OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25.01.2006 - 1 Ws 500/04
Fundstelle
openJur 2012, 65151
  • Rkr:
Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts -Strafvollstreckungskammer -Karlsruhe vom 25. Oktober 2004 wird kostenpflichtig mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Justizvollzugsanstalt ... verpflichtet wird,den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

Der Geschäftswert wird auf 100,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Am 26.08.2004 wies die Justizvollzugsanstalt ... den Antrag des Strafgefangenen, ihm den Ankauf eines Flachbildschirmfernsehgeräts der Marke P. und dessen Aufstellung in seinem Haftraum im Austausch mit seinem bisherigen Bildröhrengerät zu genehmigen, mit der Begründung zurück, hierdurch werde die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt gefährdet. Mit Beschluss vom 25.10.2004 hob die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Karlsruhe diese Verfügung auf und verpflichtete die Justizvollzugsanstalt, den Antragsteller unter Beachtung ihrer Rechtsauffassung neu zu bescheiden. Hiergegen wendet sich dieser mit seiner form- und fristgemäß eingelegten Rechtsbeschwerde, mit welcher er mit der Sachrüge in erster Linie die Verpflichtung der Justizvollzugsanstalt anstrebt, ihm die Benutzung eines Flachbildschirmfernsehgerätes der Marke P. oder hilfsweise eines anderen von der Anstalt näher bezeichneten Modells in seinem Haftraum zu gestatten.II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, da es geboten ist, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen (§ 116 Abs.1 StVollzG); sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Zu Recht hat die Strafvollstreckungskammer das Vorliegen einer Spruchreife verneint (§§ 115 Abs. 4 Satz 1, 119 Abs. 4 Satz 2 StVollzG), weil über den Hauptantrag des Antragstellers, ihm die Benutzung eines Flachbildschirmfernsehgerätes der Marke P. zu gestatten, ohne weitere Sachprüfung durch die Justizvollzugsanstalt nicht entschieden werden kann.

Der Senat teilt die Auffassung der Strafvollstreckungskammer, dass dem Antragsteller grundsätzlich ein Anspruch auf Genehmigung eines derartigen Flachbildschirmfernsehgerätes zusteht.

1. Nach § 69 Abs.2 StVollzG werden Fernsehgeräte im Vollzug unter den Voraussetzungen des § 70 StVollzG zugelassen, wonach der Gefangene grundsätzlich das Recht hat, einen eigenen Fernseher zu besitzen. Dies umfasst auch die Befugnis, ein Fernsehgerät erst noch zu beziehen. Hierbei steht wie bei den sonstigen nach § 70 Abs. 1 StVollzG gestatteten Gegenständen die Auswahl des Gerätes grundsätzlich dem Gefangenen zu. Sein Recht auf einen eigenen Fernseher wird -abgesehen von der Beschränkung auf einen angemessenen Umfang in § 70 Abs. 1 StVollzG - jedoch durch die Regelung des § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG begrenzt, wonach das Besitzrecht entfällt, wenn die Überlassung oder die Benutzung des Gegenstandes das Ziel des Vollzugs oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden würde (Senat, Beschluss vom 02.10.2001, 1 Ws 107/01 m.w.N.).

2. Im Gegensatz zu herkömmlichen Röhrengeräten bieten jedoch Fernseher mit Flachbildschirmen in weitaus höherem Umfang technische Möglichkeiten, welche die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt aufgrund ihrer vielfältigen Anwendungsvarianten gefährden können. Je nach Modell sind Anschluss- und Lesemöglichkeiten verschiedener Speicherkarten, integrierte Multimediakomponenten wie DVD-Player oder DVD-Recorder, Modem, Browsersoftware mit potentiellem Internetzugang über Handy bei entsprechenden Schnittstellen sowie Abschalt- und Einschalttimerfunktionen vorhanden. Diese abstrakte Missbrauchsgefahr führt jedoch entgegen der Ansicht der Justizvollzugsanstalt nicht zum generellen Verbot der Benutzung von solchen Geräten, sondern die Beurteilung der generellen Gefährlichkeit eines derartigen mit besonderer Technik ausgestatteten

Flachbildschirmfernsehers ist aufgrund seiner überwiegend tatsächlichen Natur (BVerfG NStZ-RR 2002, 128) im Einzelfall festzustellen und hat sich neben dem Sicherheitsgrad der betroffenen Justizvollzugsanstalt an den konkreten örtlichen Gegebenheiten und den persönlichen Verhältnissen des Gefangenen zu orientieren (Senat, Beschluss vom 10.03.2003, 1 Ws 230/02: Playstation 2).

3. Ein Versagungsgrund nach § 70 Abs. 2 StVollzG liegt dabei nicht vor, wenn der generell abstrakten Gefährlichkeit eines Gegenstandes mit den im Rahmen einer ordnungsgemäßen Aufsicht anzuwendenden Kontrollmitteln der Justizvollzugsanstalt begegnet werden kann (vgl. BVerfG NStZ-RR 1996, 252; dass. NJW 2003, 2447 f.), wobei vorliegend insbesondere zu berücksichtigen sein wird, inwieweit ein solches Fernsehgerät als mögliches Versteck für verbotene Gegenstände dienen kann und inwieweit dessen auch zum Austausch von Informationen nutzbarer Multifunktionalität ggf. durch Versiegelung bzw. Verplombung von Schnittstellen oder durch andere technische Maßnahmen wirksam begegnet werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 10.03.2003, 1 Ws 230/02: Playstation 2; Callies/Müller-Dietz, StVollzG, 10. Aufl. 2005, § 69 Rn. 3).

4. Die Strafvollstreckungskammer hat die im vorliegenden Fall bestehende generell abstrakte Gefahr der Manipulationsmöglichkeit erkannt und deshalb bereits einschränkend ausgesprochen, dass jedenfalls die von der Sicherheitsgruppe Justizvollzug Baden-Württemberg in ihrer Stellungnahme vom 19.07.2004 als unbedenklich anzusehenden Flachbildschirmfernsehgeräte der Marke Schneider Screenland 15 M 301, Sharp LC 15 S 1 E und Sony WEGA KLV 15 SR 1 als genehmigungsfähig anzusehen sind, weil sie bauartbedingt nicht über Multimediafunktionen verfügen und die Gefahr eines Missbrauchs auszuschließen bzw. zu vernachlässigen ist. Hinzu kommt aber, dass auch die Benutzung anderer Geräte genehmigungsfähig ist, wenn diese den allgemeinen Zulassungsvorschriften entsprechen und keine Missbrauchsmöglichkeiten erlauben oder aber durch die aufgezeigten technischen Maßnahmen die Vornahme von Manipulationen durch Strafgefangene hinreichend sicher ausgeschlossen werden kann.

5. Ob das vom Antragsteller in erster Linie begehrte Modell der Marke P. diesen Anforderungen genügt, vermag der Senat nicht zu beurteilen. Diese Prüfung obliegt der Anstalt, welche nach Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 der zu § 69 StVollzG ergangenen Verwaltungsvorschrift Hörfunk- und Fernsehgeräte an den Strafgefangenen nur aushändigen darf, wenn sie den geltenden Bestimmungen und Auflagen entsprechen und keine unzulässigen Gegenstände enthalten. Die dazu erforderlichen Überprüfungen und etwa notwendige Änderungen hat sie zu veranlassen, wobei nach Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsvorschrift zu § 69 StVollzG die anfallenden Kosten vom Strafgefangenen zu tragen sind. Rechtliche Bedenken bezüglich der Überbürdung der Kosten der Sicherheitsüberprüfung auf den Strafgefangenen hegt der Senat nicht (ebenso Brandenburgisches Oberlandesgericht NStZ-RR 2005, 284 f.), zumal vorliegend die Möglichkeit des Erwerbs und der Benutzung als genehmigungsfähig anzusehender Flachbildschirmfernsehgeräte besteht und es somit im alleinigen Verantwortungsbereich des Antragstellers steht, wenn er hiervon abweichend die Benutzung eines anderen Modells wünscht.III.

Der Bescheid der Justizvollzugsanstalt ... war daher - wie von der Strafvollstreckungskammer bereits ausgesprochen -aufzuheben. Die Anstalt wird dem Strafgefangenen nunmehr unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden haben. Insoweit weist der Senat darauf hin, dass dem Antragsteller nunmehr ein Wahlrecht zusteht, ob er entweder den Erwerb und die Benutzung eines von der Sicherheitsgruppe Justizvollzug Baden-Württemberg in ihrer Stellungnahme vom 19.07.2004 oder ggf. auch danach bereits als zulassungsfähig angesehenen Flachbildschirmfernsehgerätes oder - wie von ihm bisher in erster Linie begehrt - eines Gerätes der Marke P. oder eines Geräts einer anderen Marke anstrebt. Während im ersteren Fall dem Antragsteller die Genehmigung zum Ankauf und zur Benutzung zu erteilen sein wird, hat er in den anderen Fällen für die durch die Kosten der durch die Justizvollzugsanstalt vorzunehmenden Sicherheitsüberprüfung und falls solche im Einzelfall möglich sind - ggf. auch vorzunehmender notwendiger technischer Änderungen aufzukommen.IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs.1 und 4 StVollzG i.V.m. § 473

StPO.