KG, Urteil vom 16.02.2012 - 20 U 157/10
Fundstelle
openJur 2012, 662
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 35 O 8/08
Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15. Juni 2010 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 35 O 8/08 - teilweise wie folgt geändert:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 300.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Dezember 2007 als Schmerzensgeld zu zahlen, die Schmerzensgeldrente entsprechend Ziffer 2. des Urteils des Landgerichts ab dem 31.1.2008 (Rechtshängigkeit).

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagten als Gesamtschuldner zu 90 % und der Beklagte zu 2. zu 10 % allein.

Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsrechtszuges zu tragen; die Kosten der Streithilfe trägt der Streithelfer selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, ebenso das angefochtene Urteil.

Den Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Tatsächliche Feststellungen

A.

Die damals ca. 4 ½ - jährige Klägerin brach sich am 12. Dezember 2002 bei einem Sturz den linken Arm.

Bei der noch am gleichen Tage erfolgten Operation der sehr erregten und verängstigten Klägerin zur Reposition und eventuellen Fixation des Bruches in der Einrichtung der Beklagten zu 1. durch den Beklagten zu 2. kam es nach der Narkotisierung mittels Maske bei der Klägerin zu einer Schaukelatmung; CO2 in der Ausatmung konnte nicht nachgewiesen werden, es wurde eine Lippenzyanose festgestellt. Wegen des weiteren Verlaufs wird auf Seite 4 des Urteils des Landgerichts Bezug genommen.

Am 15. Dezember 2002 wurde bei der Klägerin ein diskretes Hirnödem festgestellt, das im weiteren Verlauf zunahm; der Hirndruck stieg trotz entsprechender Maßnahmen weiter an und sank erst ab dem 20. Dezember 2002.

Die Klägerin (zu 100 % schwerbeschädigt, Pflegestufe III) leidet aufgrund eines schweren Hirnschadens an einem apallischen Syndrom mit erheblichen Ausfallerscheinungen der Großhirnfunktion und einer Tetraspastik (Spastik an allen vier Gliedmaßen). Sie wird über eine PEG-Sonde ernährt und ist auf ständige Pflege angewiesen.

Die Haftpflichtversicherung der Beklagten zahlte an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 100.000 EUR als „Vorschussleistung.“

Die Klägerin hat in der ersten Instanz sinngemäß beantragt,

die Beklagten zur Zahlung von

500.000,00 EUR Schmerzensgeld, Zinsen seit dem 1.10.03

27.498,56 EUR Schadensersatz nebst Rechtshängigkeitszinsen

500,00 EUR monatliche Schmerzensgeldrente

zu verurteilen,

sowie festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen.

Widerklagend hat der Beklagte zu 2. sinngemäß beantragt,

die Klägerin zur Rückzahlung der 100.000 EUR nebst Zinsen an die Haftpflichtversicherung zu verurteilen.

Die Klägerin hat den Beklagten (grobe) Behandlungsfehler und Aufklärungsfehler vorgeworfen; die Beklagten sind den Vorwürfen in der 1. Instanz entgegen getreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrages wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Bezug genommen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens und eines Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen Dr. med. J... S... sowie durch Vernehmung des Sachverständigen im Termin am 20. April 2010. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 17. Mai 2009, die ergänzende Stellungnahme vom 21. Januar 2010 und das Sitzungsprotokoll vom 20. April 2010 Bezug genommen.

B.

Das Landgericht der Klägerin zugesprochen:

100.000 EUR Schmerzensgeld und Zinsen hieraus seit dem 17.12.07

650 EUR monatliche Schmerzensgeldrente

27.498,56 EUR Schadensersatz und Zinsen seit dem ab 5.2.08

Ferner hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche materielle Schäden aus dem Schadensereignis zu ersetzen, des Weiteren hat es die Widerklage des Beklagten zu 2. abgewiesen.

Dem Beklagten zu 2. seien mehrere, zum Teil schwere Behandlungsfehler unterlaufen.

Im Hinblick auf die Schwere der Behandlungsfehler und das Ausmaß der Beeinträchtigungen der Klägerin sei ein einmaliges Schmerzensgeld von 200.000,00 EUR gerechtfertigt, von denen 100.000 EUR bereits gezahlt worden seien (Widerklagebetrag). Ferner sei eine Schmerzensgeldrente von 650,00 EUR mtl. unter Zugrundelegung eines Gesamtschmerzensgeldes von 600.000,00 EUR angemessen.

Die Feststellungsklage sei nur hinsichtlich der zukünftigen materiellen Schäden erfolgreich, hinsichtlich der immateriellen Zukunftsschäden bestehe kein Feststellungsinteresse, da insoweit keine weiteren Verletzungsfolgen zu erwarten seien; der Zustand der Klägerin werde sich nicht ändern.

Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts Bezug genommen.

C.

Mit ihrer in vollem Umfang eingelegten Berufung verlangt die Klägerin höheres Schmerzensgeld und greift die Abweisung der Feststellungsklage hinsichtlich der zukünftigen immateriellen Schäden, sowie die teilweise Abweisung des Zinsantrages an.

Die Behandlungsfehler der Beklagten und die daraus folgenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin stehen jetzt nicht mehr im Streit.

Die Klägerin trägt vor:

1.

Der vom Landgericht (neben der Schmerzensgeldrente) als gerechtfertigt angesehene einmalige Schmerzensgeldbetrag von 200.000 EUR sei nicht annähernd angemessen. Insgesamt sei ein Schmerzensgeld von 500.000 EUR (neben der Schmerzensgeldrente) geschuldet.

Bei der Klägerin sei in nahezu allen Bereichen, die bei der Bemessung des Schmerzensgeldes eine Rolle spielten, der schwerstmögliche Fall eingetreten.

Das Landgericht habe insbesondere den Umstand, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Vorfalls bereits 4 ½ Jahre gewesen sei und daher bereits eine eigene Lebenswahrnehmung und eine gewisse Lebensqualität bestanden habe, nicht ausreichend gewürdigt; aufgrund dieser Erinnerung an das Leben vor dem Vorfall könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Klägerin die Grausamkeit und Ausweglosigkeit ihrer Situation durchaus bewusst sei. Dieses seelische Leid habe das Landgericht nicht berücksichtigt.

Das Landgericht habe vielmehr angenommen, dass sich das Leben der Klägerin weitgehend auf die Aufrechterhaltung vitaler Funktionen beschränke.

Tatsächlich könne die Klägerin, wenn auch sehr eingeschränkt, ihre Umwelt durchaus wahrnehmen und zeige auch emotionale Reaktionen. Hieraus könne geschlossen werden, dass die Klägerin noch Erinnerungen an die Zeit vor dem Schadensereignis habe und ihr jetziger Zustand ihr bewusst sei.

2.

Von der Rechtsprechung werde in vergleichbaren Fällen ein höheres Schmerzensgeld als vom Landgericht zuerkannt als angemessen angesehen.

3.

Das Landgericht habe durch das angefochtene Urteil der Klägerin weniger an Schmerzensgeld zugesprochen, als es selbst als angemessen angesehen habe (nämlich insgesamt 500.000 bis 600.000 EUR), denn die der Klägerin zugesprochene Schmerzensgeldrente ergebe kapitalisiert im Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils nur einen Betrag von rd. 152.000 EUR.

4.

Auch sei nicht erkennbar, weshalb der Antrag der Klägerin auf Ersatz der weiteren immateriellen Schäden abgewiesen worden sei. Vielmehr sei durchaus denkbar, dass sich die Situation der Klägerin weiter verschlechtere und sich demzufolge ihr Leid vergrößere.

5.

Das Schmerzensgeld sei bereits ab 1. Oktober 2003 und nicht erst seit dem 17. Dezember 2007 mit der endgültigen Ablehnung einer Leistung durch die Versicherung der Beklagten zu verzinsen. Vielmehr stelle das Schreiben des früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 15. September 2003 eine eindeutige Aufforderung zur Leistung im Sinne des § 286 Abs. 1 BGB dar.

Die Klägerin beantragt,

unter teilweise Abänderung des am 15. Juni 2010 verkündeten Endurteils des Landgerichts Berlin (Az.: 35 O 8/08)
1. die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner zu verurteilen, ein weiteres Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, das jedoch (weitere) EUR 300.000 EUR nicht unterschreiten sollte, zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2003;
2. festzustellen, dass die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche immateriellen Schäden zu ersetzen, die der Klägerin aufgrund der Behandlung im Virchow Klinikum in der Zeit vom 12. Dezember 2001 bis 30. Januar 2003 weiterhin entstehen werden.

Der Streithelfer stellt keinen Antrag.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten tragen vor:

1.

Auch sie gingen jetzt zwar von einer Haftung dem Grunde nach aus. Das Urteil des Landgerichts sei aber hinsichtlich der Annahme eines Gesamtschmerzensgeldes von 600.000 EUR ausgewogen. Es sei nicht erkennbar, inwieweit das Landgericht die schwersten Behinderungen der Klägerin nicht ausreichend gewürdigt habe.

Die von der Klägerin aufgeführten Urteile seien mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar.

2.

Das Landgericht habe den Feststellungsantrag hinsichtlich der immateriellen Schäden zu Recht abgewiesen. Wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes sei ein Feststellungsinteresse nur im Falle der Möglichkeit weiterer Verletzungsfolgen gegeben. Es sei hier aber nicht zu erwarten, dass sich der Zustand der Klägerin noch ändere, es sei auch nicht ersichtlich, dass weitere, nicht absehbare Folgen auftreten könnten.

3.

Das Landgericht sei zu Recht der Auffassung, dass das Schreiben vom 15. September 2003 (Anlage K 11) keine unmissverständliche Zahlungsaufforderung beinhalte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II. Würdigung

Die Berufung der Klägerin hat hinsichtlich des Schmerzensgeldes Erfolg; im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

1. Schmerzensgeld

Der Klägerin ist ein weiterer Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 300.000 EUR zuzusprechen, so dass sich das Gesamtschmerzensgeld auf rd. 650.000,00 EUR beläuft:

100.000 EUR sind bereits vorprozessual gezahlt worden und waren Gegenstand der (erfolglosen) Widerklage des Beklagten zu 2., weitere 100.000 EUR hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil zuerkannt. Die vom Landgericht zugesprochene monatliche Rente von 650,00 EUR entspricht einem Kapitalabfindungsbetrag in Höhe von nur 153.660,00 EUR und nicht - wie das Landgericht angenommen hat - von 400.000 EUR.

a. Gesamthöhe

Eine Gesamthöhe von rd. 650.000,00 EUR ist in Anbetracht der hier besonders tragischen Folgen angemessen.

aa.

Anhaltspunkte zur Ermittlung der Größenordnung vermittelt etwa die Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken (Urteil vom 22.4.08 - 5 U 6/07 -); der dortige Kläger erlitt aufgrund grober ärztlicher Behandlungsfehler ähnlich schwere Hirnschäden bei seiner Geburt wie die Klägerin; ihm wurden erstinstanzlich ein Schmerzensgeld von 500.000 EUR und eine Schmerzensgeldrente von 500,- EUR zugesprochen, was das Oberlandesgericht Zweibrücken unter Hinweis auf vergleichbare Entscheidungen als „zwar hoch, keinesfalls aber derart, dass eine Korrektur angezeigt wäre“ ansah.

Im Übrigen sieht der Senat davon ab, auf weitere Entscheidungen und die Entscheidungen, welche die Klägerin zur Unterstützung ihres Begehrens genannt hat, einzugehen, denn die Höhe des zuzusprechenden Schmerzensgelds bemisst ausschließlich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles.

Entscheidungen in vergleichbaren Fällen, wie sie insbesondere in Form von Schmerzensgeldtabellen veröffentlicht werden, können im Vorfeld der Entscheidungsfindung nur als grobe Orientierungshilfe herangezogen werden. Sie können jedoch nicht als Grundlage der Schmerzensgeldbemessung dienen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, neben der Beurteilung der konkreten Umstände des zu entscheidenden Rechtsstreits auch noch Urteile anderer Gerichts - und das ohne Aktenkenntnis - nachzuprüfen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Beschluss vom 16. Februar 2004 - 20 U 23/04, GesR 2005, 499-500; Beschluss vom 15. März 2007 - 20 W 11/07).

bb.

Der Klägerin ist darin zuzustimmen, dass das Landgericht bei der Schmerzensgeldbemessung die noch vorhandenen emotionalen Fähigkeiten der Klägerin nicht berücksichtigt hat, obwohl diese etwa dem bereits in der 1. Instanz eingereichten Förderplan für das Schuljahr 2007/2008 (Bl. 112, 113 Bd. I d.A.) zu entnehmen sind. Das Landgericht ist vielmehr davon ausgegangen, das „sich das Leben der Klägerin ... weitgehend auf die Aufrechterhaltung vitaler Funktionen beschränkt“, vgl. Seite 13 des Urteils.

Die Klägerin hat ihren Vortrag zu ihren emotionalen Wahrnehmungsmöglichkeiten in der Berufungsinstanz ergänzt und dies bestätigende Unterlagen (z.B. den Förderplan für das Schuljahr 2009/2010, Anlagen BK 4, Bericht, Anlage Bk 5, Bl. 151 ff. Bd. II d.A.) eingereicht, wonach die Klägerin durchaus in der Lage ist, grundlegende Emotionen, wie Freude, Unwohlsein, Angst zu empfinden und zu äußern; sie erkennt auch nahe stehende Bezugspersonen und reagiert auf diese.

Es kann daher auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin, die im Zeitpunkt der schicksalhaften Operation bereits 4 ½ Jahre alt war, eine Erinnerung an ihren früheren Zustand hat und ihr daher die Beschränktheit und Ausweglosigkeit der jetzigen Situation in gewisser Weise bewusst ist.

Die Beklagten bestreiten den ergänzten Vortrag der Klägerin nicht mehr und haben auch von der Verspätungsrüge Abstand genommen (Schriftsatz vom 17. Dezember 2010, Bl. 183 Bd. I d.A., Schriftsatz vom 6. Oktober 2011, Bl. 210 Bd. I d.A), so dass der Senat insoweit keinen Beweis zu erheben brauchte.

Das Alter der Klägerin im Zeitpunkt des Schadensereignisses und die Möglichkeit, dass eine, wenn auch noch so rudimentäre Erinnerung an „das frühere Leben“ besteht und ihr die jetzigen Einschränkungen in irgendeiner Form bewusst sind, stellen eine Abweichung von den so genannten „Geburtsschadenfällen“ dar und rechtfertigen ein höheres Schmerzensgeld.

b. Falsche Gesamtschmerzensgeldberechnung des Landgerichts

aa.

Nach den Entscheidungsgründen hielt das Landgericht „ein Gesamtschmerzensgeld von 600.000,00 für für angemessen und ausreichend“ und war offensichtlich der Auffassung, dass dieser Betrag bei einem Schmerzensgeldbetrag von 200.000 EUR und einer monatlichen Schmerzensgeldrente von 650,- EUR erreicht wird. Hieraus ergibt sich, dass das Landgericht die Schmerzensgeldrente von monatlich 650 EUR einem Kapitalbetrag in Höhe von 400.000 EUR gleichgesetzt hat.

Dieses ist aber nicht richtig. Wie die Klägerin in der Berufungsbegründung (von den Beklagten unangefochten) darlegt, entspricht die Schmerzensgeldsrente von 650 EUR einem Kapitalbetrag von nur rd. 150.000,00 EUR.

Somit hätte auch das Landgericht aus seiner Sicht eigentlich einen Schmerzensgeldbetrag von 350.000 EUR (450.000 abzüglich der bereits gezahlten 100.000 EUR) statt 100.000 EUR zusprechen müssen.

bb.

Vielmehr ist die Berechnung der Klägerin auf Seite 10 der Berufungsbegründung zur Kapitalisierung der Schmerzensgeldrente im Wesentlichen korrekt:

Die Höhe der Rente ist unter Berücksichtigung der statistischen Lebenserwartung und mit dem üblichen Zinsfuß von 5 % zu kapitalisieren, vgl. Gerhard Küppersbusch, 10. Auflage, Ersatzansprüche bei Personenschäden, Rdnr. 300, 869 m.w.N.

Basierend auf der Sterbetafel 2005/2007 des Statistischen Bundesamtes (abgedruckt im Anhang bei Küppersbusch a.a.O.) und unter Berücksichtigung des Alters der Klägerin im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (12 Jahre), ergibt sich ein Kapitalisierungsfaktor von 19,7 (Tabelle I/8).

Der Kapitalbetrag errechnet sich daher wie folgt, vgl. Rechenbeispiele bei Küppersbusch a.a.O., Rdnr. 878:

650,00 EUR x 12 x 19,7 = 153.660,00 EUR

c.

Im Urteilstenor zu Ziffer 2. des Urteils des Landgerichts ist kein Zeitpunkt genannt worden, ab welchem die Schmerzensgeldrente zu zahlen ist; der Senat hat daher mit der vorliegenden Entscheidung klargestellt, dass die Rentenzahlung ab Rechtshängigkeit der Klage zu leisten ist (vgl. § 291 BGB).

2. Zinsantrag

Insoweit ist die Berufung der Klägerin unbegründet.

a.

Das Landgericht hat auf das Schmerzensgeld nur Verzugszinsen ab dem 17. Dezember 2007 zugesprochen, weil die Versicherung der Beklagten nach vergeblichen Versuchen der Parteien, eine gütliche Einigung herbeizuführen, mit Schreiben von diesem Tage (Bl. 102 Bd. I d.A.) eine Zahlung endgültig abgelehnt habe („Die von Ihnen erhobenen Forderungen werden … als rechtlich unbegründet zurückgewiesen ….. Ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung wird im Hinblick darauf, dass die Verhandlungen als gescheitert angesehen werden, nicht abgegeben.“).

Das Schreiben des damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 15. September 2003 (Anlage K 11) beinhalte jedoch keine unmissverständliche Zahlungsaufforderung/Mahnung im Sinne von § 286 Abs. 1 BGB.

b.

Die Auffassung des Landgerichts trifft zu.

Soweit das Schreiben vom 15.September 2003 überhaupt eine Zahlungsaufforderung enthält, was allein dem Satz

„Für den in Ihrem Hause erfolgten Narkosezwischenfall während der Operation des Armbruches begehren meine Mandanten für ihre Tochter M… ein angemessenes Schmerzensgeld und eine Rentenzahlung“

zu entnehmen sein könnte, fehlt es jedenfalls an der erforderlichen Bestimmtheit.

Zwar ist bei betragsmäßig unbestimmten Ansprüchen, wie Schmerzensgeld, Pflichtteil und Unterhalt eine Bezifferung unter Umständen entbehrlich, erforderlich ist aber zumindest, dass ausreichend konkrete Tatsachen zur Höhe vorgetragen werden (Palandt-Grüneberg, BGB, 70. Auflage, § 286 Rdnr. 19 unter Hinweis auf BGH VersR 63, 726).

Daran fehlt es hier. Zwar wird in dem Schreiben umrissen, welche Fehler den Beklagten zu Last gelegt werden und es wird zum Ausdruck gebracht, dass die Klägerin „nach diesem Narkosezwischenfall schwerst behindert ... ist“ und „in jedem Fall …dauerhaft auf fremde Hilfe angewiesen sein wird“. Allerdings lässt sich den Ausführungen nicht entnehmen, in welchem Bereich sich die Zahlungsvorstellungen der Klägerin bewegen.

Sinn und Anlass des Schreibens vom 15. September 2003 war es nicht, die Beklagten zur Zahlung von Schmerzensgeld aufzufordern, sondern lediglich erst einmal die Voraussetzungen für Vergleichsverhandlungen zu schaffen, was deutlich in dem letzten Satz zum Ausdruck kommt:

„Bitte benennen Sie mir einen Ansprechpartner in Ihrem Hause bzw. bei Ihrer Haftpflichtversicherung, mit dem der Unterzeichner Verhandlungen aufnehmen kann, um eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen. Für Ihre Antwort notiere ich mir den 30.9.2003.“

3. Feststellungsantrag/zukünftige immaterielle Schäden

Insoweit ist die Berufung ebenfalls unbegründet.

Das Landgericht hat die Feststellungsklage hinsichtlich der immateriellen Zukunftsschäden zu Recht als unzulässig angesehen.

a.

Wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes, der eine ganzheitliche Betrachtung und Bemessung gebietet, muss die künftige Entwicklung des Schadensbildes in die Bemessung des Schmerzensgeldes miteinbezogen werden (vgl. z.B. BGHZ 128, 117, 121 f; BGH, VersR 1961, 164, 165). Bei schweren Dauerschäden - wie vorliegend der Fall - steht dem Verletzten - i.d.R. neben dem Kapitalbetrag - eine Rente zu. Die Schmerzensgeldrente soll den bereits eingetretenen immateriellen Schaden abgelten und zugleich der Dauerbeeinträchtigung des Verletzten angemessen Rechnung tragen (Palandt-Grüneberg, BGB, 70. Auflage, § 253 Rdnr. 21).

b.

Ein Feststellungsinteresse bezüglich künftiger immaterieller Schäden ist daher nur gegeben, wenn die Möglichkeit der Änderung/Verschlimmerung des Schadensbildes und somit auch eine Änderung/Verschlimmerung des immateriellen Schadens bestehen.

Dafür liegen aber, wie das Landgericht richtig erkannt hat, keine Anhaltspunkte vor. Der Sachverständige hat festgestellt, es sei nicht zu erwarten, dass sich der Zustand der Klägerin noch ändert, also weder zum Positiven noch zu Negativen.

Auch wenn man aufgrund des ergänzten Vorbringens der Klägerin in der Berufungsinstanz davon ausgeht, dass die Klägerin über gewisse emotionale Fähigkeiten verfügt und nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Klägerin der jetzige Zustand im Vergleich zu ihrem Zustand vor der Operation im Ansatz und in irgend einer Form bewusst ist (was mit dem entsprechenden seelischen Leid verbunden ist, welches aber bei der Bemessung des zuerkannten Schmerzensgeldes berücksichtigt wurde), ist aber nicht zu erwarten, dass sich die geistigen Fähigkeiten der Klägerin so verbessern, dass sie ihren Zustand vor und nach der Operation klarer als zum jetzigen Zeitpunkt wahrnehmen beurteilen und vergleichen kann, was der einzige denkbare Fall einer Erhöhung des seelischen Leides ist.

Welche geringen Weiterentwicklungsmöglichkeiten bei der Klägerin überhaupt noch bestehen bzw. angestrebt werden können, zeigen die Förderpläne (z.B. Anlage BK 4, Bl. 151 Bd. II d.A.).

c.

Die Klägerin macht auch in der Berufungsbegründung keine konkreten Ausführungen dazu, welche das Schmerzensgeld erhöhenden Umstände theoretisch eintreten könnten.

Im Übrigen ist anzumerken, dass die Klägerin zumindest in der 1. Instanz den Feststellungsantrag wohl nur versehentlich auch auf die immateriellen Schäden erstreckt hat.

Ihre Ausführungen in der Klageschrift zum Feststellungsantrag (Seite 20, Bl. 20 Bd. I d.A.) betreffen ausschließlich die zukünftigen materiellen Schäden.

Auch ihre Streitwertangabe (400.000 EUR, hiervon 80 % = 320.000 EUR) berechnet sie ausschließlich anhand der zu erwartenden materiellen Schäden, vgl. Seiten 20, 21 der Klageschrift vom 28. Dezember 207, Bl. 20, 21 Bd. I d.A.. Offensichtlich war die Klägerin also zumindest damals der Auffassung, dass nur künftige materielle Schäden durch den Feststellungsantrag zu sichern waren.

B.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären waren, sondern die Entscheidung auf einer Tatsachenwürdigung im Einzelfall beruht und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 92 Abs. 1, und 2, 97 Abs. 1, 101 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Hierbei war zu berücksichtigen, dass der Beklagte zu 2. mit seiner Widerklage in der 1. Instanz keinen Erfolg gehabt hat.

Die Entscheidung über die durch die Streithilfe verursachten Kosten beruht auf dem Umstand, dass sich die Streitverkündung nur auf die Nachteile bezieht, die Folge der nicht rechtzeitigen Inverzugsetzung sind (Seite 12 der Berufungsbegründung, Bl. 146 Bd. II d.A.). Insoweit hat die Berufung der Klägerin aber keinen Erfolg, s.o. Soweit sich die Streitverkündung auch darauf bezieht, dass der Streithelfer es versäumt hat, bei dem Antrag auf Verurteilung zur Zahlung der Schmerzensgeldrente klarzustellen, dass Zahlung ab Rechtshängigkeit begehrt wird, hat der Senat den Tenor von Amts wegen klargestellt, ohne dass dieses Einfluss auf die Höhe des Streitwerts und die Kostenentscheidung hat.