VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.03.1997 - 10 S 529/96
Fundstelle
openJur 2013, 10414
  • Rkr:

1. Eine in öffentlich beglaubigter Form eingereichte Kirchenaustrittserklärung wird nicht schon mit dem Einwurf in den Briefkasten der Behörde, sondern erst dann wirksam, wenn der Standesbeamte von ihr Kenntnis erlangt und die Einhaltung der formellen Voraussetzungen feststellt.

2. Der gesetzliche Anspruch auf Erteilung einer behördlichen Bescheinigung kann nach Treu und Glauben entfallen, wenn der Berechtigte ihn nicht in angemessener Zeit gegenüber der Behörde geltend macht.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Bescheinigung über ihren Austritt aus der evangelischen Kirche.

Sie suchte am 21.10.1993 den Bürgermeister der Beklagten, ihrer früheren Wohnortgemeinde, auf und legte die unbeglaubigte Kopie eines an das Standesamt der Beklagten gerichteten notariell beglaubigten Schreibens vom 22.04.1988 vor, in dem sie ihren Kirchenaustritt mit sofortiger Wirkung erklärte. Die Klägerin machte geltend, sie habe das Original dieses Schreibens, nachdem sie es am Nachmittag des 27.04.1988 habe notariell beglaubigen lassen, noch am selben Tag nach Dienstschluß in den Briefkasten der Beklagten eingeworfen. Zugleich legte sie eine eidesstattliche Versicherung ihres Ehemannes vom 08.03.1993 vor, in der dieser erklärt, er habe damals, da er gegenüber der Einfahrt des Standesamtes geparkt habe, aus dem Auto heraus erkennen können, daß die Erklärung der Klägerin in den Briefkasten der Beklagten gelangt sei.

Die Beklagte ging der Sache nach, konnte aber auch nach einer Mitarbeiterbefragung keinen Hinweis auf den Eingang der Austrittserklärung finden. Daraufhin verweigerte sie die Erteilung einer Bestätigung, daß der Kirchenaustritt im Jahre 1988 erfolgt sei. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.

Nachdem die Beklagte sich aus Rechtsgründen außerstande gesehen hatte, einen Widerspruchsbescheid zu erlassen, hat die Klägerin am 07.04.1994 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben. Sie hat beantragt, die Beklagte zu verpflichten, ihr eine Bescheinigung über den am "22.04.1988" erfolgten Kirchenaustritt zu erteilen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat Klagabweisung beantragt.

Mit Urteil v. 09.01.1996 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:

Die Klage sei als Untätigkeitsklage nach § 75 S. 1 VwGO zulässig, da die Beklagte über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden habe. Bei der begehrten Bescheinigung über den Austritt aus der Kirche handele es sich um einen beurkundenden Verwaltungsakt. Die Klage sei aber nicht begründet, weil die Klägerin keinen Anspruch auf diese Bescheinigung habe. Die Kirchenaustrittserklärung sei eine einseitige, gegenüber einer Behörde abzugebende, rechtsgestaltende Willenserklärung, auf die die Regeln des BGB anwendbar seien. Nach § 130 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 BGB i.V.m. § 26 Abs. 2 2. Alt. KiStG werde die Austrittserklärung in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie dem Standesamt zugehe. Die materielle Beweislast für den Eingang der Austrittserklärung beim Standesamt trage der Ausgetretene, hier also die Klägerin. Es sei nicht festzustellen, daß die Austrittserklärung zum damaligen Zeitpunkt beim Standesamt durch Einlegen des Briefes in dessen Briefkasten eingegangen sei. Die Beklagte bestreite den Eingang. Die von ihr vorgelegten Akten ergäben nichts. Die Klägerin habe den ihr obliegenden Beweis des Eingangs nicht geführt. Die nicht im Original vorgelegte eidesstattliche Versicherung ihres Ehemannes sei ein Mittel nicht zum Beweis, sondern zur Glaubhaftmachung tatsächlicher Behauptungen. In der mündlichen Verhandlung seien auch keine Beweisanträge gestellt worden. Es habe keine Veranlassung bestanden, den Sachverhalt nach § 86 Abs. 1 VwGO von Amts wegen weiter zu erforschen. Denn eine weitere Ermittlung habe sich nicht aufgedrängt, weil das Vorbringen der Klägerin der hinreichenden Plausibilität entbehrt habe. Es sei wenig einleuchtend, daß jemand aus einer Religionsgemeinschaft austrete und - wie hier - es fünf Jahre lang unterlasse, den Eingang der Austrittserklärung beim zuständigen Standesamt zu überprüfen, wenn die in § 26 Abs. 3 KiStG vorgeschriebene Bescheinigung des Austritts durch das Standesamt ausbleibe.

Gegen das ihr am 22.01.1996 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19.02.1996 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor: Das Urteil des Verwaltungsgerichts sei wegen unzureichender Erforschung des Sachverhalts rechtsfehlerhaft. Es führe zwar zutreffend aus, daß die Austrittserklärung eine einseitige rechtsgestaltende Willenserklärung sei, für deren Zugang bei der Behörde sie - die Klägerin - die Beweislast trage. Das erstinstanzliche Gericht habe es jedoch unterlassen, ihr Beweisangebot in der Klageschrift auszuschöpfen und über die bestrittene Behauptung des Zugangs ihren Ehemann als Zeugen zu hören. Es sei hierdurch dem ihm obliegenden Untersuchungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO nicht nachgekommen. Sie habe in erster Instanz plausibel und nachvollziehbar vorgetragen, wie es zum Zugang der Austrittserklärung bei der Beklagten gekommen sei. Die Umstände des Einwurfs in den Briefkasten der Beklagten seien ebenso schlüssig wie nachvollziehbar. Sie habe nach der öffentlichen Beglaubigung die Erklärung noch am selben Tage in den Briefkasten der Behörde eingeworfen, da eine andere Möglichkeit des Zugangs im Hinblick auf die Öffnungszeiten der Behörde nicht möglich gewesen sei. Nach Einwurf in den Briefkasten habe sie zu Recht davon ausgehen dürfen, daß die auf diesem Wege zur Beklagten gelangte Post an die einzelnen zuständigen Stellen innerhalb der Behörde weitergeleitet werde. Daß sie es fünf Jahre lang unterlassen habe, den Eingang der Austrittserklärung zu überprüfen, sei auf schwierige persönliche Umstände in dieser Zeit zurückzuführen. Im übrigen sei die Frage des nicht registrierten Austritts bei der Beklagten leicht zu erklären. Anläßlich eines Gesprächs im Bürgermeisteramt habe der Bürgermeister der Beklagten sinngemäß geäußert, daß es bereits verschiedene Male vorgekommen sei, daß Schreiben, die in den Postkasten eingeworfen worden seien, nicht - etwa weil sie in Werbebroschüren oder Zeitungen geraten seien, die weggeworfen worden seien - bei der Behörde angelangt seien.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 09. Januar 1996 - 1 K 913/94 - zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, ihr eine Bescheinigung über den am 27. April 1988 erfolgten Kirchenaustritt zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt sie im wesentlichen aus: Das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt ausreichend erforscht. Ein Beweisantrag sei von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt worden, obgleich die Darlegungslast für den Zugang der einseitigen rechtsgestaltenden Willenserklärung des Kirchenaustritts der Klägerin oblegen habe. Das Verwaltungsgericht habe rechtsfehlerfrei von der zweifelhaften inhaltlichen Plausibilität einer solchen Aussage ausgehen dürfen, so daß sich eine Beweiserhebung ohne förmlichen Antrag nicht aufgedrängt habe. Es sei unzutreffend, daß der Bürgermeister geäußert habe, daß bereits verschiedene Male in den Briefkasten geworfene Schriftstücke nicht in den Geschäftsgang gelangt seien. Der Ablauf der Postbearbeitung sei derart geregelt und überwacht, daß ein zu einer Beweislast- oder Darlegungslastumkehr führendes Organisationsverschulden ausgeschlossen werden könne.

Dem Senat liegen die einschlägigen Akten der Beklagten und des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Akten und auf den Inhalt der Akten des Berufungsverfahrens verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen.

1. Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen weder im Hinblick auf das Rechtsschutzinteresse der Klägerin noch im Hinblick darauf Bedenken, daß jedenfalls kein Widerspruchsverfahren durchgeführt worden ist. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dargelegt, daß für den fraglichen Zeitraum (April 1988 bis Februar 1990) noch keine bestandskräftige Festsetzung der Kirchensteuer vorliege; die Kirchensteuerbefreiung vielmehr vom Finanzamt von der Vorlage der mit der Klage erstrebten Bescheinigung abhängig gemacht worden sei. Die Erhebung der Verpflichtungsklage ist ausnahmsweise auch ohne Durchführung des Widerspruchsverfahrens zulässig, da die Beklagte rechtsirrtümlich den Standpunkt vertreten hat, ein Widerspruchsverfahren könne aus Rechtsgründen nicht durchgeführt werden (vgl. Kopp, VwGO, 10. Aufl., § 68 RdNrn. 33).

2. Auch nach Auffassung des Senats hat die Klägerin keinen Anspruch auf Bescheinigung durch die Beklagte, daß sie am 27.04.1988 aus der evangelischen Kirche ausgetreten ist. Rechtsgrundlage für einen derartigen Anspruch ist § 26 Abs. 3 Kirchensteuergesetz - KiStG - vom 15.06.1978 (GBl. S. 370). Danach ist der nach den vorangegangenen Absätzen des § 26 vorgenommene Austritt aus einer Religionsgemeinschaft dem Ausgetretenen zu bescheinigen.

a) Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung kann schon nicht davon ausgegangen werden, daß eine wirksame Austrittserklärung vorliegt, auf die sich die Bescheinigung als nur feststellender Verwaltungsakt mit beurkundendem Charakter (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.02.1979, Buchholz 401.70 Kirchensteuer Nr. 17; BayVGH, Urteil vom 26.01.1976, BayVBl 1976, 466; Redeker/von Oertzen, VwGO, 10. Aufl., § 42 RdNr. 56) beziehen könnte.

aa) Nach § 26 Abs. 1 S. 1 KiStG hat jeder das Recht, aus einer Religionsgemeinschaft durch eine Erklärung gegenüber dem für seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zuständigen Standesbeamten mit bürgerlicher, d.h. nicht kirchenrechtlicher Wirkung auszutreten. Die Erklärung ist persönlich zur Niederschrift abzugeben oder in öffentlich beglaubigter Form einzureichen (§ 26 Abs. 2 S. 2 1. HSk KiStG). Wird sie - worauf sich hier die Klägerin beruft - in öffentlich beglaubigter Form eingereicht, wird sie mit ihrem Eingang beim Standesbeamten wirksam (§ 26 Abs. 2 KiStG i.V.m. Ziff. 1 Abs. 4 der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums über das Kirchenaustrittsverfahren - Verwaltungsvorschrift - vom 08.02.1985, GABl. S. 370). Die Wirksamkeitsvoraussetzung "Eingang beim Standesbeamten" ist erst dann erfüllt, wenn der zuständige Standesbeamte von der Erklärung Kenntnis genommen und entsprechend Ziff. 4 der Verwaltungsvorschrift verfahren ist, also auf der Erklärung deren Eingangstag vermerkt hat und zugleich die Vollständigkeit der Angaben über die Person, die Erklärungsberechtigung, die Eindeutigkeit der Austrittserklärung, insbesondere das Nichtvorhandensein unzulässiger Bedingungen oder Zusätze (§ 26 Abs. 1 S. 2 2. HS KiStG), sowie die Gesetzmäßigkeit der öffentlichen Beglaubigung geprüft hat, ohne daß Anlaß zu Beanstandungen oder notwendigen Ergänzungen bestanden hat. Diese Präzisierung der Wirksamkeitsvoraussetzung für einen Kirchenaustritt im Wege öffentlich beglaubigter Austrittserklärung ergibt sich insbesondere aus der Zusammenschau mit der in § 26 Abs. 1 KiStG primär vorgesehenen Form des Kirchenaustritts durch eine zur Niederschrift abgegebene Austrittserklärung. Beim Austritt durch eine zur Niederschrift abgegebene Austrittserklärung erlangt der Standesbeamte schon voraussetzungsgemäß Kenntnis vom Austrittsbegehren. Dadurch, daß eine solche Austrittserklärung mit der Unterzeichnung der Niederschrift wirksam wird (§ 26 Abs. 2 KiStG), ist auch gewährleistet, daß die Erklärung - weil vom Standesbeamten selbst formuliert - von vornherein den formellen Anforderungen entspricht, deren Einhaltung der Standesbeamte bei der öffentlich beglaubigten Austrittserklärung mit dem Eingang dieser Erklärung prüfen muß. Es kann nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber, indem er auch eine vereinfachte Form des Austritts durch öffentlich beglaubigte Austrittserklärung zugelassen hat, die Wirksamkeit der Austrittserklärung von der Erfüllung der formellen Voraussetzungen, deren Überprüfung dem Standesbeamten obliegt, unabhängig machen wollte. Dem steht auch § 130 BGB nicht entgegen, wonach eine Willenserklärung gegenüber Abwesenden, auch soweit sie einer Behörde gegenüber abzugeben ist, in dem Zeitpunkt wirksam wird, in welchem sie ihm zugeht. Zwar reicht es für den Zugang einer empfangsbedürftigen Willenserklärung aus, daß sie die allgemeinen oder für den Einzelfall bestimmten Empfangseinrichtungen des Adressaten erreicht. Zu diesen gehören die typischen Vorkehrungen für den Empfang von Postsendungen, wie der Briefkasten beim Geschäftslokal (Förschler, in: Münchener Kommentar zum BGB, 2. Aufl., § 130 RdNr. 12). Daraus ergibt sich aber entgegen der Auffassung der Klägerin nicht, daß allein schon der Einwurf der Austrittserklärung in den Briefkasten des Rathauses der Beklagten für die Wirksamkeit der Austrittserklärung ausreicht, denn bei dieser Erklärung handelt es sich nicht um eine auf dem Gebiet des Privatrechts gegenüber einer Behörde abzugebende empfangsbedürftige Willenserklärung, sondern um eine Erklärung mit öffentlich-rechtlichen Wirkungen in einem Verwaltungsverfahren, deren Wirksamkeit von der spezifisch öffentlich-rechtlichen, im Kirchensteuergesetz geregelten Voraussetzung des Eingangs beim Standesbeamten abhängt. Daß die Austrittserklärung in dem vorstehend dargelegten Sinne beim Standesbeamten eingegangen ist und damit wirksam geworden ist, trägt die Klägerin selbst nicht vor. Im übrigen ist auch nicht zweifelsfrei, ob die formellen Voraussetzungen für einen Austritt erfüllt gewesen wären, da die in Kopie vorgelegte Erklärung der Klägerin einen Zusatz enthält.

bb) Aber auch dann, wenn man mit der Klägerin annimmt, daß bereits mit dem Einwurf einer Austrittserklärung in den Briefkasten der Behörde der Kirchenaustritt wirksam wird, liegt hier kein wirksamer Kirchenaustritt vor, da die Klägerin nach Überzeugung des Senats nicht den vollen Beweis dafür erbracht hat, daß die Austrittserklärung am 27.04.1988 tatsächlich in den Briefkasten der Beklagten gelangt ist. Zwar hat der vom Senat als Zeuge vernommene Ehemann der Klägerin deren Behauptung, sie habe die in einem braunen Umschlag befindliche Austrittserklärung am Spätnachmittag des 27.04.1988 in den Briefkasten der Beklagten eingeworfen, bestätigt. Er hat insbesondere ausgeführt, er habe aus seinem parkenden Fahrzeug heraus genau beobachtet, wie die Klägerin den Briefumschlag in den nur wenige Meter entfernten Briefkasten eingeworfen habe. Die genaue Beobachtung beruhe darauf, daß er aus seiner beruflichen Praxis wisse, welche Bedeutung dem Zugang eines Schriftstücks im Rechtsverkehr zukomme. Gleichwohl ist der Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon überzeugt, daß die Austrittserklärung tatsächlich in den Briefkasten der Beklagten gelangt ist. Er will dabei weder der Klägerin noch ihrem Ehemann unterstellen, daß sie mit ihren Ausführungen bewußt die Unwahrheit gesagt haben. Im Rahmen der Beweiswürdigung kommt jedoch dem Umstand Bedeutung zu, daß die Klägerin und ihr Ehemann durch Schilderung des Vorgangs in zwei nicht unwesentlichen Punkten voneinander abgewichen sind. So hat nach Auffassung der Klägerin die Notarin die Adresse der Beklagten auf den Briefumschlag geschrieben, nach der Darstellung ihres Ehemannes jedoch er selber. Weiter weichen die Angaben der Klägerin und ihres Ehemannes über den Standort des Fahrzeugs, aus dem heraus der Ehemann den Briefeinwurf beobachtet haben will, erheblich voneinander ab. Während der Ehemann den Bereich der Parkplätze Nr. 12 und 13 in dem von der Beklagten überlassenen Lageplan nennt, von dem aus jedenfalls ein bewußtes Verfolgen des Einwerfens - wie es der Ehemann geltend macht - von der Entfernung her nicht ausgeschlossen erscheint, hat die Klägerin den Bereich der wesentlich weiter vom Briefkasten entfernten Parkplätze Nr. 18 und 19 unmittelbar am Beginn der Einfahrt zum Gelände, auf dem sich das Rathaus befindet, angegeben, von dem aus wesentlich schwieriger zu beobachten gewesen sein dürfte, ob die Klägerin den Briefumschlag tatsächlich in den Briefkasten eingeworfen hat. Diese Widersprüchlichkeiten führen zwar nicht zu generellen Zweifeln an der Glaubwürdigkeit der Klägerin und ihres Ehemannes. Derartige Divergenzen erscheinen vielmehr im Hinblick darauf, daß seit dem Vorgang fast neun Jahre verstrichen sind, verständlich und nachvollziehbar. Gerade deshalb relativieren sie aber unter Berücksichtigung der Begrenztheit des menschlichen Erinnerungsvermögens die Aussagen des Ehemannes der Klägerin und auch der Klägerin selbst im übrigen. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen, daß es sich bei diesen Aussagen weniger um Schilderungen aus der Erinnerung heraus handelt, als vielmehr um die nachträgliche Rekonstruktion eines Vorgangs, d.h. um die Schilderung dessen, wie es sich wohl abgespielt haben muß. Er sieht deshalb diese Aussagen nicht (mehr) als geeignet an, den vollen Beweis des Zugangs einer Urkunde zu erbringen, von dem - wenn man dem rechtlichen Ansatz der Klägerin folgt - erhebliche Rechtswirkungen in verschiedenen Rechtsbereichen abhängen. Der Beweiswert der Aussage wird auch nicht dadurch erhöht, daß der Ehemann der Klägerin den Einwurf der Erklärung in den Briefkasten schon in einer eidesstattlichen Versicherung bestätigt hat, die er drei Jahre nach dem Vorgang abgegeben hat, denn der Inhalt der eidesstattlichen Versicherung steht - was den Standort des Fahrzeugs betrifft - nicht in vollem Einklang mit der Aussage in der mündlichen Verhandlung. Eine andere Beurteilung läge nur dann nahe, wenn es sich beim Einwurf der Austrittserklärung um ein besonders wichtiges Ereignis im Leben der Klägerin und ihres Ehemannes gehandelt hätte, das nach der Lebenserfahrung auch in seinen Einzelheiten über einen längeren Zeitraum hinweg noch in der Erinnerung verhaftet bleibt. Gerade darum handelt es sich aber nach den Ausführungen der Klägerin und ihres Ehemannes in der mündlichen Verhandlung nicht. Die Klägerin hat eingeräumt, daß sie sich in der aufgrund ihrer Wohnortverlegung notwendig gewordenen Abmeldung bei der Beklagten vom 28.03.1989 - wohl aus Gewohnheit - nach wie vor als evangelisch bezeichnet hat. Weiter hat sie vorgetragen, daß sie zusammen mit ihrem Ehemann im Februar 1990 gegenüber der zuständigen Behörde ihrer neuen, in einem anderen Bundesland liegenden Wohnortgemeinde vorsorglich noch einmal aus der evangelischen Kirche ausgetreten ist, ohne zuvor abzuklären, ob sie nicht bereits im Jahre 1988 wirksam ausgetreten ist, oder auf ihren damaligen Austritt auch nur hinzuweisen. Auch der Ehemann der Klägerin hat sich dahingehend geäußert, daß der Kirchenaustritt im Jahre 1988 von relativ nebensächlicher Bedeutung gegenüber den großen Problemen familiärer und vermögensrechtlicher Art gewesen sei, die er und seine Ehefrau im Jahre 1988 und in der Folgezeit zu bewältigen gehabt hätten.

b) Selbst wenn davon auszugehen wäre, daß die Klägerin durch den Einwurf der Austrittserklärung in den Briefkasten der Beklagten wirksam aus der evangelischen Kirche ausgetreten wäre, würde ihr der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung der Bescheinigung über den Austritt nicht zustehen. Es kann offenbleiben, ob der Beklagten - wie sie meint - nicht angesonnen werden kann, einen beurkundenden Verwaltungsakt in Form einer Bescheinigung zu erteilen, ohne daß der zu beurkundende Vorgang selbst - hier der Austritt - in der Dienststelle in irgendeiner Form nachgewiesen ist. Jedenfalls steht der Klägerin der Anspruch auf Erteilung einer Bescheinigung über den Kirchenaustritt deshalb nicht zu, weil die Geltendmachung dieses Anspruchs gegen Treu und Glauben verstößt, insbesondere verwirkt ist. Es entspricht allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens, daß es Sache desjenigen ist, der einen Antrag auf Erlaß eines Verwaltungsakts gestellt hat oder - wie hier - durch die Abgabe einer Erklärung einen solchen von Amts wegen erwarten darf, das von ihm bezweckte Ziel weiter zu verfolgen. Beim Schweigen der Behörde muß von ihm eine Initiative erwartet werden, was daran deutlich wird, daß ihm das Gesetz als letztes Mittel die Untätigkeitsklage zur Verfügung stellt. Bekundet er seinerseits durch längeres Schweigen über den Zeitpunkt hinaus, bis zu dem nach den Verhältnissen des Einzelfalles ein Handeln der Behörde erwartet werden durfte, kein Interesse, setzt er sich der Gefahr der Verwirkung seines materiellen Anspruchs aus (vgl. Redeker/von Oertzen, a.a.O., §§ 75, 76 RdNr. 15 speziell zur Verwirkung der Untätigkeitsklage). Eine solche Erkundigungspflicht bei Schweigen der Behörde ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn es - wie vorliegend - um die Bestätigung geht, daß ein bestimmtes Schriftstück zu einer bestimmten Zeit bei der Behörde eingegangen ist. Denn die Behörde kann die ihr obliegenden Nachforschungen über den Verbleib eines solchen Schriftstücks, das in den innerbehördlichen Dienstverkehr gelangt sein soll, sinnvollerweise nur dann mit Aussicht auf Erfolg anstellen, wenn sie verhältnismäßig zeitnah von dem Vorgang Kenntnis erlangt. Es kann offenbleiben, innerhalb welcher Zeit der Erkundigungspflicht nachgekommen sein muß, damit dem Anspruch auf Erteilung einer Bescheinigung nicht der Einwand der Verwirkung entgegengehalten werden kann. Denn mit über fünf Jahren - wie sie hier vorliegen - ist ein der Behörde noch zumutbarer Zeitrahmen jedenfalls weit überschritten. Soweit die Klägerin schwierige persönliche Umstände geltend macht, die sie gehindert haben, sich frühzeitiger um eine Bescheinigung über den Kirchenaustritt bei der Beklagten zu bemühen, fallen diese in ihren Risikobereich, zumal diese Umstände sie nicht daran gehindert haben, bereits im Jahre 1990 - und damit drei Jahre, bevor sie sich wegen einer Bescheinigung an die Beklagte gewandt hat - an ihrem neuen Wohnort noch einmal aus der Kirche auszutreten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.