LG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 26.02.2010 - 21 Qs 18/10
Fundstelle
openJur 2012, 12510
  • Rkr:
Tenor

Auf die Beschwerde des Beschuldigten vom 26. Januar 2010 wird der Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 29. Dezember 2009 - Az: 4.5 Gs 163/09, 220 Js 3757/07 – insoweit aufgehoben, als dem Beschuldigten Rechtsanwalt B. aus … als notwendiger Verteidiger bestellt worden ist.

Gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO wird dem Beschuldigten Rechtsanwalt K. aus … als notwendiger Verteidiger bestellt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten fallen der Landeskasse zur Last.

Gründe

I.

Dem Beschuldigten wurde am 17. Dezember 2009 durch den Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Kempten der Haftbefehl des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 18. Mai 2009 verkündet. Im Zuge seiner richterlichen Vernehmung stellte er den Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers. In der Folgezeit wurde er von der JVA Kempten über die JVA Frankfurt (Oder) in die JVA Cottbus-Dissenchen verschubt. Mit Beschluss vom 29. Dezember 2009 bestellte das Amtsgericht Frankfurt (Oder) –Az: 4.5 Gs 163 /09- nach vorheriger Anhörung der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) dem Beschuldigten Rechtsanwalt B. gemäß § 140 Abs. 2 StPO zum Pflichtverteidiger. Am 21. Januar 2010 teilte Rechtsanwalt K. gegenüber dem Amtsgericht mit, dass ihn der Beschuldigte über einen Mitgefangenen gebeten habe, ihn als Pflichtverteidiger zu vertreten und er stellte den Antrag ihn als Pflichtverteidiger für den Beschuldigten beizuordnen. Zugleich beantragte er die Erteilung einer Besuchserlaubnis, um dem Gericht eine schriftliche Vollmacht des Beschuldigten vorlegen zu können. Mit Schriftsatz vom 26. Januar 2010 legte Rechtsanwalt K. unter Vorlage der Vollmacht des Beschuldigten Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 29. Dezember 2009 ein und beantragte zugleich seine Beiordnung als Pflichtverteidiger für den Beschuldigten.

Der Beschwerde des Beschuldigten hat das Amtsgericht Frankfurt (Oder) mit Beschluss vom 05. Februar 2010 nicht abgeholfen und die Sache der Beschwerdekammer zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde des Beschuldigten ist gemäß § 304 Abs. 1 StPO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Dem Beschuldigten soll gemäß § 142 Abs. 1 StPO möglichst der von ihm als Anwalt seines Vertrauens benannte Rechtsanwalt als Verteidiger beigeordnet werden. Ihm ist deshalb Gelegenheit zu geben, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Anwalt zu benennen. Dies hat ihm der Vorsitzende unmissverständlich mitzuteilen (vgl. Meyer-Goßner, 51. Aufl., Rdnr. 10 zu § 142 StPO). Die Vorschriften der Strafprozessordnung über die notwendige Mitwirkung und die Bestellung eines Verteidigers im Strafverfahren (§§ 140 ff. StPO) sind insoweit Ausdruck des grundgesetzlich geschützten Anspruchs auf ein faires Verfahren. In dem vorliegenden Verfahren konnte nicht allein aus der Tatsache, dass der Beschuldigte anlässlichseiner Anhörung imZuge der Haftbefehlsverkündungdurch das Amtsgericht Kempten einen Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers gestellt hat, geschlossen werden, er werde keinen Vorschlag unterbreiten, was seine Anhörung insoweit entbehrlich gemacht hätte. Es musste vielmehr davon ausgegangen werden, dass dem Beschuldigten sein Recht aus § 142 Abs. 1 Satz 1 StPO auf Beiordnung eines Verteidigers für das Strafverfahren nicht bekannt war, zumal er Ausländer ist. Einer vorherigen Anhörung des Beschuldigten stand auch nicht eine erhebliche Verfahrensverzögerung entgegen, bzw. hat auch die Verfahrenslage die Bestellung eines Verteidigers nicht so dringlich gemacht, dass der Eintritt einer nur geringen Verzögerung unvertretbar gewesen wäre. Die Beiordnung des Rechtsanwalts B. als Pflichtverteidiger war somit verfahrensfehlerhaft und ist auf die Beschwerde des Beschuldigten, wie geschehen, aufzuheben. Ergänzend hierzu war noch festzustellen, dass auch nicht etwa eine Heilung der unterlassenen Anhörung dadurch erfolgt ist, dass der Beschuldigte diese widerspruchslos angenommen und über einen längeren Zeitraum vertrauensvoll mit dem für ihn bestellten Pflichtverteidiger zusammengearbeitet hat. Der Beschuldigte ist nach seiner richterlichen Vernehmung durch das Amtsgericht Kempten zunächst über die JVA Kempten und Frankfurt (Oder) in die JVA Cottbus-Dissenchen verlegt worden und hat von hier aus Rechtsanwalt K. mit seiner Verteidigung beauftragt. Dieser hat dann auch zeitnah im Auftrag des Beschuldigten Beschwerde gegen die Bestellung von Rechtsanwalt B. eingelegt und dabei insbesondere auf die unterbliebene Anhörung verwiesen. Eine Kontaktaufnahme des Beschuldigten mit Rechtsanwalt B. ist nach der derzeitigen Aktenlage nicht ersichtlich.

Wichtige Gründe im Sinn des § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO, die der Bestellung des von dem Beschuldigten benannten Wahlverteidigers Rechtsanwalt K. als Pflichtverteidiger entgegenstehen, sind nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund war zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens der Beschwerde des Beschuldigten stattzugeben und unter Aufhebung der Bestellung von Rechtsanwalt B., Rechtsanwalt K. als notwendiger Verteidiger des Beschuldigten zu bestellen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeschuldigten fallen der Landeskasse zur Last, da kein anderer Kostenschuldner hierfür haftet.

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