LG Berlin, Beschluss vom 23.04.2008 - 528 Qs 42/08
Fundstelle
openJur 2012, 8467
  • Rkr:

1. Bei der Entnahme einer Blutprobe zum Nachweis eines Trunkenheitsdeliktes ist der Richtervorbehalt zu beachten. Die Strafverfolgungsbehörden müssen daher regelmäßig versuchen, vor der Durchführung der Blutentnahme zumindest telefonisch eine Anordnung des zuständigen Richters zu erlangen. Sie dürfen hiervon nur dann absehen, wenn ausnahmsweise Gefahr im Verzug vorliegt (geringe Alkohliserungsgrade, Fälle des behaupteten Nachtrunks). Hierbei muss die anordnende Stelle (Staatsanwaltschaft oder Polizei) die die Gefahr im Verzug begründenden Tatsachen in der Ermittlungsakte dokumentieren. 2. Die bewusste Missachtung des Richtervorbehalts führt zur Unverwertbarkeit der zu Beweiszwecken entnommenen Blutprobe. 3. Die richterliche Überzeugung von einer Trunkenheitsfahrt kann sich bei Fehlen oder Unverwertbarkeit einer Blutprobe auch ans anderen Beweismitteln ergeben. Bei deren Bewertung gelten die allgemeinen Grundsätze der frieen richterlichen Beweiswürdigung.

Tenor

Die Beschwerde des Angeklagten vom 19. Februar 2008 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 27. Juli 2007 wird aus den weiterhin zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet werden, auf seine Kosten (§ 473 Abs. 1 StPO) verworfen.

Gründe

I. Die Beschwerde gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist unbegründet. Auch nach Ansicht der Kammer bestehen dringende Gründe für die Annahme, dass dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis im Urteil nach § 69 StGB entzogen werden wird (§ 111 a Abs. 1 StPO).

1.) Der wegen fahrlässiger Trunkenheitsfahrt vorbestrafte Angeklagte ist nach dem derzeitigen Ermittlungsstand dringend verdächtig, am 05. Mai 2007 gegen 22:20 Uhr mit seinem Fahrzeug der Marke D-B, amtliches Kennzeichen xxx, die Grabbeallee, Berlin, befahren zu haben, obwohl er infolge zumindest alkoholbedingter Steuerungsunfähigkeit nicht in der Lage war, sein Fahrzeug sicher zu führen.

2.) Die Kammer hat das gegenwärtige Ermittlungsergebnis allein auf den Ermittlungsbericht des KHK xxx vom 06. Mai 2007 gestützt und das Gutachten des LKA XXX vom 08. Mai 2007 zur Feststellung der Blutalkoholkonzentration des Angeklagten und den Untersuchungsbericht des LKA xxx vom 13. Juni 2007 zur Feststellung, ob sich in der Blutprobe des Angeklagten Stoffe befinden, die dem BtMG unterliegen, unbeachtet gelassen, weil diese nach Ansicht der Kammer nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen unverwertbar sind.

a.) Der Polizeibeamte KHK xxx hat in seinem polizeilichen Bericht in glaubwürdiger Weise bekundet, dass der Angeklagte ihm und seinem Kollegen bereits gegen 18:55 Uhr im Lokal „Syyy-Eck“ in der Dxxstraße/Uxxstraße wegen des Konsums alkoholischer Getränke, seiner undeutlichen Aussprache und seines unsicheren Gangs aufgefallen sei. Gegen 22:20 Uhr hätten er und sein Kollege beobachtet, wie der Angeklagte mit seinem Fahrzeug xxx auf der Grabbeallee stark beschleunigt, kurz danach auf einer Sperrfläche in Nähe des Pastor-Niemöller-Platzes gehalten habe und wieder weitergefahren sei. Nachdem sie den Angeklagten zum Anhalten gebracht hätten und dieser ausgestiegen sei, habe er sich an seinem Fahrzeug festhalten müssen, um nicht umzufallen. Seine Augen seien stark gerötet, seine Aussprache undeutlich gewesen. Seine Atemalkoholkonzentration habe wegen seiner körperlich beeinträchtigten Verfassung nicht gemessen werden können.

b.) Dagegen war bei der Auswertung des derzeitigen Standes der Ermittlungen das Gutachten zur Feststellung der Blutalkoholkonzentration des Angeklagten und der Untersuchungsbericht zur Feststellung, ob sich Betäubungsmittelstoffe im Blut des Angeklagten befinden, unberücksichtigt zu lassen, weil die ihnen zugrunde liegende Blutentnahme in der Tatnacht um 00:05 Uhr ohne richterliche Anordnung durchgeführt worden ist und die rechtswidrige Beweisgewinnung vorliegend zu einem Beweisverwertungsverbot führt.

aa) Nach § 81 a Abs. 2 StPO steht die Anordnungskompetenz zur Entnahme einer Blutprobe grundsätzlich dem Richter zu, weil die Blutentnahme, auch wenn sie nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen wird, in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG eingreift. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 12.02.2007 (2 BvR 273/06 - juris Rn. 16 1A = NJW 2007, 1345)) entschieden, dass bei einer Blutentnahme als körperlichen Eingriff nach § 81 a Abs. 2 StPO eine gerichtliche Kontrolle gewährleistet sein müsse. Insoweit sei die zwangsweise Blutentnahme mit der Durchsuchung von Wohnräumen vergleichbar, weil der Betroffene in beiden Fällen wegen der begrenzten Dauer der Maßnahme regelmäßig keine Möglichkeit habe, gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen. Die Strafverfolgungsbehörden müssen daher regelmäßig versuchen, vor der Durchführung der Blutentnahme zumindest telefonisch eine Anordnung des zuständigen Richters zu erlangen. Sie dürfen von der Anrufung des Richters nur dann absehen, wenn Gefahr im Verzug vorliegt, wenn also die durch die Einholung einer richterlichen Entscheidung entstehende Verzögerung zu einer Gefährdung des Untersuchungserfolges führen würde. In diesem Fall muss die anordnende Stelle –Staatsanwaltschaft oder Polizei- die die Gefahr im Verzug begründenden Tatsachen in den Akten dokumentieren, sofern die Dringlichkeit nicht evident ist.

Auch nach der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgericht wird in der Rechtsprechung zum Teil weiterhin die Auffassung vertreten, dass bei der Abnahme einer Blutprobe zum Nachweis einer Trunkenheitsfahrt die Einholung einer richterlichen Entscheidung stets entbehrlich sei, weil wegen des raschen Abbaus von Alkohol und Drogen im Körper stets eine Gefährdung des Untersuchungserfolges bestehe und damit Gefahr im Verzug vorliege (LG Hamburg, Beschluss vom 12.11.2007, 603 Qs 470/07, juris = Blutalkohol 45, 77 f.). Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei für den Fall der Blutentnahme zum Nachweis, dass der Beschwerdeführer Cannabis-Konsument ist, ergangen und mit der Blutprobenentnahme zum Nachweis eines Trunkenheitsdeliktes, bei dem jede zeitliche Verzögerung bei der Blutentnahme zu größeren Ungenauigkeiten oder gar zu einer Unmöglichkeit der Rückrechnung zur Feststellung der Blutalkoholkonzentration führe, nicht vergleichbar und damit auf die Trunkenheitsfälle nicht anwendbar (LG Hamburg, aaO, juris Rn. 7, 8).

Diese Ansicht ist mit den vom Bundesverfassungsgericht getroffenen Vorgaben für die Blutprobenentnahme nach § 81 a StPO nicht vereinbar (OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.11.2007, 1 Ss 532/07, juris = NStZ 208, 238; OLG Hamburg, Beschluss vom 04.02.2008, 2 – 81/07 juris). Das Bundesverfassungsgericht hat seine Entscheidung zwar für die Blutentnahme zum Nachweis des Drogenkonsums getroffen. Da jedoch bei einer Drogenintoxikation der Abbau der Wirkstoffe im Blut wesentlich schneller erfolgt als der Abbau der Blutalkoholkonzentration und eine Rückrechnung im zuletzt genannten Fall rechtsmedizinisch schwieriger ist, müssen die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze zum Richtervorbehalt und zur Gefahr im Verzug erst recht auch für die Blutentnahme zum Nachweis von Trunkenheitsdelikten gelten (OLG Hamburg, aaO; Rabe von Kühlwein, JR 2007, S. 517, 518). Die sich aus der Einholung einer richterlichen Entscheidung ergebenden zeitlichen Verzögerungen sind in der Regel nur gering. So ist eine richterliche Entscheidung regelmäßig innerhalb von einer Viertelstunde einholbar. In den Fällen, in denen der Beschuldigte zur Blutentnahme noch auf die Polizeiwache verbracht (AG Essen, Beschluss vom 11.10.2007, 44 Gs 4677/07, juris Rn. 6) oder ein Arzt erst herbeigeholt werden muss, können die Polizeibeamten in der Zwischenzeit eine richterliche Entscheidung sogar ohne zeitliche Verzögerungen einholen.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen die Strafverfolgungsbehörden sich auch in der Masse der Alltagsfälle grundsätzlich um die Einholung einer richterlichen Entscheidung vor der Blutentnahme bemühen müssen. Alles andere wäre rechtsstaatswidrig, selbst beispielsweise dann, wenn die Polizei dabei entsprechend einer allgemeinen Anweisung der Staatsanwaltschaft handeln würde. Erst wenn der Richter trotz nachhaltigen und wiederholten Versuchs nicht erreicht werden kann, wäre die Anordnungskompetenz wegen Gefährdung des Untersuchungserfolges auf den Polizeibeamten übergegangen (OLG Stuttgart, aaO juris, Rn. 10).

10Deshalb dürfen die Strafverfolgungsbehörden Gefahr im Verzug nur noch in Ausnahmefällen annehmen. Gerade bei höheren Alkoholisierungen, die durch alkoholtypische körperliche Ausfallerscheinungen oder durch den Atemalkoholgehaltwert ersichtlich sind, können kurzfristige Verzögerungen, bedingt durch die Einschaltung des Gerichts, durch Rückrechnung problemlos ausgeglichen werden. Damit ist in diesen Fällen eine Gefährdung des Untersuchungserfolges durch zeitliche Verzögerungen nicht gegeben. Anders mag es hingegen bei geringen Alkoholisierungsgraden sein, bei denen alkoholtypische Anzeichen fehlen, oder bei geringen Drogeneinwirkungen. Hier besteht die Gefahr des vollständigen Abbaus der Wirkstoffe im Körper/Blut und somit die Gefahr des Beweismittelverlustes. In diesen Fällen werden die Strafverfolgungsbehörden Gefahr im Verzug annehmen können und die hierfür sprechenden Tatsachen in den Ermittlungsakten dokumentieren müssen, um eine rechtliche Überprüfung zu ermöglichen (OLG Hamburg, aaO, juris Rn. 21; Rabe von Kühlenwein, aaO, S. 517, 518). Gleiches gilt für die Fälle des behaupteten Nachtrunks, weil auch hier eine genaue Analyse des Abbaus Blutalkoholkonzentration im Körper erforderlich ist, und daher zeitliche Verzögerungen zu einer Beweismittelbeeinträchtigung oder einem Beweismittelverlust führen können (OLG Hamburg, aaO).

bb.) Vorliegend wurde dem Angeklagten die Blutprobe am 05. März 2006 um 00:15 Uhr, also in der Nacht von Samstag auf Sonntag, entnommen. Die Berliner Justiz stellt seit der grundlegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Februar 2001 zur strikten Einhaltung des Richtervorbehalts (2 BvR 1444/0, juris) und den damit korrespondierenden organisatorischen Anforderungen an den richterlichen Bereitschaftsdienst (BVerfG, Entscheidung vom 15. Mai 2002, 2 BvR 1481/02, juris) sicher, dass ein Richter an jedem Tag rund um die Uhr, also auch zur Nachtzeit (§ 104 Abs. 3 StPO) zumindest telefonisch erreichbar ist (vgl. Geschäftsverteilungsplan des Amtsgericht Tiergarten 2007, 2. Abschnitt C. III). Die Polizeibeamten hätten somit vor der Blutentnahme versuchen müssen, eine richterliche Anordnung des diensthabenden Bereitschaftsrichters einzuholen. Aus den Ermittlungen ergibt sich nicht, dass sie zumindest den Versuch unternommen haben, den Bereitschaftsrichter telefonisch zu kontaktieren. Eine richterliche Entscheidung war im hiesigen Fall nicht wegen Gefahr im Verzug entbehrlich. Nach den schriftlichen Bekundungen des Polizeibeamten KHK xxxx zeigten sich beim Angeklagten dadurch, dass der nicht mehr stehen konnte, ohne sich festzuhalten, und eine undeutliche Aussprache hatte, erhebliche alkoholtypische Ausfallerscheinungen, so dass von einem hohen Alkoholisierungsgrad auszugehen war, bei dem kurze Zeitverzögerungen infolge des Einholens der richterlichen Anordnung unschädlich sind, weil die Alkoholisierung auch kurze Zeit später noch durch die Blutprobe nachweisbar ist. Darüber hinaus hatten die Polizeibeamten den Angeklagten bereits um ungefähr 22:25 Uhr angehalten, so dass ihnen bis zur Entnahme der Blutprobe um 00:15 Uhr ausreichend Zeit für eine telefonische Kontaktierung des Bereitschaftsrichters blieb.

122.) Der Verstoß gegen § 81 a Abs. 2 StPO macht die Blutprobenentnahme nicht nur rechtswidrig, sondern führt vorliegend nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand auch zu einem Beweisverwertungsverbot. Die Entscheidung für oder gegen ein Beweisverwertungsverbot ist im Einzelfall aufgrund einer umfassenden Güterabwägung zu treffen (sog. Abwägungslehre). Abzuwägen ist dabei das Interesse des Beschuldigten an einem den rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Verfahren und an der Achtung/Einhaltung seiner Grundrechte gegenüber dem allgemeinen Strafverfolgungsinteresse, wobei insbesondere die Schwere des vorgeworfenen Deliktes und das Gewicht des Verfahrensverstoßes Eingang in die Abwägung finden. Danach führen insbesondere schwere Grundrechtseingriffe, willkürliche Verstöße oder grobe Fehlbeurteilungen zu einem Beweisverwertungsverbot. So nimmt die Rechtsprechung in Fällen fehlerhafter Wohnungsdurchsuchung regelmäßig ein Beweisverwertungsverbot an, wenn der Richtervorbehalt bewusst oder willkürlich umgangen worden ist (BGH, Urteil vom 18.04.2007, 5 StR 546/06, juris Rn. 24, 25; AG Tiergarten, StV 2003, S. 663, 664; Meyer-Goßner, StPO, 50. Auflage 2007, Rn. 7 m.w.N.).

Die Abwägungslehre führt hier zur Unverwertbarkeit. Vorliegend hatten die Polizeibeamten den Angeklagten bereits gegen 22:20 Uhr angehalten. Die Blutprobenentnahme fand erst fast zwei Stunden später statt. Den Polizeibeamten verblieb, auch wenn sie erst noch das Fahrzeug des Angeklagten durchsuchten und den erschienen yyy mittels einfacher körperlicher Gewalt des Platzes verweisen mussten, mehr als genug Zeit, eine Entscheidung des Bereitschaftsrichters einzuholen. Dies hätte sich den Polizeibeamten auch aufdrängen müssen. Bei einer solchen langen Dauer zwischen dem Erkennen der Alkoholisierung und der Durchführung der Blutprobe besteht der Verdacht, dass die Polizeibeamten, die zu zweit vor Ort waren und sich entsprechend koordinieren konnten, den Richtervorbehalt nach § 81 a Abs. 2 StPO bewusst missachtet haben. Der Umstand, dass die Polizeibeamten erst das Fahrzeug des Angeklagten durchsuchten und ihn danach erst zur Blutentnahme auf die Polizeiwache verbrachten und nicht umgekehrt, zeigt, dass die Polizeibeamten keinen drohenden Beweismittelverlust befürchteten, und sie damit auch nicht irrtümlich von einer Gefahr im Verzug durch den vollständigen Abbau der Blutalkoholkonzentration beim Angeklagten ausgingen. Eine solche bewusste Missachtung des Richtervorbehalts ist ein grober Verfahrensverstoß und führt im hiesigen Fall zu einem Beweisverwertungsverbot, zumal hier das allgemeine Strafverfolgungsinteresse, das sich nach dem Schweregrad der aufzuklärenden Tat bemisst, gemessen an anderen Straftaten jedenfalls nicht als besonders hoch anzusehen ist. Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus dem Gedanken des hypothetischen Ersatzeingriffs, nach welchem eine rechtswidrige Beweisgewinnung unbeachtlich ist, sofern die Voraussetzungen für die Anordnung der Maßnahme tatsächlich vorgelegen haben, weil sonst der verfassungsrechtlich abgesicherte Schutz der körperlichen Unversehrtheit und der vom Gesetzgeber vorgeschriebene Richtervorbehalt folgenlos und willkürlich ausgehebelt werden würde (BGH, Beschluss vom 18. April 2007, 5 StR 546/06 entsprechend zur Wohnungsdurchsuchung).

14II. Der Angeklagte ist – wie schon eingangs ausgeführt - nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen dringend verdächtig, eine Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB begangen zu haben. Dies ergibt sich vorliegend auch ohne Kenntnis/Berücksichtigung seiner Blutalkoholkonzentration und seiner Drogenintoxikation aus den oben dargestellten Schilderungen des Polizeibeamten KHK xxx. Eine Blutprobe ist zum Nachweis der Fahruntüchtigkeit zwar nützlich, jedoch kann sich die richterliche Überzeugung von einer Trunkenheit oder einer Berauschtheit des Täters auch aus anderen Beweismitteln ergeben, wie die Beobachtung eines torkelnden Gangs, schwankendes Stehen und/oder alkoholtypische Artikulationsschwierigkeiten, sofern andere Ursachen solcher Ausfallerscheinungen (z.B. mögliche Unfallfolgen siehe OLG Zweibrücken, StV 1999, S. 321) auszuschließen sind. Bei der Würdigung anderer Beweismittel gelten die allgemeinen Grundsätze der freien richterlichen Beweiswürdigung. Die Ansicht, dass bei Fehlen einer Blutprobe ein besonders strenger Maßstab an die alkoholtypischen Beweisanzeichen zu stellen und nur in Ausnahmefällen eine Fahruntüchtigkeit anzunehmen ist, ist abzulehnen (OLG Zweibrücken StV 1999, S. 321; Middendorf, Blutalkohol, Bd, XIX, S. 379; OLG Düsseldorf, NZV 1992, S. 81 (82); Fischer, StGB, § 316, Rn. 38 ; a.A. OLG Köln, NZV 1989, S. 357 (358); OLG Düsseldorf, Blutalkohol, Bd. XIX, Jahrgang 1982, S. 378). Zwar sind die Anforderungen an die Beweisanzeichen für eine Fahrunsicherheit umso höher, je niedriger die Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit ist. Dieser Grundsatz ist aber nicht auf die Fälle des Fehlens einer Blutprobe übertragbar. Die Anzeichen für die Trunkenheit sind in diesen Fällen vielmehr gleichwertige Beweismittel, aus denen der Richter seine richterliche Überzeugung nach § 261 StPO schöpfen kann (Middendorf, Blutalkohol, Bd. XIX, S. 379).

Vorliegend hatten die Polizeibeamten gegen 18:55 Uhr, also etwa dreieinhalb Stunden vor der Überprüfung des Angeklagten, beobachtet, dass der Angeklagte in einem Lokal alkoholische Getränke konsumierte und schon zu diesem Zeitpunkt einen unsicheren Gang und eine undeutliche Aussprache hatte. Bei der Überprüfung des Angeklagten gegen 22:20 Uhr zeigte er nach dem Aussteigen aus seinem Fahrzeug erhebliche alkoholtypische Ausfallerscheinungen. So schwankte er und konnte nicht mehr eigenständig stehen, sondern musste sich an seinem Fahrzeug festhalten, um nicht umzufallen. Er hatte eine undeutliche Aussprache und gerötete Augen. Mehrere Versuche, beim Angeklagten einen Atemalkoholtest durchzuführen, scheiterten aufgrund seiner desolaten Verfassung. Diese Umstände zeigen, dass er um 22:20 Uhr zu kontrolliertem Handeln nicht fähig war. Bei diesem Bild des Angeklagten drängt sich der dringende Verdacht auf, dass es ihm nicht mehr möglich gewesen wäre, als Kraftfahrzeugführer bei plötzlich auftretenden schwierigen oder unübersichtlichen Verkehrssituationen schnell und sicher zu reagieren und damit den straßenverkehrsrechtlichen Anforderungen zu genügen, so dass er nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand nicht mehr in der Lage war, sein Fahrzeug sicher gem. § 316 StGB zu führen.

III. Der Angeklagte hat sich durch das Führen seines Fahrzeuges in dieser Verfassung auch dringend verdächtig gemacht, ungeeignet zum Führen von Fahrzeugen nach § 69 Abs. 2 Nr. 1 StGB zu sein.

Der Einwand des Verteidigers, dass die Aufrechterhaltung der Anordnung der vorläufigen Entziehung wegen der langen Verfahrensdauer unverhältnismäßig sei, ist abzulehnen. Die Teilnahme des Angeklagten, der nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist und auch schon wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr vorbestraft ist, am Kraftfahrzeugverkehr würde zu einer nicht hinnehmbaren Gefährdung der Verkehrssicherheit führen. Eine endgültige Klärung bleibt der Hauptverhandlung vorbehalten. Zudem hatte das Amtsgericht Tiergarten bereits einen Hauptverhandlungstermin auf den 28. Februar 2008 anberaumt und dem Angeklagten damit die Gelegenheit der sicheren Klärung der Sachlage gegeben. Dieser Termin wurde aus Gründen, die dem Einflussbereich des Angeklagten zuzuordnen sind, nicht durchgeführt.