Brandenburgisches OLG, Urteil vom 19.07.2006 - 7 U 93/05
Fundstelle
openJur 2012, 3797
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird – unter Zurückweisungdes weitergehenden Rechtsmittels - das am 25. April 2005 verkündeteTeilurteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LandgerichtsCottbus abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.795,92 €nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz für die Zeit vom 7.Dezember 2000 bis zum 31. Dezember 2001 und 8 % Zinsen über demBasiszinssatz seit dem 1. Januar 2002 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen derKläger zu 57 % und die Beklagte zu 43 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 28.06.2002 über das Vermögen der Firma H. …mbH (demnächst: Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren.

Die Beklagte, deren Geschäftsführer mit demjenigen der Schuldnerin gut befreundet war, stand zur Schuldnerin in langjähriger Geschäftsbeziehung. Nachdem die Beklagte der Schuldnerin gegenüber offene Zahlungsansprüche in Höhe von 54.076,20 DM aus der Rechnung vom 16.09.1999 verschiedentlich gemahnt hatte, erklärte die Schuldnerin mit Schreiben vom 10.10.2000 (Bl. 90 d.A.), sie sei aufgrund „sehr hoher Außenstände“ zur Begleichung nicht in der Lage, eine kurzfristige Verbesserung der Liquidität sei nicht zu erwarten, sie könne zum Forderungsausgleich eine Sicherungsübereignung im Hinblick auf Arbeitsgeräte, Büroausstattung und Fahrzeuge anbieten. Daraufhin schlossen die Schuldnerin und die Beklagte am 06.12.2000 (Bl. 91 - Bl. 93 d.A.) zwei entsprechende Sicherungsübereignungsverträge.

Der Kläger hat, gestützt auf die Anfechtungsvorschriften der §§ 133, 143 Abs. 1 InsO Anfechtungsklage erhoben.

Er hat zuletzt beantragt,

1. im Wege der Stufenklage die Beklagte zur Auskunft über den Verbleib der sicherungsübereigneten Kraftfahrzeuge zu verurteilen mit späterer nach Auskunft vorbehaltener Verurteilung zur Leistung;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen weiteren Betrag in Höhe von 6.413,71 € (12.544,12 DM) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz vom 07.12.2000 bis zum 31.12.2001 und 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, indem es die Beklagte zur Auskunft und zur Zahlung von 6.413,71 € nebst Zinsen verurteilt hat. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Anfechtungsvoraussetzungen der Absichtsanfechtung (§ 133 InsO) lägen vor.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 11.05.2005 zugestellte Teilurteil des Landgerichts am 13. Juni 2005, einem Montag, Berufung eingelegt. Ihr Rechtsmittel hat die Beklagte nach entsprechender Fristverlängerung am 11.08.2005 begründet. Während des Berufungsverfahrens haben die Parteien das von dem Kläger zur Durchsetzung der Auskunft betriebene Zwangsvollstreckungsverfahren für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte die Auskunft dahin erteilt hatte, die Fahrzeuge verkauft zu haben.

Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, mit der Maßgabe, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.795,92 € (9.380,00 DM) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank vom 07.12.2000 bis zum 31.12.2001 und 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 01.01.2002 zu zahlen [Bl. 479 d.A.].

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen M., welcher Geschäftsführer der Schuldnerin war. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel nur teilweise Erfolg.

Der von dem Kläger – im Berufungsrechtszug nunmehr – in Höhe von insgesamt 11.209,63 € geltend gemachte insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch ist nur in Höhe eines Betrages von 4.795,92 € begründet, im Übrigen, nämlich wegen eines Betrages in Höhe von 6.413,71 € unbegründet.

1. Soweit die Beklagte zur Auskunft verurteilt ist (Klageantrag zu Ziff. 1), hat die Beklagte inzwischen die Auskunft erteilt (Bl. 374 d.A.). Die Parteien haben in dem auf Festsetzung von Zwangsmitteln gerichteten Zwangsvollstreckungsverfahren daraufhin (Bl. 447/454 d.A.) beiderseitige Erledigungserklärungen abgegeben. Der Kläger hat nunmehr seinen Antrag insoweit zulässigerweise umgestellt: er ist insoweit von der Auskunftsklage zur Zahlungsklage übergegangen und beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 4.795,92 € nebst Zinsen zu verurteilen (Bl. 479 d.A.).

Der Senat kann über den sich aus der Auskunftsklage erwachsenen Zahlungsanspruch entscheiden, weil der Rechtsstreit nunmehr zur Entscheidung reif ist.

2. Dem Kläger steht der - im Berufungsrechtszug nunmehr (Bl. 479 d.A.) - in Höhe von insgesamt 11.209,63 € geltend gemachte insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch gemäß §§ 129, 133 Abs. 1, 143 Abs. 1 InsO nur in Höhe eines Betrages von 4.795,92 € zu, in Höhe eines Betrages von 6.413,71 € ist der Anspruch unbegründet.

a) Die von der Schuldnerin mit der Beklagten geschlossenen Sicherungsübereignungsverträge (Bl. 91 f/ 93 - 96 d.A.), mit denen die Schuldnerin der Beklagten einerseits Kraftfahrzeuge im Gesamtwert von 13.880,00 DM und andererseits Büroeinrichtungsgegenstände im Gesamtwert von 12.544,12 DM übereignet hat, sind als anfechtbare Rechtshandlungen im Sinne von § 129 InsO zu qualifizieren.

aa) Die Insolvenzgläubiger sind allerdings nur insoweit objektiv geschädigt, als es die sicherungsübereigneten Kraftfahrzeuge betrifft. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte die ihr sicherungsübereigneten Kraftfahrzeuge durch Weiterveräußerung verwertet hat. Die Beklagte hat dies zugestanden (Bl. 195 d.A.). Die Beklagte hat zwischenzeitlich Auskunft erteilt, insbesondere dahin, dass sie nach Maßgabe der von ihr vorgelegten Kaufverträge (Bl. 376 – 379 d.A.) die Kraftfahrzeuge zum Gesamtkaufpreis von 9.380,00 DM = 4.795,92 € verkauft hat. Folglich ist die Insolvenzmasse um den Wert der sicherungsübereigneten Gegen-stände, die die Beklagte erlangt und verwertet hat, geschmälert. Einen Gegenwert hat die Masse nicht erhalten.

bb) Hinsichtlich der sicherungsübereigneten Büroausstattung ist indessen entgegen den Ausführungen des Landgerichts eine Gläubigerbenachteiligung nicht eingetreten. Die vor dem Senat durchgeführte Beweisaufnahme hat die Richtigkeit der Behauptungen der Beklagten bestätigt, sie habe die ihr sicherungsübereignete Betriebs- und Geschäftsausstattung der Schuldnerin nicht in unmittelbaren Besitz genommen und auch nicht verwertet; die Betriebs- und Geschäftsausstattung habe sich bei Insolvenzeröffnung und noch später unangetastet in den Betriebsräumen der Schuldnerin befunden.

Die Aussage des Geschäftsführers der Schuldnerin, des Zeugen M., hat ergeben, dass die Büroeinrichtung in den Räumlichkeiten der Schuldnerin verblieben ist; zunächst wurden die Einrichtungsgegenstände von Firma H.-S. GmbH genutzt, später von einem Reinigungsunternehmen (nicht protokolliert). Eine Woche vor seiner Vernehmung hat der Zeuge M… die früheren Räume der Schuldnerin besichtigen können und hierbei festgestellt, dass sich dort die damalige Büroeinrichtung noch immer befindet; nach dem Eindruck des Zeugen handelte es sich um die komplette Einrichtung, namentlich der von ihm als Geschäftsführer genutzte Raum hat sich praktisch seit dem Jahre 2001 nicht verändert.

Aus der Insolvenzauskunft vom 27.11.2001 (Anlage K43 – Bl. 261 d.A.) des Zeugen lässt sich nicht entnehmen, dass die der der Beklagten sicherungsübereignete Büro- und Geschäftseinrichtung nicht - mehr - vorhanden war. Zwar hat der Zeuge dort als Wert die Angabe „keine“ gemacht und in der Rubrik zur Sicherungsübereignung nichts eingetragen. Der Zeuge hat bei seiner Vernehmung vor dem Senat jedoch nachvollziehbar erklärt, dass er möglicherweise einem Irrtum erlegen sei, weil die Sachen bereits abgeschrieben waren.

Der Senat folgt der Aussage des Zeugen, die er für glaubhaft erachtet. Der Zeuge hat sich anschaulich zu dem Verbleib der Büroeinrichtung geäußert und dabei auch Einzelheiten geschildert, die erklären, weshalb die schon damals abgenutzten Einrichtungsgegenstände von denjenigen Unternehmen weiter genutzt wurden, die anstelle der Schuldnerin in deren Betriebsräume eingezogen sind. Der Zeuge vermittelte einen glaubwürdigen Eindruck; mehrfach ergänzte er von sich aus in Einzelheiten seine Aussage, auf Zwischenfragen reagierte er ruhig und antwortete sachlich.

3. Die Sicherungsübereignung im Hinblick auf die Kraftfahrzeuge unterliegt der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO.

a) Die Schuldnerin hat insoweit mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt.

Der Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung setzt nicht voraus, dass der Gläubigernachteil den Zweck der Rechtshandlung bildet. Benachteiligungsvorsatz im Sinne der Anfechtungsvorschriften ist vielmehr schon dann gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung die Benachteiligung der Gläubiger im allgemeinen als mutmaßliche Folge seines Handels erkannt und gebilligt hat (BGH ZIP 1997, 853, 855).

aa) Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Schuldnerin einen solchen Benachteiligungsvorsatz gehabt hat. Insoweit hat das Landgericht auf die verschiedenen Mahnungen der Beklagten abgestellt, die diese mit Schreiben vom 13.10.1999 (Bl. 87 d.A.), 06.10.2000 (Bl. 89 d.A.) und 13.11.2000 (Bl. 88 d.A.) an die Schuldnerin gerichtet hat. Danach hatte die Schuldnerin die auf 54.076,20 DM lautende Forderung der Beklagten aus deren Rechnung vom 16.09.1999 noch immer nicht beglichen.

32Aus dem Schreiben der Schuldnerin vom 10.10.2000 (Bl. 90 d.A.) ergibt sich, dass sie aufgrund „sehr hoher Außenstände“ nicht imstande war, die Rechnung „zu bezahlen“; und es war „eine kurzfristige Verbesserung unserer Liquidität nicht zu erwarten“. Allein diese Erklärung reicht aus, um den Benachteiligungsvorsatz annehmen zu können. Denn die Schuldnerin wusste, dass sie die fällige, mehrfach angemahnte Forderung aus liquiden Mitteln nicht begleichen konnte und deshalb gab sie der Beklagten die sicherungsübereigneten Gegenstände zum Ausgleich. Die Schuldnerin hat mit ihrer Erklärung eingestanden, nicht über die liquiden Mittel zu verfügen. Schon diese Erklärung reicht aus, um den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bejahen zu können.

Die Feststellung des Benachteiligungsvorsatzes setzt nicht voraus, dass der Schuldner bereits zahlungsunfähig war. Die Beweiserleichterung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO, die von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit spricht, ist nur eine Möglichkeit für den Anfechtenden, den Vorsatz des Schuldners darzulegen.

Nach dem Akteninhalt ist die Schuldnerin allerdings bereits zum 06.12.2000 zahlungsunfähig gewesen. Der Kläger hat hierzu ausreichend vorgetragen (Seiten 9 - 11 der Klageschrift). Insbesondere hat der Kläger zu den Bankverbindungen (C.bank AG, D. Bank AG und V.bank S.-B. e.G.) jeweils ausgeführt, inwieweit die Schuldnerin die Kreditlinien ausgeschöpft hatte. Die noch verbliebenen liquiden Mittel hat er mit 16.349,00 DM angegeben (Seite 10 unten Klageschrift). Demgegenüber ist das Berufungsvorbringen der Beklagten, der Kontokorrentkredit sei „gar nicht voll ausgeschöpft“ (Bl. 400 d.A.), nicht erheblich, weil die Beklagte sich nicht mit dem Zahlenmaterial des Klägers auseinandersetzt.

bb) Die angefochtene Rechtshandlung hat zu einer inkongruenten Deckung geführt.

In dem Sicherungsübereignungsvertrag vom 06.12.2000 ist die Aufstellung der Kraftfahrzeuge mit den einleitenden Worten versehen: „Zur Sicherung der Forderung der Fa. S. GmbH, Rechnung Nr. 990128, für das Bauvorhaben : …str. 2 - 8 in H.“. Damit ist urkundlich belegt, dass es sich um eine nachträgliche Sicherung mit Verwertungsmöglichkeit handelt. Darin liegt eine nicht vereinbarte, folglich inkongruente Sicherung.

Das Berufungsvorbringen rechtfertigt eine andere Beurteilung nicht. Die Beklagte verweist auf Seite 6 der Berufungsbegründung (Bl. 400 d.A.) auf ihre erstinstanzliche Verteidigung zu einer Darlehensvereinbarung, die sie erst nach der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht mit Schriftsatz vom 10.03.2005 (Bl. 241 ff. d.A.) angebracht hat. Das Landgericht hat sich bereits - zutreffend - auf Seiten 10, 11 des Urteils hiermit auseinandergesetzt. Das Verteidigungsvorbringen der Beklagten steht mit den Vertragsurkunden nicht im Einklang.

Die Inkongruenz spricht als Beweisanzeichen für die Benachteiligungsabsicht des Schuldners. Tatsachen, die das Beweisanzeichen entkräften könnten (BGH ZIP 1997, 513, 515), hat die Beklagte nicht vorgetragen. Dazu hätte die Beklagte dartun müssen, die Schuldnerin sei seinerzeit davon ausgegangen, mit Sicherheit alle ihre Gläubiger befriedigen zu können (BGH ZIP 2000, 82, 83)

b) Der Beklagten war der Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin im Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung bekannt.

Die Kenntnis der Beklagten von dem Benachteiligungsvorsatz ergibt sich ohne weiteres aus dem Schreiben der Schuldnerin vom 10.10.2000 (Bl. 90 d.A.) und dem Inhalt der Sicherungsübereignungsverträge. Danach hat die Schuldnerin der Beklagten zu einem Zeitpunkt, zu welchem sie die Forderungen nicht durch liquide Zahlungsmittel begleichen konnte, eine nachträgliche Sicherung mit Verwertungsmöglichkeit im Hinblick auf Gegenstände des Betriebsvermögen zur Verfügung gestellt. Dies konnte zu einer möglichen Gläubigerbenachteiligung führen, wie die Beklagte dies wusste.

Für die Kenntnis der Beklagten spricht als Beweisanzeichen die Inkongruenz der erlangten Sicherung, weil der Beklagten diejenigen Umstände bekannt waren, welche die Inkongruenz bedeuten.

4. Rechtsfolge der Anfechtung ist gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO die Verpflichtung zu Wertersatz, da der Beklagten die Herausgabe der ihr sicherungsübereigneten Fahrzeuge nicht möglich ist.

Die Verurteilung im Zinsausspruch findet ihre Rechtsgrundlage in den Vorschriften der § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, §§ 819, 818, 288 BGB.

III.

Da der Rechtsstreit zur Entscheidung reif ist, hat der Senat über die Kosten beider Rechtszüge gemäß § 92 Abs. 1 ZPO zu befinden.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für beide Rechtszüge: 11.209,63 €. Die Beschwer des Klägers beläuft sich auf 6.413,71 €, diejenige der Beklagten auf 4.795,92 €.