VerfGH des Landes Berlin, Beschluss vom 15.03.1995 - 12 A/95
Fundstelle
openJur 2012, 749
  • Rkr:
Gründe

I.

Der Antragsteller versteht sich als politische Partei; sein Berliner Landesverband hat dem Landeswahlleiter die Teilnahme an den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen im Herbst 1995 angezeigt und ist am 7. Juli 1995 vom Landeswahlausschuß zugelassen worden. Der Antragsteller lehnt eine Fusion der Bundesländer Berlin und Brandenburg ab.

Das Abgeordnetenhaus von Berlin forderte im November 1993 den Antragsgegner auf, ein mit der Landesregierung Brandenburg abgestimmtes Konzept z. Information d. Öffentlichkeit über Folgen und Wirkungen der Vereinigung der Länder Berlin und Brandenburg sowie über Ziele und Inhalt des Neugliederungsstaatsvertrages vorzulegen. Ziel dieses Konzepts sollte es sein, die Bevölkerung in Berlin und Brandenburg umfassend zu informieren, so daß sie mit Sachkenntnis ihre Entscheidung im Rahmen der Volksabstimmung über eine mögliche Fusion d. Länder Berlin u. Brandenburg treffen könne.

Der Antragsgegner legte im März 1994 ein Grobkonzept für die Öffentlichkeitsarbeit vor, in dem zwischen drei Hauptphasen unterschieden wird, nämlich der Diskussionsphase, der Ratifizierungsphase und der Phase vor den Volksabstimmungen. Im Juni 1994 wurden Arbeitsentwürfe der Senatskanzlei des Landes Berlin und der Staatskanzlei des Landes Brandenburg für einen Neugliederungsvertrag und einen Staatsvertrag betreffend die Volksabstimmung über den Neugliederungsvertrag bekanntgemacht. Mit der Vorlage dieser Arbeitsentwürfe begann nach dem Konzept des Antragsgegners die "Diskussionsphasen . In Ausführung das Informationskonzeptes entfaltete der Antragsgegner folgende Aktivitäten:

1. Seit Juni 1994 stellte der Antragsgegner die Vertragsentwürfe zur Neugliederung in Form der Abgeordnetenhaus-Drucksache 12/4522 kostenlos zur Verfügung. Soweit die Entwürfe versandt wurden, war der genannten Drucksache teilweise ein Faltblatt "Zehnmal Ja zu einem Land" beigefügt, das von der Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg e.V. und dem Deutschen Gewerkschaftsbund - Landesbezirk Berlin- Brandenburg gemeinsam verantwortet wurde.

2. Ende Januar 1995 wurden in Berlin an etwa 700 Stellen Großplakate geklebt, die ein stilisiertes Brandenburger Tor und einen stilisierten Brandenburger Adler darstellen und auf der rechten Seite die Aufschrift enthalten: "EINS FUR ALLE Land Berlin-Brandenburg".

3. Am Sonnabend, dem 4. Februar 1995, wurde in Berliner Tageszeitungen vom Presse- und Informationsamt des Landes Berlin eine Anzeige unter der Überschrift "Wir informieren" geschaltet, in der Argumente für und gegen eine Länderfusion einander gegenübergestellt wurden; den für eine Fusion sprechenden Aussagen wurde dabei jeweils ein in Fettdruck gesetztes Schlagwort beigefügt (Beispiel: Ein Land sichert Zukunft!).

4. Seit Ende Januar 1995 wird über die Senatsverwaltungen und die Bezirksämter ein Informationsfaltblatt in einer Auflage von 300.000 Stück verteilt, in dem Argumente für das Bundesland Berlin- Brandenburg aufgeführt werden.

5. In der Senatskanzlei wurde eine beseitige Broschüre mit dem Titel "Berlin-Brandenburg - ein Land für alle" erarbeitet, die angefordert werden kann.

Der Antragsgegner hat für die Jahre 1994 bis 1996 die Kosten der Information der Öffentlichkeit zur Vereinigung Berlin-Brandenburg mit überplanmäßigen Ausgaben in Höhe von insgesamt 3 Mio. DM veranschlagt. Im Jahre 1994 wurden davon 25.000 DM verausgabt; die Senatsverwaltung für Finanzen beabsichtigt, für das Jahr 1995 überplanmäßige Ausgaben bis zu 750.000 DM zuzulassen.

Am 30. Januar 1995 hat der Antragsteller Organklage erhoben, mit der er einen Verstoß gegen Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 GG und eine Verletzung des Grundsatzes der Chancengleichheit der Parteien bei Wahlen und Abstimmungen rügt. Er macht geltend, die bisherigen Maßnahmen des Antragsgegners stellten keine sachliche Information, sondern eine verfassungsrechtlich unzulässige Tendenzwerbung dar. Indem der Antragsgegner im Mantel der Information einseitig werbend und sogar manipulativ in den Willensbildungsprozeß eingreife, verletze er seine - des Antragstellers - Chancengleichheit: Zum einen sei zu befürchten, daß er - der Antragsteller - dadurch als Partei, die gegen die Fusion eintrete, beim Wähler im Rahmen der Wahlen zum Abgeordnetenhaus wesentlich weniger Chancen habe. Zum anderen könne er infolge der massiven einseitigen Werbekampagne des Antragsgegners seinen Verfassungsauftrag im Rahmen der vorgesehenen Volksabstimmung nur eingeschränkt wahrnehmen.

Der Antragsteller beantragt festzustellen:

Der Senat von Berlin verstößt dadurch gegen Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 GG und den Grundsatz der Chancengleichheit bei Wahlen (Art. 21 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1 GG), daß er

1. das Plakat/Logo "EINS FUR ALLE Land Berlin- Brandenburg" bei auch ansonsten zulässigen - Informationen jedweder Art und über die Frage der Länderfusion zwischen Berlin und Brandenburg verwendet,

2. vor den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus 1995 sowie vor der Volksabstimmung über den Staatsvertrag mit dem Land Brandenburg zur Bildung eines gemeinsamen Landes durch Anzeigenserien, Faltblätter und sonstige Publikationen zugunsten der Fusion mit dem Land Brandenburg werbend in den Meinungsbildungsprozeß eingreift. Dies gilt nicht, wenn die Argumente der Befürworter und Gegner des Staatsvertrages gegenübergestellt werden, ohne diese dabei zu bewerten und ohne damit eine Entscheidung für oder gegen die Annahme des Staatsvertrages zu empfehlen.

3. bei der Versendung und Verteilung von Informationsmaterial zum Staatsvertrag mit dem Land Brandenburg zur Bildung eines gemeinsamen Landes Material von Verbänden und Gewerkschaften beifügt, die deren Haltung zum Staatsvertrag wiedergibt. Dies gilt nicht, wenn entsprechendes Informationsmaterial der Parteien, im konkreten Fall des Antragstellers, in entsprechendem Umfang beigefügt wird.

Der Antragsgegner vertritt die Ansicht, die Maßnahmen zur Information der Bevölkerung über die geplante Vereinigung der Bundesländer Berlin und Brandenburg hielten sich im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen. Im übrigen sei die geregte Mitversendung von Material von Verbänden und Gewerkschaften nicht mehr beabsichtigt.

Das Abgeordnetenhaus hat gemäß § 38 Abs. 2 VerfGHG von der Einleitung des Verfahrens Kenntnis erhalten.

II.

Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen, da der Verfassungsgerichtshof einstimmig auf sie verzichtet hat (§ 24 Abs. 1 VerfGHG).

Die Anträge sind unzulässig.

Der Antragsteller ist zwar als politische Partei im Organstreitverfahren parteifähig (1.). Jedoch fehlt es hinsichtlich der Anträge zu 1 und 2 an der Antragsbefugnis (2.). Hinsichtlich das Antrags zu 3 besteht kein Rechtsschutzbedürfnis (3.).

1. Das Organstreitverfahren ist statthaft. Die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs ist gemäß § 14 Nr. 1 VerfGHG gegeben, wenn eine politische Partei die Verletzung ihres verfassungsrechtlichen Status rügt (Urteil vom 17. Juni 1993 VerfGH 21/92 -, JR 1993, S. 432). Der Antragsteller ist eine politische Partei und damit im Organstreitverfahren parteifähig (§§ 14 Nr. 1, 36 VerfGHG). Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Parteiengesetzes, durch den der Parteienbegriff des Art. 21 Abs 1 GG in verfassungsmäßiger Weise konkretisiert wird (vgl. BVerfGE 89, 266, 269 f.), sind Parteien Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluß nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bieten. Um ihrer Rolle im Prozeß politischer Willensbildung und staatlicher Entscheidungsfindung gerecht zu werden, muß eine Partei nach außen tätig werden und im Wettbewerb mit anderen Parteien und sonstigen auf die Bildung der öffentlichen Meinung Einfluß nehmenden Einrichtungen und Verbänden die Bürger von der Richtigkeit ihrer Politik zu überzeugen versuchen. Von Parteien, die sich noch im Stadium der Gründung befinden und im Prozeß der politischen Willensbildung erst Fuß zu fassen beginnen, kann eine Wahrnehmung der in § 2 Abs. 1 Satz 1 Parteiengesetz umschriebenen Aufgabe nur in Ansätzen verlangt werden. Der bloße Wille, "Partei" zu sein, ist allerdings nicht ausreichend. Um zu gewährleisten, daß sich nur ernsthafte politische Vereinigungen und keine Zufallsbildungen von kurzer Lebensdauer um Wähler bewerben, bedarf es gewisser objektiver, im Ablauf der Zeit an Gewicht gewinnender Voraussetzungen, damit einer politischen Vereinigung der Status einer Partei zuerkannt werden kann. Entscheidend ist, ob die Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse einer Partei - unter Einschluß der Dauer ihres Bestehens - den Schluß zuläßt, daß sie ihre erklärte Absicht, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, ernsthaft verfolgt (vgl. zum Vorstehenden: BVerfG, Beschlüsse vom 17. November 1994, 2 BvB 1/93, 2/93 und 3/93).

Nach diesen Grundsätzen erfüllt der Antragsteller die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Parteiengesetz. Der Antragsteller ist vom Landeswahlausschuß für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus zugelassen worden. Diese Entscheidung ist vorbehaltlich einer Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof als Wahlprüfungsgericht endgültig (§ 27 Abs. 3 Satz 5 Landeswahlordnung). Aus dem Grundsatzprogramm, der Satzung und dem Wahlprogramm für die Abgeordnetenhauswahlen ergibt sich, daß der Bürgerbund auf Dauer auf die politische Willensbildung Einfluß nehmen und an der Vertretung des Volkes im Berliner Abgeordnetenhaus mitwirken will. Nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse bietet der Antragsteller auch die Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung.

2. Hinsichtlich der Anträge 1 und 2 ist der Antragsteller indessen nicht antragsbefugt. Gemäß § 37 Abs. 1 VerfGHG ist ein im Organstreitverfahren gestellter Antrag nur zulässig, wenn ein Antragsteller geltend macht, daß er (oder das Organ, dem er angehört) durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch die Verfassung von Berlin übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist. Angriffsgegenstand einer Organklage kann somit nur ein Verhalten sein, durch das ein Antragsteller in seinem Rechtskreis konkret betroffen wird oder das sich zumindest zu einem seine Rechtsstellung beeinträchtigenden, rechtserheblichen Verhalten verdichten kann. § 37 Abs. 1 VerfGHG setzt deshalb einen Sachvortrag voraus, aus dem sich diese Verletzung oder Gefährdung der Rechte und Pflichten als mögliche Rechtsfolge ergibt (vgl. Beschluß vom 22. November 1993 - VerfGH 22/92 -; zu der bundesrechtlichen Vorschrift des § 64 Abs. 1 BVerfGG vgl. BVerfGE 57, 1, 5; 60, 374, 381).

Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Durch die Öffentlichkeitsarbeit des Antragsgegners im Zusammenhang mit der geplanten Fusion der Länder Berlin und Brandenburg wird die Rechtsstellung einer politischen Partei im Sinne von Art. 21 Abs. 1 GG, auf den sich der Antragsteller beruft, nicht beeinträchtigt.

Zutreffend geht der Antragsteller davon aus, daß Art. 21 Abs. 1 GG, der die politischen Parteien als verfassungsrechtlich notwendige Instrumente für die politische Willensbildung des Volkes anerkennt, nicht nur für den Bereich des Bundes, sondern unmittelbar auch für die Länder gilt und Bestandteil der Landesverfassungen ist (ebenso u.a. BVerfGE 66, 107, 114 m.w.N.; vgl. auch Saarländischer Verfassungsgerichtshof, NJW 1980, 2181, 2182; Bremischer Staatsgerichtshof, DVBl. 1984, 221, 222; VerfGH NW, NWVBl. 1994, S. 453; Verfassungsgericht Brandenburg, Urteil vom 16. März 1995 - VfGBbg 4/94 EA; ablehnend: Rozek, Das Grundgesetz als Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab der Landesverfassungsgerichte, 1993, S. 177 ff.). Das aus Art. 21 GG folgende Recht der Parteien auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb (dazu nachfolgend a)) und der ebenfalls darin niedergelegte Auftrag, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken (b), werden indessen durch die die Fusion der Länder Berlin und Brandenburg propagierenden Verlautbarungen das Antragsgegners erkennbar nicht tangiert.

a) Der Grundsatz der Chancengleichheit, den das Bundesverfassungsgericht zunächst nur im Bereich des Wahlrechts im engeren Sinne angewandt, dann aber immer weiter auf das "gesamte Vorfeld der Wahlen" ausgedehnt hat (vgl. BVerfGE 20, 56, 116; 73, 40, 89), verbietet jede staatliche Maßnahme, die den Anspruch einer Partei auf die Gleichheit ihrer Wettbewerbschancen willkürlich beeinträchtigt. In bezug auf Wahlwerbung ist das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit verletzt, wenn Staatsorgane als solche parteiergreifend zugunsten oder zu Lasten einer Partei in den Wahlkampf einwirken. Ein parteiergreifendes Einwirken ist auch in der Form der Öffentlichkeitsarbeit nicht zulässig. Die Öffentlichkeitsarbeit findet dort ihre Grenzen, wo die Wahlwerbung beginnt (vgl. ebenso zum Bundesrecht BVerfGE 44, 125, 147).

Der Verfassungsgerichtshof hat bereits im Beschluß vom 15. März 1995 im Verfahren das vorläufigen Rechtsschutzes dargelegt, daß die vom Antragsteller beanstandeten Aktivitäten des Antragsgegners keinen Bezug zu den am 22. Oktober 1995 stattfindenden Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus erkennen lassen. Einen solchen Bezug hat der Antragsteller nach wie vor nicht nachvollziehbar dargelegt. Mit Blick auf die zweifellos rechtlich geschützte Chancengleichheit des Antragstellers im Wahlkampf fehlt es damit an einem schlüssigen Sachvortrag, dem sich eine Verletzungshandlung des Antragsgegners entnehmen ließe.

Eine solche Verletzung ist auch nicht im Vorfeld der für den 5. Mai 1996 vorgesehenen Volksabstimmung über die Fusion Berlin/ Brandenburg möglich. Insoweit ist das Recht des Antragstellers auf Chancengleichheit von vornherein nicht berührt. Auf die Gewährleistung der Chancengleichheit kann sich eine politische Partei nur dann berufen. wenn sie in direkter Konkurrenz mit anderen politischen Parteien steht. Bei der Vorbereitung einer Volksabstimmung geht es jedoch - anders als beim Wahlkampf nicht um einen unmittelbaren Wettbewerb einzelner Parteien, sondern um eine Sachfrage (vgl. BVerfGE 13, 54, 83; Schermann, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, 1992, S. 33); hier versuchen die verschiedensten gesellschaftsrelevanten Gruppen, die Öffentlichkeit von den Vor- und Nachteilen der einen oder der anderen Lösung zu überzeugen. Das Eintreten von Staatsorganen für eine bestimmte sachliche Lösung kann daher grundsätzlich nicht als Maßnahme mit Bezug auf die Wettbewerbssituation zwischen den einzelnen Parteien angesehen werden. Die allerdings auch außerhalb von Wahlkämpfen zu respektierende Chancengleichheit einer politischen Partei könnte hier durch Öffentlichkeitsarbeit nur dann verletzt werden, wenn diese Partei gezielt herausgegriffen, insbesondere in der Öffentlichkeit diffamiert würde (vgl. BVerfGE 40, 287, 293). Eine solche Fallgestaltung liegt ersichtlich nicht vor.

b) Der Antragsteller kann auch aus dem verfassungsmäßigen Auftrag der Parteien, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, vorliegend keine Antragsbefugnis im Sinne von § 37 VerfGHG herleiten. Soweit der Öffentlichkeitsarbeit des Antragsgegners hinsichtlich der Volksabstimmung über die Fusion Grenzen gesetzt sind, gehen diese nicht einher mit subjektiven Rechten der politischen Parteien aus Art. 21 Abs. 1 GG. Die Vorbereitung der Volksabstimmung ist anders als der Wahlkampf nicht primär eine "Domäne" der politischen Parteien im Sinne des Art. 21 Abs. 1 GG. Denn in den Meinungsbildungsprozeß vor einer Volksabstimmung greifen nicht nur die politischen Parteien, sondern die unterschiedlichsten Gruppierungen, Verbände und Vereinigungen ein. Selbst wenn der Antragsgegner bei einer Werbung zugunsten der Fusion das Verfassungsgebot der grundsätzlich staatsfreien Meinungs- und Willensbildung des Volkes, das ihn möglicherweise zur Sachlichkeit verpflichtet (vgl. Schürmann, aaO S. 312 ff.; s. auch BVerfGE 37, 84, 91 sowie Bay. Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 19. Januar 1994 VerfGH n. F. 47, 1 = NVwZ - RR 1994, S. 529 ff.) verletzen würde, könnten deshalb eigene verfassungsmäßige Rechte des Antragstellers nicht berührt sein. Dem Antragsteller wird sein aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG folgendes Recht, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, indem er für seine Auffassungen über die Nachteile der Fusion öffentlich eintritt, nicht streitig gemacht. Er kann indessen nicht - gleichsam in Prozeßstandschaft für das zur Abstimmung berufene Volk - auf dessen staatsfreie Willensbildung dringen und beanspruchen, daß sich der Antragsgegner in Sachen Fusion Zurückhaltung auferlegt (vgl. BVerfGE 13, 54, 85). Für eine Entscheidung darüber, welche Grenzen der Öffentlichkeitsarbeit des Antragsgegners im einzelnen - möglicherweise durch das Gebot der Sachlichkeit - gesetzt sind, ist nach alledem kein Raum.

3. Der Antrag zu 3 ist bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Nachdem der Antragsgegner erklärt hat, eine Versendung des Materials von Verbänden und Gewerkschaften sei nicht mehr beabsichtigt, besteht kein berechtigtes Interesse des Antragstellers an einer gerichtlichen Entscheidung.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf den §§ 33 und 34 VerfGHG.

Dieser Beschluß ist unanfechtbar.

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