BGH, Urteil vom 17.03.2004 - VIII ZR 95/03
Fundstelle
openJur 2012, 55763
  • Rkr:
Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 27. Februar 2003 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt als Energieversorgungsunternehmen die Bezahlung von Fernwärme, die sie für die Wohnungseigentumsanlage "A.

, " in H. in der Zeit von Januar 1999 bis einschließlich Mai 2001 geliefert hat. Die Beklagten sind die Mitglieder der für diese Wohnanlage gebildeten Wohnungseigentümergemeinschaft.

Die Klägerin hatte mit der früheren Eigentümerin des Wohngebäudes, der Firma N. , am 5. November/13. Dezember 1996 einen Fernwärmeversorgungsvertrag abgeschlossen. Mit Schreiben vom 15. Januar 1998 bestätigte die A.

GmbH, die das Wohngebäude von der N.

erworben hatte, gegenüber der Klägerin, daß sie mit Wirkung ab 1. Juni 1997 gemäß § 32 AVBFernwärmeV in den Fernwärmeversorgungsvertrag eingetreten sei. Die A. GmbH begründete sodann mit notariell beurkundeter Teilungserklärung vom 14. Juli 1997 gemäß § 8 WEG Wohnungseigentum mit 120 Wohnungseinheiten und veräußerte erstmalig am 23. Juli 1998 eine Wohneinheit; die A.

GmbH ist noch Eigentümerin eines Teils der Wohnungseinheiten. Mit Schreiben vom 17. September 2001 teilten die Beklagten, vertreten durch die Wohnungseigentumsverwalterin, der Klägerin mit, daß nunmehr die "WEG A.

" mit Wirkung vom 14. Juni 2001 in den Fernwärmeversorgungsvertrag eingetreten sei. Die Klägerin hat ihren Entgeltanspruch aus der Belieferung des Wohnblocks "A. " und eines weiteren Wohnblocks mit Fernwärme für den Zeitraum von Februar 1999 bis Februar 2001 zunächst gegenüber der A. GmbH geltend gemacht und insoweit zwei obsiegende rechtskräftige Urteile erwirkt. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A.

GmbH ist mangels Masse abgewiesen worden.

Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin nunmehr die Beklagten auf Bezahlung der gelieferten Fernwärme für den Zeitraum von Januar 1999 bis Mai 2001 in Höhe von umgerechnet 112.096,57 € in Anspruch. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit ihrer -vom Senat zugelassenen -Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Gründe

I.

Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, zwischen den Parteien sei für den streitgegenständlichen Zeitraum ein Fernwärmeversorgungsvertrag nicht zustande gekommen. Der ursprünglich zwischen der Klägerin und der N. geschlossene Fernwärmevertrag, in den die A. GmbH gemäß Erklärung vom 15. Januar 1998 eingetreten sei, sei weder durch die notarielle Beurkundung der Teilungserklärung auf die Beklagten übergangen, noch seien diese gemäß § 32 Abs. 4 und 5 AVBFernwärmeV vor dem 14. Juni 2001 in den mit der Klägerin geschlossenen Fernwärmevertrag eingetreten.

Mit der Entnahme von Fernwärmeenergie sei auch kein Vertrag gemäß § 2 Abs. 2 AVBFernwärmeV zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits abgeschlossen worden. Bei der Bereitstellung von Energie durch das Versorgungsunternehmen handele es sich um ein Vertragsangebot in Form einer Realofferte, wobei sich nach Treu und Glauben aus der Sicht des Versorgungsunternehmens bestimme, wem dieses Angebot gemacht werde. Bestehe bereits ein Versorgungsvertrag, so werde das Versorgungsunternehmen seinen Vertragspartner mit der zur Verfügung gestellten Energie versorgen wollen. Die Entnahme von Fernwärme an der Hausanschlußstation habe die Klägerin, die nach ihrem eigenen Vortrag keine Kenntnis von der Begründung des Wohnungseigentums gehabt habe, aus ihrer Sicht somit nicht als Annahme ihres Angebots auf Abschluß eines Versorgungsvertrages verstehen können.

Ein Bereicherungsanspruch der Klägerin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Fall BGB scheide aus, weil sie die Fernwärme im Rahmen eines Vertragsverhältnisses mit Rechtsgrund geleistet habe.

II.

Gegen diese Ausführungen wendet sich die Klägerin ohne Erfolg, so daß ihre Revision zurückzuweisen ist.

1.

Soweit das Berufungsgericht sowohl einen Übergang des zwischen der Klägerin und der N. geschlossenen und von der A. GmbH fortgeführten Fernwärmeversorgungsvertrages vom 5. November/13. Dezember 1996 auf die Beklagten wie auch deren Eintritt in diesen Vertrag nach § 32 AVBFernwärmeV gemäß Erklärung vom 12. September 2001 für die Zeit vor dem 14. Juni 2001 verneint hat, wendet sich die Revision hiergegen nicht. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.

2.

Entgegen der Ansicht der Revision sind die Beklagten zur Bezahlung der im Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis 31. Mai 2001 gelieferten Fernwärme auch nicht aufgrund eines gemäß § 2 Abs. 2 AVBFernwärmeV geschlossenen Vertrages verpflichtet.

a) Zwar ist in dem Leistungsangebot des Versorgungsunternehmens regelmäßig ein Vertragsangebot in Form einer sogenannten Realofferte zum Abschluß eines Versorgungsvertrages zu sehen, das von demjenigen konkludent angenommen wird, der aus dem Leitungsnetz des Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt (vgl. Senatsurteil vom 30. April 2003 -VIII ZR 279/02, NJW 2003, 3131 unter II 1 a m.w.Nachw.; siehe auch Hempel in: Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, Recht der Elektrizitäts-, Gasund Wasserversorgung, § 2 AVBEltV Rdnr. 92 ff.). Durch diesen Rechtsgrundsatz, der in § 2 Abs. 2 AVBEltV/AVBGasV/AVBWasserV/ AVBFernwärmeV lediglich wiederholt ist, wird der Tatsache Rechnung getragen, daß in der öffentlichen leitungsgebundenen Versorgung die angebotenen Leistungen vielfach ohne ausdrücklich schriftlichen oder mündlichen Vertragsschluß in Anspruch genommen werden; dabei soll ein vertragsloser Zustand bei Energielieferungen vermieden, nicht aber dem Versorgungsunternehmen ein weiterer Vertragspartner verschafft werden (Hempel aaO § 2 AVBEltV Rdnr. 83, 117).

Die Voraussetzungen für einen konkludenten Vertragsschluß fehlen jedoch, wenn bereits ein Vertragsverhältnis zwischen dem Versorgungsunternehmen und einem Dritten besteht, aufgrund dessen die Energielieferungen erbracht werden. In einem solchen Fall erbringt das Versorgungsunternehmen, wie das Berufungsgericht zu Recht ausführt, durch die Zurverfügungstellung der Energie die seinem Vertragspartner geschuldete Versorgungsleistung. Wird hierbei von einer Person, die bisher im Verhältnis zum Versorgungsunternehmen noch nicht als Abnehmer aufgetreten ist, aus den vorhandenen Versorgungsleitungen Energie entnommen, ist dies aus der Sicht des Versorgungsunternehmens daher auch nicht als Annahme eines auf Abschluß eines (weiteren) Energielieferungsvertrages gerichteten Vertragsangebots zu verstehen. Vielmehr ist, um unterschiedliche Versorgungsverträge für das gleiche Versorgungsverhältnis zu vermeiden, grundsätzlich von dem Vorrang des durch ausdrückliche Vereinbarung begründeten Vertragsverhältnisses gegenüber einem Vertragsabschluß durch schlüssiges Verhalten auszugehen (vgl. OLG Hamm, ZIP 1983, 329 f.; OLG Karlsruhe, RdE 1984, 25, 28; OLG Karlsruhe, NZM 1999, 86; Brandenburgisches OLG, RdE 2000, 72, 73; dasselbe RdE 2002, 20, 21; Hempel aaO Rdnr. 118; Hermann/Recknagel/Schmidt-Salzer, Kommentar zu den Allgemeinen Versorgungsbedingungen, 1981, Bd. I, § 2 AVBEltV Rdnr. 24;

a.A. OLG Hamm RdE 1988, 212, 214; zustimmend Hempel aaO § 2 AVBEltV Rdnr. 125; siehe auch OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 1989, 889, 890). Soweit die Revision sich weiter für ihre gegenteilige Ansicht auf das Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 5. November 1993 (NJW-RR 1994, 436 f.) beruft, betrifft dieses einen vertragslosen Zustand nach Erlöschen des bisherigen Versorgungsvertrages und ist somit nicht einschlägig.

b) Wenn daher die Beklagten als Wohnungseigentümer über die vorhandene eigene Hausanschlußstation in dem der Klage zugrundeliegenden Zeitraum, in welchem noch der Fernwärmeversorgungsvertrag mit der A.

GmbH bestand, Fernwärme entnommen haben, konnte dies die Klägerin nicht als Annahme eines auf Abschluß eines zusätzlichen Wärmelieferungsvertrages gerichteten Angebots auffassen. Damit scheidet aber ein vertraglicher Entgeltanspruch der Klägerin gegenüber den Beklagten -neben der bereits titulierten Forderung gegen die A. GmbH aus.

c) Daß der Klägerin auch ein Bereicherungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB gegenüber den Beklagten bereits deshalb nicht zusteht, weil die Lieferungen aufgrund eines bestehenden Wärmeversorgungsvertrages an die A. GmbH erbracht worden sind, hat das Berufungsgericht ebenfalls ohne Angriff durch die Revision festgestellt.

Dr. Deppert Dr. Hübsch Dr. Leimert Wiechers Dr. Wolst