LG München I, Urteil vom 09.05.2011 - 1 S 22360/10
Fundstelle
openJur 2012, 115887
  • Rkr:
Tenor

I. Das Urteil des Amtsgerichts München vom 15.10.2010 wird in Ziffer I des Tenors wie folgt abgeändert:

Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 03.03.2010 zu TOP 1a und 1b werden insoweit für ungültig erklärt, als darin ein Balkonanbau mit Balkontüren inklusive Planung und hierzu erforderlicher Baugenehmigung mitbeschlossen wurde,

es wird festgestellt, dass der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 03.03.2010, TOP 1c nichtig ist,

der Beschluss vom 03.03.2010, TOP 2a wird bezüglich der Einzeljahresabrechnungen für 2009 im Punkt 5, "Hausreinigung ohne RGB“, und im Punkt 10, "Hausverwaltung“, für ungültig erklärt,

der Beschluss vom 03.03.2010, TOP 2b (Entlastung der Hausverwaltung) wird für ungültig erklärt,

im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Das Urteil des Amtsgerichts München vom 15.10.2010 wird im Kostenausspruch aufgehoben. Von den Kosten beider Instanzen trägt die Klägerin 65 % und die Beklagten tragen samtverbindlich 35 %.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313a I 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft nicht in Betracht kommt: Die Revision wurde nicht zugelassen; eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 62 Abs 2 WEG n. F. ausgeschlossen, da es sich vorliegend um eine Streitigkeit nach § 43 Nr. 4 WEG handelt (Spielbauer/Then, WEG, § 62 Rz. 6).

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg.

1. Die Anfechtungsklage ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass die von der Klägerin in erster Instanz vorgelegte Eigentümerliste die Miteigentümerin O. nicht aufführt. Die Miteigentümerin O. hält den Miteigentumsanteil gemeinschaftlich mit ihrem in der vorgelegten Liste aufgeführten Ehemann.

a) Grundsätzlich sind gemäß § 253 II Nr. 1, IV i.V.m. § 130 Nr. 1 ZPO sämtliche Parteien mit ladungsfähiger Anschrift genau zu bezeichnen (BGH Urteil vom 04.03.2011, Az.: V ZR 190/10; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 253 Rz. 8). § 44 I 2 WEG ändert an diesem Erfordernis grundsätzlich nichts; die Norm verlängert lediglich den Zeitpunkt, bis zu dem die Parteien nach § 253 ZPO zu bezeichnen sind (BGH Urteil vom 04.03.2011, Az.: V ZR 190/10). Von diesen strengen Anforderungen kann dann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn dem Kläger in bestimmten Konstellationen die genaue Bezeichnung der Parteien nicht möglich oder unter Berücksichtigung schutzwürdiger Belange nicht zumutbar ist (BGH Urteil vom 04.03.2011, Az.: V ZR 190/10, Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 253 Rz. 8).

b) Nach diesen Grundsätzen ist die Klage hier zulässig.

(1) Zwar wurden nicht sämtliche Beklagten bis zum gemäß § 44 I 2 WEG maßgeblichen Zeitpunkt korrekt bezeichnet: Von zwei Miteigentümern, die ihren Miteigentumsanteil gemeinschaftlich in Bruchteilsgemeinschaft halten, wurde nur einer genannt. Erst in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer wurde der fehlende Name ergänzt.

(2) Es geht hier allerdings nicht um das Problem, dass den Anforderungen des § 253 ZPO überhaupt nicht genügt wurde – zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung liegen die Voraussetzungen des § 253 ZPO vor. Es geht vielmehr darum, dass den Anforderungen bis zum Zeitpunkt nach § 44 I 2 WEG nicht fehlerfrei genügt wurde und dieses Manko erst später behoben wurde. Nach Ansicht der Kammer schließt § 44 I 2 WEG aber eine solch nachträgliche Fehlerbehebung in einzelnen Punkten nicht aus. Das ergibt sich aus den schutzwürdigen Belangen der Anfechtungsklägerin, denen Interessen der Beklagten nicht entgegenstehen.

(a) Auf der einen Seite kann es der Klagepartei durchaus sehr leicht passieren – und passiert es nach den Erfahrungen der Kammer in der Praxis auch öfters –, eine kleine Ungenauigkeit bzw. Unvollständigkeit in der Eigentümerliste bis zum Zeitpunkt des § 44 I 2 WEG nicht zu bemerken. Die Gefahr wird auch nicht durch die Möglichkeit einer Grundbucheinsicht zuverlässig ausgeschlossen. Ein Eigentumserwerb außerhalb des Grundbuchs etwa (namentlich durch Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 I BGB) würde sich der Klagepartei auf diesem Wege nicht ohne weiteres offenbaren. Zu beachten ist auch, dass es bei § 46 I WEG auf die übrigen Eigentümer zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage ankommt (vgl. Niedenführ, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 44 Rz. 11), also der Klagezustellung. Die Klagepartei muss diesen Zeitpunkt zunächst einmal in Erfahrung bringen. Sodann muss sie einen Grundbuchauszug genau daraufhin auswerten, welche Eigentümerwechsel vor und welche nach der Rechtshängigkeit vorgenommen wurden. All dies birgt mögliche Fehlerquellen.

(b) Angesichts dieser Schwierigkeiten wäre es nach Ansicht der Kammer eine nicht gerechtfertigte Förmelei, jeglichen Fehler der Klagepartei bei der Erstellung der Eigentümerliste, der erst nach dem gemäß § 44 I 2 WEG maßgeblichen Zeitpunkt behoben wird, ausreichen zu lassen, um die Anfechtungsklage ohne Sachprüfung als unzulässig abzuweisen. Berechtigte Interessen der Beklagten erfordern eine derartige Formstrenge nicht.

Die Klage wurde von Anfang an gegen die übrigen Eigentümer gerichtet. Damit ist auch ein in der Liste nicht aufgeführter Eigentümer von Anfang an Partei geworden (Bärmann/Klein, WEG, 11. Aufl., § 44 Rz. 17). Dieser Umstand ist für alle Beteiligen ohne weiteres erkennbar, so dass sich sämtliche übrigen Eigentümer – auch der nicht Genannte – auf die Situation einstellen können. Zustellungsprobleme entstehen ebenfalls keine, weil die übrigen Eigentümer hier insoweit durch die Hausverwaltung wirksam vertreten wurden. Auch Probleme im Zwangsvollstreckungsverfahren, die zu vermeiden ein wesentlicher Zweck des Erfordernisses der Eigentümerliste ist (Niedenführ in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 44 Rz. 7), ergeben sich letztlich nicht, wenn die Unvollständigkeit der Eigentümerliste noch, wie hier, vor einer rechtskräftigen Endentscheidung korrigiert wird.

11(c) Angesichts dessen ist, entsprechend dem Rechtsgedanken des § 319 ZPO, eine Korrektur der grundsätzlich rechtzeitig im Sinne des § 44 I 2 WEG eingereichten, aber in einzelnen Punkten unvollständigen oder fehlerhaften Eigentümerliste möglich (Bärmann/Klein, WEG, 11. Aufl., § 44 Rz. 17; Niedenführ in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 44 Rz. 11 a.E.; Jennißen, WEG, § 44 Rz. 18; so auch BayObLG NZM 2005, 110 für das FGG-Verfahren). Eine Nachbenennung der Miteigentümerin, die ihren Miteigentumsanteil gemeinschaftlich mit dem rechtzeitig gemäß § 44 I 2 WEG in der Eigentümerliste genannten Ehemann hält, war hier also in der Berufungsinstanz noch zulässig.

2. Die Anfechtungsfrist wurde vorliegend gewahrt.

Zwar wurde die Anfechtungsklage den Beklagten erst am 06.05.2010 zugestellt, wohingegen die Anfechtungsfrist für die am 03.03.2010 gefassten Beschlüsse bereits am 06.04.2010 (dem Dienstag nach Ostermontag) abgelaufen war. Es greift aber § 167 ZPO, weil die Klage noch „demnächst“ im Sinne der Norm zugestellt wurde. Zwar hat die Klägerin eine gewisse Verzögerung dadurch mitzuverantworten, dass ein erster Zustellungsversuch der Klage gescheitert ist, weil sie in der Klageschrift die Adresse des Hausverwalters nicht richtig angegeben hatte. Die konkret dadurch verursachte Verzögerung betrug aber exakt 14 Tage. Eine derartige nur geringfügige Verzögerung von um die zwei Wochen schließt § 167 ZPO indes grundsätzlich und auch hier nicht aus, selbst wenn sie auf Nachlässigkeit der Klagepartei beruht (BGH NJW 2011, 1277; 2009, 999, 1000 f.; Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl., § 167 Rz. 12).

3. Auf die Anfechtungsklage der Klägerin hin war die Nichtigkeit des unter TOP 1c protokollierten Beschlusses festzustellen.

a) Der Beschluss ist zu unbestimmt und daher nichtig.

Nach dem Protokoll wurde beschlossen, dass die Kosten für die zuvor beschlossene energetische Sanierung grundsätzlich von den Eigentümern des Vordergebäudes zu tragen seien, der Miteigentümer L. aber anbot, sich dennoch an den Kosten für das Haupttor zu beteiligen und die Kosten für sein Garagentor vollumfänglich selbst zu tragen.

Es lässt sich dem Beschluss nicht, auch nicht durch objektive Auslegung, entnehmen, welche Kostenverteilung genau damit beschlossen wurde. Es ist schon unklar, was es rechtlich bedeuten soll, dass die Eigentümer beschließen, dass ein Miteigentümer etwas anbietet: Wird durch diesen Beschluss das Angebot angenommen oder wird es nur zur Kenntnis genommen? Im übrigen ist der Inhalt des Angebots des Miteigentümers nicht eindeutig erkennbar. Offen bleibt die Frage, zu welcher Quote sich der Miteigentümer an den Kosten des Haupttores beteiligt, nur zu einer von ihm – möglicherweise nach § 317 BGB – zu bestimmenden Quote oder nach Miteigentumsanteil?

b) Folglich war die Nichtigkeit des Beschlusses TOP 1c festzustellen. Dabei brauchte nicht mehr aufgeklärt werden, ob der Beschluss überhaupt gefasst wurde.

Für die Feststellung der Nichtigkeit eines Beschlusses ist es anerkannt, dass sie aufgrund des einheitlichen Streitgegenstandes auch auf eine Anfechtungsklage hin ausgeurteilt werden kann, ohne dass es einer Klageänderung bedürfte (BGH NJW 2009, 3655, 3657). Folglich kann in einem solchen Fall letztlich offen bleiben, ob ein Beschluss nichtig oder aber jedenfalls anfechtbar ist.

Nichts anderes gilt für das Verhältnis zwischen einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Beschlusses zu einer Klage auf Feststellung, dass der Beschluss nicht gefasst wurde. In beiden Fällen handelt es sich – wie auch bei der Anfechtungsklage – um eine Beschlussmängelklage gemäß § 43 Nr. 4 WEG (Bärmann/Klein, WEG, 11. Aufl., § 43 Rz. 104 a.E.). Deren stets einheitlicher Streitgegenstand liegt darin, dass es um die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses und des zugrunde liegenden Verfahrens geht (Bärmann/Klein, WEG, 11. Aufl., § 43 Rz. 90). Deshalb braucht nicht aufgeklärt zu werden, ob ein Beschluss überhaupt gefasst wurde, wenn er jedenfalls nichtig ist, weil die Beschlussmängelklage so oder so Erfolg hat.

4. Die unter TOP 1a und 1b gefassten Beschlüsse waren nur insoweit für ungültig zu erklären, als damit auch ein Balkonanbau mit Balkontüren inklusive Planung und hierzu erforderlicher Baugenehmigung mitbeschlossen wurde. Nur insoweit hat die Berufung in diesem Punkt Erfolg.

a) Die Auslegung der Klageanträge ergibt, dass die Klägerin sich hier sowohl gegen TOP 1a als auch gegen TOP 1b wendet. Denn inhaltlich sind beide Beschlüsse untrennbar miteinander verknüpft: Während TOP 1a festlegt, dass eine energetische Sanierung nach Variante 2 der Zustandsanalyse durchgeführt werden soll, präzisiert TOP 1b diesen Willen der Eigentümer inhaltlich dahingehend, dass dies nur bis zu einem Kostenaufwand von 96.000 € netto (+/- 10 %) gelten solle.

b) Die Beschlüsse waren für ungültig zu erklären, soweit der Balkonanbau, Balkontürerrichtung, diesbezügliche Planung und Einholung einer Genehmigung mitbeschlossen wurden.

(1) Die objektive Auslegung der Beschlüsse TOP 1a und 1b ergibt, dass damit über die eigentliche energetische Sanierung hinaus auch noch ein Balkonanbau samt Balkontürenerrichtung, diesbezüglicher Planung und Einholung einer Baugenehmigung beschlossen wurde. Das ergibt sich daraus, dass in dem Beschluss TOP 1b ausdrücklich auf die Mail der Firma E. vom 03.03.2010 (Anlage ASt 6) Bezug genommen wird. Die darin enthaltene Kostenschätzung von ca. 96.000 € machen die Eigentümer zur Grundlage ihrer in TOP 1b beschlossenen finanziellen Obergrenze für die in TOP 1a beschlossene Maßnahme. Daraus ergibt sich, dass die Eigentümer die Einzelmaßnahmen, aus denen sich die Kostenschätzung zusammensetzt, in Auftrag geben wollten. Dazu gehören aber auch die Maßnahmen in Zusammenhang mit einer Balkonerrichtung, im Einzelnen die Errichtung eines Stahlbalkons (15.000 €), der Einbau zusätzlicher Balkontüren (3.600 €) und die Baugenehmigung für den Balkon inklusive Planung (2.500 €).

(2) Dieser Teil des Beschlusses ist teilungserklärungswidrig und verstößt damit gegen § 21 III WEG.

(a) Denn nach Punkt 5 c cc der Gemeinschaftsordnung (Seite 5 der Gemeinschaftsordnung) ist es den jeweiligen Sondereigentümern der betreffenden Wohnungen gestattet, jeweils einen Balkon zu errichten, wobei die Eigentümer selbst für die Baugenehmigung zu sorgen haben und sowohl alle Kosten für die Erstellung als auch sämtliche Folgekosten tragen müssen.

(b) Damit werden die Errichtung der Balkone und alle damit einhergehenden Lasten rechtsverbindlich den Sondereigentümern zugewiesen: Sie – und nicht die Gemeinschaft – dürfen die Balkone errichten und müssen dazu eine erforderliche Genehmigung einholen und die Errichtung bezahlen. Die nächstliegende Bedeutung dieser Regelung ist die, dass den Sondereigentümern die Balkonerrichtung insgesamt übertragen wird. Die Errichtung der Balkone wird damit aus dem Bereich der gemeinschaftlichen Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinne des § 21 I WEG explizit ausgenommen. Das ist ausweislich des Wortlauts des § 21 I WEG rechtlich zulässig, obwohl es um gemeinschaftliches Eigentum geht. Gegen diese rechtsverbindliche Kompetenzzuweisung verstoßen die Beschlüsse TOP 1a und 1b, weil sie die Balkonerrichtung wieder zur Gemeinschaftssache erklären. Die Regelung in Punkt 5 c cc der Gemeinschaftsordnung lässt eine Befugnis der Gemeinschaft, die einmal an die Sondereigentümer ausgelagerte Kompetenz durch einfachen Mehrheitsbeschluss wieder zurückzuholen, nicht erkennen.

(c) Folglich waren die Beschlüsse TOP 1 a und 1 b in diesem Punkt für ungültig zu erklären. Entgegen der Ansicht des Beklagtenvertreters führt § 10 VI 3 WEG hier zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Vorschrift setzt voraus, dass das betreffende Recht einer einheitlichen Ausübung durch die Gemeinschaft zugänglich ist (Bärmann/Klein, WEG, 11. Aufl., § 10 Rz. 251). Genau daran fehlt es hier aber, weil die Regelung Nr. 5 c cc der Gemeinschaftsordnung, wie soeben ausgeführt, die Ausbaubefugnis in Bezug auf die Balkone ausschließlich den betroffenen Sondereigentümern zuweist und so die gemeinschaftliche Verwaltung in diesem Punkt ausschließt. Die Bestimmung bedingt damit in diesem Punkt nicht nur § 21 I WEG ab, sondern entzieht zugleich auch der Anwendung des § 10 VI 3 WEG den Boden.

(3) Die Klägerin hat u.a. den Gesichtspunkt des unzulässigerweise mitbeschlossenen Balkonanbaus innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist im Kern gerügt. Die Beschlüsse waren insoweit also für ungültig zu erklären.

c) Im übrigen war Anfechtungsklage gegen die die Beschlüsse TOP 1a und 1b zurückzuweisen.

(1) Die Beschlüsse sind entgegen der Meinung der Klägerin nicht schon mangels Bestimmtheit nichtig.

Insoweit ist unschädlich, dass die Beschlüsse auf die Zustandsanalyse der Firma E. verweisen. Derartige Bezugnahmen auf einen außerhalb des Protokolls liegenden Gegenstand reichen aus, wenn, wie hier (siehe Anlage B6), dieser mit genügender Bestimmtheit feststellbar ist (BayObLG ZWE 2005, 230; Jennißen/Elzer, WEG, Vor §§ 23-25 Rz. 145).

Unschädlich ist in diesem Zusammenhang auch, dass der maximale Kostenrahmen nur ungefähr angegeben wird. Es geht hier nicht um den Beschluss einer Sonderumlage, der freilich stets einen genau feststehenden Betrag enthalten muss (so jeweils der Fall in BayObLG NZM 2003, 66; LG München I ZMR 2008, 488). Vielmehr geht es nur um die Bestimmung einer finanziellen Obergrenze, bis zu der die Eigentümer die Sanierung in Auftrag geben wollen. Hierbei ist es unschädlich und auch durchaus naheliegend, zu bestimmen, dass der Auftrag auch bei Unterschreiten der Obergrenze von 96.000 € netto + 10 % erteilt werden soll.

(2) Die Beschlüsse sind auch nicht aufgrund des Rechtsgedankens des § 139 BGB insgesamt für ungültig zu erklären.

(a) Die objektive Auslegung der Beschlüsse ergibt nach Ansicht der Kammer keinen untrennbaren Zusammenhang der Beschlüsse TOP 1a und 1b zu dem nichtigen Beschluss TOP 1c. Vielmehr ist vorliegend davon auszugehen, dass die Beschlüsse TOP 1a und 1b unabhängig von dem Beschluss TOP 1c Bestand haben.

Bei Zugrundelegung des Klägervortrags, dass der Beschluss TOP 1c gar nicht gefasst worden sei, ergibt sich das schon daraus, dass dann tatsächlich nur die Beschlüsse TOP 1a und 1b (gänzlich unabhängig von TOP 1c) gefasst wurden.

Aber auch wenn TOP 1 c beschlossen wurde, ist er jedenfalls nicht untrennbar im Sinne des § 139 BGB mit TOP 1a und 1b verknüpft. Die Beschlüsse TOP 1a und 1b regeln die Frage, ob und mit welchem Umfang die Sanierungsmaßnahme durchgeführt werden soll. Demgegenüber regelt TOP 1c ausschließlich eine davon zu trennende Folgefrage, nämlich die Frage, wie die insoweit anfallenden Kosten zu verteilen sind. Der Aufbau des Beschlussprotokolls, das für die gebotene objektive Beschlussauslegung zum Schutze etwaiger Rechtsnachfolger grundsätzlich allein maßgeblich ist (BGH NJW 1998, 3713, 3714; Spielbauer/Then, WEG, § 23 Rz. 26), zeigt, dass die Eigentümer erst nach den Beschlüssen TOP 1a und 1b über die Kostenverteilung (TOP 1c) beschließen wollten. Auch das weist darauf hin, dass die Beschlüsse zu TOP 1a und 1 b gerade nicht von dem Beschlussergebnis über die Kostenverteilung abhängig sein sollten.

(b) Auch die Teilungültigkeit der Beschlüsse TOP 1a und 1b bezüglich des Balkonanbaus löst keine Gesamtungültigkeit der Beschlüsse entsprechend § 139 BGB aus. Denn auch insoweit sind die Beschlüsse teilbar. Es müssen und können schlicht die drei auf den Balkonanbau bezogenen Positionen aus der zugrunde liegenden Kostenschätzung der Firma E. gestrichen werden. Aufgrund der Tatsache, dass es sich hier um gesondert aufgeführte und damit klar ausscheidbare Positionen handelt, die auch technisch mit der energetischen Sanierung im engeren Sinne nicht zwingend verknüpft sind, steht hier nach Ansicht der Kammer fest, dass der Beschluss insoweit teilbar ist, der bestehen bleibende Teil also auch ohne den für ungültig erklärten Teil gefasst worden wäre.

(3) Die Beschlüsse TOP 1a und 1b sind auch nicht aus anderen Gründen über die Balkonerrichtung hinaus für ungültig zu erklären.

(a) Insoweit können, da es sich nicht um Nichtigkeitsgründe handelt, nur die Gesichtspunkte berücksichtigt werden, die die Klägerin zumindest im Kern innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist gerügt hat, § 46 I WEG. Ein Nachschieben von Gründen ist grundsätzlich ausgeschlossen (BGH NJW 2009, 999, 1000).

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Beschlusssammlung hier ordnungsgemäß geführt wurde oder nicht. Denn eine Wiedereinsetzung in die Anfechtungsbegründungsfrist scheidet schon deswegen aus, weil ein fristgerechter Wiedereinsetzungsantrag nicht gestellt wurde. Dem Klägervertreter wurde der Schriftsatz des Beklagtenvertreters, der das Beschlussprotokoll enthielt, am 30.06.2010 zugestellt (EB hinter Bl. 32). Die hierauf ergangene Stellungnahme vom 28.07.2010 erfolgte also nicht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 234 ZPO.

(b) Die Beschlüsse sind nicht schon deswegen für ungültig zu erklären, weil nach dem Klägervortrag die Einladungsfrist nicht gewahrt worden sei. Erstens ist § 24 IV 2 WEG nur eine Sollvorschrift, so dass der Verstoß hiergegen allein noch nicht eine Ungültigerklärung rechtfertigt (Bärmann/Merle, WEG, 11. Aufl., § 24 Rz. 33). Zweitens fehlt es an einer Auswirkung eines etwaigen Ladungsfehlers auf das Beschlussergebnis, weil unstreitig eine Vollversammlung vorlag, in der alle widerspruchslos die Beschlussgegenstände berieten und darüber abstimmten (vgl. Bärmann/Merle, WEG, 11. Aufl., § 23 Rz. 171).

(c) Auch die Rüge der Klägerin, dass über die Balkonerrichtung hinaus auch noch weitere unzulässige bauliche Änderungen mitbeschlossen worden seien, verfängt nicht.

Ausweislich der Kostenschätzung in der Email vom 03.03.2010, auf die die Beschlüsse unmittelbar aufbauen, ging es neben dem Balkonanbau nur um Sanierungsmaßnahmen und den Einbau von Toren mit elektrischem Antrieb. Letztere stellen aber keine unzulässigen baulichen Änderungen dar, die nur mit Zustimmung der Klägerin hätten beschlossen werden dürfen. Denn die Klägerin hat insoweit nichts vorgetragen und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass sie hierdurch Nachteile gemäß § 14 Nr. 1 WEG erleiden würde. Ihr droht folglich hier wegen § 16 VI WEG auch keine zusätzliche Kostenlast.

(d) Die Beschlüsse TOP 1a und 1b sind auch nicht deswegen insgesamt für ungültig zu erklären, weil die Maßnahme nach dem Vortrag der Klägerin primär den Miteigentümern im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss, nicht aber der Klägerin im Dachgeschoss zugute komme.

Bei der energetischen Sanierung geht es zuvörderst um das Gemeinschaftseigentum, das auch der Klägerin gehört, so dass auch sie an den Vorteilen der Sanierung partizipiert.

Im übrigen war es hier entgegen der Meinung der Klägerin nicht geboten, in die Sanierung auch schon gleich das Dach mit einzubeziehen. Die Gemeinschaft hat bei der Vornahme von derartigen Sanierungsmaßnahmen ein weites Ermessen, wobei sie grundsätzlich auch nur Teilsanierungen beschließen kann (Bärmann/Merle, WEG, 11. Aufl., § 21 Rz. 90). Die Grenzen dieses Ermessens hat die Gemeinschaft vorliegend gewahrt. Das gilt auch bei Zugrundelegung des Klägervortrags, wonach die Beurteilung des Sanierungsbedarfs auch des Daches durch die Zustandsanalyse der Firma E. fehlerhaft gewesen sein soll. In diesem Fall wäre die Frage der Erforderlichkeit einer Dachsanierung bei der Beschlussfassung noch nicht letztlich gutachterlich geklärt gewesen. Auch vor diesem Hintergrund wäre die Nichteinbeziehung des Daches in das aktuelle Sanierungsvorhaben aber rechtlich nicht zu beanstanden.

Das gilt umso mehr, als die Eigentümer bereits am 17.12.2009 unter TOP 3 beschlossen hatten, dass sie eine Fassadeninstandsetzung planten: Von einer zugleich vorzunehmenden Dachsanierung wurde damals nichts gesagt. Dieser Beschluss ist bestandskräftig und damit für alle Miteigentümer, auch die Klägerin bindend.

(e) Schließlich greift auch die Rüge der Klägerin nicht durch, dass sie benachteiligt werde, weil sie künftig ihr Recht aus der Teilungserklärung, Dachflächenfenster einzubauen, nicht mehr wahrnehmen könnte, weil dadurch die Grundlage für die KfW-Förderung entfiele. Die Rechte der Klägerin aus der Teilungserklärung bezüglich des Dachfenstereinbaus werden durch die angefochtenen Beschlüsse nicht berührt und insbesondere nicht ausgeschlossen. Namentlich wird durch die Beschlüsse nicht geregelt, dass die Klägerin auf den Dachfenstereinbau zu verzichten habe, um eine KfW-Förderung zu erhalten.

(f) Die übrigen gegen die Beschlüsse TOP 1a und 1b vorgebrachten Rügen der Klägerin wurden nicht innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist erhoben.

5. Die Anfechtung der Genehmigung der Jahresabrechnung 2009 (TOP 2a) war insoweit erfolgreich, als der Beschluss bezüglich der Einzeljahresabrechnungen für 2009 im Punkt 5 "Hausreinigung ohne RGB“ und im Punkt 10 "Hausverwaltung“ für ungültig zu erklären war.

a) Nach dem unbestrittenen Klägervortrag ist in der Position Nr. 10 „Hausverwaltung“ ein Betrag von 800 € für die nachträgliche Erstellung der Abrechnung Hausverwaltung D. enthalten. Dieser Betrag war nach dem die Parteien bindenden gerichtlichen Vergleich vom 01.02.2008 (Anlage B 8), Ziffer II a.E., nach Miteigentumsanteilen zu verteilen. In der Jahresabrechnung wurde er demgegenüber nach Kopfteilen verteilt. Die Kostenverteilung war insoweit also falsch, so dass die Einzeljahresabrechnungen in diesem Punkt für ungültig zu erklären waren.

b) Entsprechendes gilt für die Position Nr. 5 „Hausreinigung ohne RGB“. In dieser Position wurden die Hausreinigungskosten allein auf die Eigentümer des Vordergebäudes verteilt. Eine entsprechende Kostentrennung zwischen Vorder- und Rückgebäude ergibt sich jedoch konkret für die Hausreinigungskosten aus der Teilungserklärung nicht. Sie folgt auch nicht aus Ziffer III des Vergleichs vom 01.02.2008. Die Bestimmung ist nicht mehr einschlägig, weil sie ausdrücklich nur galt, „Solange die Reinigungskraft Frau P. im jetzigen Umfang für die Eigentümergemeinschaft tätig ist“. Frau P. ist unstreitig indes nicht mehr für die WEG tätig. Auch insoweit ist also die Kostenverteilung fehlerhaft, so dass die Jahreseinzelabrechnungen diesbezüglich für ungültig zu erklären waren.

c) Da es nur um singuläre Einzelpositionen ging, waren die Einzelabrechnungen ausschließlich in den beiden Positionen aufzuheben. Die Jahresgesamtabrechnung blieb demgegenüber von diesen Fehlern unberührt, weil die Kostenverteilung allein eine Frage der Einzelabrechnungen ist (Spielbauer/Then, WEG, § 28 Rz. 62).

6. Da die Jahreseinzelabrechnungen teilweise für ungültig erklärt wurden und also in diesen Punkten neu zu erstellen sind, war folglich auch der Beschluss über die Entlastung der Hausverwaltung (TOP 2b) für ungültig zu erklären. Denn wegen der Pflicht zur teilweisen Neuerrichtung erscheinen eben noch Ansprüche gegen die Verwaltung bezüglich des Abrechnungsjahres 2009 möglich.

7. Im übrigen ist die Berufung der Klägerin unbegründet.

a) Die Anfechtungsklage bezüglich des Beschlusses TOP 3 (Überdachung) hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Fassung eines positiven Beschlusses. Denn die Überdachung stellt eine bauliche Veränderung dar, die gemäß §§ 22 I, 14 Nr. 1 WEG der Zustimmung aller Eigentümer bedarf. Die Überdachung ist hier auch nicht zwingend erforderlich: Die Verkehrssicherungspflicht kann dadurch gewahrt werden – und wird oftmals von Hauseigentümern auch auf diese Weise gewahrt – dass der Bereich gut geräumt und gestreut wird. Folglich war auch die entsprechende Verpflichtungsklage abzuweisen.

b) Auch die Klage bezüglich TOP 4 (Mülltonnenverkleidung) war abzuweisen. Auch insoweit gilt das Einstimmigkeitserfordernis gemäß §§ 22 I, 14 Nr. 1 WEG. Die Klägerin kann die von ihr gewünschte Gestaltung der Mülltonnen nicht gegen den Willen der übrigen Eigentümer durchsetzen.

c) Schließlich ist auch die Klage bezüglich TOP 9 (Energetische Dachsanierung) unbegründet. Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz klargestellt, dass es ihr hier nur um die Frage geht, ob die Dachsanierung zwingend in eine etwaige (unter TOP 1a und b beschlossene) energetische Sanierung der Fassade einzubeziehen ist (Bl. 121 f.). Das ist, wie bereits dargelegt (oben 4 c (3) (d)), nicht der Fall, weil die beschlossene Teilsanierung vom insoweit bestehenden Ermessen der Eigentümer gedeckt war.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Klägerin bezüglich der TOP 1a und 1b bezüglich der Balkone, die nach Anlage ASt 6 einen Kostenanteil von ca. 20 % ausmachen, bezüglich TOP 1c, bezüglich zweier Einzelpositionen der Jahreseinzelabrechnungen bei TOP 2a (geschätzter Teilstreitwert 8.000 €, Obsiegensanteil der Klägerin hieran ca. 10 %) und bezüglich TOP 2b (geschätzter Teilstreitwert 2.000 €) obsiegte.

2. Die Revision war gemäß § 543 I Nr. 1, II ZPO nicht zuzulassen, da die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich ist. Es ging nur um die Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze auf einen reinen Einzelfall.

3. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit war nicht veranlasst, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil nicht mehr gegeben ist. Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß §§ 62 II, 43 Nr. 4 WEG nicht gegeben.

4. Die Streitwertfestsetzung für die Berufungsinstanz erfolgte bereits in der mündlichen Verhandlung.