LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.11.2009 - 15 Sa 1588/09
Fundstelle
openJur 2012, 11875
  • Rkr:

Bewußt falsch abgerechnete Telefonkosten in Höhe von mindestens 123,12 € - Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung (Einzelfallentscheidung)

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 10.06.2009 - 5 Ca 403/09 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

Der am …. 1961 geborene Kläger ist verheiratet und hat zwei Kinder, die am ….. 1984 und …. 1988 geboren sind. Er ist seit dem 1. Januar 1992 bei dem beklagten Landkreis beschäftigt. Seit dem 1. Dezember 2004 wird er als Sachbearbeiter in der Vollstreckung eingesetzt und erhält eine Vergütung in Höhe von monatlich 2.557,-- € brutto.

Als dem Kläger erstmals 1998 ein Diensthandy übergeben wurde, wies ihn der Vorgesetzte darauf hin, dass Privatgespräche zwar erlaubt seien, dies aber nicht übertrieben werden solle. Ab dem 1. Januar 2007 gilt bei dem Beklagten eine neue Dienstvereinbarung (Kopie Bl. 115 ff. d. A.). Danach ist bei Handys die Einrichtung von Mailboxen nicht gestattet. Die Nutzung von anderen Diensten, ausgenommen SMS, ist ebenfalls nicht erlaubt. SMS dürfen nur in notwendigen Einzelfällen verschickt werden und eine private Nutzung der Handys ist nur „in dringenden Fällen“ gestattet. Am 2. Januar 2007 fand eine interne Dienstbesprechung statt, an der der Kläger auch teilnahm. Auf die neue Dienstvereinbarung wurde hingewiesen. Der genaue Inhalt der Besprechung ist zwischen den Parteien streitig.

Die Benutzung des Handys durch den Kläger gestaltete sich zuletzt wie folgt:

MonatGebühren insgesamt nettoAnzahlSMSKosten SMS netto  als privat abgerechnet brutto9/0842,91447,484,5610/0834,23101,702,4911/0878,2825343,011,2712/08114,6646078,200,821/09109,3244775,993,322/0949,7010017,00    Die Abrechnung der Handy-Kosten, soweit sie privat verursacht wurden, erfolgt bei dem Beklagten in der Weise, dass den einzelnen Beschäftigten die Einzelnachweise der Verbindungsübersichten überlassen werden und diese dann die Privatkosten ausrechnen müssen. Erstmals für den Monat Januar 2009 erhielt der Kläger zusätzlich das Deckblatt der Rechnung (Bl. 136 d. A.). Aus diesem war ersichtlich, dass 447 SMS zum Nettopreis von 75,99 € zu vergüten waren. Darüber hinaus waren 4 MMS zu einem Nettopreis von 1,31 € aufgeführt. Ein Einzelnachweis über die SMS-Verbindungen erhielt der Kläger nie. Der Kläger fragte die Sekretärin, Frau G., wie die Gebühren zu berechnen seien, da nunmehr auch SMS-Gespräche aufgeführt seien. Die Sekretärin verwies ihn auf den Hinweis auf dem Informationsblatt, wonach diese Übersicht keine Zahlungsaufforderung sei, sondern ausschließlich der Information diene. Er solle wie immer abrechnen. Daraufhin übergab der Kläger seine Abrechnung. In dem Kästchen „Summe der privaten Gesprächs- und SMS-Kosten“ hatte der Kläger 2,79 € eingetragen. Der Kläger erkundigte sich einen Tag später auch bei Herrn B., dem Leiter der T.V, wegen des zusätzlich übergebenen Informationsblattes. Dieser entgegnete, dass auch die privaten SMS abzurechnen seien.

Am 25. Februar 2009 fand ein erstes Personalgespräch mit dem Kläger statt. Der Kläger räumte ein, über die hohe Anzahl der SMS selbst erschrocken gewesen zu sein. Er sei bisher von einer Flatrate ausgegangen. Wegen der überwiegend jugendlichen Schuldner habe er auch SMS versendet.

Nachdem der Beklagte am 3. März 2009 erstmals eine Verbindungsübersicht hinsichtlich der einzelnen SMS erhalten hatte, wobei die Zielrufnummer hinsichtlich der letzten drei Ziffern geschwärzt war, fand ein weiteres Personalgespräch statt. Der Beklagte verwies darauf, dass der allergrößte Anteil der SMS-Sendungen wohl nur an eine Zielnummer geschickt worden sei. Der Kläger erklärte erneut, dass dies bis auf Ausnahmen dienstlich veranlasst sei. Es habe mit der Schuldnerfamilie V. Probleme gegeben. Den MMS-Dienst habe er zum Abruf der Handy-Rechnung benutzt. Der Beklagte verwies auch darauf, dass die vollständigen Zielnummern erfragt werden sollten. Am 6. März 2009 ersuchte der Kläger von sich aus um ein Gespräch, dessen Inhalt zwischen den Parteien streitig ist.

Am 10. März 2009 wurde erstmals ein Personalverantwortlicher des Beklagten über den Vorfall informiert. Im weiteren Personalgespräch vom 12. März 2009 teilte der Kläger u. a. mit, er sei von Frau V. unter Druck gesetzt und angemacht worden.

Unter dem 19. Oktober 2008 war dem Kläger ein Vollstreckungsauftrag gegen den Ehemann O. V. erteilt worden (Bl. 185 d. A.). Dieser wurde durch Barkassierung am 21. November 2008 beendet. Der nächste laufende Vollstreckungsantrag gegen die Tochter des Ehepaares V. datiert von 22. Januar 2009 und wurde durch Zahlung am 16. April 2009 abgeschlossen. Gegen den Ehemann wurde sodann unter dem 18. Februar 2009 erneut ein Vollstreckungsauftrag erteilt, der sich durch Einzahlung am 2. März 2009 erledigte (Kopie Bl. 184 d. A.).

Mit Schreiben vom 17. März 2009 (Kopie Bl. 203 f. d. A.) wurde der Personalrat des Beklagten zu der beabsichtigten Kündigung des Klägers angehört. Beigefügt waren auch die Unterlagen, die im hiesigen Rechtsstreit zum Gütetermin eingereicht worden waren (Kopie Bl. 16 ff. d. A.). Der Personalrat stimmte am selben Tag der Maßnahme zu.

Am 18. März 2009 erhielt der Kläger die Kündigung vom gleichen Tag. Hiergegen richtet sich die am 23. März 2009 beim Arbeitsgericht Neuruppin eingegangene Kündigungsschutzklage. Der Kläger behauptet, bei der Besprechung am 2. Januar 2007 sei lediglich am Rande die neue Dienstanweisung angesprochen worden. Er habe mit seiner Unterschrift nur die Teilnahme bestätigt. Bis zum Erhalt der Telefonrechnung für Januar 2009 habe er angenommen, dass eine Flatrate für SMS bestünde. Zu keinem Zeitpunkt habe er eingeräumt, zu ca. 50 % Privat-SMS verschickt zu haben. Er habe immer nur angeboten, 50 % der auf die SMS entfallenen Kosten zu tragen. Die Versendung der SMS und MMS sei überwiegend dienstlich veranlasst gewesen. Wegen der vielen jugendlichen Schuldner habe er sein Handy auch außerhalb der Dienstzeit angelassen. Da er nie einen Einzelnachweis hinsichtlich der SMS-Verbindungen erhalten habe, hätte er den Privatanteil nicht überprüfen können.

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 18.03.2009 nicht aufgelöst worden ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat behauptet, in der Dienstbesprechung am 2. Januar 2007 sei die neue Dienstvereinbarung insbesondere auch hinsichtlich des § 8 besprochen worden. Der Kläger habe das entsprechende Protokoll unterzeichnet. Im Gespräch am 6. März 2009 habe der Kläger eingeräumt, die SMS überwiegend privat versandt zu haben. Gehe man davon aus, dass mindestens 50 % der SMS privat veranlasst gewesen waren, betrage der Schaden im Zeitraum November 2008 bis Februar 2009 123,12 €. Das Vertrauen sei erheblich gestört, da der Kläger bewusst gelogen habe.

Mit Urteil vom 10. Juni 2009 hat das Arbeitsgericht Neuruppin die Klage abgewiesen. Die außerordentliche Kündigung sei berechtigt, da der Kläger die privat veranlassten Kosten für MMS, Internet und Televoting (insgesamt 20,26 €) nicht abgerechnet habe. Darüber hinaus habe er die SMS überwiegend privat versandt. Dies ergebe sich schon daraus, dass zu früheren Zeiten viel weniger SMS durch ihn verschickt worden seien. Die Behauptung des Klägers, dies sei alles dienstlich geschehen, sei wenig glaubhaft angesichts der exorbitant hohen Zahl der verschickten SMS. Dies könne auch nicht mit den teilweise laufenden Vollstreckungsaufträgen begründet werden. Der Kläger habe über ein allgemeines Bestreiten hinaus nicht substantiiert vorgetragen, inwiefern der SMS-Versand dienstlich veranlasst gewesen sei.

Dieses Urteil ist dem Kläger am 7. Juli 2009 zugestellt worden. Hiergegen richtet sich die am 29. Juli 2009 eingegangene und am 27. August 2009 begründete Berufung.

Kläger behauptet weiterhin, die SMS überwiegend dienstlich veranlasst versendet zu haben. Gegen die Familie V. hätten vier Vollstreckungsaufträge vorgelegen. Der Beklagte habe die Zweiwochenfrist für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nicht eingehalten. Spätestens am 25. Februar 2009 sei für den Beklagten klar gewesen, dass die SMS-Kosten nicht abgerechnet worden seien. Statt einer Kündigung wäre eine Abmahnung ausreichend gewesen, zumal andere Arbeitnehmer bei arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen nicht mit einer Kündigung bedacht worden seien. Die Personalratsbeteiligung sei mangelhaft, da diesem die Tatsachen für die Interessenabwägung nicht mitgeteilt worden seien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 10.06.2009 - 5 Ca 403/09 - abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 18.03.2009 und hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 18.03.2009 nicht aufgelöst worden ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Ansicht des Beklagten habe der Kläger bis heute keinerlei nachvollziehbare Erklärung dazu vorgebracht, warum er so viele SMS versandt habe. Dies sei schon deswegen notwendig, weil der Kläger allein an den Weihnachtsfeiertagen und am freien Arbeitstag des 2. Januar 2009 49 SMS verschickt und weitere 142 SMS außerhalb der Dienstzeit versandt habe.

Gründe

Die Berufung hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Neuruppin festgestellt, dass die außerordentliche Kündigung vom 18. März 2009 wirksam ist.

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingereicht und begründet worden.

II.

Die Berufung ist nicht begründet. Die außerordentliche Kündigung vom 18. März 2009 ist wirksam.

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Darüber hinaus kann die Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt erfolgen, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein erwiesener Spesenbetrug einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung nach § 626 BGB bilden. Der Arbeitnehmer habe die angefallenen Spesen grundsätzlich korrekt abzurechnen. Unkorrektheiten berechtigen regelmäßig zu einer fristlosen Kündigung und dies gelte auch dann, wenn es sich um einen einmaligen Vorfall und um einen geringen Betrag handele (BAG vom 06.09.2007 - 2 AZR 264/06 - NZA 2008, 636 Rn. 23). Durch umfangreiche und nicht abgerechnete Privatgespräche verletze der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten und die Vermögensinteressen des Arbeitgebers erheblich, was ebenfalls Grund für eine außerordentliche Kündigung sein könne (BAG vom 05.12.2002 - 2 AZR 478/01 - DB 2003, 1685).

Der Rechtsprechung des BAG ist zu folgen, wobei hier offen bleiben kann, ob auch schon eine falsche Abrechnung durch den Arbeitnehmer mit einem geringfügigen Betrag eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann (kritisch Klueß NZA 2009, 337 m. w. N.). Das Vertrauen in die Redlichkeit des Klägers ist hier deswegen endgültig zerstört, weil der Kläger in hohem Maße das dienstlich gestellte Handy privat genutzt hat, er spätestens ab Übergabe der Telefonrechnung für Januar 2009 einschließlich des Deckblattes aber annähernd genau wusste, welche Kosten er hierdurch verursachte. Trotz dieser Kenntnis hat der Kläger wiederholt versucht, das Ausmaß der privat veranlassten Kosten unter Hinweis auf angebliche dienstliche Interessen zu seinen Gunsten zu verschleiern oder kleinzurechnen. Er hat auch nur einen Bruchteil der Kosten abgerechnet.

2.1 Es ist davon auszugehen, dass der Kläger das dienstliche Handy in ungewöhnlich hohem Maße privat genutzt hat.

Dies betrifft zum einen die Teilnahme am Televoting, Internetdiensten und MMS. Der Kläger behauptet hier einen dienstlichen Anlass auch nicht. Die hierdurch verursachten Kosten belaufen sich nach Berechnung des Arbeitsgerichts auf 20,26 €.

Ausschlaggebend ist jedoch der SMS-Versand. Die Kammer geht hier davon aus, dass bis auf zu vernachlässigende geringe Anteile alle SMS, die an den Anschluss von Frau B. V. gesendet wurden, privater Natur waren.

Der Kläger hat jedoch durchgängig behauptet, auch diese Handlungen seien dienstlich veranlasst gewesen. Er hat dies inhaltlich nicht näher ausgeführt, pauschal aber auf das Vorliegen von vier Vollstreckungsaufträgen gegen die Familie V. verwiesen. Auch in der mündlichen Berufungsverhandlung hat der Kläger dies beteuert.

Diese Darlegungen stellen einen Rechtfertigungsgrund dar. Derartige Rechtfertigungsgründe müssen grundsätzlich vom Kündigenden widerlegt werden. Hierbei muss jedoch eine Überforderung der mit der Darlegungs- und Beweislast belasteten Partei im Rahmen der konkreten Beweisführungslast vermieden werden. Der Arbeitgeber braucht nicht von vornherein alle nur erdenkbaren Rechtfertigungsgründe des Arbeitnehmers zu widerlegen, der Umfang der konkreten Darlegungs- und Beweisführungslast richtet sich vielmehr danach, wie substanziiert sich der gekündigte Arbeitnehmer auf die Kündigungsgründe einlässt (BAG vom 06.08.1987 - 2 AZR 226/87 - NJW 1988, 438, zitiert nach juris Rn. 22).

Auch bei Berücksichtigung der Darlegungs- und Beweislast ist vorliegend davon auszugehen, dass das Vorbringen des Klägers eine Schutzbehauptung darstellt. Schon in Verbindung mit dem unstreitigen Sachverhalt ergibt sich, dass dies nicht zutreffend sein kann.

Zwar lagen teilweise in dem hier fraglichen Zeitraum Vollstreckungsaufträge gegen die Familie V. vor. Der Vollstreckungsauftrag gegen den Ehemann war am 21. November 2008 abgeschlossen worden. Der nächste Vollstreckungsauftrag gegen die Tochter datiert von 22. Januar 2009. Schon in der Berufungsverhandlung ist dem Kläger entgegengehalten worden, dass jedenfalls zwischen dem 22. November 2008 und dem 21. Januar 2009 eine erhebliche Zahl von SMS durch ihn verschickt wurden, die in keinem Zusammenhang mit dem Vollstreckungsaufträgen stehen können. Bei Auswertung der Anlage K4 sind allein in diesem Zeitraum 927 SMS an Frau B. V. verschickt worden. Hierdurch wurden Kosten einschließlich der Mehrwertsteuer in Höhe von 187,53 € verursacht. Dienstliche Anhaltspunkte in diesem Zeitraum sind nicht ersichtlich. Der Kläger benennt auch auf mehrfache Nachfrage bis heute keinerlei Beispiele, warum hier ein dienstlicher Grund vorliegen soll. Gerade weil die Beklagte unter Vorlage der Kopien der Vollstreckungsaufträge im Einzelnen genau dargelegt hatte, dass ein dienstlicher Anlass nicht angenommen werden kann, hätte der Kläger hierzu nähere Ausführungen machen müssen. Hierauf hat auch das Arbeitsgericht in seiner Entscheidung hingewiesen. Zu Recht hat es auch angenommen, dass allein schon wegen der Masse der SMS an Frau V. nicht angenommen werden könne, dass eine dienstliche Veranlassung vorliege. Unterstrichen wird dies dadurch, dass der Kläger nicht nur für die Familie V. zuständig war und er in diesem engen Zeitraum von zwei Monaten gerade mal 41 SMS an andere Anschlüsse verschickte, wobei zu seinen Gunsten angenommen werden soll, dass wenigstens diese SMS ausschließlich aus dienstlichen Gründen erfolgten. Dies waren jedoch nicht einmal 5 % aller verschickten SMS.

Doch wenn man auch die davor und danach liegende Zeit mitberücksichtigt, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Ab dem 17. November 2008 hat der Kläger erstmals mehrmals am Tag SMS an Frau V. geschickt. All dies endete am 20. Februar 2009, also dem Tag, an dem der Kläger die Januar-Abrechnung bei dem Beklagten abgab und ihm spätestens jetzt aufgefallen war, in welchem Umfang er Kosten durch den SMS-Versand verursacht hatte. Im Zeitraum vom 17.11.2008 bis 20.02.2009 versandte der Kläger insgesamt 1175 SMS an Frau V., davon allein 80 % in der Zeit, in der keinerlei Vollstreckungsaufträge vorlagen, die also privat veranlasst waren. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass bzgl. der übrigen 248 SMS an Frau V. in einem relevanten Umfang von einem dienstlichen Anlass ausgegangen werden müsse. Der Kläger trägt auch hier keinerlei Notwendigkeit im Einzelfall vor, warum der Versand einer SMS notwendig gewesen sein soll. Er räumt vielmehr auch in dem Personalgespräch am 17. März 2009 ein, dass Frau V. versucht habe, ihn „anzumachen“ (Kopie Bl. 182 d. A.). Es ist vielmehr offensichtlich, dass der Kläger sich hierauf eingelassen hat, wobei manchmal innerhalb einer Stunde ca. 30 SMS hin und her gewechselt wurden. Ein derartiger SMS-Verkehr ist weder in der Anzahl noch in der Intensität mit irgendeiner anderen Teilnehmernummer zustande gekommen.

2.2 Der Kläger wusste spätestens mit Aushändigung der Handy-Rechnung für Januar 2009, dass auch in diesem Monat in hohem Umfang Kosten wegen privater SMS-Verschickungen verursacht hatte.

Hierbei soll zu Gunsten des Klägers unterstellt werden, dass er keinerlei nähere Kenntnis von der Dienstvereinbarung hatte, die ab Januar 2007 in Kraft war. Auch soll davon ausgegangen werden, dass bei der Dienstbesprechung am 2. Januar 2007 nur am Rande die Handy-Nutzung besprochen wurde, so dass kein bleibender Eindruck hinterblieb. Unabhängig hiervon dürfte auch glaubhaft sein, dass der Kläger von einer Flatrate für die Handy-Benutzung ausgegangen war, denn ihm waren immer nur Einzelverbindungsnachweise für die Telefongespräche übergeben worden. Für die Inanspruchnahme der SMS-Dienste lagen ihm derartige Einzelverbindungsnachweise gerade nicht vor. Da auch das Deckblatt der Telefonrechnung bis zu diesem Zeitpunkt nicht mit überreicht wurde, konnte auch hieraus die Kostenverursachung nicht abgelesen werden.

Aus dem Deckblatt für die Januar-Abrechnung (Kopie Bl. 136 d. A.) konnte und hat der Kläger die Kostenverursachung ersehen, da dort 447 SMS aufgeführt waren, die Nettokosten in Höhe von 75,99 € verursacht hatten. Auch in der Gesprächsnotiz über das Personalgespräch am 17. März 2009 wird vermerkt, dass der Kläger bei Übergabe der Rechnung für Januar erschrocken gewesen sei, da er bis dahin immer gedacht habe, der Beklagte hätte eine Flatrate (Kopie Bl. 181 d. A.). Gerade weil die übrigen SMS nicht einmal einen Anteil von 5 % ausmachten, musste dem Kläger selbst bei einer großzügigen Schätzung zu seinen Gunsten klar sein, dass der weit überwiegende Anteil der SMS-Kosten auf die permanente Kontaktaufnahme mit Frau V. zurückzuführen war.

2.3 Der Kläger hat wiederholt versucht, das Ausmaß der von ihm zu tragenden Kosten zu verschleiern.

Für ihn gab es keinerlei Anlass für die Annahme, dass die privat verursachten Kosten der Beklagte zu tragen habe. Schon bei der erstmaligen Übergabe eines Handys im Jahre 1998 war er darauf hingewiesen worden, dass die private Nutzung zwar erlaubt, aber nicht übertrieben werden dürfe. Wenn aber, wie am Beispiel der Januar-Rechnung 2009, ersichtlich ist, dass ¾ der Kosten privat verursacht wurden, wird dieser Maßstab mehr als deutlich überschritten.

Der Kläger kann sich auch nicht auf die Äußerung der Sekretärin Frau G. zurückziehen. Es ist schon zweifelhaft, warum diese eine kompetente Auskunftsperson gewesen sein soll. Im Übrigen hatte sie nur das geäußert, was offensichtlich war. Sie verwies nur erneut auf den Vordruck der Firma V., wonach diese Übersicht keine Zahlungsaufforderung sei, sondern nur der Information diene. Dies war keine Äußerung des Beklagten. Wenn sie weiterhin den Hinweis gab, er solle abrechnen wie immer, so war auch dies zutreffend. Laut dem vom Beklagten aufgedruckten Stempel sollte der Kläger die „Summe der privaten Gesprächs- und SMS-Kosten“ angeben. Es mag sein, dass der Kläger sich in früheren Zeiten zu einer ehrlichen Angabe nicht in der Lage sah. Mit Überreichung des Deckblattes war er jedoch über die SMS-Kosten informiert worden. Ihm standen als ehrlicher Arbeitnehmer nunmehr zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Entweder er schätzte die privat veranlassten SMS-Kosten oder er hätte seinen Angaben hinzufügen können, dass eine genaue Kostenangabe seiner Ansicht nach nicht möglich sei, weil er den Einzelverbindungsnachweis bezogen auf die 447 SMS benötige. Keinen dieser beiden Alternativen ergriff der Kläger. Er begnügte sich vielmehr damit, 3,32 € erstatten zu wollen. Jedenfalls hätte er seinen Anteil der zu tragenden Kosten nicht in einem Maß nach unten schönen dürfen, der mit der realen Kostensituation nichts mehr zu tun hatte.

Der Kläger hat mindestens in den Personalgesprächen bis zum 15. März 2009 versucht, die von ihm abgerechneten Kosten als zutreffend darzustellen. Im Personalgespräch vom 25. Februar 2009 hat er auf die zahlreichen jugendlichen Schuldner verwiesen, mit denen er kommunizieren müsse. Nachdem dann am 3. März 2009 die Beklagte erstmals über die Einzelverbindungsnachweise für Januar 2009 bzgl. des SMS-Versandes verfügte, räumte der Kläger ein, im wesentlichen mit dem Anschluss von Frau V. Nachrichten ausgetauscht zu haben. Er verwies auf Vollstreckungsprobleme mit der Familie und erklärte erneut, dass bis auf Ausnahmen alle SMS dienstlich veranlasst seien. Dies war jedoch nicht zutreffend.

Soweit nach den Beklagtenangaben am 6. März 2009 und im Gespräch am 17. März 2009 der Kläger eingeräumt haben soll, bis zu 50 % Privat-SMS verschickt zu haben, liegt auch das noch weit hinter der realen und für den Kläger erkennbaren Situation zurück. Gerade auch wegen dieses unredlichen Verhaltens des Klägers, der allenfalls häppchenweise das zugibt, was ihm gegenüber gerade nachweisbar ist, kann nicht angenommen werden, dass das zerstörte Vertrauen in die Redlichkeit des Klägers wieder herstellbar ist.

2.4 Auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ergibt die Interessenabwägung, dass die fristlose Kündigung wirksam ist.

Zu Gunsten des Klägers ist zu berücksichtigen, dass der Kläger seit Januar 1992 bei dem Beklagten beanstandungsfrei gearbeitet hatte. Auch die übrigen Sozialdaten sprechen für den Kläger. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass nur ein einmaliger Vorfall hinsichtlich der Telefonkosten vorliegt, der Kläger im Übrigen aber auch als Vollstreckungsbeauftragter die vereinnahmten Gelder jederzeit korrekt abgerechnet hat.

Zu Lasten des Klägers wirkt sich aber aus, dass der Kläger versucht hat, privat veranlasste Telefonkosten gegenüber dem Beklagten in einem Umfang zu verheimlichen, was nicht mehr als Bagatelldelikt gewertet werden kann. Der Beklagte geht insofern von einem Schaden in Höhe von mindestens 123,12 € aus, wobei zu Gunsten des Klägers von ihm angenommen wird, dass jedenfalls nur 50 % der verschickten SMS privat veranlasst waren. Schon allein bei diesem Betrag muss im Gegensatz zu einem Bagatellbetrag von einem erhöhten Unrechtsbewusstsein des Klägers ausgegangen werden. Auch die verwaltungsrechtliche Rechtsprechung zu Disziplinarstrafen bei Beamten nimmt nur bis zu einem Betrag von 50,-- € an, dass prinzipiell ein Milderungsgrund vorhanden ist, so dass das gestörte Vertrauensverhältnis angesichts des verminderten Unrechtsbewusstseins auf Seiten des Beamten jedenfalls noch widerherstellbar sein soll (vgl. Klueß NZA 2009, 337 m. w. N.). Hier ist dieser Betrag deutlich überschritten. Tatsächlich dürfte er weitaus höher liegen als vom Beklagten angenommen. Allein in der Zeit vom 22. November 2008 bis 20. Januar 2009, in dem keinerlei Zwangsvollstreckungsaufträge hinsichtlich der Familie V. vorlagen, haben die 927 verschickten SMS Kosten in Höhe von 187,53 € verursacht. Angesichts dieses Schadensbetrages und des fortgesetzten Versuches des Klägers, diesen möglichst klein zu rechnen, kann von einem widerherstellbaren Vertrauensverhältnis auch unter Berücksichtigung der langen beanstandungsfreien Beschäftigungszeit des Klägers und dessen Sozialdaten nicht ausgegangen werden.

2.5 Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers war auch nicht erforderlich, dass ihm gegenüber zuvor eine Abmahnung ausgesprochen wird.

Das Bundesarbeitsgericht leitet bei verhaltensbedingten Kündigungen aus dem so genannten Prognoseprinzip ab, dass zuvor regelmäßig eine Abmahnung erforderlich ist. Sie ist jedoch dann entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann oder es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und die Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG vom 12.01.2006 - 2 AZR 179/05 - NZA 2006, 980 Rn. 56).

Hier handelt es sich um eine schwere Pflichtverletzung, nämlich um ein Vermögensdelikt zu Lasten des Arbeitgebers. Die Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber war auch offensichtlich ausgeschlossen. Jedenfalls bei Vermögensdelikten in dieser Schadenshöhe kann einem Arbeitgeber nicht zugemutet werden, im Rahmen einer Abmahnung nochmals zu überprüfen, ob der Arbeitnehmer sich wenigstens künftig gegenüber den Vermögensinteressen des Arbeitgebers redlich verhalten will.

Soweit der Kläger auf das Verhalten des Beklagten gegenüber anderen Arbeitnehmern verwiesen hat, rechtfertigt dies auch kein anderes Ergebnis. Der Beklagte hat insofern vorgetragen, was hierfür jedenfalls im Einzelnen Ursache war. Ein Vergleich mit der Betrugshandlung des Klägers ist nicht möglich. Es ist etwas anderes, Telefonkosten unkorrekt abzurechnen oder Arbeitszeiten organisatorisch unrichtig vermerkt zu haben oder aber alkoholkrank zu sein. Der Kläger hat sich hier gerade nicht von sich aus offenbart, sondern allenfalls unter dem Druck der Fakten eingeräumt, ca. 50 % der SMS-Kosten privat veranlasst zu haben.

2.6 Die zweiwöchige Ausschlussfrist nach § 626 Abs. 2 BGB ist ebenfalls eingehalten.

Die Frist läuft ab Kenntnis des Kündigungsberechtigten. Erst nach Ablauf von Ermittlungen, die nicht hinausgezögert werden dürfen, beginnt die Frist zu laufen (BAG 5.12.2002 – 2 AZR 478/01DB 2003, 1685 Rn 36).

Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers war die Frist noch nicht mit dem ersten Personalgespräch am 25.2.2009 in Gang gesetzt worden. Dies ergibt sich schon daraus, dass noch weitere Ermittlungen notwendig waren. Der Kläger hatte immerhin behauptet, die Versendung der zahlreichen SMS sei auf die vielen jugendlichen Schuldner zurückzuführen. Nachdem der Beklagte am 3.3.2009 die SMS-Verbindungsübersicht (allerdings unter Schwärzung der letzten 3 Ziffern) erhalten hatte, wurde der Kläger zeitnah hierzu am 5.3.2009 befragt. Allenfalls dann, spätestens jedoch mit Informierung eines Kündigungsberechtigten am 10.3.2009 setzte der Fristbeginn ein. Damit war die Kündigung am 18.3.2009 rechtzeitig.

3. Die Wirksamkeit der Kündigung scheitert auch nicht an der mangelhaften Informierung des Personalrates. Auch insofern hat das Arbeitsgericht Neuruppin zu Recht angenommen, dass dieser ausreichend unterrichtet war. Dem Personalrat lag u. a. das umfangreiche Schreiben „Prüfung der Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung“ vom 16.03.2009 (Bl. 16 ff. d. A.) vor. Darin waren auch die Sozialdaten des Klägers und die hier relevanten Tatsachen dargestellt. Dem Personalrat lagen ferner die Protokolle der Personalgespräche und auch die Verbindungsübersichten hinsichtlich des SMS-Versandes einschließlich der Zielnummern, wenn auch bzgl. der letzten drei Ziffern geschwärzt, vor. Damit verfügte er über alle Informationen, um den hiesigen Kündigungssachverhalt umfassend einschätzen zu können.

Das Beteiligungsverfahren war am 17. März 2009 auch abgeschlossen, da der Personalrat seine Zustimmung erteilt hatte.

III.

Der Kläger hat als unterlegene Partei die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die sich hinsichtlich der tragenden Gründe an der Rechtsprechung des BAG orientiert. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.