OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10.05.2005 - 9 U 73/05
Fundstelle
openJur 2012, 26232
  • Rkr:
Gründe

In dem Rechtsstreit…weist der Senat darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Die Berufung ist zwar zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, hat in der Sache indes keine Aussicht auf Erfolg. Sie hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 II ZPO).

Die Kläger beabsichtigten den Erwerb einer Immobilie zu Steuersparzwecken und erteilten hierzu der A am 28.5.1996 eine umfassende notarielle Vollmacht (Bl. 99 ff. d.A.). Die Treuhänderin erwarb für die Kläger am 28.1.1997 die dingliche Mitberechtigung an einem Grundstück in O1 zum Preis von 212.000,- DM. Zur Finanzierung des Kaufpreises schloss die Treuhänderin im Namen der Kläger am 20.11.1996 mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten einen Darlehensvertrag über 129.111.- DM (Bl. 94 ff. d.A.). Das Darlehen war auf zehn Jahre mit 6,0% zu verzinsen, sollte durch einen Sparplan getilgt werden und wurde über eine Grundschuld an der erworbenen Immobilie sowie die Abtretung einer Lebensversicherung abgesichert. Auf den beabsichtigten Abschluss des Darlehens hatte die Bank die Kläger mit Schreiben vom 15.11.1996 (Bl. 197) hingewiesen.

Unter dem 1.10.2003 widerriefen die Kläger den Darlehensvertrag und verlangen mit der vorliegenden Klage Rückzahlung der bis dahin auf das Darlehen erbrachten Leistungen in Höhe von 24.788,82 € (hilfsweise Zug um Zug gegen Übertragung des erworbenen dinglichen Rechts) sowie Feststellung, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag keine Ansprüche zustehen. Sie haben behauptet, der Wert der Immobilie habe zum Zeitpunkt des Erwerbs lediglich 28.300,- € betragen.

Die Beklagte hat behauptet, ihr habe bei Abschluss des Darlehensvertrags eine Ausfertigung der notariellen Vollmacht der Treuhänderin vorgelegen (Bl. 204 d.A.; Beweis: Zeuge Z1).

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 21.7.2005 abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, die an ihrem ursprünglichen Antrag festhalten. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Die Abweisung der Klage durch das Landgericht ist zu Recht erfolgt. Die Kläger können weder Rückzahlung der auf das Darlehen bereits erbrachten Leistungen noch Feststellung verlangen, dass der Beklagten aus dem Darlehen keine weiteren Ansprüche zustehen. Der Darlehensvertrag vom 20.11.1996 ist zwischen den Parteien wirksam zustande gekommen (unten 1.) und nachträglich nicht beseitigt worden (unten 2). Auch Schadensersatzansprüche sind nicht gegeben (unten 3.).

1. Dem Zustandekommen des Darlehensvertrags steht nicht entgegen, dass die Kläger der Bank gegenüber eine Verpflichtungserklärung nicht selbst abgegeben haben, sondern dabei von der Treuhänderin vertreten wurden. Diese Vertretung war wirksam. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die der Treuhänderin erteilte Vollmacht wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 RBerG nach § 134 BGB unwirksam war (BGH Urteil vom 18.9.2001 –XI ZR 321/00-; Urteil vom 14.6.2004 –II ZR 393/02- m.w.Nw.), weil sich die Wirksamkeit der Vertretung vorliegend aus Rechtsscheingesichtspunkten ergibt. Die Grundsätze der Anscheins- und Duldungsvollmacht sind nach gefestigter Rechtsprechung auch bei einem Verstoß des Bevollmächtigten gegen das RBerG anwendbar und führen im Ergebnis zu einer Heilung des Vollmachtsmangels (BGH a.a.O.).

Im vorliegenden Fall hat das Landgericht zu Recht von einer Beweisaufnahme zu den Voraussetzungen der Anscheinsvollmacht nach §§ 171, 172 BGB – d.h. zu der Frage, ob der Beklagten bei Abschluss des Darlehensvertrages eine Ausfertigung der notariellen Vollmachtsurkunde vorlag – abgesehen, weil bereits die Voraussetzungen einer Duldungsvollmacht vorliegen. Eine solche ist anzunehmen, wenn der Vertretene es wissentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt und der Geschäftsgegner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin versteht und verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist (BGH NJW 2002, 2325; BGH NJW-RR 2004, 1275, 1277). Dies ist der Fall, weil die Kläger durch das Schreiben der Bank vom 15.11.1996 über den bevorstehenden Abschluss des Darlehensvertrages durch die Treuhänderin unterrichtet wurden („Die entsprechenden Darlehensverträge werden in Vollmacht für Sie von ihrem Treuhänder unterzeichnet“), sie Kenntnis vom Inhalt der Darlehensverträge erhielten („Sie erhalten anliegend Kopien dieser Darlehensverträge … zur Kenntnisnahme“) und sie dies widerspruchslos hingenommen haben. Dieses Schweigen konnte die Bank nur dahin verstehen, dass die Kläger mit der Vertretung beim Darlehensvertragsschluss einverstanden waren und sie die Darlehensverträge als für sich wirksam ansehen wollten.

Entgegen der Ansicht der Kläger in der Berufung bedarf die Annahme einer Duldungsvollmacht nicht des wiederholten Duldens, vielmehr reicht bereits ein einmaliges Dulden aus (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl. 2006, § 173 Rn. 12). Vorliegend wollte die Bank sich durch die Vorabinformation der Kläger persönlich von Risiken aus der Vertretungsmacht der Treuhänderin befreien und durfte auf Grund des Schweigens der Kläger in deren Wirksamkeit vertrauen.

Unzutreffend ist auch die Rechtsansicht der Kläger, die Duldungsvollmacht setze voraus, dass sie die Unwirksamkeit der rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht gekannt und um die konstitutive Wirkung ihres Schweigens gewusst hätten. Anders als bei der stillschweigend erteilten Vollmacht bedarf es bei der Duldungsvollmacht weder des bewussten Willens zur Erteilung einer Vollmacht noch auch nur eines entsprechenden Erklärungsbewusstseins. Die Duldungsvollmacht ist ein Fall des Vertrauensschutzes des Erklärungsempfängers, so dass es ausreicht, wenn dieser auf das Bestehen einer Vertretungsmacht vertraut hat und vertrauen durfte.

Die Beklagte kann sich auf diesen Vertrauensschutz auch berufen. Weder wusste die Bank, dass die Kläger keine Vollmacht erteilen wollten (die Kläger wollten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses von der Treuhänderin vertreten werden!), noch hat sie treuwidrig mit der Treuhänderin zum Nachteil der Kläger zusammengewirkt. Die von den Klägern behaupteten Absprachen sind nicht als kollusiv anzusehen. Dass die Bank aus Vorgesprächen sowohl um die Art und Weise des Vertriebs als auch um die damit verbundenen Provisionen wusste, steht ihrem Vertrauen in den Bestand der Vertretungsmacht der Treuhänderin für die Kläger nicht entgegen.

Soweit die Kläger mit der Berufung die Ausführungen des landgerichtlichen Urteils zum Zustandekommen des Darlehensvertrages unter einer aufschiebenden Bedingung angreifen, kann dies dahin stehen, da es sich insoweit lediglich um eine die Entscheidung nicht tragende Hilfsbegründung handelt.

2. Der Darlehensvertrag ist durch den von den Klägern erklärten Widerruf nicht nachträglich beseitigt worden. Den Klägern stand ein Widerrufsrecht nach dem Haustürwiderrufsgesetz nicht zu. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass eine Haustürsituation nicht vorlag. Handelt für den Verbraucher – hier die Kläger – ein Vertreter, so kommt es zur Beurteilung der Haustürsituation allein auf diesen an (BGH NJW 2000, 2268, 2270; BGH NJW 2004, 154, 155; BGH NJW 2005, 664, 668; BVerfG NJW 2004, 15). Dass die Treuhänderin in einer Haustürsituation überrumpelt worden wäre, ist nicht vorgetragen.

Mangels Vorliegen einer zum Widerruf berechtigenden Haustürsituation können die Kläger auch aus der neueren Rechtsprechung des EuGH keine Rechte herleiten. In den beiden Entscheidungen vom 25.10.2005 („Schulte“ -C 350/03- und „Crailsheimer Volksbank e.G.“ -C 229/04-) hat der EuGH einen Anspruch des Verbrauchers auf Freistellung von denjenigen mit dem Erwerb der Kapitalanlage verbundenen Risiken herleitet, die er bei ordnungsgemäßer Belehrung über sein Widerrufsrecht bei Abschluss des Darlehensvertrags hätte vermeiden können. Voraussetzung ist indes, dass eine Belehrung nach dem Haustürwiderrufsgesetz erforderlich gewesen wäre, was vorliegend mangels Haustürsituation nicht der Fall war.

3. Ein Anspruch steht den Klägern auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes aus Verschulden bei Vertragsschluss (c.i.c. [§ 280 BGB n.F.], PFV, § 826 BGB) zu. Die Darlehensgeberin hat keine ihr als Nebenpflicht aus dem Darlehensvertrag obliegenden Aufklärungs- und Hinweispflichten verletzt.

Die Darlehensgeberin war nicht gehalten, die Kläger über Risiken aus der Verwendung des Kredits zum Erwerb der Eigentumswohnung aufzuklären. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine finanzierende Bank nicht verpflichtet, einen Darlehensnehmer über die Gefahren und Risiken der Verwendung eines Darlehens aufzuklären und vor dem Vertragsschluss zu warnen (BGH NJW 2000, 3558; BGH NJW-RR 2000, 1576, beide m. w. Nw.). Das Verwendungsrisiko trägt grundsätzlich der Anleger selbst, dem es obliegt, sich über die damit verbundenen speziellen Gefahren zu informieren und die Entscheidung hierüber eigenverantwortlich zu treffen. Insbesondere bei finanzierten Kapitalanlagen darf die finanzierende Bank regelmäßig davon ausgehen, dass der Kreditnehmer Konzeption und Wirtschaftlichkeit der geplanten Anlage, ggf. unter Einschaltung besonderer Fachberater, hinreichend geprüft hat. Dies gilt auch bei geschäftsunerfahrenen Kunden (OLG Stuttgart WM 2000, 292).

Eine Aufklärungs- und Warnpflicht der Bank kann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen angenommen werden, so zum Beispiel, wenn die Bank im Zusammenhang mit der Planung, der Durchführung oder dem Vertrieb des Projekts über ihre Rolle als Kreditgeberin hinausgeht, wenn sie einen, zu den allgemeinen wirtschaftlichen Risiken hinzutretenden besonderen Gefährdungstatbestand für den Kunden schafft oder dessen Entstehung begünstigt, wenn sie sich im Zusammenhang mit der Kreditgewährung sowohl gegenüber dem Bauträger als auch gegenüber dem einzelnen Erwerber in schwerwiegende Interessenkonflikte verwickelt oder wenn sie in Bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer hat und dies auch erkennen kann.

Eine solche Fallgestaltung liegt hier nicht vor.

Sie ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Beklagte als Darlehensgeberin arbeitsteilig mit dem Vertrieb und der Verkäuferin zusammengearbeitet hätte. Der diesbezügliche Vortrag der Kläger ist unsubstantiiert. Er lässt nicht erkennen, in Bezug auf welche Punkte die Bank Kenntnisse von welchen Umständen gehabt haben soll, die der Klägerin nicht bekannt gewesen wären. Dies gilt auch für die im Innenverhältnis zwischen den am Vertrieb Beteiligten gezahlten Provisionen. Deren Höhe kann einen haftungsbegründenden Wissensvorsprung der Darlehensgeberin grundsätzlich nicht begründen. Anders als ein Anlagevermittler, der dem Anlageinteressenten vertraglich Aufklärung über alle für die Anlageentscheidung bedeutsamen Umstände schuldet, ist eine kreditgebende Bank bei steuersparenden Bauherren- und Erwerbermodellen grundsätzlich nicht verpflichtet, den Anleger und Darlehensnehmer ungefragt über eine im finanzierten Kaufpreis einer Eigentumswohnung enthaltene "versteckte Innenprovision" aufzuklären. Dies gilt auch dann, wenn diese Innenprovision 15% übersteigt (BGH Urteile vom 12.11.2002 -XI ZR 3/01– und vom 23.3.2004 -XI ZR 194/02-).

Ein aufklärungspflichtiger Wissensvorsprung der Beklagten folgt auch nicht daraus, dass die von den Klägern erworbene Wohnung möglicherweise sittenwidrig überteuert war und die Beklagte dies wusste. Der erkennende Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des BGH, der eine Aufklärungspflicht der Bank über die Unangemessenheit des Kaufpreises ausnahmsweise annimmt, wenn die Bank bei einem Vergleich von Kaufpreis und Wert des Objekts von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers durch den Verkäufer ausgehen muss (Urteile vom 20. Mai 2003 -XI ZR 248/02- m. w. Nw. und vom 18.11.2003 -XI ZR 322/01-). Erforderlich dazu ist zum einen substantiierter Vortrag zum Wert der Wohnung im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses, der – um als sittenwidrig überteuert angesehen werden zu können - nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wenigstens knapp doppelt so hoch sein muss wie der Wert der Wohnung (BGHZ 146, 298, 302 ff. und Urteil vom 20.5.2003 -XI ZR 248/02-, jeweils m. w. Nw.). Dahinstehen kann im vorliegenden Fall, ob die Kläger dem durch Vorlage des privat eingeholten schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen SV1 vom 8.10.2004 genügt haben, in dem der Sachverständige für den Kaufzeitpunkt zu einem Wert von 55.350,- DM gekommen ist, was unter der Hälfte des Kaufpreises (212.000,- DM) zurückbleibt. Dahinstehen kann auch – woran das Landgericht nachvollziehbar erhebliche Bedenken geäußert hat -, ob das Privatgutachten richtig ist und ob der so behauptete Wert tatsächlich zutrifft, weil es jedenfalls an der weiter erforderlichen Voraussetzung fehlt.

Erforderlich ist über die objektiv sittenwidrige Überteuerung hinaus nämlich subjektiv die Kenntnis der Bank von der Überteuerung. Auf diese Kenntnis kann entgegen der Ansicht der Kläger nicht im Wege einer tatsächlichen Vermutung allein aus der objektiven Überteuerung geschlossen werden. Eine solche Vermutung hat die Rechtsprechung auf Seiten des am Rechtsgeschäft unmittelbar beteiligten Geschäftspartners bejaht. Dies kann zu Lasten der das Geschäft finanzierenden Bank nicht übernommen werden. Die Bank muss sich – anders als der Geschäftspartner selbst – über die Rentabilität des Geschäfts keine Gedanken machen, braucht keinen Vergleich des Werts von Leistung und Gegenleistung anzustellen. Wenn sie sich darauf beschränkt, den beantragten Kredit nach Prüfung der Bonitätsvoraussetzungen zu gewähren, begeht sie keine Pflichtverletzung. Eine solche kommt nur in Betracht, wenn sie trotz positiver Kenntnis von der sittenwidrigen Überteuerung von einem Hinweis an den Darlehensnehmer absieht. Wollte man zu Lasten der finanzierenden Bank das Vorliegen der subjektiven Wuchervoraussetzungen tatsächlich vermuten, würde dies dazu führen, dass die Bank in jedem Fall die beabsichtigte Mittelverwendung prüfen müsste und das Risiko einer Übervorteilung des Darlehensnehmers durch den Vertragspartner des finanzierten Geschäfts trüge. Eine solche Risikoverteilung kommt außerhalb des verbundenen Geschäfts nach § 9 VerbrKrG nicht in Betracht.

Die Kläger erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen. Sie werden darauf hingewiesen, dass bei Rücknahme der Berufung Gerichtsgebühren in erheblicher Höhe erspart werden können.