BPatG, Urteil vom 17.04.2007 - 3 Ni 10/05
Fundstelle
openJur 2011, 101189
  • Rkr:
Tenor

I. Das europäische Patent 0 311 541 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 20. September 1988 unter Inanspruchnahme der Prioritäten der französischen Patentanmeldungen FR 87 13 703 vom 29. September 1987 und FR 88 00 176 vom 7. Januar 1988 angemeldeten und u. a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in der Verfahrenssprache Französisch erteilten europäischen Patentes EP 0 311 541 B1 (Streitpatent), das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 38 64 789 geführt wird. Das Streitpatent betrifft in der deutschen Übersetzung ein "Verfahren zur Aufzählung, zum Nachweis und zur Identifikation von Mykoplasmen im allgemeinen und insbesondere von urogenitalen" und umfasst für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland 10 Patentansprüche, die in der eingetragenen Fassung wie folgt lauten:

1. Verfahren zum Aufzählen und Nachweisen von Mykoplasmen, dadurch gekennzeichnet, dass enzymatische Reaktionen unter Anaerobiosebedingungen zwischen einem flüssigen Wachstumsmedium von Mykoplasmen, das als Verdünnungsmedium der Probe der zu untersuchenden Flüssigkeit dient, undeinem ersten Substrat umfassend dehydratisierten Harnstoff in Anwesenheit eines pH-Farbindikators, ebenfalls in dehydratisierter Form, einem zweiten Substrat umfassend Arginin, ebenfalls in dehydratisierter Form, in Anwesenheit eines pH-Farbindikators, und, wenn gewünscht, einem dritten Substrat enthaltend Glukose in Anwesenheit eines pH-Farbindikators, ebenfalls in dehydratisierter Form, durchgeführt werden und dass die Geschwindigkeit der enzymatischen Reaktion durch Aufzeichnen der dem Umschlagen der Indikatoren entsprechenden Zeiträume, der jeweiligen Mengen an Harnstoff und Arginin, der Konzentration und der Nährbestandteile des Wachstums- und Verdünnungsmediums, die vorher derart ausgewählt und abgeglichen wurden, dass jeweils für Ureaplasma urealyticum und Mycoplasma hominis oder fermantans oder Mycoplasma pneumoniae, die in supra- oder infrapathologischen Graden vorhanden sind, das Umschlagen der Farbindikatoren am Ende eines bestimmten Zeitraumes erhalten wird oder nicht, verfolgt wird.

2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der pH-Indikator so ausgewählt ist, dass ein Umschlagpunkt zwischen pH 6,4 und pH 8 erhalten wird.

3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass der pH-Indikator Phenolrot oder Thymolblau ist.

4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass einerseits die Konzentration von dehydratisiertem Harnstoff und dem pH-Indikator und andererseits die Konzentration des flüssigen Wachstums- und Verdünnungsmediums und die Menge der zu untersuchenden Flüssigkeit in diesem Medium derart ausgewählt sind, dass bei suprapathologischen Graden (von mehr als oder gleich 104 UCC/ml) von Ureaplasma urealyticum das Umschlagen des Indikators in einem Zeitraum von 24 Stunden erfolgt und dass bei infrapathologischen Graden von U. urealyticum (von weniger als oder gleich 103 UCC/ml) das Umschlagen des Indikators in einem Zeitraum von 48 Stunden erfolgt.

5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass einerseits die Konzentration von dehydratisiertem Arginin und dem pH-Indikator und andererseits die Konzentration des flüssigen Wachstums- und Verdünnungsmediums und die Menge der zu untersuchenden Flüssigkeit in diesem Medium derart ausgewählt sind, dass in 24 oder 48 Stunden das Umschlagen des Indikators bei suprapathologischen Graden (von mehr als oder gleich 103 UCC/ml) von M. hominis und fermantans bei Fehlen des Umschlagens in 48 Stunden bei infrapathologischen Graden (von weniger als oder gleich 103 UCC/ml) erhalten wird.

6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass das Verdünnungsmedium der zu untersuchenden Probe auf einer Wachstumsbrühe von Mykoplasmen, der Nährstoffe zugesetzt wurden, basiert.

7. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass das Verdünnungsmedium der zu untersuchenden Probe aus Brühe von Mykoplasmen, Fohlenserum, Ampicillin, einem Antibiotikum, einem Reduktionsmittel des Typs Natriumthioglykolat, Hefe und Cystein besteht.

8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass es in Cupulae mit geringen Abmessungen, wobei die einen Harnstoff oder Glukose und die anderen dehydratisiertes Arginin oder Glukose enthalten, durchgeführt wird und dass nach dem Einbringen der der Analyse unterworfenen Flüssigkeit die Anaerobiosebedingungen durchgeführt werden, wobei jede Cupula mit einer inerten öligen Substanz, wie Paraffinöl, überzogen wird.

9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Auswahl der Konzentrationen und das Abgleichen der Reaktionsmittel zur Durchführung des Verfahrens durch Zeichnen einer Entsprechungskurve erfolgt, wobei die Zählungen gemäß den üblichen Techniken vorgenommen werden.

10. Anwendung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 9 zum Nachweisen und Zählen aller Mykoplasmen, sei es ihres Typs, ihrer Art oder Gattung.

Die Klägerin macht geltend, das Streitpatent sei für nichtig zu erklären, weil dessen Gegenstand gemäß Patentanspruch 1 - auch aufgrund offenkundiger Vorbenutzung - nicht neu sei und sich für den Fachmann zumindest in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergebe. Ferner sei die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Zur Begründung verweist sie auf folgende Druckschriften:

K1 K1a K2 K3 K4 K5 K5a K6 K6a K7 K7a K8 K8a K9 K9a K10 K11 K11a K12 K12a K13 K13a K13b K14 K15 K16 K17 DE 38 64 479 EP 0 311 541 B1 Verletzungsklage 9. November 2004 Farbige Darstellung "Pasteur-Verfahren"

Purcell R. H. et al., J. Bacteriol. 1966, 92, S. 6 bis 12 Bebear C. et al., Feuillets de Biologie, 1986, XXVII, No. 149, S. 19 bis 23 Übersetzung der Anlage K5 Mycoplasmes (Beschreibung des Pasteur-Kits), Extrait du J. O. du 7. avril 1985, 2 SeitenÜbersetzung der Anlage K6 Escarguel C., Spectra Biologie 1987 (März/April), Nr. 87/2 , S. 39 bis 45 Übersetzung der Anlage K7 Stellungnahme Professor Christiane Bebear vom 27. November 1996 Übersetzung der Anlage K8 DBV-Protokoll zum Diagnose-Kit für urogenitale Mycoplasmen, (verfügbar 2. Halbjahr 1986)

Übersetzung der Anlage K9 Werbung: Testkits für die Diagnose von Mycoplasmen - Spectra Biologie 1987 (Mai/Juni), Nr. 87/3, S. 77 Bestellpostkarte für die Testkits "Mycoplasma ÇAll'inÈ" und "Mycoscreen" für die Diagnose von MycoplasmenÜbersetzung der Anlage K11 D. B. V. production diffusion Biologique du Var, Culture Mycoplasmes, - Tarif 1987 -

Übersetzung der Anlage K12 Bloomster T. G. et al., J. Clin. Microbiol. 1981, 13, S. 598 bis 600 Übersetzung der Anlage K13 Kopie der Fig. 1 aus K13 Bredt W., J. Clin. Microbiol., 1976, 4, S. 92 bis 94 Eingabe der Beklagten vom 13. April 2005 aus dem parallelen VerletzungsverfahrenÜbersicht "Auswertung des Nachweisverfahrens der EP 0 311 541 Tabelle I und Tabelle III aus K7 Die Klägerin beantragt, das europäische Patent EP 0 311 541 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte verteidigt das Streitpatent mit den Patentansprüchen gemäß mit Schriftsatz vom 16. April 2007 eingereichtem Hauptantrag und weiterhin hilfsweise mit den Patentansprüchen gemäß Hilfsanträgen 1 und 2, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, undbeantragt insoweit Klageabweisung.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:

1. Verfahren zum Aufzählen und Nachweisen von Mykoplasmen, bei dem enzymatische Reaktionen unter Anaerobiosebedingungen zwischen einem flüssigen Wachstumsmedium von Mykoplasmen, das als Verdünnungsmedium der Probe der zu untersuchenden Flüssigkeit dient, undeinem ersten Substrat umfassend dehydratisierten Harnstoff in Anwesenheit eines pH-Farbindikators, ebenfalls in dehydratisierter Form, einem zweiten Substrat umfassend Arginin, ebenfalls in dehydratisierter Form, in Anwesenheit eines pH-Farbindikators, und, wenn gewünscht, einem dritten Substrat enthaltend Glukose in Anwesenheit eines pH-Farbindikators, ebenfalls in dehydratisierter Form, durchgeführt werden, dadurch gekennzeichnet, dass die Geschwindigkeit der enzymatischen Reaktion durch Aufzeichnen der dem Umschlagen der Indikatoren entsprechenden Zeiträume verfolgt wird, wobei die jeweiligen Mengen an Harnstoff und Arginin, die Konzentration und die Nährbestandteile des Wachstums- und Verdünnungsmediums vorher derart ausgewählt und abgeglichen wurden, dass jeweils für Ureaplasma urealyticum und Mycoplasma hominis oder fermantans oder Mycoplasma pneumoniae, die in supra- oder infrapathologischen Graden vorhanden sind, das Umschlagen der Farbindikatoren am Ende eines bestimmten Zeitraumes erhalten wird oder nicht.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet wie folgt:

1. Anwendung des Verfahrens zum Aufzählen und Nachweisen von Mykoplasmen, bei dem enzymatische Reaktionen unter Anaerobiosebedingungen zwischen einem flüssigen Wachstumsmedium von Mykoplasmen, das als Verdünnungsmedium der Probe der zu untersuchenden Flüssigkeit dient, undeinem ersten Substrat umfassend dehydratisierten Harnstoff in Anwesenheit eines pH-Farbindikators, ebenfalls in dehydratisierter Form, einem zweiten Substrat umfassend Arginin, ebenfalls in dehydratisierter Form, in Anwesenheit eines pH-Farbindikators, und, wenn gewünscht, einem dritten Substrat enthaltend Glukose in Anwesenheit eines pH-Farbindikators, ebenfalls in dehydratisierter Form, durchgeführt werden, wobei die Geschwindigkeit der enzymatischen Reaktion durch Aufzeichnen der dem Umschlagen der Indikatoren entsprechenden Zeiträume verfolgt wird, wobei die jeweiligen Mengen an Harnstoff und Arginin, die Konzentration und die Nährbestandteile des Wachstums- und Verdünnungsmediums vorher derart ausgewählt und abgeglichen wurden, dass jeweils für Ureaplasma urealyticum und Mycoplasma hominis oder fermantans oder Mycoplasma pneumoniae, die in supra- oder infrapathologischen Graden vorhanden sind, das Umschlagen der Farbindikatoren am Ende eines bestimmten Zeitraumes erhalten wird oder nicht, zum Nachweisen, dass in einer Probe supra- oder infrapathologische Mengen an den genannten Mykoplasmen vorhanden sind.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet wie folgt:

1. Verfahren zum Aufzählen und Nachweisen von Mykoplasmen, bei dem enzymatische Reaktionen unter Anaerobiosebedingungen zwischen einem flüssigen Wachstumsmedium von Mykoplasmen, das als Verdünnungsmedium der Probe der zu untersuchenden Flüssigkeit dient, undeinem ersten Substrat umfassend dehydratisierten Harnstoff in Anwesenheit eines pH-Farbindikators, ebenfalls in dehydratisierter Form, einem zweiten Substrat umfassend Arginin, ebenfalls in dehydratisierter Form, in Anwesenheit eines pH-Farbindikators, und, wenn gewünscht, einem dritten Substrat enthaltend Glukose in Anwesenheit eines pH-Farbindikators, ebenfalls in dehydratisierter Form, durchgeführt werden, dadurch gekennzeichnet, dass die Geschwindigkeit der enzymatischen Reaktion durch Aufzeichnen der dem Umschlagen der Indikatoren entsprechenden Zeiträume verfolgt wird, wobei die jeweiligen Mengen an Harnstoff und Arginin, die Konzentration und die Nährbestandteile des Wachstums- und Verdünnungsmediums vorher derart ausgewählt und abgeglichen wurden, dass jeweils für Ureaplasma urealyticum und Mycoplasma hominis, die in supra- oder infrapathologischen Graden vorhanden sind, das Umschlagen der Farbindikatoren am Ende eines bestimmten Zeitraumes erhalten wird oder nicht, wobei der bestimmte Zeitraum für Ureaplasma urealyticum 24 Stunden und für Mycoplasma hominis 24 oder 48 Stunden beträgt.

Wegen des Wortlauts der weiteren Patentansprüche gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 und 2 wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und hält das Streitpatent in dem verteidigten Umfang für patentfähig.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als begründet.

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit führt zur Nichtigkeit des Streitpatents (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit a EPÜ).

I.

1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Zählen, zum Nachweisen und zum Identifizieren von Mykoplasmen im Allgemeinen und insbesondere von urogenitalen sowie dessen Verwendung.

Mykoplasmen sind Bakterien, die auf den Schleimhäuten gesunder Menschen in Konzentrationen von weniger als oder gleich 103 UCC/ml (= colorchanging unit) vorkommen. Bei Ausbruch von Infektionen, die Zustände chronischer Superinfektionen nach sich ziehen können, liegen die Mykoplasmen in suprapathologischen Konzentrationen (Graden) von mehr als oder gleich 104 UCC/ml vor. Zum Nachweis und zur Quantifizierung von urogenitalen Mykoplasmen wurden bisher zwei Methoden verwendet. In beiden Fällen macht man sich dabei - jedenfalls zum Nachweis - die enzymatischen Eigenschaften dieser Stämme zu nutze, nämlich das Vorkommen von Urease bei Ureaplasma urealyticum und von Arginindecarboxylase bei Mycoplasma hominis und fermantus. Die mengenmäßige Bewertung erfolgt sodann in einem Fall anhand der Zahl der Kolonien auf einer isolierten Gelose, im anderen Fall anhand einer Serienverdünnung der zu analysierenden Probe in flüssigem Medium in Abhängigkeit vom Umschlag eines geeigneten Farbindikators, wobei es sich dabei in der Regel um Phenolrot handelt.

Diese Verfahren sind jedoch mit den Nachteilen verbunden, dass Harnstoff in einem komplexen flüssigen Medium instabil ist, was zur mangelnden Reproduzierbarkeit von Testserien führen kann, das Ergebnis erst mit einer Verzögerung von mindestens 72 Stunden erhalten werden kann, weil das Ablesen des Indikatorumschlages erst dann möglich ist, wenn dieser für 24 Stunden stabil geblieben ist, und es sich bei der Serienverdünnung um eine schwerfällige Prozedur handelt, die mit einer hohen Fehlerquote behaftet ist. Schließlich ist auf dem Markt kein "Kit" erhältlich, der alle notwendigen Reagenzien sowie Träger enthält (vgl. Streitpatentschrift K1a S. 2 Z. 6 bis 42 sowie deutsche Übersetzung K1 S. 1 Z. 14 bis S. 3 Z. 2).

2. Davon ausgehend liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, diesen Nachteilen vorzubeugen und - unter Berücksichtigung der Enzymkinetik - ein Verfahren zum Zählen und Identifizieren von Mykoplasmen bereitzustellen (vgl. Streitpatentschrift K1a S. 2 Z. 43/44 sowie deutsche Übersetzung K1 S. 3 Z. 4 bis 6).

3. Gelöst wird diese Aufgabe gemäß Patentanspruch 1 in der geltenden Fassung gemäß Hauptantrag durch ein A. Verfahren zum Aufzählen und Nachweisen von Mykoplasmen, bei dem enzymatische Reaktionen unter anaeroben Bedingungen durchgeführt werden, B. zwischen einem flüssigen Mykoplasmen-Wachstumsmedium, das als Verdünnungsmedium der Probe der zu untersuchenden Flüssigkeit dient, und C. einem ersten Substrat, umfassend dehydratisierten Harnstoff in Anwesenheit eines dehydratisierten pH-Farbindikators, D. einem zweiten Substrat, umfassend dehydratisiertes Arginin in Anwesenheit eines pH-Farbindikators, dadurch gekennzeichnet, dass E. die Geschwindigkeit der enzymatischen Reaktion durch Aufzeichnen der dem Umschlag der Indikatoren entsprechenden Zeiträume verfolgt wird, E.1 wobei die jeweiligen Mengen an Harnstoff und Arginin, und die Konzentration der Nährbestandteile des Wachstums- und Verdünnungsmediums, vorher derart ausgewählt und abgeglichen wurden, E.1.1 dass jeweils für Ureaplasma urealyticum und Mycoplasma hominis oder fermantans oder Mycoplasma pneumoniae, die in supra- oder infrapathologischen Graden vorhanden sind, E.1.2 das Umschlagen der Farbindikatoren am Ende eines bestimmten Zeitraumes erhalten wird oder nicht.

Die Aufgabe wird ferner durch die Verwendung dieses Verfahrens gemäß Patentanspruch 10 gelöst.

Der für die Lösung dieses Problems zuständige Fachmann ist ein mit der Entwicklung von Diagnose-Kits zum Nachweis pathogener Keime befasster Biochemiker oder klinischer Mikrobiologe.

II.

1. Der Gegenstand des Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag, der in der dem Senat vorgelegten Fassung lediglich sprachliche Korrekturen gegenüber der veröffentlichten deutschsprachlichen Fassung enthält und nunmehr inhaltlich der erteilten französischen Fassung entspricht, erweist sich mangels Neuheit als nicht bestandsfähig.

Die Diagnose einer von Mykoplasmen verursachten Urogenitalinfektion ist Thema eines von C. Escarguel in Spectra Biologie 1987, Nr. 87/2, S. 39 bis 45 (K7) veröffentlichten Beitrags, der im Zusammenhang mit einer neuen Technik auch ein Screening-Verfahren beschreibt (S. 39 Zusammenfassung Abs. 2). Dieses Screening-Verfahren dient dazu, Mykoplasmen ab Konzentrationen, bei der sie als infektiös angesehen werden - dieses trifft gemäß der Entgegenhaltung K7 für U. urealyticum ab 103 und für M. hominis ab 104 zu - nachzuweisen. Dabei werden gemäß der auf Seite 42 angegebenen Tabelle III, die die Verwendung eines Kits zum Nachweis von Mykoplasmen protokolliert, auf diese Bakterien zu überprüfende Proben zunächst in einem A3-Medium aufgenommen, somit verdünnt, und sodann in Näpfen, die Harnstoff oder Arginin in dehydratisierter Form zusammen mit einem Farbindikator enthalten, unter anaeroben Bedingungen zur Reaktion gebracht. Im Folgenden wird nach der Entgegenhaltung K7 innerhalb eines Zeitraumes von 24 bis 72 Stunden täglich der Farbumschlag der Indikatoren abgelesen. Wird dabei ein Farbumschlag festgestellt, so stellt dieses ein positives Ergebnis dar, d. h. es wird das Vorhandensein der in Rede stehenden Mykoplasmen in suprapathologischen Konzentrationen angezeigt. Verläuft der Test dagegen negativ, so weist dieses auf infrapathologische Konzentrationen der in Rede stehenden Keime hin (vgl. S. 42 Tab. III i. V. m. S. 41 re. Sp. "Les cupules ureearginine" 1) bis 3), S. 42 li. Sp. Abs. 2 und 4).

Wie ein Vergleich mit der Merkmalsanalyse unter I.3. zeigt, ist bei dem im Dokument K7 beschriebenen Screening-Verfahren lediglich das Merkmal E.1 gemäß geltendem Patentanspruch 1 nicht ausdrücklich erwähnt, d. h. die Maßgabe, "die jeweiligen Mengen an Harnstoff und Arginin, sowie die Konzentration der Nährbestandteile des Wachstums- und Verdünnungsmediums vorher derart auszuwählen und abzugleichen", dass innerhalb eines Zeitraumes in Abhängigkeit der vorhandenen Mengen an Mykoplasmen eine Reaktion beobachtet werden kann. Eine derartige Vorgehensweise, d. h. die Einstellung der Reaktionsbedingungen gegenüber einem Standard zu eichen, so dass Nutzer unter vorgegebenen und immer gleichen Bedingungen zuverlässig ein stets gegenüber der Norm gleich auswertbares Ergebnis erhalten, ist jedoch Vorraussetzung jedes standardisierten Testsystems. Die Durchführung und Auswertung eines solchen Screening-Verfahrens wäre nämlich andernfalls in einem Untersuchungslabor dann, wenn beabsichtigt ist, sich in angemessener Zeit einen Überblick über z. B. das Vorliegen eines infektiösen Zustandes zu verschaffen, nicht praktikabel. Damit aber ist auch dieses Merkmal in der Veröffentlichung K7, die ebenfalls ein standardisiertes Verfahren betrifft, implizit offenbart. Der Fachmann liest nämlich auch alle jene Maßnahmen ohne weiteres mit, die er zur Ausführung eines Verfahrens für selbstverständlich und nahezu unerlässlich erachtet (vgl. Busse PatG 6. Aufl. § 3 Rdn. 101 sowie BGH GRUR 1995 S. 330 II 2 c) - Elektrische Steckverbindung).

Das Argument der Beklagten, die Neuheit gegenüber dem Dokument K7 sei gegeben, weil dort der Indikatorumschlag lediglich innerhalb eines Zeitraumes abgelesen werde, wobei die als Ablesezeitpunkte angegebenen 24 oder 48 Stunden als Zufallsangaben einzustufen seien, streitpatentgemäß dagegen am Ende eines bestimmten Zeitraumes abgelesen werde, kann den Senat nicht überzeugen. Gemäß dem Bericht in Spectra Biologie (K7) erfolgt das Ablesen des Farbumschlages ebenfalls zu vorbestimmten Zeitpunkten innerhalb eines vorgegebenen Zeitraumes, nämlich einmal täglich zwischen 24 und 72 Stunden, d. h. bei 24 Stunden beginnend ein weiteres Mal am zweiten Tag - nach 48 Stunden - und schließlich am Ende des vorgegebenen Zeitraumes nach 72 Stunden, dem dritten Tag (vgl. S. 42 li. Spalte Tabelle III). Damit wird auch in diesem Fall am Ende eines bestimmten Zeitraumes festgestellt, ob der Farbindikator umgeschlagen hat oder nicht. Implizit verbunden ist mit dieser Vorgehensweise ferner gleichfalls ein Verfolgen der Geschwindigkeit der enzymatischen Reaktion im Sinne des Streitpatentes. So wird nämlich im Zusammenhang mit dem die Tabelle III dieses Dokumentes erläuternden Text ausgeführt, dass ein Farbumschlag in den Arginin enthaltenden Näpfen - also der Nachweis für M. hominis - ab einer Bakterien-Konzentration von 104, somit in suprapathologischer Konzentrationen, erst nach 48 Stunden, d. h. nach einem bestimmten Zeitraum bzw. Zeitpunkt, erfolgt, weil die enzymatischen Reaktionen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten ablaufen (vgl. (vgl dazu auch K7 S. 42 li. Sp. Abs. 2 und 3 sowie Streitpatentschrift K1a S. 2 Z. 48/49, S. 5 Z. 28 bis 34 und Z. 38 bis 41). Im Weiteren bestätigt dieser Passus im Übrigen auch, dass die Angabe von 24 oder 48 Stunden nicht zufällig für beliebig aus dem gemäß K7 vorgegebenen Zeitraum herausgegriffene Zeitpunkte steht, sondern - wie im Streitpatent - für definitiv vorbestimmte Zeitpunkte, die es dem Fachmann gestatten, festzustellen, ob in den zu überprüfenden Proben die in Rede stehenden Keime in suprapathologischen Konzentrationen vorhanden sind oder nicht.

Der von Seiten der Beklagten vorgetragene Einwand, mit dem Screening-Verfahren gemäß dem Dokument K7 erfolge lediglich eine Vorbestimmung, die zwingend weitere Untersuchungen erforderlich mache, während streitpatentgemäß nach einem bestimmten Zeitpunkt eine eindeutige Aussage getroffen werde, das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag daher wesentlich effizienter sei, kann gleichfalls zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage führen. Die Verwendung des Screening-Kits gemäß K7 zum Nachweis von Mykoplasmen ist - wie aus der Anmerkung zur Tabelle III zu ersehen ist - dazu bestimmt, das Vorhandensein von Mykoplasmen in solchen Mengen nachzuweisen, wie sie als ursächlich für eine Infektion erachtet werden. Als Grenzwerte dafür werden im weiteren sodann für U. ureaplasma eine Konzentration von 103 und für M. hominis von 104 angegeben (vgl. S. 42 li. Sp. Tabelle III sowie Abs. 4). Damit erhält der diesen Test durchführende Fachmann ebenfalls nach einem bestimmten Zeitpunkt eine eindeutige Aussage darüber, ob eine Infektion vorliegt oder nicht. Dass für den Fachmann gegebenenfalls alleine der Nachweis für das Vorliegen von Mykoplasmen in suprapathologischen Konzentrationen ausreichend ist und für einen Therapiebeginn keine weiteren Untersuchungen zwingend durchgeführt werden müssen, ist im Übrigen aus dem die Interpretation der Ergebnisse betreffenden Abschnitt zu ersehen, wonach alleine dieses Ergebnis bereits das weitere Vorgehen bestimmt (vgl. S. 43 re. Sp. Abs. 7, 9 und 13).

Der Verweis auf das Dokument K9 mit der Bezeichnung "PROTOCOLL-DBV pour l'ISOLEMENT, LA NUMERATION, l'IDENTIFICATION et l'ANTIBIOGRAMME des MYCOPLASMES UROGENITAUX" ist gleichfalls nicht dazu geeignet, das Dokument K7 abweichend von der vorstehend dargelegten Sichtweise zu bewerten. Weitere Untersuchungen werden dort nämlich für den Fall, dass erst nach 72 Stunden ein Farbumschlag registriert wird, eine Beobachtung, die auch gemäß der Entgegenhaltung K7 mit einer infrapathologischen Konzentrationen von < 103 korreliert wird (vgl. S. 42 li. Sp. Tabelle III), nur dann für erforderlich erachtet, wenn Verunreinigungen auf dem Wachstumsmedium, deren Vorkommen bekanntlich im Zusammenhang mit derartigen Untersuchungen stets parallel unter den selben Bedingungen überprüft wird, fehlen (vgl dazu auch Streitpatentschrift S. 5 Z. 35 bis 37). Anderenfalls werden - wie es die Beklagte auch für das Streitpatent in Anspruch nimmt - weitere Untersuchungen, wie z. B. die Erstellung eines Antibiogramm-Profils für nicht gerechtfertigt erachtet (vgl. K9 Blatt 2 Tabelle "Reactions colorees en milieu liquide").

Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag kann somit mangels Neuheit keinen Bestand haben.

2. Auch die von der Beklagten hilfsweise verteidigten Fassungen der Patentansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 erweisen sich als nicht bestandsfähig.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 nach Hauptantrag darin, dass dieser nunmehr auf die Anwendung des Verfahrens zum Aufzählen und Nachweisen von Mykoplasmen, zum Nachweis, dass in einer Probe supra- oder infrapathologische Mengen an den genannten Mykoplasmen vorhanden sind, gerichtet ist. Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 weist gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag als zusätzliches Merkmal auf, dass der bestimmte Zeitraum für U. urealyticum 24 Stunden und für M. hominis 24 oder 48 Stunden beträgt.

Der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hilfsantrag 1 basiert auf den erteilten Patentansprüchen 10 und 1 i. V. m. Streitpatentschrift K1a S. 5 Z. 43/44. Eine unzulässige Änderung der Anspruchskategorie liegt - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht vor, denn der erteilte Patentanspruch 10 bezieht sich u. a. auf die Anwendung des Verfahrens gemäß erteiltem Patentanspruch 1, dieses aber ist auf den Nachweis von Mykoplasmen in infra- oder suprapathologischen Mengen gerichtet. Der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hilfsantrag 2 geht auf den erteilten Patentanspruch 1 i. V. m. den erteilten Patentansprüchen 4 und 5 bzw. Streitpatentschrift K1a Beschreibung S. 5 Z. 28 bis 30 und Z. 38 bis 44 zurück. Die sich anschließenden Patentansprüche entsprechen - bzw. leiten sich ab von - den erteilten Patentansprüchen 2 bis 10 bzw. 2 bis 9. Das Patentbegehren gemäß dieser Hilfsanträge hält sich im Umfang der ursprünglichen Offenbarung. Weder der Patentgegenstand noch der Schutzbereich des Streitpatentes sind hierdurch erweitert worden, die Beschränkungen sind somit zulässig.

2.1. Die nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 beanspruchte Anwendung des Verfahrens zum Aufzählen und Nachweisen von Mykoplasmen, zum Nachweis, dass in einer Probe supra- oder infrapathologische Mengen an den genannten Mykoplasmen vorhanden sind, weist ebenfalls aus den zum Hauptantrag dargelegten Gründen gegenüber dem Bericht in Spectra Biologie K7 nicht die erforderliche Neuheit auf. Die Anwendung des in Rede stehenden Verfahrens umfasst nämlich die gleichen technischen Maßnahmen, wie sie auch zur Durchführung des Verfahrens gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ergriffen werden müssen. Das im Dokument K7 beschriebene Screening-Verfahren wird ferner gleichfalls dazu angewendet, in einer Probe supra- oder infrapathologische Mengen an den genannten Mykoplasmen, wie z. B. Ureaplasma urealyticum oder Mycoplasma hominis, nachzuweisen. Wird dort im Zusammenhang mit der Tabelle III doch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der dort beschriebene Test dazu dient, das Vorhandensein von Mycoplasmen in Mengen nachzuweisen, die ursächlich für die Auslösung eines Infektionsprozesses sind (vgl. S. 42 li. Sp. Tab. III i. V. m. Abs. 4). Damit wird auch mit dem in dieser Tabelle protokollierten Verfahren das Vorhandensein von suprapathologischen Mengen bei einer positiven Reaktion bzw. von infrapathologischen Mengen bei einem Ausbleiben des Farbumschlages nachgewiesen.

2.2. Das in den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 zusätzlich aufgenommene Merkmal, nach dem der bestimmte Zeitraum an dessen Ende das Umschlagen des Farbindikators für U. urealyticum bei 24 Stunden und für M. hominis bei 24 oder 48 Stunden liegt, mag die Neuheit begründen. Die Bereitstellung dieses Verfahrens beruht in einer Zusammenschau des Beitrages von C. Escarguel in Spectra Biologie März/April 1987 (K7) und dem im Jahr 1981 erschienen Artikel der Autoren T. G. Bloomster und R. J. Lynn im Journal of Clinical Microbiology, Vol. 13, Seiten 598 bis 600 (K13) jedenfalls aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Den nächsten Stand der Technik stellt das Dokument K7 dar, das dem Fachmann - wie bereits vorstehend eingehend erörtert - die Lehre vermittelt, dass der Nachweis von Mykoplasmen in suprapathologischen Konzentrationen durch das zur Reaktionbringen der zu überprüfenden Proben in - die dehydratisierten Reagentien Arginin bzw. Harnstoff sowie einen Farbindikator enthaltenden - Näpfchen unter anaeroben Bedingungen möglich ist, wobei der Umschlag des Farbindikators täglich beginnend nach 24 Stunden bis 72 Stunden kontrolliert wird. In diesem Zusammenhang wird in der Entgegenhaltung darüber hinaus darauf hingewiesen, dass die Reaktion von Mycoplasma hominis mit Arginin langsamer abläuft als die von Ureaplasma urealyticum mit Harnstoff und bei Arginin als Substrat bei einer Bakterienkonzentration von 104 nicht vor 48 Stunden ein Farbumschlag zu erwarten sei (S. 42 li. Sp. Abs. 2 und 3). Im Unterschied zu dem gemäß Hilfsantrag 2 beanspruchten Verfahren ist der Entgegenhaltung K7 damit zwar nicht unmittelbar zu entnehmen, dass der bestimmte Zeitraum an dessen Ende das Umschlagen des Farbindikators liegt, für U. urealyticum 24 Stunden und für M. hominis 24 oder 48 Stunden beträgt. Diese Maßgabe ergibt sich aber ohne erfinderisches Zutun aus der Entgegenhaltung K13, die sich mit dem Einfluss von Antibiotika auf die Dynamik der Farbänderung von pH-Indikatoren in Ureaplasma urealyticum-Kulturen und der Unterscheidung von metabolisierenden Organismen von solchen, die durch Antibiotika gehemmt worden sind, befasst. Wie anhand dieser Veröffentlichung zu ersehen ist, waren dem Fachmann zum maßgeblichen Zeitpunkt die unmittelbaren Zusammenhänge von Farbumschlag, Zeit und vorliegender U. urealyticum-Konzentration bekannt. Ersichtlich ist dies aus der Figur 1 auf S. 599, gemäß der der Metabolismus lebender und nicht durch die Zugabe von Antibiotika abgetöteter Mikroorganismen über die pH-abhängige Farbänderung durch Aufzeichnung der Absorption in Abhängigkeit von der Zeit verfolgt wird, wobei sich für unterschiedliche Bakteriendichten stets sigmoidale Kurven ergeben. In diesem Zusammenhang erweist es sich, dass der zeitliche Beginn der Farbänderung sowie deren Geschwindigkeit von der Konzentration des Bakteriums, hier von U. urealyticum, abhängig ist (vgl. S. 598 - Zusammenfassung und li. Sp. Abs. 1 sowie S. 599 li. Sp. Fig. 1). So wird, wie die Figur 1 zeigt, bei Kulturen, die U. urealyticum P108 in einer Konzentration von 103 CFU/ml (= colonyforming unit) enthalten (zur Relation von CCU und CFU vgl. K13 S. 598 li. Sp. Z. 11 bis 16 sowie K4 S. 7 re. Sp. Abs. 5 i. V. m. S. 8 li. Sp. Abs. 3), eine beginnende Farbänderung ab etwa 18 Stunden beobachtet, und der Endpunkt nach etwa 36 Stunden erreicht, während bei Konzentrationen von 104 CFU/ml der Beginn eines Farbumschlages ab etwa 9 Stunden und der Endpunkt in diesem Fall nach etwa 24 Stunden registriert wird. Nachdem es sich dabei aber um die für übliche Reaktionsbedingungen (vgl. dazu auch S. 598 li./re. Sp. übergreifender Absatz) geltenden Reaktionszeiten handelt, erforderte es für den Fachmann, dem darüber hinaus das Wissen um die Reaktionskinetik und damit die Steuerung zumal enzymatischer Prozesse, als Grundkenntnisse zuzurechnen sind, keine Überlegungen erfinderischer Art mehr, die Reaktionsbedingungen in dem aus dem Dokument K7 bekannten Verfahren genau so einzustellen, dass das Ablesen der zu erwartenden Ergebnisse für einen bestimmten Mikroorganismus zu einem bestimmten und für den Anwender praktikablen Zeitpunkt, nämlich bei 24 bzw. 24 oder 48 Stunden, erfolgen kann. Dieses trifft um so mehr zu, als dem Fachmann bereits aus der Entgegenhaltung K7 ein Nachweisverfahren bekannt ist, bei dem beginnend bei 24 Stunden täglich bis zum dritten Tag der Farbumschlag kontrolliert wird und in dessen Zusammenhang darauf hingewiesen wird, dass U. urealyticum schneller mit Harnstoff reagiert als M. hominis mit Arginin und bei Letzterem ein Farbumschlag nicht vor 48 Stunden zu erwarten ist, wenn die Bakterienkonzentration bei 104 liegt (S. 42 li. Sp. Abs. 2 und 3).

Dem Argument der Beklagten, das Dokument K13 sei nicht beachtlich, weil es sich nur damit befasse, ob abgestorbene Mykoplasmen ebenfalls zum Farbumschlag führten, kann sich der Senat nicht anschließen. Mit dieser Veröffentlichung werden zwar Farbänderungen bei gehemmtem Wachstum untersucht. Diese Einflüsse werden aber im Zusammenhang mit der Farbänderung von Kulturen diskutiert, die über ein ungehemmtes Wachstum verfügen. Dabei kommen die Autoren zu dem Schluss, wie insbesondere an der Fig. 1 auf S. 599 zu ersehen ist, dass die Einflüsse abgestorbener Mikroorganismen auf Farbänderungen bis zu Konzentrationen von 104 CFU/ml nicht signifikant sind, auch, weil die Wachstumsgeschwindigkeit aktiv wachsender Kulturen erheblich größer ist als Antibiotika gehemmter Kulturen (vgl. S. 599 li. Sp. Abs. 2). Erhebliche Farbänderungen sind zwar bei darüber hinaus gehenden Konzentrationen zu beobachten, im Zusammenhang damit wird aber ein Zeitraum von 5 Tagen genannt (vgl. S. 599 li./re. Sp. übergreifender Absatz). Nachdem das Dokument K13 somit - wie insbesondere anhand der Figur 1 ersichtlich - auch das Wachstum nicht gehemmter U. urealyticum-Kulturen untersucht, dem Fachmann zudem der Hinweis vermittelt wird, dass er innerhalb der Zeiträume, die ihm zur Kontrolle des Farbumschlages bereits mit der Entgegenhaltung K7 vorgeschlagen werden, nämlich innerhalb von 24 bis 72 Stunden nicht mit signifikanten Verfälschungen der Farbänderungen zu rechnen hat, auch wenn abgestorbene Mikroorganismen vorhanden sein sollten, wird der Fachmann die mit diesem Dokument vermittelte Lehre angesichts der vorliegenden Aufgabenstellung sehr wohl als zu beachtenden Stand der Technik berücksichtigen.

3. Bezüglich der auf die jeweiligen Patentansprüche 1 gemäß Hauptantrag, Hilfsantrag 1 und Hilfsantrag 2 mittelbar oder unmittelbar rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 10 bzw. 2 bis 9 hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass ihnen ein eigenständiger patentfähiger Gehalt zukäme. Dieses ist auch für den Senat nicht ersichtlich. Diese Patentansprüche, deren Neuheit bzw. selbständiger erfinderischer Gehalt von der Klägerin unter Angabe von Gründen in Abrede gestellt wurde, fallen daher ebenfalls der Nichtigkeit anheim.

4. Nachdem der Klage vollumfänglich stattgegeben worden ist, erübrigt sich ein Eingehen auf den von der Klägerin unter Nennung der Dokumente K9 bis K12a schriftsätzlich vorgetragenen Vorwurf der offenkundigen Vorbenutzung.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.