OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.12.2008 - OVG 90 H 4.07
Fundstelle
openJur 2012, 9954
  • Rkr:

1. Dem Branchenfernsprechbuch „Gelbe Seiten“ kommt in der gegenwärtigen Gestaltung kein Erklärungswert dahingehend zu, dass ein Arzt, der sich unter einer nach einer Bezeichnung in der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer benannten Rubrik eintragen lässt, übe die entsprechende formale weiterbildungsrechtliche Qualifikation verfügt. 2. Die Verwendung der Formulierung „Plastisch-Ästhetische Operationen“ begründet keine Verwechslungsgefahr mit der in der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Berlin geregelten Zusatzbezeichnung „Plastische Operationen“, soweit eindeutig erkennbar ist, dass es sich nicht um die Angabe einer formalen Qualifikation, sondern um eine bloße Tätigkeitsbeschreibung handelt.

Tenor

Auf die Berufung des Beschuldigten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin, Kammer für Heilberufe, vom 4. September 2007 geändert.

Gegen den Beschuldigten wird eine Geldbuße in Höhe von 1 500,-Euro verhängt.

Der Beschuldigte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand

Der im Jahre 1967 geborene Beschuldigte erhielt im Jahre 1995 die ärztliche Approbation und erwarb im Jahr 2000 das Recht, die Facharztbezeichnung „Chirurg“ zu führen. Er ist in Berlin in eigener Praxis privatärztlich tätig.

In der Ausgabe 2004/2005 des Branchenfernsprechbuchs „Gelbe Seiten“ wurde die ärztliche Tätigkeit des Beschuldigten in der Rubrik „Plastische Chirurgie“ aufgeführt. Der Eintrag enthielt den Namen des Beschuldigten und darunter die Zusätze „Facharzt für Chirurgie“ sowie in einer dritten Zeile - in gleicher Schriftgröße und -type - „Plastisch-Ästhetische Operationen“. Hiervon abgesetzt waren nach Angabe der Anschrift und Telefonnummer in weiteren Zeilen in kleinerer Schriftgröße folgende Tätigkeiten aufgeführt: „Brustvergrößerungen“, Fettabsaugungen in örtlicher Betäubung“, „Face-Lifting“, „Nasenkorrekturen“, „Augenlidoperationen“ und „Bauchstraffungen“. Ein Eintrag des Beschuldigten (ohne weitere Zusätze) fand sich ferner auf der Internet-Seite http://nuernberg.gelbeseiten-regional.de in der Rubrik „Plastische Chirurgie“. Auf der von ihm selbst betriebenen Internet-Seite http://www.d…de befinden sich unter seinem Namen die Zusätze „Facharzt für Chirurgie“ und darunter – in gleicher Schriftgröße und -type - „Ästhetische Operationen“. In der Rubrik „Mitgliedschaft“ wurde in der Fassung vom 9. Januar 2006 u.a. ausgeführt:

„Dr. med. M. ist als Facharzt auf die ästhetische Chirurgie spezialisiert. Er nimmt regelmäßig mehrfach jährlich an Weiterbildungskongressen der unten genannten Vereinigungen teil. Damit liegt er nicht nur weit über den Forderungen der Ärztekammer, sondern ist vor allem zu Ihrem Wohl immer auf dem neuesten Stand.“

Nach Anhörung des Beschuldigten sprach die Ärztekammer mit Bescheid vom 27. September 2006 aufgrund des Beschlusses ihres Vorstandes gegenüber dem Beschuldigten eine Rüge aus, die mit der Auflage verbunden wurde, einen Geldbetrag in Höhe von 3.000 € zwecks Überweisung an eine näher zu bestimmende gemeinnützige Einrichtung zu zahlen. Zur Begründung führte die Ärztekammer aus, der Beschuldigte habe sich dadurch, dass er sich in den Ausgaben 2004/2005, 2005/2006 und 2006/2007 des Branchenfernsprechbuchs „Gelbe Seiten“ unter der Rubrik „Plastische Chirurgie“ habe eintragen lassen, gegen seine Berufspflichten verstoßen, da die Eintragungen dem Leser und potenziellen Patienten den falschen Eindruck vermittelten, er sei zum Führen der Gebietsbezeichnung „Plastische Chirurgie“ (vor dem 13. April 2006) bzw. zum Führen der Gebietsbezeichnung „Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie“ (seit dem 13. April 2006) berechtigt. Ferner seien die Ankündigungen „Ästhetische Operationen“ auf der Homepage des Beschuldigten sowie „Plastisch-Ästhetische Operationen“ in seinen Anzeigen in den Gelben Seiten als berufsrechtswidrig anzusehen, da sie mit den in der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Berlin geregelten Bezeichnungen verwechselt werden könnten, zumal diesen Bezeichnungen nicht der Zusatz „spezielle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden“ voran- oder nachgestellt worden sei und auch kein anderer Zusatz gewählt worden sei, der deutlich mache, dass es sich hierbei nicht um erworbene Qualifikationen handele. Auch die Information auf der Homepage des Beschuldigten, er sei „als Facharzt auf die ästhetische Chirurgie“ spezialisiert, sei als irreführende Werbung anzusehen, da der unrichtige Eindruck vermittelt werde, seine Facharztqualifikation bezöge sich auf ästhetische Chirurgie.

Dem Einspruch des Beschuldigten half die Ärztekammer mit Einspruchsbescheid vom 7. November 2006 teilweise ab, indem sie die Geldauflage auf 2.500 € reduzierte. Sie wiederholte die Argumentation des Rügebescheids, erhielt jedoch den Vorwurf hinsichtlich des Eintrags in den „Gelben Seiten 2006/2007“ mit Rücksicht auf den vor der Änderung der Facharztbezeichnung „Plastische Chirurgie“ in „Plastische und Ästhetische Chirurgie“ gelegenen Redaktionsschluss der Veröffentlichung nicht mehr aufrecht. Insoweit wies die Ärztekammer jedoch darauf hin, dass für die Zukunft von einer Irreführung ausgegangen werde. Auf Antrag des Beschuldigten hat Verwaltungsgericht Berlin, Kammer für Heilberufe, mit Beschluss vom 2. Juli 2007 das berufsgerichtliche Verfahren eröffnet.

Durch Urteil vom 4. September 2007 hat das Verwaltungsgericht gegen den Beschuldigten eine Geldbuße in Höhe von 2.500 € verhängt. Der Beschuldigte habe sich eines Berufsvergehens schuldig gemacht. Soweit sein Verhalten bis zum 4. Juni 2005 in Rede stehe, verstoße es gegen das Verbot berufswidriger Werbung nach § 27 Abs. 1 Satz 3 der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin in der hier noch anwendbaren Fassung vom 31. Juli 1998, zuletzt geändert durch den 2. Nachtrag vom 24. Januar 2001 - BO 2001 -. Das Verhalten des Beschuldigten ab dem 4. Juni 2005 verstoße gegen § 27 Abs. 4 der Berufsordnung vom 31. Mai 2005 - BO 2005 -. Das Vorgehen des Beschuldigten begründe eine Verwechslungsgefahr mit Qualifikationen nach der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer. Diese habe bereits seit Inkrafttreten der Weiterbildungsordnung vom 30. November 1994 - WBO 1994 -und damit auch zur Zeit der Drucklegung der „Gelben Seiten“ 2004/05 und der damaligen Veröffentlichung der Angaben des Beschuldigten in ihrer Internetausgabe die Facharztbezeichnung „Plastische Chirurgie“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 35 WBO 1994) und die Zusatzbezeichnung „Plastische Operationen“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 14 WBO 1994) vorgesehen. Mit Inkrafttreten der Weiterbildungsordnung vom 16. Juni 2004 am 13. April 2006, zuletzt geändert durch den 4. Nachtrag vom 5. Juli 2006 - WBO 2004 -, habe sich die Facharztbezeichnung in „Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie“ geändert. Für die Zusatzbezeichnung sehe die WBO nach wie vor den Begriff „Plastische Operationen“ vor. Beide Bezeichnungen dürften erst nach Abschluss der entsprechenden Weiterbildung geführt werden. Bei der vom Beschuldigten zur näheren Kennzeichnung seiner Tätigkeit im Branchenfernsprechbuch verwandten Umschreibung „Plastisch-ästhetische Operationen“ und der Mitteilung auf der von ihm betriebenen Internetseite, er sei „als Facharzt auf ästhetische Chirurgie spezialisiert“, handele es sich um Beschreibungen, die den in der WBO 1994 vorgesehenen Bezeichnungen so nahe kämen, dass sie eine Verwechslungsgefahr begründeten. Der Beschuldigte habe die entscheidenden Begriffe, nämlich „plastisch“ und „Chirurgie“ verwandt, und seine Ankündigungen wichen nur unwesentlich von den in der WBO 1994 vorgesehenen Bezeichnungen ab. Hinweise darauf, dass es sich um Tätigkeitsschwerpunkte und nicht um erworbene formale Qualifikationen handelt, enthielten die Ankündigungen ebenfalls nicht. Die auf der Internetseite verwandte Formulierung rücke im Gegenteil auch seine Facharztbezeichnung in die Nähe der in den Weiterbildungsordnungen vorgesehenen Qualifikationen, insbesondere des einschlägigen Facharzttitels.

Auch die Eintragung in Rubriken des Branchenfernsprechbuches, die nach weiterbildungsrechtlich normierten Bezeichnungen benannt seien, begründe eine Verwechselungsgefahr, weil hierdurch der Eindruck erweckt werde, der betreffende Arzt sei im Besitz der (formalen) Qualifikation, nach der die jeweilige Rubrik benannt sei. Zwar sei dem Beschuldigten zuzugeben, dass mit der Vervielfachung der Facharzt und Zusatzbezeichnungen durchschnittliche Patienten kaum noch überblicken könnten, welcher Arzt welche formale Qualifikation innehabe und wo die Grenze zwischen nach der Weiterbildungsordnung erworbenen Qualifikationen und anderen Spezialisierungen verlaufe. Dies führe jedoch nicht dazu, dass es auf diese nicht mehr ankomme, sondern begründe im Gegenteil ein erhöhtes Bedürfnis dafür, die entsprechenden Unterscheidungen deutlich zu machen. Der gebotenen Abgrenzung wohne auch keine Diskriminierung nicht formal qualifizierter Spezialisten inne. Dass der unterbliebene Erwerb einer bestimmten formalen Qualifikation nach der Weiterbildungsordnung nicht notwendig darauf hindeute, dass der betreffende Arzt tatsächlich über eine geringere Qualifikation in seinem Tätigkeitsfeld verfügt, sei allgemein bekannt. Zweck der Abgrenzung sei es vielmehr, für das Publikum erkennbar zwischen Ärzten, bei denen aufgrund ihrer formalen Qualifikation von einem gewissen Mindeststandard ihrer Kenntnisse ausgegangen werden kann, und solchen, bei denen zwar hervorragende Kenntnisse vorhanden sein könnten, ein solcher „kammergeprüfter“ Mindeststandard aber nicht generell unterstellt werden könne, zu unterscheiden. Soweit der Kläger ausführe, den Rubriken der „Gelben Seiten“ komme ein entsprechender Erklärungsgehalt nicht zu, treffe dies nicht zu, weil die Rubriken der Gelben Seiten sich jedenfalls seit der Ausgabe 2004/05 mit den Bezeichnungen nach der Weiterbildungsordnung deckten, so dass eine entsprechende Erwartungshaltung gerechtfertigt sei. Seit diesem Zeitpunkt sei der Auflistung der Ärzte auch eine Übersicht der im Branchenfernsprechbuch für diese verwandten Rubriken vorangestellt. Unter der Überschrift „Ärzte/innen“ seien ausschließlich Bezeichnungen aufgelistet, die in der zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses der Gelben Seiten geltenden Fassung der Weiterbildungsordnung als Gebiets-, Schwerpunkt- oder Zusatzbezeichnung vorgesehen seien, während unter der Überschrift „Ärzte/innen: Tätigkeitsschwerpunkte, Untersuchungs- und Behandlungsmethoden“ weitere Spezialisierungen oder Behandlungsangebote verzeichnet seien.

Dem Kläger werde die Darstellung seiner Tätigkeit auch nicht unzumutbar erschwert, weil er neben seiner Facharztbezeichnung mit der Voranstellung der Kennzeichnung „Tätigkeitsschwerpunkt“ deutlich machen könne, auf welchen Bereich der Chirurgie er sich spezialisiert habe. Im Übrigen überwiege das durch das Gemeinwohl legitimierte Interesse an einer Unterscheidung zwischen nach den Vorgaben der Ärztekammer formal qualifizierten Spezialisten und solchen, die nicht über einen entsprechenden Nachweis verfügten, das Interesse des Beschuldigten an einer möglichst werbewirksamen Platzierung seiner Praxisankündigung.

Der Beschuldigte habe auch schuldhaft gehandelt. Er sei für die auf seine Initiative hin zustande gekommenen Einträge und Veröffentlichungen verantwortlich. Bei der Bestimmung der Art der zu verhängenden berufsrechtlichen Maßnahme sei einerseits zu berücksichtigen, dass die Pflichtverletzung selbst mit Rücksicht auf die für den Beschuldigten und andere Spezialisten bestehende Schwierigkeit, ihr legitimes Interesse an der Darstellung ihrer tatsächlichen Tätigkeit mit den Anforderungen des Berufsrechts in Übereinstimmung zu bringen, und mit Rücksicht darauf, dass hinsichtlich der Zulässigkeit mit werbender Selbstdarstellung der Ärzte eine gewisse Rechtsunsicherheit herrsche, nicht allzu schwer. Einzustellen sei jedoch auch die Hartnäckigkeit des Verhaltens des Beschuldigten, der in der aktuellen Ausgabe der „Gelben Seiten“ allein in der Rubrik „Ärzte: Plastische und Ästhetische Chirurgie“ verzeichnet sei, und dessen weitere Angaben in den Gelben Seiten seit Einleitung des berufsrechtlichen Verfahrens jedenfalls unverändert geblieben seien. Eigenständiges Gewicht komme ferner der irreführenden Bezeichnung auf den vom Beschuldigten eingestellten Internetseiten zu. Vor diesem Hintergrund sei allein die Verhängung einer Geldbuße in Betracht gekommen, deren Höhe am unteren Rand des Möglichen festgesetzt worden sei.

Gegen das dem Beschuldigten am 13. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat der Verteidiger des Beschuldigten am 13. November 2007 Berufung eingelegt. Er macht geltend, dass die Eintragung in den Gelben Seiten entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht der Systematik der Facharztbezeichnung nach der Weiterbildungsordnung folge. Während die Facharztbezeichnung der plastischen Chirurgie von „Facharzt für plastische Chirurgie“ im Jahre 2004 in „Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie“ geändert worden sei, heiße es in den Gelben Seiten „Plastische Chirurgie“. Zudem befänden sich unter der Rubrik „Plastische Chirurgie“ nicht nur Fachärzte für plastische Chirurgie, sondern Hals-Nasen-Ohren-Ärzte, Fachärzte für Chirurgie, Ärzte für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und Ärzte ohne Facharztbezeichnung. Die Gefahr einer Verwechslung der von dem Beschuldigten verwendeten Bezeichnungen mit den in der WBO 1994 vorgesehenen Bezeichnungen bestehe nicht, da die Begriffe der Fachgebietsbezeichnung „plastische“ und „Chirurgie“ nicht gemeinsam verwendet würden. Der Beschuldigte sei auf „Ästhetische Operationen“ spezialisiert. Im Rahmen der Facharztbezeichnung Chirurgie suchten Patienten üblicherweise Unfallchirurgie, Verletzungen und im niedergelassenen Bereich kleinere chirurgische Eingriffe. Hiermit assoziiere der Verbraucher und Patient aber nicht „Ästhetische Operationen“. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müsse für interessengerechte und sachangemessene Informationen, die keinen Irrtum erregten, im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr Raum bleiben. Der auf ästhetische Operationen spezialisierte Beschuldigte habe keine adäquate Darstellungsmöglichkeit, wenn er sich nicht in der Rubrik „Plastische Chirurgie“ eintragen könne. Soweit die Ärztekammer auf einen irreführenden Eindruck für den Verbraucher abstelle, sei das Verständnis des durchschnittlich informierten, verständigen und entsprechend aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers maßgebend. Dieser sei in der Lage, den Begriff „Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie“ von „Facharzt für Chirurgie“ und „Plastisch-Ästhetische Operationen“ zu unterscheiden. Eine Verwechslungsfähigkeit mit dem Begriff aus der Weiterbildungsordnung sei nicht gegeben. Die Auswahlmöglichkeiten der Begrifflichkeiten in diesem Bereich seien sehr begrenzt. Es gebe keine anderen zutreffenden Bezeichnungen, mit denen der Beschuldigte seine Leistungen adäquat darstellen könne.

Der Beschuldigte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin, Kammer für Heilberufe, vom 4. September 2007 aufzuheben und ihn freizusprechen.

Die Einleitungsbehörde beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor: Da die Facharztbezeichnung „Plastische und Ästhetische Chirurgie“ erst im Rahmen der Änderung der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Berlin am 13. April 2006 eingeführt worden sei, habe die Ausgabe der Gelben Seiten 2006/2007 für Berlin nicht mehr der aktuellen Weiterbildungsordnung angepasst werden können. In der Ausgabe der Gelben Seiten 2007/2008 für Berlin seien die Änderungen berücksichtigt und die Rubrik „Plastische und Ästhetische Chirurgie“ neben der Rubrik „Plastische Operationen“ eingeführt worden. Unter der Rubrik „Plastische Operationen“ der aktuellen Ausgabe der Gelben Seiten für Berlin finde sich im Übrigen eine Ankündigung des Beschuldigten, bei der wiederum auf „Plastisch-Ästhetische Operationen“ aufmerksam gemacht werde. Die Ankündigung sei sowohl durch ihren Wortlaut als durch die Einordnung unter der Rubrik „Plastische Operationen“ unzulässig, da der irreführende Eindruck erweckt werde, der Beschuldigte habe die in der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Berlin geregelte Zusatzweiterbildung „Plastische Operationen“ erworben. An der Verwechslungsfähigkeit ändere entgegen der Auffassung des Beschuldigten nichts, dass Voraussetzung des Erwerbs der Zusatzweiterbildung „Plastische Operationen“ die Facharztanerkennung in den Gebieten Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde oder Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie ist. Vertiefte Kenntnisse im Weiterbildungsrecht könnten auch von einem mündigen Patienten nicht erwartet werden. Der Patient müsse sich vielmehr darauf verlassen können, dass eine weiterbildungsrechtliche Bezeichnung nur von denen geführt wird, die dazu berechtigt sind, und die Bezeichnung nicht gleichzeitig als Ankündigung für Ärzte dient, die auf einen Tätigkeitsschwerpunkt aufmerksam machen möchten, ohne die Voraussetzungen zum Führen der Bezeichnung nach der Weiterbildungsordnung zu erfüllen. Durch die vom Beschuldigten zitierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei nicht etwa jegliche Beschränkung bei berufsrechtlicher Werbung aufgehoben worden, sondern es blieben weiterhin Beschränkungen im Sinne des Patientenschutzes bestehen. Der Patient müsse erkennen können, welche Qualifikation des Arztes aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften nachgewiesen worden sei und bei welcher Angabe es sich um eine Selbsteinschätzung des Arztes handele. Dem Arzt seien daher sachliche Informationen über seine Berufsausübung gestattet, soweit die Angaben nicht mit Bezeichnungen aus der Weiterbildungsordnung verwechslungsfähig seien.

Gründe

Die Berufung führt zu einer Herabsetzung der gegen den Beschuldigten verhängten Geldbuße.

I. Die Berufung ist nach § 33 des Berliner Kammergesetzes in der Fassung vom 4. September 1978 (GVBl. S. 1937, 1980) i.V.m. § 41 des Disziplinargesetzes (DiszG) und § 64 Abs. 1 des Bundesdisziplinargesetzes zulässig, insbesondere nach § 33 Abs. 2 Satz 1 des Berliner Kammergesetzes fristgemäß eingelegt und begründet worden. Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Berufungsfrist mangels Zustellung des Urteils an den Verteidiger des Beschuldigten nicht zu laufen begonnen hat. Da auf das berufsgerichtliche Verfahren in Verbindung mit der Verweisungsnorm des § 24 des Berliner Kammergesetzes nicht mehr die Vorschriften der Landesdisziplinarordnung, sondern diejenigen des Disziplinargesetzes anzuwenden sind, kommen gemäß § 3 DiszG die Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung zur Anwendung. Nach § 67 Abs. 3 Satz 3 VwGO in der hier noch anwendbaren, bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung (ebenso § 67 Abs. 6 Satz 5 der seit dem 1. Juli 2008 geltenden Fassung), sind Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an den Bevollmächtigten zu richten, wenn ein solcher bestellt ist.

II. Auf die Berufung ist die gegen den Beschuldigten verhängte Geldbuße herabzusetzen. Der Vorwurf einer Berufspflichtverletzung ist nicht aufrechtzuerhalten, soweit er sich auf den Eintrag des Beschuldigten unter der Rubrik „Plastische Chirurgie“ in den Ausgaben 2004/2005 und 2005/2006 der Druck- und Internetversion des Branchenfernsprechbuches „Gelbe Seiten“ (vgl. hierzu unter 1. und 2.) sowie auf das Auftreten des Beschuldigten auf seiner eigenen Internet-Seite mit der Wendung „Ästhetische Operationen“ unter der Angabe „Facharzt für Chirurgie“ (vgl. hierzu unter 3.) bezieht. Hinsichtlich der übrigen Vorwürfe ist jedoch eine – einheitliche – Berufspflichtverletzung festzustellen. Dies betrifft die im Eintrag des Beschuldigten in der Ausgabe 2004/2005 der „Gelben Seiten“ unmittelbar unter dem Zusatz „Facharzt für Chirurgie“ in gleicher Schriftgröße und –type verwandte Formulierung „Plastisch-Ästhetische Operationen“ (vgl. hierzu unter 4.) sowie das Auftreten des Beschuldigten auf seiner eigenen Internet-Seite mit der Wendung „als Facharzt auf die ästhetische Chirurgie spezialisiert“ (vgl. hierzu unter 5.).

Das Verhalten des Beschuldigten ist - auch soweit es die Zeit vor dem 4. Juni 2005 betrifft - an § 27 Abs. 3, Abs. 4 der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin vom 30. Mai 2005 (ABl. S. 1883), zuletzt geändert durch den 2. Nachtrag vom 27. September 2006 (ABl. S. 4111) – BO 2005 - zu messen, weil diese Vorschrift gegenüber der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Anzeigen geltenden Vorläuferregelung milder ist. Nach § 27 Abs. 3 BO 2005 ist berufswidrige, insbesondere irreführende Werbung untersagt; der Arzt kann aber gemäß Absatz 4 dieser Vorschrift nach der Weiterbildungsordnung erworbene Bezeichnungen (Nr. 1), nach sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften erworbene Qualifikationen (Nr. 2), als solche gekennzeichnete „spezielle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden“ (Nr. 3) und organisatorische Hinweise (Nr. 4) ankündigen; Ankündigungen nach Nr. 1 müssen dabei bestimmten formalen Anforderungen genügen; Ankündigungen nach Nr. 2 dürfen nicht mit Angaben nach Nr. 1 verwechslungsfähig sein (§ 27 Abs. 4 Sätze 2 und 3 BO 2005). Die in der zum Zeitpunkt des Erscheinens der Anzeigen geltenden Regelung des § 27 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Kapitel D Nr. 4 Abs. 2, Nr. 5 Abs. 2 a) der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin vom 1. Juli 1998 (Abl. 1999 S. 1310) in der Fassung des 2. Nachtrags vom 24. Januar 2001 (Abl. 2002 S. 17) enthaltene Beschränkung auf die Angabe von nur drei speziellen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ist entfallen.

Die genannten Vorschriften der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie finden ihre Rechtsgrundlage in § 4 a Abs. 1 Satz 1 des Berliner Kammergesetzes, wonach die Kammern ermächtigt sind, die Berufsausübung sowie die Berufspflichten der Kammerangehörigen in Berufsordnungen zu regeln. Nach § 4 a Abs. 3 des Berliner Kammergesetzes kann die Berufsordnung insbesondere Vorschriften über die Praxis- und Apothekenankündigung (Nr. 9) und über das Verbot oder die Beschränkung der Werbung (Nr. 15) enthalten. Weitere inhaltliche Vorgaben des Gesetzgebers sind nicht erforderlich, denn gerade die herkömmlichen Beschränkungen der Werbefreiheit sind für eine eigenverantwortliche Ordnung durch die Berufsverbände geeignet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1996 - 1 BvR 744/88 u.a. -, BVerfGE 94, 372). Gegen werberechtliche Vorschriften in ärztlichen Berufsordnungen, die Raum lassen für interessengerechte und sachangemessene Informationen, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 23. Juli 2001 – 1 BvR 873/00 und 1 BvR 874/00NJW 2001, 2788, 2789, vom 18. Oktober 2001 – 1 BvR 881/00NJW 2002, 1864, und vom 13. Juli 2005 – 1 BvR 191/05 – zitiert nach Juris, jeweils m.w.N.). Diesen Anforderungen werden die hier maßgeblichen Regelungen der Berufsordnung gerecht. § 27 Abs. 2 BO 2005 bestimmt ausdrücklich, dass dem Arzt sachliche Informationen über seine Berufstätigkeit gestattet sind. Verfassungsrechtliche Bedenken ergeben sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer im Einzelfall fehlenden Schutzwürdigkeit der in der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Berlin geregelten Bezeichnungen. Es kann dahinstehen, ob die zunehmende Regelungsdichte in der Weiterbildungsordnung in jedem Fall durch das Erfordernis einer Qualitätssicherung der Berufsausübung gerechtfertigt ist. Für die im vorliegenden Verfahren in Rede stehende Facharztbezeichnung „Plastische Chirurgie“ und die Zusatzbezeichnung „Plastische Operationen“ ist ein derartiges Erfordernis jedenfalls anzunehmen, denn es handelt sich um deutlich von anderen Gebieten abgrenzbare Bereiche der ärztlichen Tätigkeit, die besondere Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erfordern und in denen das Bedürfnis für eine besondere Regelung der Qualifikation offensichtlich ist.

1. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts handelt es sich bei der Eintragung des Beschuldigten unter der Rubrik „Plastische Operationen“ in der Druck- und der Internetversion des Branchenfernsprechbuches „Gelbe Seiten“, Ausgaben 2004/2005 und 2005/2006 nicht um irreführende und damit berufswidrige Werbung im Sinne der oben genannten Vorschriften, da keine relevante Verwechslungsgefahr mit den Qualifikationen nach der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer besteht.

Nach der zur Zeit der Drucklegung der erwähnten Ausgaben der „Gelben Seiten“ geltenden Weiterbildungsordnung vom 30. November 1994 - WBO 1994 - (ABl. 1995 S. 2573) zählte die „Plastische Chirurgie“ zu den Gebieten und Schwerpunkten, in denen sich der Arzt zur Erlangung des Rechts zum Führen einer Facharztbezeichnung oder Schwerpunktbezeichnung weiterbilden kann (§ 2 Abs. 1 Nr. 35 WBO 1994). Nach § 6 Abs. 1 Nr. 35 WBO 1994 wird insoweit die Facharztbezeichnung „Facharzt für plastische Chirurgie“ festgelegt. § 2 Abs. 2 Nr. 14 WBO 1994 sieht ferner vor, dass sich der Arzt zur Erlangung des Rechts zum Führen einer Zusatzbezeichnung in dem Bereich „Plastische Operationen“ weiterbilden kann. Nach Abschnitt A § 2 Abs. 6 in Verbindung mit Abschnitt B Ziffer 6.6 der am 13. April 2006 in Kraft getretenen Weiterbildungsordnung vom 16. Juni 2004 (ABl. S. 1297), zuletzt geändert durch den 4. Nachtrag vom 5. Juli 2006 - WBO 2004 - (ABl. S. 3546), lautet die Facharztbezeichnung nunmehr „Plastische und Ästhetische Chirurgie“. Für die Zusatzweiterbildung ist in Abschnitt C weiterhin die Bezeichnung „Plastische Operationen“ vorgesehen. Nach Abschnitt A § 2 Abs. 2 Unterabsatz 2 Satz 1 WBO 2004 erhält eine Facharztbezeichnung, wer innerhalb eines Gebietes die vorgeschriebenen Weiterbildungsinhalte und -zeiten abgeleistet und in einer Prüfung die dafür erforderliche Facharztkompetenz nachgewiesen hat. Eine Zusatzbezeichnung erhält nach Abschnitt A § 2 Abs. 4 Unterabsatz 2 WBO 2004, wer in der Zusatz-Weiterbildung (vgl. Unterabsatz 1) die vorgeschriebenen Weiterbildungsinhalte und -zeiten ableistet und in einer Prüfung die dafür erforderliche fachliche Kompetenz nachgewiesen hat. Nach Abschnitt A § 3 Abs. 1 WBO 2004 dürfen Facharzt-, Schwerpunkt- und Zusatzbezeichnungen nach Maßgabe dieser Weiterbildungsordnung unter Beachtung der Regeln der Berufsordnung geführt werden. Gemäß Abschnitt A § 3 Abs. 3 Unterabsatz 2 WBO 2004 dürfen Zusatzbezeichnungen, die bestimmten Gebieten zugeordnet sind, nur zusammen mit den zugeordneten Facharztbezeichnungen geführt werden. Voraussetzung zum Erwerb der Bezeichnung „Plastische Operationen“ ist nach Abschnitt C der WBO 2004 die Facharztanerkennung in den Gebieten Hals-Nasen-Ohrenheilkunde oder Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie.

23Allein durch die Eintragung des Beschuldigten unter der Rubrik „Ärzte: Plastische Chirurgie“ wird den angesprochenen, durchschnittlich informierten und situationsangemessen aufmerksamen Verbrauchern nicht der unzutreffende Eindruck vermittelt, er sei Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie oder habe ein zertifiziertes Recht zur Durchführung von Operationen auf diesem Gebiet erworben. Nach den Umständen erwartet der Verkehr nämlich nicht, dass unter den Ärzterubriken der „Gelben Seiten“ nur Fachärzte des entsprechenden ärztlichen Fachgebiets eingetragen sind. Erkennbar bezieht sich die Rubrizierung - anders als bei Rechtsanwälten, wo weiter zwischen Fachanwälten und anderen Anwälten unterschieden wird - keineswegs nur auf „Fachärzte“. Im Bereich „Ärzte: Plastische Chirurgie“ wie auch in sonstigen Bereichen, für die es Fachärzte gibt, sind vielmehr in alphabetischer Folge sowohl Ärzte aufgeführt, die auf ihre entsprechende Facharztbezeichnung besonders hinweisen als auch solche, die dies nicht tun, was für durchschnittlich erfahrene Verbraucher die Annahme nahe legt, dass sie den betreffenden Facharzttitel nicht führen dürfen. Bei dieser Sachlage wird ein Interessent, der das Verzeichnis auf der Suche nach einem Arzt mit einer gewissen Aufmerksamkeit durchgeht, ohne weiteres annehmen, dass die Rubrik sowohl Fachärzte als auch Ärzte umfasst, die lediglich ihren Tätigkeitsschwerpunkt auf dem betreffenden Gebiet haben, ohne zur Führung des betreffenden Facharzttitels berechtigt zu sein (vgl. OLG Köln, Urteil vom 15. August 2008 - 6 U 20/08 -; KG, Urteil vom 22. März 2002 - 5 U 8811/00 -).

Es kann nicht – wie die Ärztekammer Berlin meint - formal darauf abgestellt werden, dass die Eintragungen im Branchenfernsprechbuch nach den weiterbildungsrechtlich normierten Bezeichnungen benannt sein könnten. Der Umstand, dass die Systematik der Ärzte-Rubriken im Branchenfernsprechbuch seit der Ausgabe 2004/2005 dahingehend geändert worden sein mögen, dass die Bezeichnungen identisch mit den weiterbildungsrechtlichen Qualifikationen sind, führt nicht zu einer anderen Einschätzung. Denn nach wie vor ist nicht erkennbar, dass in dem Abschnitt „Ärzte und Ärztinnen für ...“ nur Fachärzte aufgeführt werden. Hinzu kommt, dass der durchschnittliche Verbraucher nicht davon ausgeht, dass die Systematik in den „Gelben Seiten“ den weiterbildungsrechtlichen Qualifikationen der Ärztekammer folgt. Zutreffend hat der Verteidiger des Beschuldigten darauf hingewiesen, dass sich jedenfalls derzeit unter der Rubrik „Plastische Chirurgie“ nicht nur Fachärzte für plastische Chirurgie befinden, sondern auch Hals-Nasen-Ohrenärzte, Fachärzte für Chirurgie, Ärzte für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie sowie Ärzte ohne Facharztbezeichnung. Eine andere Einschätzung wäre lediglich dann gerechtfertigt, wenn für den Leser der „Gelben Seiten“ eindeutig erkennbar wäre, dass in der Rubrik „Plastische Chirurgie“ lediglich „Fachärzte für plastische und ästhetische Chirurgie“ im Sinne der Weiterbildungsordnung aufgeführt werden. Dies ist – anders etwa als bei Fachanwälten - jedenfalls bislang nicht der Fall. Der von der Ärztekammer Berlin im erstinstanzlichen Verfahren erwähnte Vorstandsbeschluss vom 8. Oktober 2001, demzufolge eine Änderung der Systematik der Eintragung von Ärzten im Branchenfernsprechbuch dahingehend befürwortet wurde, dass künftig eine Untergliederung nach Facharztbezeichnung, Schwerpunktbezeichnung, Zusatzbezeichnung und Tätigkeitsschwerpunkt erfolgt, und den jeweiligen Rubriken eine Erläuterung vorangestellt werden sollte, aus denen sich für den Arzt suchenden Patienten ergibt, welche Qualifikation der jeweiligen Bezeichnung zu Grunde liegt, ist insoweit nur unvollständig umgesetzt worden. Dies kann jedoch nicht zu einer zu Lasten der verfassungsrechtlich geschützten Werbemöglichkeiten der Ärzte gehenden Auslegung führen.

Unabhängig davon, dass die bloße Eintragung in Rubriken des Branchenfernsprechbuches „Gelbe Seiten“, die nach weiterbildungsrechtlich normierten Bezeichnungen benannt sind, schon aus den genannten allgemeinen Gründen keine relevante Verwechslungsgefahr begründet, ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte seine Facharztbezeichnung („Facharzt für Chirurgie“) zutreffend angegeben hat. Dass ein durchschnittlich aufmerksamer Interessent bei dieser Sachlage davon ausgeht, dass der Arzt neben der ausdrücklich aufgenommenen Facharztbezeichnung das Recht zum Führen einer weiteren Facharztbezeichnung besitzt, die der Bezeichnung der entsprechenden Rubrik der „Gelben Seiten“ entspricht, erscheint fernliegend. Vielmehr wird der Leser bei der Suche nach einem Arzt zutreffend annehmen, dass sich die Facharztbezeichnung lediglich auf das ausdrücklich angegebene Gebiet bezieht.

2. Eine Irreführung potentieller Patienten durch die Eintragung unter der Rubrik „Plastische Chirurgie“ in der Internetausgabe des Branchenfernsprechbuches „Gelbe Seiten“ ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die Gestaltung des Internetauftritts lässt nicht den Eindruck aufkommen, dass die einzelnen Rubriken auf förmliche Qualifikationen nach der Weiterbildungsordnung verweisen. Die Systematik des Verzeichnisses der gedruckten Ausgabe des Branchenfernsprechbuches wird im Internet nicht abgebildet; vielmehr öffnet sich für den Nutzer eine Auswahlleiste, in der die jeweiligen Rubriken ohne Unterscheidung nach „Ärzte für … “ oder Tätigkeitsschwerpunkte bzw. Behandlungsmethoden in alphabetischer Reihenfolge genannt werden. Unter den Rubriken finden sich auch solche, die andere als die in der Weiterbildungsordnung genannten Bezeichnungen tragen. Hinweise darauf, dass die Rubriken zum Teil nach förmlichen Bezeichnungen der Weiterbildungsordnung benannt sind, fehlen.

3. Das Auftreten des Beschuldigten auf seiner eigenen Internet-Seite mit der Bezeichnung „Facharzt für Chirurgie“ und dem darunter in gleicher Schriftgröße und –type stehenden Zusatz „Ästhetische Operationen“ erfüllt ebenfalls nicht den Tatbestand einer Berufspflichtverletzung. Die Gefahr einer Verwechslung des Begriffs „Ästhetische Operationen“ mit der Facharztbezeichnung „Plastische Chirurgie“ (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 35 WBO 1994) bzw. „Plastische und Ästhetische Chirurgie“ (vgl. Abschnitt B Ziffer 6.6 WBO 2004) oder mit der Zusatzbezeichnung „Plastische Operationen“ (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 14 WBO 1994 bzw. Abschnitt C WBO 2004) besteht nicht, da jedenfalls das Adjektiv „plastisch“, bei dem es sich um den prägenden Bestandteil der in der Weiterbildungsordnung geregelten Bezeichnungen handelt, nicht vorkommt. Vielmehr handelt es sich bei der Beschreibung „Ästhetische Operationen“ um eine ohne weiteres zulässige Information über das Tätigkeitsspektrum des beschuldigten Arztes.

284. Eine andere berufsrechtliche Bewertung ist geboten, soweit der Eintrag des Beschuldigten in den Ausgaben 2004/2005 und 2005/2006 des Branchenfernsprechbuches „Gelbe Seiten“ unter dem Namen die Zusätze „Facharzt für Chirurgie“ sowie in einer dritten Zeile - in gleicher Schriftgröße und -type - „Plastisch-Ästhetische Operationen“ enthält. Insoweit dürfte zwar der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass diese Beschreibung der gemäß § 2 Abs. 2 WBO 1994 durch Weiterbildung zu erwerbenden Zusatzbezeichnung „Plastische Operationen“ so nahe komme, dass sie unabhängig vom konkreten Kontext eine Verwechslungsgefahr begründe, in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden können, zumal die Bezeichnung „Plastische Operationen“ - wie bereits erwähnt - nur im Zusammenhang mit der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde oder Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie verwendet werden darf. Vielmehr dürfte die Verwendung der Formulierung „Plastisch-Ästhetische Operationen“ auch angesichts der in diesem Bereich nur begrenzt zur Verfügung stehenden Möglichkeit begrifflicher Neuschöpfungen nicht zu beanstanden sein, soweit eindeutig erkennbar ist, dass es sich nicht um die Angabe einer formalen Qualifikation, sondern um eine bloße Tätigkeitsbeschreibung handelt. Hieran fehlt es jedoch im vorliegenden Fall; denn die konkrete optische Gestaltung des Eintrags in den „Gelben Seiten“, der unter dem Namen des Beschuldigten die Zusätze „Facharzt für Chirurgie“ und darunter – in gleicher Schriftgröße und -type - „Plastisch-Ästhetische Operationen“ enthält, während hiervon abgesetzt in kleinerer Schriftgröße einzelne Tätigkeiten („Brustvergrößerungen“, Fettabsaugungen in örtlicher Betäubung“, „Face-Lifting“, „Nasenkorrekturen“, „Augenlidoperationen“ und „Bauchstraffungen“) gelistet werden, erweckt beim Leser der Anzeige den Eindruck, dass der Zusatz „Plastisch-Ästhetische Operationen“ zusammen mit der vorangestellten Facharztbezeichnung zu den Angaben über die formale Qualifikation des Beschuldigten gehört und nicht nur als bloße Tätigkeitsbeschreibung zu verstehen ist.

5. Der Senat folgt dem Verwaltungsgericht schließlich auch in der Bewertung, dass die Angabe auf der vom Beschuldigten betriebenen Internet-Seite, er sei „als Facharzt auf die ästhetische Chirurgie spezialisiert“, eine relevante Verwechslungsgefahr begründet. Denn bei dieser Formulierung ist für den Patienten, der einen geeigneten Arzt sucht, nicht erkennbar, dass sich die Facharztkompetenz des Beschuldigten nicht auf das Gebiet der „Plastischen und Ästhetischen Chirurgie“ gemäß Abschnitt B Ziffer 6.6 WBO 2004 bezieht, sondern (nur) auf das Gebiet Chirurgie gemäß Ziffer 6 der genannten Vorschrift. Diese Verwechslungsgefahr wird entgegen der in der Hauptverhandlung geäußerten Auffassung des Beschuldigten auch nicht dadurch relativiert, dass er die Facharztbezeichnung „Chirurgie“ in der Überschrift seiner Internet-Seite korrekt angegeben hat. Denn jedenfalls der flüchtige Leser wird den Zusatz „auf die ästhetische Chirurgie spezialisiert“ im Zusammenhang mit dem Begriff „Facharzt“ ohne weiteres als Bestandteil der formalen Qualifikation verstehen und nicht zunächst – gleichsam im Wege einer „systematischen Auslegung“ – der Frage nachgehen, ob unter Berücksichtigung der sonstigen Angaben auf der Internet-Seite möglicherweise ein hiervon abweichendes Verständnis geboten ist. Dem schützenswerten Interesse an einer sachlichen Informationen der Öffentlichkeit über seine Berufstätigkeit und insbesondere seine Spezialgebiete hätte der Beschuldigte auch ohne die Gefahr einer Verwechslung mit der Facharztbezeichnung „Plastische und Ästhetische Chirurgie“ Rechnung tragen können, indem er seine Facharztbezeichnung auch in diesem Zusammenhang korrekt angegeben hätte. Die sich hieraus ergebende Formulierung („als Facharzt für Chirurgie auf die ästhetische Chirurgie spezialisiert“) erweist sich zwar möglicherweise als etwas sperriger, hat jedoch den Vorzug einer eindeutigen Trennung zwischen Bezeichnung der formalen Qualifikation und Tätigkeitsbeschreibung.

6. Hinsichtlich der berufsordnungswidrigen Verwendung des Zusatzes „Plastisch-Ästhetische Operationen“ in den Ausgaben 2004/2005 und 2006/2006 des Branchenfernsprechbuches „Gelbe Seiten“ und der Angabe auf der vom Beschuldigten betriebenen Internet-Seite, er sei „als Facharzt auf die ästhetische Chirurgie spezialisiert“, hat der Beschuldigte jedenfalls bedingt vorsätzlich gehandelt, denn es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass ihm der Inhalt der sich aus § 27 BO ergebenden Berufspflichten nicht bewusst war. Dass er die Berufspflichtverletzung zumindest billigend in Kauf genommen hat, geht auch daraus hervor, dass der Beschuldigte ungeachtet des bisherigen Verfahrens sowohl an der Verwendung des sich unmittelbar an die Facharztbezeichnung anschließenden Zusatzes „Plastisch-Ästhetische Operationen“ in der jeweils aktuellen Ausgabe der „Gelbe Seiten“ als auch an der Formulierung auf seiner Internet-Seite, er sei „als Facharzt auf die ästhetische Chirurgie spezialisiert“, bis heute festhält.

7. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls stellt sich das Verhalten des Beschuldigten als eine mittelschwere Berufsrechtsverletzung dar, für die auch der Senat die Verhängung einer Geldbuße als angemessen erachtet. Der vom Verwaltungsgericht festgesetzte Betrag der Geldbuße war indes wie geschehen zu verringern, da sich lediglich zwei von insgesamt fünf Vorwürfen aufrechterhalten ließen. Soweit der Beschuldigte von Vorwürfen aus dem Rügebescheid freigestellt worden ist, kommt ein Teilfreispruch wegen des Grundsatzes der Einheit der Berufspflichtverletzung nicht in Betracht (vgl. zum Disziplinarrecht OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. April 2007 - 80 D 6.05 -Juris).

III. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt gemäß § 24 des Berliner Kammergesetzes i.V.m. § 41 des Disziplinargesetzes, § 77 Abs. 1 des Bundesdisziplinargesetzes der Beschuldigte.

Das Urteil ist unanfechtbar.

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