OLG Bamberg, Beschluss vom 10.01.2011 - 2 WF 320/10
Fundstelle
openJur 2012, 113301
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen Ziffer 1 des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengerichts - Forchheim vom 25. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.010,00 Euro festgesetzt.

IV. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahrens Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin H., X., beigeordnet.

V. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beschwerdegegnerin hat mit am 27.05.2010 beim Amtsgericht - Familiengericht - Forchheim eingegangenen Schriftsatz rückständigen Kindesunterhalt in Höhe von 482,00 Euro für die Zeit von Februar 2010 bis Mai 2010 sowie laufenden Kindesunterhalt in Höhe von 105 % des jeweiligen Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe, abzüglich des hälftigen Kindergeldes (Zahlbetrag: 241,00 Euro), für die Zeit ab 01.06.2010 geltend gemacht.

Nachdem der Antragsgegner auf bereits erfolgte Zahlungen hingewiesen und am 15.07.2010 eine dem Verlangen der Antragstellerin entsprechende Jugendamtsurkunde errichtet hatte, nahm die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 21.10.2010 schließlich ihren Hauptsacheantrag zurück.

Mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Forchheim vom 25.10.2010 wurden dem Antragsgegner in Ziffer 1 der Entscheidung die Kosten des Verfahrens auferlegt. Zur Begründung wurde in der auf § 243 FamFG beruhenden Entscheidung darauf verwiesen, dass der Antragsgegner Anlass zur Verfahrenseinleitung gegeben habe, weil er den Kindesunterhalt nicht rechtzeitig bezahlt habe.

Gegen die seinem Bevollmächtigten am 27.10.2010 zugestellte Kostenentscheidung wendet sich der Antragsgegner mit seiner am 04.11.2010 am Amtsgericht in Forchheim eingegangenen Beschwerde, die er mit am 23.11.2010 beim Oberlandesgericht Bamberg eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Er verweist darauf, dass die Antragstellerin den nach § 269 Abs. 4 ZPO erforderlichen Kostenantrag nicht gestellt habe und im Übrigen der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auferlegt werden müssten, weil er keinen Anlass zur Verfahrenseinleitung gegeben habe. Es habe nämlich keine Aufforderung zu einer Titulierung des Unterhalts gegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 23.11.2010 Bezug genommen.

Die Antragstellerin verteidigt die angegriffene Entscheidung und verweist darauf, dass vom Antragsgegner bereits mit Schreiben des Landratsamtes X. (Beistand der Antragstellerin) vom 09.02.2010 Auskunft und Zahlung verlangt worden sei. Darüber hinaus sei der Antragsgegner in diesem Schreiben bereits zur Titulierung nach Bezifferung des Unterhalts aufgefordert worden.

Der Einzelrichter hat die Sache wegen grundsätzlicher Bedeutung mit Beschluss vom 11.01.2011 dem Senat übertragen.

II.

Auf das Verfahren ist nach Art. 111 FGG-RG das FamFG anzuwenden, weil es nach dem 01.09.2009 eingeleitet worden ist.

a) Das Rechtsmittel des Antragsgegners ist als sofortige Beschwerde gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 269 Abs. 5 ZPO statthaft.

10Während bei den FamFG-Verfahren im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit Einigkeit herrscht, dass sich die isolierte Anfechtung der Kostenentscheidungen nach den §§ 58 ff. FamFG richtet (OLG Stuttgart, Beschluss vom 03.11.2009, 18 UF 243/09; OLG München, Beschluss vom 03.11.2009, 33 WF 243/09; OLG Köln, FamRZ 2010, 1834; OLG Zweibrücken, FamRZ 2010, 1835; OLG Düsseldorf, FamRZ 2010, 1835), wird dies bei Familienstreitsachen unterschiedlich beurteilt. Während die derzeit herrschende Meinung davon ausgeht, dass Kostenentscheidungen in Familienstreitsachen grundsätzlich nicht angefochten werden können (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, § 99 Abs. 1 ZPO) und eine Anfechtung nur in den gesetzlich zugelassenen Fällen als sofortige Beschwerde gemäß §§ 567 ff. ZPO in Betracht kommt (vgl. OLG Saarbrücken vom 11.10.2010, AZ.: 6 UF 72/10, m. w. N.; OLG München vom 19.05.2010, AZ.: 26 WF 379/10; OLG Nürnberg, FamRZ 2010, 1837; OLG Frankfurt, FamRZ 2010, 1696), geht eine andere Auffassung davon aus, dass sich auch die isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung von Familienstreitsachen nach den §§ 58 ff. FamFG richtet (vgl. OLG Oldenburg, FamRZ 2010, 1831, n. w. N.). Der Senat folgt der herrschenden Auffassung, wobei eine Entscheidung schon deshalb notwendig ist, weil davon die Besetzung des Gerichts abhängt (§ 568 ZPO einerseits und § 68 Abs. 4 FamFG andererseits).

Der Wortlaut des § 58 FamFG lässt keinen sicheren Schluss darauf zu, ob bzw. welche Rechtsmittel gegen eine Kostenentscheidung in Familienstreitsachen statthaft sein sollen, nachdem sich § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG auch als Verweis auf die §§ 99, 91 a Abs. 2 bzw. 269 Abs. 5 ZPO verstehen lässt. Davon ist jedenfalls der Gesetzgeber ausgegangen. In der Bundestagsdrucksache 16/12717, Seite 60, ist hierzu nämlich ausgeführt:

"Von einer klarstellenden Regelung zu der aus der richterlichen Praxis gestellten Frage, ob Entscheidungen, die in Ehesachen oder Familienstreitsachen über die Verteilung der Kosten nach übereinstimmender Erledigungserklärung bzw. nach Rücknahme des Antrags ergehen nach § 58 FamFG oder mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist, wurde abgesehen, denn die Antwort auf diese Frage lässt sich unmittelbar aus dem Gesetz entnehmen. Bei den genannten Entscheidungen handelt es sich um Endentscheidungen im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG, gegen die nach § 58 Abs. 1 FamFG die Beschwerde stattfindet, sofern durch das Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Diese Subsidiaritätsklausel greift hier ein, denn über § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG gelangen in den genannten Fallgruppen § 91 a Abs. 2 und § 269 Abs. 5 ZPO zur Anwendung, die als statthafte Rechtsmittel ausdrücklich die sofortige Beschwerde nach § 567 ff. ZPO bestimmen."

Für diese Auslegung sprechen auch systematische Gründe. In Ziffer Nr. 1910 des Kostenverzeichnisses zum FamGKG ist nämlich eine Festgebühr von 75,00 Euro für "Verfahren über die Beschwerde in den Fällen von §§ 71 Abs. 2, 91 a Abs. 2, 99 Abs. 2 und § 269 Abs. 5 ZPO" vorgesehen. Wäre der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass Kostenentscheidungen in Familienstreitsachen nach den §§ 58 ff. FamFG anfechtbar sind, hätte es dieser Regelung nicht bedurft.

Vor diesem Hintergrund können die von der Gegenmeinung vorgebrachten Argumente nicht überzeugen. Der Gesetzgeber war nicht gehalten, die Anfechtung der Kostenentscheidungen in FGG-Familiensachen und in Familienstreitsachen gleich auszugestalten. Aus dem Zweck des § 99 Abs. 1 ZPO ergibt sich vielmehr eine sachliche Rechtfertigung für diese Differenzierung. Durch die Vorschrift soll nämlich verhindert werden, dass im Rahmen der Anfechtung einer Kostenentscheidung noch einmal die Hauptsacheentscheidung zur Überprüfung gestellt wird, nachdem sich gemäß §§ 91 ff. ZPO die Kostenentscheidung am Obsiegen bzw. Unterliegen zu orientieren hat. Dies gilt beispielsweise für isolierte Güterrechtssachen bzw. sonstige Familiensachen im Sinne des § 266 Abs. 1 FamFG nach wie vor. Kostenentscheidungen sind hier nach den §§ 91 ff. ZPO vorzunehmen. Für Unterhaltssachen sind Kostenentscheidungen zwar ausschließlich auf der Grundlage des § 243 FamFG zu treffen, der als Spezialregelung die § 91 ff. ZPO verdrängt (OLG Oldenburg, FamRZ 2010, 1831, m. w. N.). Daraus ergibt sich jedoch nur, nach welchen materiellen Kriterien die Kostenentscheidung zu treffen ist. Zwingende Konsequenzen für die Frage, welches Rechtsmittel statthaft ist, ergeben sich daraus allerdings nicht (Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 243 FamFG, RdNr. 9). Wenn vor diesem Hintergrund der Zweck des § 99 Abs. 1 ZPO für Unterhaltsstreitsachen nicht unmittelbar einschlägig ist, verbietet sich jedoch eine Differenzierung innerhalb der Familienstreitsachen, weil anderenfalls das Rechtsmittelsystem noch unübersichtlicher und komplexer ausgestaltet wäre.

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist auch gemäß §§ 269 Abs. 5 Satz 1 2. Hs. ZPO zulässig, nachdem die Beschwerdesumme in der Hauptsache (über 600,00 Euro) erreicht wäre. Die Beschwerdesumme des § 567 Abs. 2 ZPO (über 200,00 Euro) ist erreicht, nachdem der Antragsgegner erreichen will, dass die Antragstellerin die gesamten Verfahrenskosten zu tragen hat. Die Beschwerdefrist des § 569 ZPO ist ebenfalls eingehalten.

b) In der Sache hat das Rechtsmittel des Antragsgegners allerdings keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung in Unterhaltssachen hat auf der Grundlage des § 243 FamFG zu erfolgen, der die §§ 91 ff. ZPO verdrängt. Die in § 243 Satz 2 FamFG dargestellten Umstände sind dabei nicht abschließend, wie sich aus der Formulierung "insbesondere" ergibt.

Dem Antragsgegner sind die Kosten des Verfahrens zu Recht auferlegt worden, weil ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne des § 93 ZPO nicht vorliegt (§ 243 Satz 2 Nr. 4 FamFG). Der Antragsgegner hat nämlich durch sein Verhalten Anlass zur Einleitung des Verfahrens gegeben.

Auf Grund des Auskunftsersuchens des Landratsamtes X. vom 09.02.2010, das als Beistand für die Antragstellerin aufgetreten ist, hat sich der Antragsgegner mit dem Kindesunterhalt für die Zeit ab 01.02.2010 in Rückstand befunden (§ 1613 Abs. 1 BGB). Mit den in seinem Schreiben vom 07.06.2010 substantiierten Zahlungen hat sich der Antragsgegner damit bei allen aufgelisteten Zahlungen in Verzug befunden. Die Überweisung der 482,00 Euro am 23.03.2010 hat den Unterhalt für die Monate Februar und März betroffen. Der Unterhalt für April 2010 wurde erst am 23.04.2010, der für Mai am 26.05.2010 und der für Juni am 07.06.2010 überwiesen. Außerdem wurde der Antragsgegner bereits mit Schreiben des Landratsamtes X. vom 09.02.2010 aufgefordert, eine Jugendamtsurkunde zu erstellen, sobald die Unterhaltsberechnung erfolgt ist. Eine solche wurde mit Schreiben vom 09.03.2010 erstellt, so dass der Antragsgegner gehalten war, seiner Verpflichtung nachzukommen. Dies hat er bis zur Anhängigkeit des Verfahrens am 27.05.2010 nicht getan, so dass er letztlich die Kosten des Verfahrens veranlasst und zu vertreten hat. Gründe der Billigkeit rechtfertigen es damit, ihm die Kosten aufzuerlegen, nachdem er schließlich dem Verlangen der Antragstellerin in vollem Umfang nachgekommen ist, allerdings erst nach Anhängigkeit des Verfahrens.

Ob es wegen der Regelung in § 81 Abs. 1 Satz 3 FamFG überhaupt eines Antrags nach § 269 Abs. 4 ZPO bedarf kann dahinstehen, nachdem die Antragstellerin die Entscheidung des Familiengerichts verteidigt und damit einen konkludenten Antrag gestellt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 Abs. 1 FamFG, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 42 Abs. 1 FamGKG. Sie berücksichtigt das Interesse des Antragsgegners, nämlich, dass die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.

Sie betragen 1.010,00 Euro. Auszugehen ist von dem vom Familiengericht festgesetzten Gegenstandswert von 3.374,00 Euro. Wie der Antragsgegner zu einem Gegenstandswert von 2.892,00 Euro kommt, ist nicht nachvollziehbar. Auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 3.374,00 Euro errechnen sich jeweils Rechtsanwaltskosten in Höhe von 359,50 Euro und Gerichtskosten in Höhe von 291,00 Euro.

Der Antragstellerin ist für die Beschwerdeinstanz gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2, 114 ff. ZPO Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin H. beizuordnen. Die Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung sind gemäß § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht zu prüfen. Die Antragstellerin ist nach ihren eigenen Angaben einkommens- und vermögenslos.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG). Zwar wird die Frage, welches Rechtsmittel im vorliegenden Fall statthaft ist, unterschiedlich beantwortet. Im Ergebnis kommt es hierauf jedoch nicht an, weil das Rechtsmittel des Antragsgegners sowohl als Beschwerde gemäß §§ 58 ff. FamFG wie auch als sofortige Beschwerde gemäß den §§ 567 ff. ZPO statthaft und zulässig ist. Nachdem die Sache dem Senat zur Entscheidung übertragen worden ist, ändert sich auch an der Gerichtsbesetzung nichts.