KG, Urteil vom 05.03.2007 - 16 UF 166/06
Fundstelle
openJur 2012, 5553
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Der Grundsatz der Unwandelbarkeit des Güterrechtsstatuts steht einer Rückverweisung nicht entgegen.

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Wenden die Gerichte desjenigen Staates, dessen Recht zunächst anwendbar ist, ausschließlich ihr eigenes materielles Recht (lex fori) an (hier nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin: Recht des Staates Massachusetts), so ist dem nach internationalen Vorschriften zuständigen Gericht eines fremden Staates ebenfalls die Anwendung seiner eigenen Sachvorschriften überlassen (sog. versteckter Renvoi)

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Tenor

Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 7. September 2006 verkündete Teilurteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg geändert:

Der Antrag, den Antragsteller zu verurteilen, der Antragsgegnerin Auskunft über sein bewegliches Vermögen bezogen auf den Stichtag 30. Juni 2005, hilfsweise zum 9. September 2005 zu erteilen, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 500 EUR festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die gemäß §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung ist begründet.

Der Antragsgegnerin steht gegen den Antragsteller der geltend gemachte Auskunftsanspruch bezogen auf den Stichtag 9. September 2005, was allenfalls bei der Anwendung des Rechts von Massachusetts in Betracht käme, nicht zu. Vielmehr muss sie ihren Anspruch auf Zugewinn nach deutschem Recht geltend machen. Insoweit ist ihr für den dafür maßgeblichen Stichtag Auskunft erteilt und der Auskunftsanspruch erfüllt (§ 362 BGB). Auch sie selbst hat Auskunft für diesen Stichtag erteilt.

A

Allerdings steht der Anwendung des Rechts von Massachusetts nicht eine Rechtskraft des Auskunftsurteils vom 2. Mai 2001, das von deutschem Recht ausging, entgegen, weil es sich nicht um den gleichen Zeitpunkt und deshalb nicht um den gleichen Streitgegenstand handelt. Urteilen, die zu einer Auskunft verurteilen, kommt ferner keine Rechtskraft- oder Bindungswirkung (§§ 322, 318 ZPO) für den zugrunde liegenden Anspruch (und seine rechtliche Herleitung) zu. Vielmehr kann dieser und damit auch ein abweichender Auskunftsanspruch auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt werden (vgl. BGH NJOZ 2001, 1448/1449; NJW 1999, 3049; NJW 1985, 862; Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 254 Rn. 4 a.E.; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 254 Rn. 9).

B

Zutreffend leitet das Amtsgericht die Anwendung des Rechts zunächst aus Art. 220 Abs. 3 S. 2, 15 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB ab.

Denn die Anwendung von Art. 220 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 EGBGB kommt nicht in Betracht, wie der 3. Zivilsenat des Kammergerichts bereits in dem Urteil vom 21. April 2004 zur Geschäftsnummer 3 UF 427/03 unter II. 2. ausgeführt hat. Der Senat schließt sich dem auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der Parteien an. Damit die Frage des anwendbaren Rechts nicht letztlich von schwer nachvollziehbaren Unwägbarkeiten abhängt, muss die Unterstellung unter ein Recht oder die Vorstellung von der Anwendbarkeit eines Rechts nach S. 1 Nr. 2 auch für Dritte deutlich nachvollziehbar geworden sein, allerdings von der Eheschließung bis zum 9. April 1983 wandelbar (vgl. BGH FamRZ 1993, 289/291 f zu II 3, Palandt/Heldrich, BGB, 66. Aufl., Art. 220 EGBGB Rn. 9 a.E.). Für eine ausdrückliche Absprache zwischen ihnen über einen Verbleib in Deutschland fehlt jedenfalls ein Beweisantritt und die Indizien sind ambivalent und lassen keinerlei ernsthaften Rückschluss auf eine Einigung über die Rechtsanwendung zu. So wurde die Ehe zwar in Deutschland im Mai 1982 geschlossen, die Parteien lebten aber jedenfalls seit August 1982 (bis 1986) in den USA, wobei maßgebend allein die Vorstellung in der Zeit bis April 1983 ist. Bis zu diesem Zeitpunkt ist nicht erkennbar, dass die Parteien eine abschließende Lebensplanung hinsichtlich ihres gemeinsamen Wohnortes hatten. Dass die weitere universitäre Ausbildung des Antragstellers in Massachusetts mit zweijähriger Verlängerung zur beruflichen Tätigkeit an der Uni nicht einer zumindest akzeptierten Entwicklung entsprach, ist nicht erkennbar. Immerhin strebte der Antragsteller die Aufenthaltserlaubnis für eine berufliche Tätigkeit an. Objektivierbare abschließende Gedanken über die zukünftige Lebensgestaltung der Parteien bis April 1983 fehlen.

Damit ist Art. 220 Abs. 3 S. 2 (über S. 1 Nr. 3) EGBGB anwendbar und es kommt auf den 9. April 1983 an. Aus Art. 15 Abs. 1 EGBGB folgt, dass die Anknüpfung an Art. 14 EGBGB – anders als für andere Ehewirkungen – für seine Anwendung unwandelbar an den Eheschließungszeitpunkt – hier an den Ersatztag 9. April 1983 – anknüpft. Eine (nur förmlich mögliche) Rechtswahl – notarielle Beurkundung im Inland oder im Ausland in Form eines Ehevertrages nach Ortsrecht oder dem gewählten Recht (vgl. zu Form und Zeitpunkt des Ehevertrags: Bergmann/Ferid, USA, S. 77; Bardy RNotZ 2005, 137/145) – ist nicht getroffen worden.

Ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt (Daseinsmittelpunkt, vgl. BGH NJW 1975, 1068) hatten die Parteien am 9. April 1983 in Massachusetts mit der Folge, dass dieses Recht zunächst anwendbar ist. Die Parteien lebten dort mehrere Jahre, ohne dass letztlich erkennbar ist, dass dies nur vorübergehend sein sollte und nicht auch auf unbestimmte Zeit in Betracht kam. Dass die Antragsgegnerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, ist nicht nachvollziehbar. Sie arbeitete und studierte in den USA und kam lediglich während eines Semesters nach Deutschland. Der Antragsteller verlängerte mehrfach seine Zeit in den USA und hatte ab August 1983 eine Anfang 1983 beantragte Aufenthaltserlaubnis und nicht nur ein Studentenvisum. Eine Wohnung in Deutschland bestand nicht. Bei diesem wegen der künftigen Entwicklung offenen Verhalten muss davon ausgegangen werden, dass die Aufenthaltsnahme in den USA auch auf Dauer in Betracht gezogen wurde (vgl. auch BGH NJW 1993, 2047/2048 zu III 1 b) - 2. Absatz am Ende). Jedenfalls bei einem Aufenthalt, der ein Jahr überschreitet und nicht exakt befristet ist, ist ein gewöhnlicher Aufenthalt zu bejahen. Maßgebend kommt es insoweit zunächst auf den tatsächlichen Wohnsitz und die äußeren Umstände an und nicht auf einen etwa entgegenstehenden Willen (BGH NJW 1975, 1068; MüKo/Sonnenberger, BGB, Einl. zum IPR, Rn. 732).

8Das Recht von Massachusetts verweist jedoch auf das deutsche Recht zurück. Nach Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, USA S. 66 ff. (68 bewegliches Vermögen; auch z.B. Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., Art. 15 EGBGB Rn. 16) ist nach diesem Recht das Recht des Staates in dem das Vermögen erworben wurde, anwendbar, wobei der Surrogationsgedanke maßgebend ist. Das Güterstatut sei insoweit (teil-) wandelbar. Das Vermögen, um das sich die Parteien streiten, ist – Gegenteiliges ist trotz der entsprechenden Erörterung in der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich - in Deutschland erwirtschaftet worden. Die Möglichkeit einer Rückverweisung nach Massachusetts wird von diesem Recht verneint (Bergmann/Ferid/Henrich, a.a.O., S. 68). Danach wäre deutsches Recht anwendbar. Die Antragsgegnerin hat mit dem ihr nachgelassenen Schriftsatz vom 17. Februar 2007 ein Gutachten des Rechtsanwaltes N. (Boston) eingereicht, der ausführt, dass die Gerichte in Massachusetts ausschließlich ihr Recht anwenden und die Ausführungen von Bergmann/Ferid und auch Staudinger und Hausmann nicht zuträfen. Er kommt zu der Auffassung, dass für alle Vermögensgegenstände, auch unbewegliche, deshalb das Recht von Massachusetts anzuwenden sei. Selbst wenn diese Ausführungen zum Recht von Massachusetts zuträfen, ist jedoch das deutsche Recht anwendbar. Wenn ein Gericht, auf dessen Recht verwiesen wird, ausschließlich sein eigenes Recht anwendet, ist hierin eine versteckte, zu beachtende Rückverweisung enthalten (Palandt/Heldrich, BGB, 66. Aufl., Art. 4 EGBGB Rn. 2). Denn im Fall, dass ausschließlich das Statut des entscheidenden Gerichts angewendet wird, gilt das selbstverständlich auch für das nach internationalem Verfahrensrecht zur Entscheidung berufene deutsche Gericht und nicht etwa nur für ein Gericht in Massachusetts.

Der Anwendung von Art. 4 Abs. 1 EGBGB steht – abweichend von der Auffassung des 3. Zivilsenats im Urteil vom 21. April 2004 - nicht entgegen, dass Art. 15 Abs. 1 EGBGB das Güterrecht unwandelbar anknüpft. An dieser Auffassung hat der 3. Zivilsenat bereits kurze Zeit später nicht festgehalten (FamRZ 2005, 1676: „Art. 161 Nr. 1 des am 1. 3. 1996 in Kraft getretenen Familiengesetzbuches der Russ. Föderation v. 29. 12. 1995 [FGB] verweist jedoch für die persönlichen nichtvermögenswerten und vermögenswerten Rechte und Pflichten der Ehegatten auf das deutsche Recht als die Gesetzgebung des Staates, auf dessen Gebiet die Parteien ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz hatten, zurück. Das deutsche Recht nimmt die Rückverweisung an (Art. 4 I EGBGB).) Im Übrigen wird allgemein eine Rückverweisung für möglich gehalten, weil etwa eine Rechtswahl jederzeit möglich wäre und sogar Art. 220 Abs. 3 EGBGB zeitweise wandelbar anknüpft (Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., Art. 15 EGBGB Rn. 16, 17 EGBGB Rn. 18, Palandt/Heldrich, BGB, 66. Aufl., Art. 4 EGBGB Rn. 9 zu Art. 14 Abs. 1 Nr. 2; MüKo/Siehr, BGB, 4. Aufl., Art. 15 EGBGB Rn. 125). Soweit zu Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 3 EGBGB eine Rückverweisung für unzulässig erachtet wird, wird dies anders begründet (vgl. die genannten Nachweise). Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB muss eng ausgelegt werden, sonst wäre nahezu jede Rück- oder Weiterverweisung mit dem Argument, das EGBGB habe auf eine andere Rechtsordnung verwiesen, ausgeschlossen (sehr weitgehend Bamberger/Roth, Beck-Online, Art. 4 EGBGB Rn. 8). Die Wahlmöglichkeit zeigt vielmehr, dass die Unwandelbarkeit des Güterrechtsstatuts kein Grundsatz ist, gegen dessen Sinn bei einer Rückverweisung verstoßen würde. Art. 15 Abs. 2 Nr. 3 und Art. 3 Abs. 3 EGBGB lassen darüber hinaus erkennen, dass auch eine Spaltung des Güterstandes nach Vermögensgegenständen nicht ausgeschlossen ist.

Nach allem ist zutreffend deutsches Recht anwendbar.

C

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 93a,708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 543 ZPO für eine Revisionszulassung liegen nicht vor.