OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.04.2010 - OVG 5 M 11.10
Fundstelle
openJur 2012, 12857
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die erstinstanzliche Versagung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet.

Es spricht viel dafür, dass der Beschwerde schon deshalb der Erfolg versagt bleiben muss, weil der Antragsteller bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens nicht hinreichend dargetan hatte, dass er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht oder nur zum Teil in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 117 Abs. 2 und 4 ZPO). Die mit Schriftsatz vom 24. November 2009 zu den Akten gereichte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wies Lücken auf, die sich auch unter Heranziehung der beigefügten Belege nicht hätten schließen lassen. Abgesehen davon, dass der am 30. September 2009 festgestellte Besitz von Bargeld in Höhe von 4.550,- € die Richtigkeit der Angaben des Antragstellers zu seiner Einkommens- und Vermögenssituation insgesamt in einem zweifelhaften Licht erscheinen ließ, warf seine Erklärung die Frage auf, aus welchen Mitteln er bei einem Arbeitseinkommen von 363,71 € und Mietkosten von 339,68 € seinen Lebensunterhalt bestritten hat. Durch den nachgewiesenen Bezug von Ausbildungsförderung in Höhe von 531,- € monatlich (ohne Einkommensanrechnung) ab 1. September 2009 änderte sich an dieser Frage nichts Grundsätzliches. Denn das Arbeitsverhältnis, für das im Übrigen keine Belege eingereicht worden sind, endete zum 15. November 2009; der BAFöG-Bezug allein aber hätte den notwendigen Lebensunterhalt des Antragstellers in der Folgezeit allenfalls dann decken können, wenn er daneben Kindergeld bezogen hätte. Einen entsprechenden Antrag hatte er nach eigenen Angaben jedoch nicht gestellt. Eines vorherigen Hinweises auf die offenkundig unzureichenden Angaben durch das Verwaltungsgericht hätte es im Hinblick auf die anwaltliche Vertretung des Antragstellers nicht bedurft (vgl. BFH, Beschluss vom 17. Januar 2001 - XI B 76-78.00 u.a. -, juris Rn. 8 m.w.N.).

Unabhängig davon ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der vorläufige Rechtsschutzantrag keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 ZPO bot, entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht zu beanstanden.

Das Grundrecht auf effektiven und gleichen Rechtsschutz verpflichtet den Staat, mit Hilfe eines Instituts wie der Prozesskostenhilfe sicherzustellen, dass Unbemittelte und Bemittelte in den Chancen ihrer Rechtsverfolgung gleichgestellt sind (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88 -, juris Rn. 23). Mit Rücksicht darauf darf das Prozesskostenhilfeverfahren nicht dazu benutzt werden, die Klärung streitiger Tatsachenfragen im Hauptsacheverfahren zu verhindern oder Rechtsfragen zu klären, die strittig oder ungeklärt und - auch unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelungen und bereits vorliegender anderweitiger Rechtsprechung - schwierig zu beantworten sind (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 4. Februar 2004 - 1 BvR 596/03 -, juris Rn. 8; Beschluss vom 6. Oktober 2004 - 1 BvR 414/04 -, juris Rn. 13 m.w.N.). Andererseits braucht der Unbemittelte nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88 -, juris Rn. 26).

Diesen Prüfungsmaßstab hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Entgegen der Darstellung der Beschwerde waren Gegenstand des Verfahrens keine Rechtsfragen, die „zweifellos“ als schwer einzustufen sind. Schwer wog ohne Frage der Eingriff in das Freizügigkeitsrecht des Antragstellers durch den Passentzug und das Ausreiseverbot. Die daran anknüpfende Frage, ob diese Maßnahmen im Falle des Antragstellers rechtswidrig waren, weil sich der Antragsgegner auf - wie im erstinstanzlichen Verfahren eingewandt - bloße Vermutungen oder strafrechtlich irrelevante Tatsachen zu stützen vermocht habe, ist jedoch keine schwierig zu beantwortende Rechtsfrage im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Sie ist vielmehr eine Frage der Tatsachenwertung im Rahmen einer nach § 80 Abs. 5 VwGO unter dem Aspekt der Gefahrenabwehr vorzunehmenden Interessenabwägung. Dass sich unter diesen Umständen eine gerichtliche Überprüfung der von der Behörde zur Begründung des Passentzugs und des Ausreiseverbots angeführten Tatsachen geradezu aufdrängte, wie die Beschwerde geltend macht, versteht sich von selbst. Dieser Aufgabe hat sich das Verwaltungsgericht jedoch in einem den Anforderungen eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens entsprechenden Umfang auch unterzogen. Dass es mit seiner im Rahmen der - grundsätzlich zulässigen - zeitgleichen Entscheidung über den Rechtsschutzantrag und das Prozesskostenhilfegesuch vorgenommenen Wertung die Anforderungen, die an die hinreichenden Erfolgsaussichten zu stellen sind, überspannt hätte, lässt sich angesichts des maßgeblichen Erkenntnisstandes nicht feststellen.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung bei der Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist der Zeitpunkt der Entscheidungs- bzw. Bewilligungsreife. Zur Entscheidung reif ist der Antrag allerdings nicht schon dann, wenn der Beteiligte die vollständige Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den erforderlichen Belegen vorgelegt sowie das Streitverhältnis dargelegt hat, sondern erst dann, wenn der Gegner gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO Gelegenheit zur Äußerung hatte (st. Rspr. des Senats, vgl. nur Beschluss vom 23. Februar 2006 - OVG 5 M 5.06 -; vgl. auch OVG Greifswald, Beschluss vom 4. Februar 2005 - 1 O 388.04 -, juris Rn. 6; VGH Mannheim, Beschluss vom 14. Juni 2004 - 12 S 571.04 -, juris, LS 1 m.w.N.). Folglich hatte das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung den Erkenntnisstand zugrunde zu legen, wie er sich nach Eingang des Erwiderungsschriftsatzes des Antragsgegners am 14. Dezember 2009 darstellte. Nach den darin mitgeteilten und unwidersprochen gebliebenen Feststellungen und Einschätzungen der Sicherheitsbehörden aber, die auf dem Gebiet der Auswertung und Beurteilung sicherheitsrelevanter Informationen über besonderen Sachverstand und entsprechende Erfahrungen verfügen, waren die Erfolgaussichten des vorläufigen Rechtsschutzantrages aus den im angegriffenen Beschluss dargelegten Gründen so gering, dass sie nicht mehr als hinreichend angesehen werden konnten.

Soweit die Beschwerde dagegen einwendet, das Verwaltungsgericht habe die Prüfung der Erfolgsaussichten nur teilweise durchgeführt, weil es sich „mit dem Gemeinschaftsrecht und der die vorliegende Rechtsmaterie betreffenden Rechtsprechung der hochinstanzlichen Gerichte auf europäischer Ebene“ hätte auseinandersetzen müssen, muss sie sich entgegenhalten lassen, dass sie selbst sich zu keiner Zeit veranlasst gesehen hatte, Fragen des Gemeinschaftsrechts zu thematisieren. Dass und inwieweit sie sich im Falle der Freizügigkeitsbeschränkung aus Gründen der Abwehr terroristischer Gefahren stellen würden, legt die Beschwerde im Übrigen auch nicht dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es wegen der gesetzlich bestimmten Festgebühr nicht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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