BGH, Urteil vom 03.03.1966 - II ZR 18/64
Fundstelle
openJur 2011, 118027
  • Rkr:

Tritt jemand unter fremdem Namen auf und ergibt die Auslegung seiner Erklärung den Anschein eines Eigengeschäfts des Namensträgers, so sind die Vorschriften der §§ 164 ff BGB über die Stellvertretung anzuwenden, obwohl ein Vertretungswille des Handelnden fehlt.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 29. November 1963 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten der Revision übertragen wird.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger ist der Sohn und alleinige Erbe des am ... 1958 in B. Ai. verstorbenen jüdischen Kaufmanns A. Z., der als Verfolgter aus Deutschland nach A. ausgewandert war. In dem beim Regierungspräsidenten in Hi. anhängigen Entschädigungsverfahren hatte der in dieser Angelegenheit für A. Z. tätige Rechtsanwalt Dr. L. in Bu. Ai. bei der Entschädigungsbehörde eine mit "A. Z." unterzeichnete Vollmacht vom ... 1958 eingereicht, durch die Rechtsanwalt Dr. R.-T. in Ha. bevollmächtigt wurde, A. Z. vor der Entschädigungsbehörde zu vertreten.

Dr. R.-T. wurde außerdem Inkassovollmacht erteilt. Ferner ist angeordnet, dass alle bisher erteilten Vollmachten ungültig würden. Die Unterschrift "A. Z." ist durch einen gestempelten, mit Dienstsiegel versehenen und unterschriebenen Vermerk der Deutschen Botschaft in B. Ai. beglaubigt. Rechtsanwalt Dr. R.-T. betrieb das Entschädigungsverfahren für A. Z., dem am ... 1958 ein Vorschuss von 10 000 DM auf seine Entschädigungsansprüche bewilligt wurde.

Bei der Beklagten zu 1) (im Folgenden = die Beklagte), deren persönlich haftende Gesellschafter die Beklagten zu 2) und 3) sind, ging aus B. Ai. ein Brief vom ... 1958 mit der Unterschrift "A. Z." ein, in dem um die Errichtung eines Kontos für erwartete Entschädigungszahlungen für A. Z. gebeten wurde. Die Unterschrift ist von Dr. L. in B. Ai. oder seinem Sohn Le. G. L. mit den Schriftzügen von A. Z. angefertigt worden. Als Anschrift von A. Z. war Straße und Hausnummer von Dr. L. angegeben. Die Beklagte richtete unter dieser Anschrift an A. Z. ein Schreiben, in dem sie die Eröffnung des Kontos mitteilte. Sie erbat und erhielt einen mit "A. Z." unterzeichneten formularmäßigen Kontoeröffnungsantrag nebst Unterschriftsprobe. Mit einem Brief unter "Einschreiben gegen Rückschein" bestätigte die Beklagte den Eingang des Kontoeröffnungsantrages. Der Rückschein (Ablieferungsschein) gelangte mit der Unterschrift "A. Z." an die Beklagte. Die Unterschriften auf dem Kontoeröffnungsantrag und auf dem Rückschein sind ebenfalls von Dr. L. oder seinem Sohn angefertigt worden.

Die Beklagte unterrichtete Rechtsanwalt Dr. R.-T. von der Kontoeröffnung. Dieser hat die Entschädigungsbehörde, die fällig werdenden Entschädigungsleistungen auf dieses Konto zu überweisen. Mitte ... 1958 überwies die Entschädigungsbehörde auf das Konto "A. Z." den von ihr bewilligten Vorschuss von 10 000 DM. Die Beklagte schrieb den Betrag am ... 1958 gut. Am ... 1958 ging bei ihr ein mit "A. Z." unterschriebener Brief aus B. Ai. vom ... 1958 ein, in dem sie angewiesen wurde, den Betrag von 9 950 DM auf das Konto einer a. Bank bei der Deutsch-S. Bank in H. zugunsten des Le. G. L. zu überweisen. Die Beklagte überwies den Betrag am ... 1958 auf das angegebene Konto bei der Deutsch-S. Bank. Die Unterschrift unter dem Brief vom ... 1958 ist ebenfalls von Dr. L. mit den Schriftzügen A. Z. hergestellt worden. Der Kläger erhielt den überwiesenen Betrag nicht. Dr. L. und sein Sohn schädigten zahlreiche ihrer Mandanten durch Unterschlagung der in ihre Hände geratenen Beträge.

Der Kläger forderte von der Beklagten Auszahlung des dem Erblasser A. Z. gutgeschriebenen Betrages von 10 000 DM. Er will die Überweisung an Le. G. L. nicht gegen sich gelten lassen. Sein Vater habe weder Dr. L. noch seinen Sohn bevollmächtigt, für ihn Gelder in Empfang zu nehmen. Die Beklagte lehnte die Auszahlung ab. Mit der Klage begehrt der Kläger die Verurteilung der beklagten Bank und ihrer persönlich haftenden Gesellschafter als Gesamtschuldner zur Zahlung von 10 000 DM nebst Zinsen an ihn.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Sie hat behauptet, Dr. L. und sein Sohn Le. G. L. seien Generalbevollmächtigte A. Z. gewesen. Die Vollmacht sei unwiderruflich und mit Wirkung über den Tod hinaus erteilt worden. Durch die dem Auftrag entsprechende Überweisung sei sie frei geworden.

Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgen die Beklagten den Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht führt aus: Da alle mit "A. Z." unterzeichneten Schreiben an die beklagte Bank von Dr. L. oder dem Sohn Le. L. gefälschte Unterschriften trügen, sei ein Girovertrag zwischen dem Vater des Klägers und der beklagten Bank nicht zustande gekommen. Der Kläger habe aber als Erbe seines Vaters durch die (nach dem Tode erfolgte) Gutschrift des überwiesenen Betrages eine Forderung auf Auszahlung des Betrages im Wege eines Vertrages zugunsten seines Vaters erworben. Ein solcher Vertrag gemäß § 328 BGB sei aus Anlass der Überweisung zwischen der letzten (nicht näher festgestellten) Überweisungsstelle (Zwischenbank) und der Beklagten als Empfängerbank zustande gekommen. Da der Überweisungsauftrag vom ... 1958, durch den die Überweisung zugunsten von Le. G. L. verlangt wurde, unstreitig eine gefälschte Unterschrift getragen habe, sei die Beklagte durch die entsprechende Überweisung nicht frei geworden. Diese Erwägungen unterliegen rechtlichen Bedenken.

Das Berufungsgericht zieht nicht in Betracht, dass die Beklagte unter Beweisantritt (Berufungsbegründung S. 2, 5) behauptet hatte, der Vater des Klägers habe Dr. L. und dessen Sohn Le. G. L. eine über den Tod hinaus wirksame Generalvollmacht mit ausdrücklicher Inkassobefugnis nach einem vorgelegten Muster erteilt. Die rechtliche Würdigung muss auch den Fall ins Auge fassen, dass eine solche Generalvollmacht bestand. Die Revision, die von der Erteilung der Generalvollmacht ausgeht und ihre rechtliche Erheblichkeit darzutun sucht, rügt damit zugleich das sie betreffende Vorbringen als übergangen.

Unstreitig ist die Unterschrift "A. Z." unter dem Kontoeröffnungsantrag von Dr. L. oder seinem Sohn mit den Schriftzügen von A. Z. angefertigt worden. Der Unterzeichner trat somit unter einem falschen Namen auf. Er zeichnete nicht als Vertreter mit dem Namen des Vertretenen (RGZ 74, 69), sondern erweckte bewusst den Anschein, A. Z. habe die Unterschrift geleistet. Die Unterschrift ist gefälscht (vgl. Schwarz-Dreher, StGB 26. Aufl. § 267 4 A). Daraus folgt aber entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht, dass sie keine Rechtswirkungen für A. Z. zu äußern vermag. Tritt jemand unter fremdem Namen auf, um falsche Identitätsvorstellungen beim Geschäftsgegner zu erwecken, so ist eine entsprechende Anwendung der §§ 164 ff, nicht nur der §§ 177, 179 BGB geboten (Enneccorus-Nipperdey, Lehrb. des Bürgerl. Rechts, 15. Aufl. Bd. I 2 § 183 III 2). Wo die Auslegung der Erklärung den Anschein eines Eigengeschäfts des Namensträgers ergibt und eine falsche Identitätsvorstellung (hier durch Nachahmung der Schriftzüge des Namensträgers) beim Gegner erweckt werden sollte, sind die Grundsätze über die Stellvertretung entsprechend anzuwenden, obwohl ein Vertretungswille des Fälschers fehlt (vgl. Ohr, AcP 152, 216 ff, 232, 234). Das Schutzinteresse des Geschäftsgegners verlangt, ein solches Geschäft als im Namen des Namensträgers abgeschlossen zu behandeln (Schulze von Lasaulx in Soergel-Siebert, BGB § 164 A. 17; Staudinger-Coing, BGB 11. Aufl. § 179 A. 5). Hatte der unter falschem Namen Handelnde Vertretungsmacht, so wird der Namensträger aus dem Geschäft berechtigt und verpflichtet, falls der Gegner mit dem Namensträger und nicht mit dem Handelnden abschließen wollte (Enneccerus-Hipperdey a. a. O.). Bestand also die behauptete Generalvollmacht, so erwarb A. Z. aufgrund des trotz der Fälschung mit ihm zustande gekommenen Bankvertrages aus der Gutschrift den Anspruch auf Auszahlung, ohne dass es einer Mitteilung an ihn bedurfte. Der Anspruch aus der Gutschrift wäre erloschen, weil dieselben Grundsätze wie beim Kontoeröffnungsantrag auch auf den Überweisungsauftrag anzuwenden wären. Dieser ist zwar unstreitig durch Dr. L. oder dessen Sohn mit gefälschter Unterschrift versehen, wäre aber beim Bestehen einer Generalvollmacht dieser Personen mit Wirkung gegen A. Z. erteilt worden.

II.

Andererseits ist der Rechtsstreit nicht zur Entscheidung im Sinne der Abweisung der Klage reif, weil die Beklagte, wenn Dr. L. oder sein Sohn den Überweisungsauftrag ohne Vertretungsmacht für A. Z. unterzeichnet haben, sich nicht darauf berufen kann, sie habe ohne Verschulden den Überweisungsauftrag für echt angesehen. Die Bank trägt das Fälschungsrisiko und ist im Überweisungsverkehr hiervon auch nicht freigezeichnet (RGZ 160, 315; 161, 181; AGB der Banken Nr. 4 bis 9; Schlegelberger-Hefermehl, § 365 Anh. A. 28, 29).

III.

Der Rechtsstreit ist ferner nicht unabhängig von dem Bestehen einer Generalvollmacht für Dr. L. und seinen Sohn zur Entscheidung zugunsten der Beklagten reif, weil ein Anspruch A. Z. aus der Gutschrift für ihn beim Fehlen der Generalvollmacht bejaht werden müsste. Vielmehr ist im Ergebnis dem Berufungsgericht zu folgen, das trotz der Fälschung des Kontoeröffnungsantrages einen solchen Anspruch für gegeben erachtet hat. Ob die Auffassung des Berufungsgerichts geteilt werden kann, es liege ein Vertrag zugunsten A. Z. vor, der bei der Überweisung von der letzten Zwischenbank mit der Empfängerbank geschlossen worden sei, kann offen bleiben (die Entscheidung des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 9. März 1951, NJW 1951, 437, die einen Vertrag zugunsten des Empfängers bei der Giroüberweisung heranzieht, betrifft, wie der nicht veröffentlichte Teil ergibt, eine innerbetriebliche Überweisung; vgl. für außenbetriebliche Überweisungen die Bedenken bei Schlegelberger-Hefermehl, HGB 4. Aufl. § 365 Anh. A. 44). Einer Anspruch A. Z. folgt bereits daraus, dass nach dem unstreitigen Sachverhalt bei richtiger rechtlicher Würdigung ein unabhängig von dem Kontoeröffnungsantrag zustande gekommener Girovertrag mit dem Empfänger für die Gutschrift des Betrages von 10 000 DM vorliegt.

A. Z. hat durch die Vollmacht vom ... 1958 (Bl. 6 der Entschädigungsakten) Rechtsanwalt Dr. R.-T. ermächtigt, ihn in der Geltendmachung seiner Rechte und Ansprüche auf Wiedergutmachung zu vertreten, und ihm Inkassovollmacht erteilt. Die Beklagten haben zwar in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht die Echtheit auch dieser (von der Konsularabteilung der Deutschen Botschaft in B. Ai. beglaubigten) Unterschrift bestritten (Schriftsatz vom 25. September 1963 S. 2 - Bl. 148 R GA). Dieses Bestreiten ist aber unbeachtlich, denn die Echtheit dieser Unterschrift war bereits zugestanden (Schriftsatz vom 8. November 1962 Bl. 69 GA). Das Geständnis, das seine Wirksamkeit auch für die Berufungsinstanz behielt (§ 532 ZPO), ist auch nicht wirksam widerrufen worden (§ 290 ZPO). Die Beklagten hätten angeben müssen, inwiefern sie durch Irrtum dazu gelangt sind, die Unterschrift vom ... 1958 zu Unrecht als echt zu betrachten. Die bloße Erklärung, Dr. L. habe bei der Deutschen Botschaft in B. Ai. Stempel entwendet und Unterschriften des Urkundsbeamten nachgemacht, genügte nicht, zumal ein Interesse des Dr. L., die Vollmacht für Rechtsanwalt Dr. R.-T. zu fälschen, nicht ersichtlich ist und nach dem Schriftgutachten diese Unterschrift sowie weitere Unterschriften, darunter eine ebenfalls von der Deutschen Botschaft beglaubigte Vollmacht vom 13. September 1956, sich widerspruchslos in eine Reihe echter Unterschriften einreihen lassen.

Die Beklagte hat Rechtsanwalt Dr. R.-T. von der Errichtung des Kontos fernmündlich Mitteilung gemacht und daraufhin hat dieser aufgrund der ihm erteilten Vollmacht die Entschädigungsbehörde angewiesen, den Vorschuss auf das Konto A. Z. bei der Beklagten zu überweisen (Bl. 44 Entschädigungsakten). Dadurch wurde die Entschädigungsbehörde in die Lage versetzt, auf dieses Konto mit befreiender Wirkung zu zahlen, obwohl das Konto - wie hier zu unterstellen ist - aufgrund eines gefälschten Kontoeröffnungsantrages und ohne Bestehen einer Vollmacht für Dr. L. und seinen Sohn eröffnet worden war. A. Z. hat durch seine wirksame Anweisung, auf ein bestimmtes, für ihn geführtes Konto zu zahlen, erkennbar gemacht, dass er sie als zu seinen Gunsten erfolgt ansehen wolle. Die Beklagte hat sich durch Mitteilung der Kontoeröffnung gegenüber dem Bevollmächtigten A. Z. bereit erklärt, Zahlungen für diesen in Empfang zu nehmen. Sie hat dementsprechend den von der Entschädigungsbehörde eingegangenen Betrag dem Vater des Klägers gutgebracht. Die Überweisung ist also auf das Konto "A. Z." aufgrund eines der Bank erkennbar gemachten Einverständnisses seines mit Inkassovollmacht versehenen Vertreters geschehen. Damit ist jedenfalls für die von der Entschädigungsbehörde zu erwartenden Zahlungen ein Giroverhältnis zwischen der Beklagten und A. Z. zustande gekommen. Mit der Gutschrift ist somit ein Forderungsrecht für diesen entstanden, ohne dass es einer Benachrichtigung durch die Bank bedurfte (vgl. z. B. BGH LM HGB § 355 Nr. 8). Fehlte die Generalvollmacht des Dr. L. und seines Sohnes, so ist dieses Forderungsrecht trotz des gefälschten Überweisungsauftrages bestehen geblieben (vgl. oben II).

IV.

Da das Berufungsgericht zutreffend für nicht dargetan erachtet hat, dass dem Kläger wegen etwaiger Ansprüche des Dr. L. auf Honorar kein Schaden durch die Überweisung an Le. G. L. entstanden sei, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf an, ob eine wirksame Vollmacht des Dr. L. und seines Sohnes bestand. Die Beklagten haben sich (außer auf das Zeugnis des Dr. L. und seines Sohnes) auch auf die Parteivernehmung des Klägers bezogen, dass ihm das Bestehen einer Generalvollmacht der beiden Personen bekannt gewesen sei. In erster Linie wird aber zu erörtern sein, ob eine etwaige Generalvollmacht durch die Erteilung der Vollmacht an Rechtsanwalt Dr. R.-T. am ... 1958 widerrufen ist, weil in dieser Vollmacht alle bis dahin erteilten anderweiten Vollmachten für ungültig erklärt worden sind (Berufungsbegründung S. 3, Bl. 96 GA; Berufungsbeantwortung S. 2 Bl. 115 GA).

Die Sache war daher unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Bei einer etwaigen erneuten Verurteilung der Beklagten wird zu berücksichtigen sein, dass Gesellschaft und Gesellschafter nicht als Gesamtschuldner haften. Nur die Gesellschafter sind Gesamtschuldner (vgl. BGHZ 5, 35, 37).

Die Entscheidung über die Kosten der Revision war dem Berufungsgericht zu überlassen, da sie vom Ausgang der Sache abhängt.