OLG Köln, Beschluss vom 12.04.2000 - 16 Wx 56/00
Fundstelle
openJur 2012, 123978
  • Rkr:
Tenor

Auf die weitere Beschwerde des Betroffenen werden der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 8.3.2000 - 4 T 95/2000 - und der Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 19.1.2000 aufgehoben.

Gründe

GRÓNDE:

Durch Beschluss vom 19.1.2000 ordnete das Amtsgericht für die

Betroffene Betreuung an mit dem Aufgabenkreis "Vertretung in

Vermögensangelegenheiten einschließlich Renten- und

Unterhaltsforderungen, die Entscheidung über die Wohnungsauflösung,

das Recht zur Bestimmung des Aufenthalts einschließlich der

Entscheidung über eine Unterbringung und freiheitsbeschränkende

Maßnahmen und Gesundheitsfürsorge, nebst eines dafür erlassenen

Einwilligungsvorbehalts, und bestimmte zum Betreuer die Beteiligte

zu 2). Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht nach

persönlicher Anhörung der Betroffenen durch die Berichterstatterin

durch den angefochtenen Beschluss mit Ausnahme des Aufgabenkreises

Wohnungsauflösung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zu

Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts erklärte weitere

Beschwerde der Betroffenen, mit der sie ihren Antrag auf Aufhebung

der Betreuung weiterverfolgt.

Die nach §§ 27, 29 FGG als Rechtsbeschwerde zulässige weitere

Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen

Entscheidung sowie der Betreuungsanordnung durch das Amtsgericht,

denn eine amtliche Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen ist

nicht festzustellen.

Das Landgericht hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:

Nach den fachpsychiatrischen Feststellungen der Sachverständigen

Frau M. und dem Ergebnis der persönlichen Anhörung sei die

Betroffene infolge ihrer chronischen paranoidhalluzinatorischen

Psychose verbunden mit der auf die Wahnvorstellungen zurückgehenden

altruistischen Helferneigung und ihrer Krankheitsuneinsichtigkeit

für diese Aufgabenkreise betreuungsbedürftig, d.h. nicht in der

Lage, die Angelegenheiten selbständig unter vernünftiger

Wahrnehmung ihrer eigenen Interessen zu regeln. So bestehe die

Gefahr, dass die Betroffene sich durch von ihr real und bedrohend

empfundenen wahnhaften Ideen gezwungen fühlt, über ihre

finanziellen Möglichkeiten hinaus - sie erhält eine Rente von 2.400

DM - in einem Rahmen Geld zu verschenken, dass ihr zur eigenen

Versorgung nicht ausreichende Mittel verbleiben. Hinzukomme, dass

sie nunmehr auch die Mietzahlungen erbringen muss, die bislang von

ihrem geschiedenen Ehemann an den Vermieter gezahlt wurden, so dass

zu befürchten sei, dass die Betroffene krankheitsbedingt mit dieser

neuen Situation überfordert ist und ihre Zuwendungen an Dritte

nicht auf das ihr finanziell zumutbare Mass beschränkt. Zudem

erkenne sie ihre Behandlungsbedürftigkeit nicht und sei deshalb für

die Bereiche Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge

einschließlich einer etwa notwendigen stationären Einweisung nicht

in der Lage, ihre Interessen eigenverantwortlich zu vertreten.

Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung (§§ 27 Abs. 1

FGG, 55o ZPO) nicht stand. Die Ausführungen tragen nicht die

Annahme einer amtlichen Betreuungsbedürftigkeit.

Nach dem Erforderlichkeitsgrundsatz (§ 1896 Abs. 2 BGB) kommt

eine Betreuung der Betroffenen nur in Betracht, wenn sie aufgrund

ihrer psychischen Krankheit bestimmte ihrer Angelegenheiten ganz

oder teilweise nicht (mehr) selbst besorgen kann (vgl. z.B. Senat

in NJW-FER 98, 25o). Die Feststellungen des Landgerichts reichen

indes nicht aus, um diese Erforderlichkeit der Betreuungsanordnung

zu begründen. Konkrete Anhaltspunkte, die nachvollziehbar in auch

nur einer Angelegenheit Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen

begründen könnten, sind weder dargetan noch ersichtlich, zumal im

Hinblick auf die Vorgeschichte.

Schon einmal im Februar 1997 war für die Betroffene, die seit

1989 an der Psychose mit progressivem Wahnsystem leidet, eine

umfassende Betreuung mit Einwilligungsvorbehalten angeordnet

worden. Zugrunde lag u.a., dass sie im Laufe der Jahre aufgrund ihr

Wahnvorstellungen an verschiedene Personen insgesamt 70.000 DM

verschenkt und daraufhin 6.000 DM Schulden hatte. Die Anordnung

wurde indes auf die Beschwerde der Betroffenen mit Ausnahme der

Vertretung in Vermögensangelegenheiten im April 1997 wieder

aufgehoben. Später war auf ihren Antrag hin mit Beschluss vom

15.1.98 die Betreuung ganz aufgehoben worden. Grundlage war ein

ergänzend eingeholtes psychiatrisches Gutachten der Frau Dr.

K.-Sch. vom 22.12.97, in dem diese nach ihren Feststellungen

nunmehr zu dem Ergebnis gelangte, dass trotz der partiellen

Einschränkung der Geschäftsfähigkeit der Betroffenen im Bereich der

paranoiden Thematik ihre Kritikfähigkeit soweit ausreicht, um in

finanziellen Angelegenheiten ihren Möglichkeiten entsprechend zu

handeln, und es deshalb vertretbar sei, die im Vorgutachten des

Beschwerdeverfahrens noch empfohlene Vermögensbetreuung nunmehr

aufzuheben (Bl. 121 GA).

Deshalb müssten nunmehr erneut Umstände eingetreten sein, die

die Anordnung einer Betreuung wiederum rechtfertigen. Solche in der

Folgezeit aufgetretene Auffälligkeiten sind jedoch weder dargetan

noch ersichtlich. Bei seiner Anregung zur Betreuung trug der

geschiedene Ehemann der Betroffenen lediglich pauschal vor, die

schrecklichen Wahnvorstellungen (Ermordung von Kindern, Sprengung

von Gebäuden, Flugzeugabstürze, Unfälle usw.) zwängen sie, alle

finanziellen Mittel zu spenden, wodurch das Geld für eine

vernünftige Ernährung teilweise fehle. Konkrete Einzelfälle nannte

er nicht. Auch im vom Amtsgericht eingeholten Fachgutachten der

Frau Dr. M. vom 7.12.99 fehlen jedwede konkreten Anhaltspunkte, die

ihre Empfehlung zu einer wiederum umfassenden Betreuung auch nur

annähernd rechtfertigen könnten. Auch die persönliche Anhörung der

Betroffenen hat nichts dafür ergeben, dass sie sich in der

Zwischenzeit durch derlei Ausgaben in einem nicht mehr zumutbaren

Maß verschuldet hätte. Der Umstand allein, dass ihr durch solche

Ausgaben möglicherweise zeitweise Mittel zur "vernünftigen"

Ernährung fehlen, begründet nicht schon eine amtliche

Betreuungsbedürftigkeit. Nichts ist im übrigen dafür dargetan, dass

derzeit, wenn auch eine psychopharmakologische

Behandlungsbedürftigkeit besteht, eine dauernde Kontrolle der

Medikamenteneinnahme erforderlich wäre. Allein die

Krankheitsuneinsichtigkeit rechtfertigt nicht die vorsorgliche

Einrichtung einer Betreuung mit den Aufgabenkreisen

Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung. Hinzukommen muss,

dass bezüglich dieser Angelegenheiten auch ein konkreter

Handlungsbedarf besteht.

Die Entscheidung des Landgerichts kann daher keinen Bestand

haben. Eine Zurückverweisung erübrigte sich, weil für die

Entscheidung der vorgenannten Frage weitere Ermittlungen nicht

erforderlich sind und der Senat sie selbst entscheiden konnte.

Sonach waren auf die weitere Beschwerde der angefochtene Beschluss

und auch die amtsgerichtliche Entscheidung ersatzlos

aufzuheben.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

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