gesetzt. Hinsichtlich dieser Chemikalie, insbesondere aber auch in Bezug auf den Brennspiritus und das Aceton, sind zudem keine Ermittlungen zu der Frage erfolgt, wann diese Substanzen wahrscheinlich in den Haushalt gelangt sind. Dass die Beschaffung zeitlich nach den Bestellungen der Schwefelsäure und Kühlkompressen („in der Folgezeit“) und die Verwahrung deshalb mit staatsschutzrelevanter Zielsetzung geschah, ist zwar denkbar, aber mangels entsprechender Anhaltspunkte - etwa betreffend den Zeitpunkt der Produktion und des Verkaufs der Substanzen - nicht im Sinne eines dringenden Verdachts hoch wahrscheinlich. Es ist nach den bisherigen Ermittlungen zudem nicht ersichtlich, wann genau bei dem Beschuldigten N, der ehemals Medizinstudent war, eine Radikalisierung mit islamistischer Orientierung eingetreten ist, die einen Schluss darauf zuließe, dass er aus religiös-ideologischen Gründen zur Tötung von Menschen – ggf. unter Verwendung jeglicher verfügbarer Mittel - bereit sei. Es ist auch zu bedenken, dass der Beschuldigte als Medizinstudent laborpraktische Arbeiten zu verrichten hatte; im selben Schrank wie die Chemikalien fanden sich Studienunterlagen, etwa ein Skript „Praktikum der Chemie“.

Eine konkrete anschlagsbezogene Befassung des Beschwerdeführers mit den aufbewahrten oder den in den Kühlkompressen enthaltenen Stoffen ist entgegen der Annahme der Staatsanwaltschaft nicht hoch wahrscheinlich. Der dieser Einschätzung zugrunde liegende Bericht des LKA Berlin vom 22. September 2011 bezieht sich ungeachtet der vorangeschrittenen Ermittlungen weiterhin auf den nicht mehr, jedenfalls nicht im Sinne eines dringenden Verdachts, zugrunde zu legenden Stoff Ammoniumnitrat. Dass sich auch insoweit lediglich eine von zahlreichen Anleitungen in der umfangreichen Dateisammlung findet und eine Kenntnisnahme des Beschuldigten von dieser lediglich möglich ist, tritt hinzu. Auch in Bezug auf die weiteren Substanzen finden sich in den zahlreichen und umfänglichen Dateien zur Sprengstoffkunde, zu Sprengstoffen und Sprengsätzen zwar Hinweise auf Harnstoff, Salzsäure, Aceton und Brennspiritus. Dass der Beschwerdeführer diese Passagen und ggf. welche von ihnen er mit anschlagsbezogener Motivation zur Kenntnis genommen hat, ist aber nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen bzw. feststellbar. Anhaltspunkte für eine entsprechende konkrete Befassung müssten auch deshalb feststellbar sein, weil sich sonst das - von den Vorinstanzen gänzlich vernachlässigte - Tatbestandsmerkmal der „Wesentlichkeit“ einer Substanz nicht beurteilen ließe.

Mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit ist demgegenüber anzunehmen, dass sich der Beschwerdeführer mit anderen Gegenständen und Themen beschäftigt hat. Die Auswertung seiner Internetaktivitäten hat ergeben, dass er sich am 25. Juli 2011 für die Elektrolyse und die Stoffe Kaliumperchlorat und Kaliumchlorat sowie den Stoff Hexogen (RDX) interessiert hat. Den Akten lässt sich nicht entnehmen, dass der Beschwerdeführer in der nicht geringen ihm zur Verfügung stehenden Zeit bis zu seiner Festnahme insoweit eine Tathandlung begangen oder auch nur entsprechende Bemühungen unternommen hat.

B. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO. Über die notwendigen Auslagen war nicht zu entscheiden, da es sich um ein Zwischenverfahren handelt (vgl. Senat, Beschluss vom 24. März 2010 – 4 Ws 37/10 – [bei juris]).