BGH, Urteil vom 11.11.2004 - 5 StR 372/04
Fundstelle
openJur 2012, 57550
  • Rkr:
Tenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. Februar 2004 wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die dadurch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

- Von Rechts wegen -

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (besonders) schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die dagegen erhobene, wirksam auf das Strafmaß beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, bleibt erfolglos.

1. Das Landgericht hat im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Am Abend des 23. Juni 2003 verabredeten der Angeklagte, der Mitangeklagte K , der gesondert Verfolgte Wl und zwei lediglich unter ihren Vornamen M und B bekannte junge Männer, in der Wohnung des Wa unter Gewaltanwendung Haschisch und andere mitnehmenswerte Gegenstände zu entwenden. Der Angeklagte Szklingelte in Begleitung des M an der Wohnungstür und fragte Wa vergeblich nach Geld. Sz drängte Wa in den Wohnungsflur und schlug ihm kräftig mit der Faust in das Gesicht. Auf die Hilferufe Wa s eilte dessen Freund Sc herbei, der von M im Wohnzimmer unter Androhung von Schlägen gezwungen wurde, sich mit dem Kopf nach unten auf den Boden zu legen. Der Angeklagte brachte Wa mit einem weiteren Faustschlag und einem wuchtigen Tritt zu Boden und trat gegen den Kopf des Wa . Der Geschädigte schrie vor Schmerzen und verlor kurzzeitig das Bewußtsein. Die Täter schleiften Wa ins Wohnzimmer und suchten in der ganzen Wohnung nach Geld. Entweder der Angeklagte Sz oder M nahmen Sc s Mobiltelefon und Geldbörse an sich. Der Angeklagte Sz verließ dann die Wohnung und begab sich zu den vor dem Wohnhaus wartenden weiteren Mittätern. Das Landgericht hat zugunsten des Angeklagten Sz angenommen, daß B und M den bereits schwer verletzten Wa erneut angriffen und den Großteil der später in der Wohnung des Angeklagten Sz verteilten erheblichen Beute - vier Mobiltelefone, 1200 € Bargeld, Schmuck, Münzen, zwei Geldbörsen und Papiere, elektronisches Spielzeug und eine EC-Karte - an sich nahmen. Wa erlitt unter anderem Frakturen des Jochbeins, des Oberund Unterkiefers, ein Schädel-Hirn-Trauma zweiten Grades und mußte den Verlust eines Zahnes hinnehmen. Nach mehreren Operationen fällt ihm das Sprechen immer noch schwer; die linke Seite seines Gesichts ist betäubt. Er leidet ständig unter Schmerzen und ist schwach, gebrechlich und durch die Tat gezeichnet.

2.

Das Landgericht hat diesen Sachverhalt hinsichtlich der Beteiligung des Angeklagten Sz als (besonders) schweren Raub nach § 250 Abs. 2 Nr. 3a StGB in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 StGB gewürdigt und die Strafe dem Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB entnommen. Zwar sprächen das brutale, zielgerichtete Vorgehen des bewährungsbrüchigen Angeklagten und die erheblichen mit noch andauernden physischen und psychischen Beeinträchtigungen verbundenen Verletzungen gegen die Annahme eines minder schweren Falles. Einen solchen hat das Landgericht letztlich aber für gegeben erachtet, weil der Angeklagte an der Erlangung der Raubbeute nicht sicher persönlich mitwirkte, an ihr nur in geringem Umfang partizipierte, sich teilgeständig eingelassen und sich beim Geschädigten entschuldigt hat. Schließlich hat das Landgericht die schwierigen Bedingungen für die kindliche und jugendliche Entwicklung des Angeklagten in Polen, die lange Untersuchungshaft, seine alkoholische Enthemmung und den Umstand gewürdigt, daß letztlich keine konkrete Lebensgefahr für den Geschädigten bestand.

3.

Die gegen die Strafzumessung des Landgerichts erhobenen Einwendungen der Revision bleiben erfolglos. Die vom Landgericht vorgenommene Bestimmung des Strafrahmens und die Bemessung der Strafe halten rechtlicher Prüfung noch stand.

Die Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimißt, ist im wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 3, 179; 24, 268; BGHR § 177 Abs. 5 Strafrahmenwahl 2 m.w.N.). Das Revisionsgericht darf die Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen, sondern nur nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist (vgl. BGHSt 29, 319, 320; BGH StV 2002, 20; BGH, Urt. vom 20. April 2004 - 5 StR 87/04). Das ist hier nicht der Fall.

Soweit die Revision mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts einen größeren Schuldumfang geltend macht und damit auf andere Feststellungen abhebt, kann sie damit nicht gehört werden, weil die Überprüfung im Revisionsverfahren mit der Sachrüge auf die im Urteil getroffenen Feststellungen beschränkt ist (vgl. BGHSt 35, 238, 241). Durch die wirksame Beschränkung des Rechtsmittels auf den Strafausspruch kann die Beschwerdeführerin auch den Schuldspruch unter dem Gesichtspunkt einer fehlenden Erörterung des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht mehr angreifen (vgl. BGHSt 29, 359, 364). Allerdings ist der Revision zuzugeben, daß die mildernde Wertung des Landgerichts, es habe keine konkrete Lebensgefahr für den Geschädigten bestanden, Bedenken begegnet. Die Verursachung einer Todesgefahr begründet nach § 250 Abs. 2 Nr. 3b StGB eine weitere Qualifikation. Der Gesetzgeber hält somit diese Variante eines Raubes im Vergleich zu den Taten, in denen das Opfer nicht in Todesgefahr geriet, für besonders strafwürdig. Damit ist aber umgekehrt impliziert, daß eine Raubtat, der lediglich ein Qualifikationsmerkmal fehlt, allein aus diesem Grund nicht als besonders mild bewertet werden darf. Des weiteren wird die zur Milderung herangezogene Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe lange Untersuchungshaft hinnehmen müssen, von den Feststellungen nicht getragen. Der Angeklagte hat seit 24. Juli 2003, dem Tag seiner Festnahme, - infolge der Vollstreckung anderweit verhängter Haftstrafen - lediglich etwas über zwei Monate Untersuchungshaft verbüßt, die grundsätzlich nicht strafmildernd zu berücksichtigen ist (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 20). Die dem Angeklagten im Hinblick auf die als Überhaft notierte Untersuchungshaft möglicherweise nicht gewährten Vergünstigungen als Strafgefangener können kein solch nachteiliges Gewicht entfalten, wie es ausnahmsweise eine allein von der Vollstreckung der Untersuchungshaft herrührende besondere Beeindruckung eines Angeklagten darstellt (vgl. BGHR aaO).

Diese Erwägungen begründen vorliegend aber noch keinen Rechtsfehler. Das Landgericht hat bei der Bestimmung des Strafrahmens in erster Linie auf den geringeren Tatbeitrag des Angeklagten für das Raubgeschehen abgehoben und die Verantwortung des Angeklagten für die massive und folgenschwere Körperverletzung betont. Es hat unter "besonderer Würdigung der brutalen Vorgehensweise im Wohnungsflur und damit eines für den Geschädigten besonders geschützten Bereiches" (UA S. 24) zu einer insgesamt angemessenen, auch dem Normalstrafrahmen des besonders schweren Raubes zu entnehmenden Sanktion gefunden. Die häufig nur floskelhaft oder unreflektiert erwogene "lange Untersuchungshaft" hat vorliegend die verhängte Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten ersichtlich nicht zugunsten des Angeklagten beeinflußt.

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