OLG Hamm, Beschluss vom 30.04.1998 - 2 Ws 189/98
Fundstelle
openJur 2012, 77891
  • Rkr:
Tenor

Die sofortige Beschwerde ist gegenstandslos.

Gründe

I.

Mit dem angefochtenen Beschluß vom 16. März 1998 hat die Strafvollstreckungskammer die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers nach Verbüßung von 2/3 der dreimonatigen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Aachen vom 27. März 1997 (45 Ds 50 Js 1585/96 - 982/96) abgelehnt. 2/3 der erkannten Strafe waren am 3. März 1998 vollstreckt, mit Ablauf des 3. April 1998 ist die Strafe vollständig verbüßt. Seit dem 4. April 1998 wird gegen den Beschwerdeführer aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Aachen vom 4. Dezember 1997 (41 Gs 3874/97) Untersuchungshaft vollstreckt. Insoweit wird der Beschwerdeführer beschuldigt, unerlaubt Betäubungsmittel in nicht geringer Menge aus den Niederlanden nach Deutschland eingeführt zu haben, um damit Handel zu treiben.

Die angefochtene Entscheidung, die mit einer fehlenden positiven Sozialprognose begründet worden ist, ist dem Beschwerdeführer am 23. März 1998 in der Justizvollzugsanstalt ... zugestellt worden, wo er sich nach seiner Entlassung aus dem ... Krankenhaus in ... seit dem 19. März 1998 wieder aufhielt. Gegen diesen Beschluß hat der Verteidiger des Beschwerdeführers mit Telefaxschreiben vom 30. März 1998 sofortige Beschwerde beim Landgericht Dortmund eingelegt, ohne diese näher zu begründen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Akten dem Senat mit dem Antrag vorgelegt, die sofortige Beschwerde zu verwerfen.

II.

Das. Rechtsmittel ist gegenstandslos.

Die Freiheitsstrafe war mit Ablauf des 3. April 1998 vollständig vollstreckt, so daß der Beschwerdeführer sein Ziel, die Strafe nicht vollständig verbüßen zu müssen, nicht mehr erreichen kann. Sein Rechtsmittel ist damit prozessual überholt und gegenstandslos, weil die vollständige Verbüßung aus tatsächlichen Gründen nicht mehr ungeschehen gemacht werden kann. Da die prozessuale Überholung auch erst nach der Einlegung des Rechtsmittels eingetreten ist, kam eine Verwerfung der Beschwerde als unzulässig nicht in Betracht (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., §296 Rdnr. 17). An dieser bislang in Fällen wie dem vorliegenden allgemein vertretenen Auffassung (vgl. Beschlüsse des OLG Hamm vom 6. April 1995 - 2 Ws 171/95 - und vom 28. März 1995 - 4 Ws 127 - 129/95 -) wird auch weiterhin festgehalten.

Auch der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 1997 (NJW 1997, 2163 ff.) zum Rechtsschutz gegen erledigte richterliche Durchsuchungsanordnungen gibt - jedenfalls in den Fällen der vollständigen Vollstreckung von Freiheitsstrafen - keine Veranlassung, von dieser bisherigen Rechtsprechung abzurücken. In dem genannten Beschluß hat das Bundesverfassungsgericht in Abweichung zu seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, daß das Erfordernis eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) dem Betroffenen das Recht gebe, in Fällen tiefgreifender, tatsächlich jedoch nicht mehr fortwirkender Grundrechtseingriffe auch dann die Berechtigung des Eingriffs gerichtlich klären zu lassen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozeßordnung gegebenen Instanz kaum erlangen kann. Zwar kann es keinem Zweifel unterliegen, daß ein Verurteilter auch durch die eine bedingte Entlassung ablehnende Entscheidung in seinem Freiheitsrecht beeinträchtigt wird. Vor dem Hintergrund allerdings, daß Grundlage der letztlich auch vollständigen Strafvollstreckung immer das zugrundeliegende Urteil ist, das durch die angegriffene Entscheidung hinsichtlich eines Strafrestes nur nicht suspendiert wird, erscheint es aber schon zweifelhaft, ob die eine bedingte Entlassung ablehnende Entscheidung selbst einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff darstellen kann. Im Gegensatz zu der Durchführung von Hausdurchsuchungen steht dem Betroffenen bei einer die bedingte Entlassung ablehnenden Entscheidung aber jedenfalls üblicherweise ein ausreichender Zeitraum zur Verfügung, in dem er die gerichtliche Überprüfung der Entscheidung erreichen kann. Der Umstand, daß eine derartige Überprüfung dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall ausnahmsweise nicht möglich war, weil nur noch eine sehr kurze restliche Freiheitsstrafe von nicht einmal einem Monat zu vollstrecken war, führt zu keiner anderen Beurteilung, weil nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in derartigen Fällen auf den typischen Verfahrensablauf abzustellen ist. Mit dieser Begründung hat auch der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm in einem gleichgelagerten Fall ein Rechtsschutzinteresse für eine gerichtliche Überprüfung verneint und das dort eingelegte Rechtsmittel für gegenstandslos erklärt (vgl. Beschluß vom 15. Januar 1998 - 3 Ws 11/98 -). Dieser Argumentation schließt sich der erkennende Senat ohne Einschränkung an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die umfangreiche Begründung in dem genannten Beschluß.