KG, Beschluss vom 23.11.2006 - 13 WF 135/06
Fundstelle
openJur 2012, 4582
  • Rkr:
Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 9. August 2006 aufgehoben.

Gründe

Dem Antragsgegner ist am 8. August 1995 ratenfreie Prozesskostenhilfe für ein rechtshängiges Scheidungsverfahren einschließlich der Folgesachen Versorgungsausgleich und elterliche Sorge bewilligt worden. Die Ehe der Parteien ist rechtskräftig durch Urteil vom 10. Oktober 1996 geschieden worden. Der Versorgungsausgleich ist zugleich gemäß § 2 Abs. 1 VAÜG ausgesetzt worden. Die Entscheidung in der Folgesache elterliche Sorge ist seit dem 6. Dezember 1996 rechtskräftig. Die Folgesache Versorgungsausgleich ist auf Antrag der Antragstellerin wieder aufgenommen worden und durch Beschluss vom 8. Mai 2006 geregelt worden. Mit Beschluss vom 9. August 2006 hat die Rechtspflegerin die Bewilligung der Prozesskostenhilfe geändert und eine Nachzahlung der Kosten in monatlichen Raten von 115 EUR angeordnet. Dem war ein Beschwerdeverfahren des Antragsgegners gegen die Verweigerung von Prozesskostenhilfe im Versorgungsausgleichsverfahren, welches zunächst isoliert geführt worden ist, vorausgegangen. Im Beschwerdeverfahren ist der Antragsgegner darauf hingewiesen worden, dass ihm keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen sei, weil er nach seinem Einkommen Raten zu zahlen habe, deren vierfacher Betrag über den zu erwartenden Kosten liege (§ 115 Abs. 3 ZPO).

Hiergegen richtet sich die fristgerechte Beschwerde des Antragsgegners. Er ist der Ansicht, eine Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung sei nicht mehr zulässig, da mehr als vier Jahre seit Beendigung des Verfahrens vergangen seien.

Die gemäß §127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet.

Gemäß § 120 Abs. 4 S. 1 ZPO kann das Gericht die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Eine Änderung zum Nachteil der Partei ist nach § 120 Abs. 4 S. 3 ZPO ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind. Dies ist vorliegend der Fall.

5Allerdings beginnt die Frist des § 120 Abs. 4 S. 3 ZPO mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Hauptsache, wobei als Hauptsache nicht allein das Scheidungsverfahren, sondern der gesamte Scheidungsverbund anzusehen ist. Regelmäßig wird daher die Frist grundsätzlich erst dann in Lauf gesetzt, wenn über die Folgesache rechtskräftig entschieden ist und zwar auch dann, wenn die Folgesache ausnahmsweise gemäß § 628 ZPO abgetrennt worden ist. Denn die Folgesache über den Versorgungsausgleich ist prozesskostenhilferechtlich in besonderer Weise mit der Scheidungssache verbunden. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für die Scheidungssache erstreckt sich auch auf diese Folgesache, § 624 Abs. 2 ZPO, soweit sie nicht ausdrücklich ausgenommen wird.

6Wenn allerdings ein Versorgungsausgleich wie hier gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG ausgesetzt worden ist, kann es für den Beginn der Frist des § 120 Abs. 4 ZPO nicht auf die Rechtskraft dieser Entscheidung ankommen (vgl. OLG Brandenburg FamRz 2002, 1416f). Denn in diesem Fall kann das Verfahren nur nach der Einkommensangleichung wieder aufgenommen werden, § 2 Abs. 3 VAÜG, oder dann, wenn aufgrund des Versorgungsausgleichs Leistungen zu erbringen oder zu kürzen wären und ein Beteiligter die Wiederaufnahme beantragt, § 2 Abs. 2 VAÜG. Die Wiederaufnahme des Versorgungsausgleichs erfolgt damit regelmäßig zu einem Zeitpunkt, der bei Beendigung des Scheidungsverfahrens nicht absehbar und von den Parteien auch nicht beeinflusst werden kann. In diesen Fällen muss der Lauf der Frist des § 120 Abs. 4 S. 3 ZPO bereits mit der rechtskräftigen Entscheidung über den Scheidungsantrag und etwaiger Folgesachen bzw. sonstiger Beendigung des Verfahrens beginnen. Anderenfalls müsste eine Partei unter Umständen noch nach Jahrzehnten – hier nach 10 Jahren – damit rechnen, dass eine Änderung der Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen zu ihrem Nachteil ergeht. Das widerspräche dem Vertrauensschutz der hilfsbedürftigen Partei, dem die Sperrfrist von 4 Jahren dient (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 120 Rdnr. 26). Dies wird vorliegend besonders deutlich, weil die Voraussetzungen der Aussetzung des Versorgungsausgleichs hier offensichtlich nur irrtümlich angenommen worden sind, weil die ... für die Antragstellerin zunächst auch eine nichtangleichungsdynamische Anwartschaft ermittelt hat und mittlerweile diese Auskunft ausdrücklich dahingehend korrigiert hat, dass die Antragstellerin wie auch der Antragsgegner nur angleichungsdynamische Anwartschaften hat. Bei einer schon bei Scheidung der Ehe vorliegenden korrekten Auskunft hätte mithin zeitgleich oder zumindest zeitnah über den Versorgungsausgleich entschieden werden können. Dieses Versehen der am Verfahren über den Versorgungsausgleich beteiligten Rententräger kann nicht zu Lasten des Antragsgegners gehen.

An dieser Bewertung ändert sich auch nichts daran, dass es sich bei der Entscheidung über die Aussetzung des Versorgungsausgleichs nur über eine Zwischenentscheidung handelt (vgl. BGH FamRZ 2003, 1005), denn abzustellen ist allein darauf, dass die Besonderheit der Aussetzung des Versorgungsausgleichs zu unbilligen Nachteilen der betroffenen Partei führt, wenn man in diesem Fall auf die endgültige rechtskräftige Endentscheidung abstellen wollte.