BVerfG, Beschluss vom 30.03.2004 - 2 BvK 1/01
Fundstelle
openJur 2011, 118831
  • Rkr:

1. Parlamentarische Rechte auf Information über abgeschlossene Vorgänge scheiden gemäß Art.23 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein nicht von vorneherein deshalb aus, weil es sich um Informationen aus dem Bereich der Willensbildung der Regierung handelt. Ob die Vorlage von Akten aus diesem Bereich die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung beeinträchtigen würde, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände feststellen. Dem parlamentarischen Informationsinteresse kommt besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb der Regierung geht.

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

A.

Das Organstreitverfahren, das als Verfassungsstreit innerhalb eines Landes (Art. 99 GG, § 13 Nr. 10 BVerfGG) vor dem Bundesverfassungsgericht geführt wird, betrifft die Frage, ob die Landesregierung berechtigt ist, die von Mitgliedern eines Ausschusses des Landtages verlangte Vorlage der im Antrag bezeichneten Akten gemäß Art. 23 Abs. 3 Satz 1 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein (LV) wegen Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung zu verweigern.

I.

Im Juli 2000 hatte die Antragstellerin im Zusammenhang mit der Aufstellung des Haushaltsplans für das Jahr 2001 beschlossen, entgegen der zuvor geübten Praxis nunmehr die Lehrer grundsätzlich als Beamte zu beschäftigen, um auf diese Weise Einsparungen für den Haushalt zu erzielen. Die errechneten Einsparungen wurden in der von der Antragstellerin am 14. November 2000 beschlossenen Nachschiebeliste zum Haushalt aktualisiert. Anfang Mai 2001 wurde offenbar, dass der Haushalt 2001 für die Lehrerpersonalausgaben eine Deckungslücke von 35,1 Mio. DM aufwies. In der Diskussion über die Verantwortung hierfür erklärte die Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur, die Fehleinschätzung beruhe vor allem darauf, dass für 800 Stellen versehentlich Einsparungen durch den Wechsel vom Angestellten- in den Beamtenstatus doppelt berechnet worden seien; allein dies habe im Rahmen der - ohnehin schwierigen - Berechnungen zu einer Überschätzung der Einsparungen um 20 Mio. DM geführt. Daneben habe sich in Bezug auf 184 weitere Stellen eine Verbeamtung aufgrund von Eignungsmängeln oder fehlender Bereitschaft der Stelleninhaber als nicht möglich erwiesen. Hinzugekommen seien eine ungewöhnliche Abweichung in einer für die Prognose maßgeblichen Hochrechnung sowie eine im Vergleich zu vorausgegangenen Jahren insgesamt erhöhte Prognoseunsicherheit. Der Fehlbetrag sei erst entdeckt worden, nachdem sich im März 2001 Abweichungen zwischen Prognosewerten und Ist-Ausgaben herausgestellt hätten. Die Ministerpräsidentin erklärte gegenüber der Presse, der maßgebliche Berechnungsfehler sei einer "armen Seele" im Bildungsministerium unterlaufen. Aus den Reihen der Opposition wurden Zweifel an der Richtigkeit dieser Erklärungen geäußert.

Nachdem sämtliche Mitglieder des Bildungsausschusses des Landtages wie auch Mitglieder des Finanzausschusses, gestützt auf Art. 23 Abs. 2 Satz 2 LV, im Hinblick auf den "Fehlbetrag bei der Berechnung der Lehrergehälter" die Vorlage von insgesamt zwölf die Vorbereitung des Landeshaushalts 2001 betreffenden Aktenvorgängen aus dem Ministerium für Finanzen und Energie und dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur verlangt hatten, übermittelte das Bildungsministerium am 19. Juli 2001 an die Vorsitzenden der beiden Ausschüsse die gewünschten Unterlagen mit Ausnahme derjenigen, um die es im vorliegenden Verfahren geht. Diese vorzulegen, lehnte das Ministerium mit der Begründung ab, dass eine Vorlage die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung (vgl. Art. 23 Abs. 3 Satz 1 LV) beeinträchtigen würde.

Art. 23 LV in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Landessatzung für Schleswig-Holstein vom 13. Juni 1990 (GVOBl S. 391), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Februar 2004 (GVOBl S. 54), lautet:

Artikel 23

Frage- und Auskunftsrecht der Abgeordneten, Aktenvorlage durch die Landesregierung

(1) ...

(2) Die Landesregierung hat jeder oder jedem Abgeordneten Auskünfte zu erteilen. Sie hat dem Landtag und den von ihm eingesetzten Ausschüssen auf Verlangen eines Viertels der jeweils vorgesehenen Mitglieder Akten vorzulegen. Die Auskunftserteilung und die Aktenvorlage müssen unverzüglich und vollständig erfolgen.

(3) Die Landesregierung kann die Beantwortung von Fragen, die Erteilung von Auskünften oder die Vorlage von Akten ablehnen, wenn dem Bekanntwerden des Inhalts gesetzliche Vorschriften oder Staatsgeheimnisse oder schutzwürdige Interessen einzelner, insbesondere des Datenschutzes, entgegenstehen oder wenn die Funktionsfähigkeit und die Eigenverantwortung der Landesregierung beeinträchtigt werden. Die Entscheidung ist den Fragestellenden oder den Antragstellenden mitzuteilen. Auf deren Verlangen ist die Ablehnung vor dem Parlamentarischen Einigungsausschuss zu begründen. Soweit zwischen dem Parlamentarischen Einigungsausschuss und der Landesregierung keine Einigung erzielt wird, ist die Landesregierung verpflichtet, dem Informationsverlangen unverzüglich zu entsprechen, es sei denn, dass sie eine gegenteilige einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts erwirkt; bis zur Entscheidung über ihren Antrag besteht keine Antwort-, Auskunfts- oder Vorlagepflicht.

(4) Das Nähere regelt ein Gesetz.

Ein Gesetz nach Art. 23 Abs. 4 LV ist bislang nicht ergangen.

Mit Schreiben vom 8. August 2001 beantragten die Antragsgegner - Mitglieder der CDU-Fraktion im Bildungsausschuss - im Hinblick auf die nicht vorgelegten Akten gemäß Art. 23 Abs. 3 Satz 3 LV die Einberufung des Parlamentarischen Einigungsausschusses. Dieser tagte am 28. September 2001, konnte aber eine Einigung mit der Landesregierung nicht erzielen.

II.

1. a) Mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2001 hat die Landesregierung beim Bundesverfassungsgericht beantragt, festzustellen, dass das Verlangen der Antragsgegner zu 1. bis 4. sowie einer Reihe weiterer Mitglieder des Landtages nach Vorlage der im Rubrum bezeichneten Unterlagen gegen die Bestimmungen der Art. 2, Art. 26 Abs. 1 Satz 1 und Art. 23 Abs. 3 Satz 1 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein verstoße. Soweit der Antrag sich gegen weitere Mitglieder des Landtages richtete, wurde er zwischenzeitlich zurückgenommen.

Auf den zugleich gestellten Antrag der Landesregierung auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 10. Oktober 2002 entschieden, dass die Landesregierung bis zu einer Entscheidung über den Antrag in der Hauptsache nicht verpflichtet ist, dem Vorlagebegehren der Antragsgegner zu entsprechen (BVerfGE 106, 51 <52>).

b) Zur Begründung ihres Antrags in der Hauptsache trägt die Landesregierung vor, das Verlangen der Antragsgegner nach Vorlage der bezeichneten Unterlagen verstoße gegen Art. 23 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Art. 26 Abs. 1 Satz 1 und Art. 2 LV, weil es die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung beeinträchtige.

Mit dem Ausschluss des Aktenvorlagerechts für den Fall, dass die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung durch die Vorlage beeinträchtigt würde, knüpfe Art. 23 Abs. 3 Satz 1, 4. Alt. LV an den aus dem Gewaltenteilungsprinzip abgeleiteten Grundsatz, dass ein auch für das Parlament unantastbarer Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung anzuerkennen sei, und dessen Konkretisierung im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Flick-Untersuchungsausschuss an (BVerfGE 67, 100 <139>). Das Ausschlusskriterium der Beeinträchtigung von Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung sei dabei als einheitliches Tatbestandsmerkmal zu verstehen; mit einer Beeinträchtigung der Eigenverantwortung der Regierung sei zugleich deren Funktionsfähigkeit gestört und umgekehrt.

Für die Entscheidung des vorliegenden Falles komme es nicht auf allgemeine Überlegungen zum Rang des parlamentarischen Aktenvorlagerechts, sondern auf die in Art. 23 Abs. 3 Satz 1 LV getroffene Regelung an. Mit dieser Bestimmung sei der Schutz der Landesregierung relativ stark ausgestaltet. Sie nehme nicht auf den Kernbereich der Eigenverantwortung der Regierung Bezug, sondern auf deren Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung überhaupt, und schütze diese, anders als Art. 54 Abs. 4 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt und Art. 24 Abs. 3 der Niedersächsischen Verfassung, nicht nur vor wesentlichen Beeinträchtigungen, sondern vor jeder Beeinträchtigung. Die Regelung des Art. 23 Abs. 3 Satz 4 LV, nach der im Fall eines Streits über die Vorlage von Akten die Klagelast bei der Landesregierung liege, sei rein prozessualer Natur; eine materiellrechtliche Verstärkung des Aktenvorlagerechts sei darin nicht zu sehen. Das allgemeine parlamentarische Aktenvorlagerecht weise nur ein im Verhältnis zu den Rechten eines

parlamentarischen Untersuchungsausschusses vermindertes Gewicht auf.

Die Eigenverantwortung der Exekutive sei nicht erst durch ein unmittelbares Mitregieren und Mitentscheiden, sondern bereits dann betroffen, wenn es zu einer Ausforschung des internen Willensbildungsprozesses der Landesregierung komme.

Die von der Landesregierung wahrzunehmende Integrationsfunktion setze einen offenen Kommunikationsprozess und ein nach außen einheitliches Auftreten der Regierung voraus. Deshalb müsse der Willensbildungsprozess innerhalb der Regierung unter dem Schutz der Vertraulichkeit stehen.

Die Begrenzung des Aktenvorlagerechts gelte grundsätzlich auch für abgeschlossene Vorgänge. Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Flick-Untersuchungsausschuss (BVerfGE 67, 100 <139>) lasse sich für das Verhältnis zwischen abgeschlossenen und noch laufenden Vorgängen nur eine gewisse graduelle Abstufung des Schutzes entnehmen, nicht dagegen ein Regel-Ausnahme-Verhältnis derart, dass bei abgeschlossenen Vorgängen eine Verweigerung der Vorlage grundsätzlich nicht in Betracht komme. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergebe sich, dass der Schutz des Art. 23 Abs. 3 Satz 1, 4. Alt. LV auch in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge eingreife. In den Beratungen des Sonderausschusses für die Verfassungs- und Parlamentsreform sei eine ursprünglich vorgesehene Klausel, die den Schutz auf die Phase der Entscheidungsvorbereitung begrenzt hätte, mit Blick auf die Notwendigkeit, eine freie und offene Willensbildung innerhalb der Regierung auch gegen nachträgliche Ausforschung zu sichern, gestrichen worden. Dem Anliegen der Landesregierung, die Anwendbarkeit der Schutzbestimmung auf abgeschlossene Vorgänge ausdrücklich zu regeln, sei nur im Interesse einer möglichst knappen Fassung der Bestimmung nicht entsprochen worden.

Die Erörterungen der Landesregierung bei der Erstellung des Entwurfs des Haushaltsplanes beträfen den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Dies gelte für alle im Antrag bezeichneten Unterlagen. Der von den Antragsgegnern angeführte Grundsatz der Budgetöffentlichkeit sei hier nicht einschlägig; er beziehe sich nicht auf die regierungsinterne Vorbereitung des Haushaltsentwurfs der Regierung. Würden Äußerungen von Regierungsmitgliedern und sonstige Vorarbeiten aus dem Prozess der Willensbildung nach außen dringen, werde die notwendige offene Kommunikation innerhalb der Regierung gestört. Die jeweilige Opposition könnte solche Informationen nutzen, um etwa einzelnen Regierungsmitgliedern mangelnde Durchsetzungsfähigkeit vorzuhalten; der regierungsinterne Einigungsprozess würde so zu einem öffentlichen Kräftemessen innerhalb der Regierung. Um dies zu vermeiden, müsste der Meinungsbildungsprozess aus dem Verfassungsorgan Regierung hinaus in informelle Gesprächsrunden verlagert werden. Der Regierung müsse, wie der Opposition ohnehin, ein "forum internum" zustehen.

Das von den Antragsgegnern verfolgte politische Ziel sei demgegenüber nicht entscheidend. Für die Frage, ob eine Beeinträchtigung von Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung drohe, komme es maßgeblich auf die Eigenart und Schutzbedürftigkeit der Unterlagen an, nicht auf die Motive der Antragsgegner für ihr Vorlagebegehren. Die Ursachen der aufgetretenen Haushaltslücke seien im Übrigen bereits aufgeklärt und eingehend erläutert worden; die von den Antragsgegnern behauptete Unstimmigkeit bestehe nicht. Ihnen gehe es wesentlich um die Ausforschung interner Beratungs- und Meinungsbildungsprozesse innerhalb der Landesregierung, um die daraus gewonnenen Informationen, etwa über die politischen Kräfteverhältnisse zwischen den einzelnen Ressorts, in der allgemeinen politischen Auseinandersetzung zu nutzen.

Auf Nachfrage zum Charakter der im Antrag unter c) und d) benannten Verhandlungsvermerke erläuterte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2003, der Antrag habe hier die Formulierung des ursprünglichen Aktenvorlagebegehrens der Antragsgegner übernommen, und stellte zur Klärung der Frage, auf welche Unterlagen sich das Einsichtsbegehren der Antragsgegner insoweit beziehe, typisierend den Ablauf des Haushaltsaufstellungsverfahrens dar. Danach beschränkten sich die verschiedenen im Laufe des Aufstellungsverfahrens gefertigten Unterlagen, die als Haushaltsverhandlungsvermerke bezeichnet werden könnten, nicht auf die Wiedergabe derjenigen Ergebnisse der geführten Verhandlungen, die Inhalt des Haushaltsentwurfs und des Entwurfs der Nachschiebeliste geworden seien. Sie ließen die Ausgangspositionen und den Ablauf der Abstimmungsprozesse erkennen und erlaubten Rückschlüsse auf politische Meinungsverschiedenheiten und Kräfteverhältnisse im Verhältnis der beteiligten Ressortmitglieder; diese Kräfteverhältnisse spiegelten sich auch bereits in den Verhandlungen auf Referentenebene wider. Auch die bloßen Ergebnisse der geführten Verhandlungen ließen bereits derartige Rückschlüsse zu; auch sie seien Teil der ressortinternen und ressortübergreifenden Abstimmungsprozesse und daher im Hinblick auf Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung geschützt. Dem Schutz des Art. 23 Abs. 3 LV unterlägen alle im Laufe des Haushaltsaufstellungsverfahrens entstehenden Unterlagen und Vermerke, welche die Ausgangspositionen der Verhandlungen, den Verlauf dieser Verhandlungen, die offenen Punkte sowie die Ergebnisse, in denen sich das jeweilige Ressort habe durchsetzen können oder nachgeben müssen, erkennen ließen.

2. Die Antragsgegner machen geltend, der Antrag sei bereits unzulässig. Als Ausschussminderheit, die gemäß Art. 23 Abs. 2 Satz 2 LV die Vorlage der Unterlagen verlangt habe, seien sie weder parteifähig noch passiv prozessführungsbefugt, da es sich bei dem Recht auf Aktenvorlage nicht um ein eigenes Recht der Antragsgegner, sondern um ein Recht des Parlaments handele und eine Prozessstandschaft hier nicht vorgesehen sei. Der Antrag sei im Übrigen unstatthaft, weil das von der Antragstellerin als verfassungsverletzend beanstandete Vorlagebegehren keine rechtserhebliche Maßnahme im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG sei. Denn selbst wenn die Antragstellerin berechtigt wäre, die Vorlage zu verweigern, werde dadurch das Vorlagebegehren nicht verfassungswidrig.

Der Antrag sei unbegründet, weil ein Verweigerungsrecht das Aktenvorlagebegehren nicht verfassungswidrig mache. Auch wenn der Antrag auf Feststellung eines Verweigerungsrechts lautete, wäre er unbegründet, weil ein Verweigerungsrecht nach Art. 23 Abs. 3 Satz 1 LV nicht bestehe.

Das Vorlagebegehren der Antragsgegner diene der Klärung der politischen Verantwortlichkeit für die aufgetretene Haushaltslücke in Höhe von 35,1 Mio. DM. Ihm lägen Zweifel an der Schlüssigkeit der von der Kultusministerin sowie anderen Regierungsmitgliedern und Vertretern der Regierungsfraktion abgegebenen Erklärung zugrunde, die fehlerhafte Einbeziehung von 800 Stellen in die Berechnung der durch Verbeamtungen erzielbaren Einsparungen beruhe auf dem Rechenfehler einer Schulexpertin im Kultusministerium und sei erst im März 2001 entdeckt worden.

Ein Vermerk aus dem Ministerium für Finanzen und Energie vom 7. Dezember 2000, der sich bei den bereits vorgelegten Aktenbestandteilen befunden habe, stütze die Vermutung, dass das Nichtzustandekommen einer zwischen Finanzministerium und Bildungsministerium vereinbarten Rücklage die eigentliche Ursache der Haushaltslücke sei, und dass für die fehlende Verfügbarkeit dieser Rücklage schon im Dezember 2000 Anhaltspunkte bestanden hätten. Weiter sei aus dem Ergebnis der Akteneinsicht festzuhalten, dass die vorgelegten Akten keinen Beleg für den von der Bildungsministerin angeführten Rechenfehler enthielten, obwohl laut Schreiben der Antragstellerin vom 19. Juli 2001 aus den vorgelegten Akten nur diejenigen Unterlagen entfernt worden seien, die Aufschluss über die Willensbildung innerhalb der Landesregierung gäben, so dass Unterlagen über die fragliche Berechnung in den Akten hätten enthalten sein müssen.

In das für die parlamentarische Kontrollfunktion überragend wichtige Aktenvorlagerecht dürfe nur unter ganz besonderen Umständen eingegriffen werden. Speziell in der Haushaltspolitik dürfe wegen des Grundsatzes der Budgetöffentlichkeit eine Offenlegung nur aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls unterbleiben. Schon der Wortlaut des Art. 23 LV mache deutlich, dass nach Ansicht des Verfassungsgebers der Aktenvorlageanspruch der Regelfall, die Verweigerung der Vorlage dagegen die begründungsbedürftige Ausnahme sein sollte. Dies folge nicht nur aus der Begrenzung der Gründe, die allein zur Verweigerung der Aktenvorlage berechtigten, sondern auch aus der Regel des Art. 23 Abs. 3 Satz 4 LV, nach der in Abweichung von der üblichen Klagelastverteilung die Regierung sich an das Verfassungsgericht wenden müsse, wenn sie einem Vorlageverlangen nicht entsprechen wolle.

Die von der Antragstellerin angeführte Unbefangenheit der Regierungsmitglieder bei künftigen Entscheidungen sei verfassungsrechtlich nicht geschützt. Die parlamentarische Kontrolle setze ein öffentliches Kräftemessen gerade voraus. Verzagte Regierungsmitglieder, deren Unbefangenheit schon durch die Akteneinsicht in frühere Vorgänge gefährdet werde, entsprächen nicht dem Bild, das die Verfassung von der Landesregierung zeichne. Jedenfalls sei gegenüber dem parlamentarischen Kontrollrecht bei einem Vorgang von herausgehobener politischer Bedeutung wie dem vorliegenden das Interesse an künftiger Unbefangenheit nachrangig. Anderenfalls könnte sich die Regierung einen Arkanbereich sichern und damit jegliche Kontrolle ausschließen.

Bei abgeschlossenen Vorgängen sei der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung in der Regel nicht berührt, weil hier eine Mitentscheidung des Parlaments ausgeschlossen sei. Die von der Antragstellerin herangezogene Feststellung in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Flick-Untersuchungsausschuss (BVerfGE 67, 100 <139>), es gebe einen auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich, beziehe sich dem Zusammenhang nach gerade nicht auf abgeschlossene Vorgänge. Die Entstehungsgeschichte des Art. 23 Abs. 3 LV bestätige, dass auch nach dieser Vorschrift eine Vorlageverweigerung bei abgeschlossenen Vorgängen im Regelfall ausscheide. Die Aufnahme eines anderslautenden Zusatzes sei abgelehnt worden. Der Verfassungsgeber habe sich an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Flick-Untersuchungsausschuss und an der Entscheidung des Bremischen Staatsgerichtshofs vom 1. März 1989 orientiert, wonach bei abgeschlossenen Vorgängen ein Verweigerungsrecht nur in absoluten Ausnahmefällen in Betracht komme. Auch die These, hinsichtlich der Reichweite des Aktenvorlagerechts müsse zwischen Untersuchungsausschüssen und sonstigen Ausschüssen unterschieden werden, werde durch die Entstehungsgeschichte der Landesverfassung widerlegt.

Bezüglich der unter c) und d) des Antrags genannten Unterlagen sei das der Antragsformulierung zugrundeliegende Vorlagebegehren der Antragsgegner weit aufzufassen. Die Antragsgegner hätten in ihrem Aktenvorlagebegehren den Begriff "Haushaltsverhandlungsvermerke" in einem umfassenden Sinne verstanden. Zu den "Haushaltsverhandlungsvermerken" zählten alle Vermerke, die sich auf die Haushaltsverhandlungen beziehen, namentlich alle vorbereitenden Vermerke, aber auch die Vermerke über sämtliche geführten Gespräche, einschließlich der Vermerke über Chefgespräche, sowie diejenigen Vermerke, die nachträglich über diese Gespräche gefertigt wurden. Erfasst seien damit alle von der Antragstellerin in der oben wiedergegebenen Darstellung des Haushaltsaufstellungsverfahrens bezeichneten Vermerke, Protokolle und Gesprächsunterlagen.

3. Die Regierungen und Parlamente des Bundes und der Länder hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

a) Für die Bundesregierung hat das Bundesministerium des Innern Stellung genommen. Es verweist auf die Grundsätze der Flick-Entscheidung (BVerfGE 67, 100 <139>) zum Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Nach den Ausführungen der Antragstellerin dokumentierten die Unterlagen, deren Vorlage begehrt werde, einen Teil der internen Willensbildung der Landesregierung bei der ihr obliegenden Vorbereitung und Aufstellung des Landeshaushalts 2001. Demnach handele es sich um Informationen aus abgeschlossenen Vorgängen, die gegenständlich dem Kernbereich der Exekutive zuzuordnen seien. Das parlamentarische Kontrollinteresse habe, jedenfalls außerhalb eines besonderen Untersuchungsverfahrens, nicht von vornherein Vorrang gegenüber dem Schutzinteresse der Exekutive. Ressortabstimmungen und Erörterungen im Kabinett fänden regelmäßig nicht-öffentlich statt, um im Interesse der Einheitlichkeit des Regierungshandelns nach außen eine möglichst offene und ungestörte Willensbildung im Innern sicherzustellen. Unter diesen Umständen könne es nicht darauf ankommen, ob mit der Offenlegung von Informationen aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung erst nach Abschluss der Willensbildung oder bereits vorher gerechnet werden müsse. Die Gefahr einer solchen Offenlegung wirke sich auf die künftige Bereitschaft der Regierungsmitglieder aus, in Ressortabstimmungen und Kabinettserörterungen zunächst noch kontroverse und nicht abschließend geklärte fachliche Einschätzungen oder politische Standpunkte einzubringen. Bestünde eine Offenlegungspflicht auch im Rahmen der Anwendung der allgemein üblichen parlamentarischen Kontrollmechanismen, so wäre, weil mit der Ausübung der allgemeinen Kontrollrechte stets gerechnet werden müsste, die Gefahr einer nachteiligen Rückwirkung auf künftige Entscheidungsprozesse im Bereich der Regierung ungleich größer als bei einer Offenlegungspflicht nur gegenüber parlamentarischen Untersuchungsausschüssen. Der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung müsse sich daher jedenfalls dann auch auf abgeschlossene Vorgänge erstrecken, wenn das Parlament von seinen Informationsrechten außerhalb eines Untersuchungsverfahrens Gebrauch mache.

b) Der Thüringer Landtag hat ausgeführt, die Regierung verfüge nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts über einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich. Kabinettserörterungen wie auch die Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen seien diesem Bereich zuzuordnen. Voraussetzung für eine selbständige Regierungsgewalt sei, dass in einem nicht ausforschbaren Beratungsbereich vor den Regierungsentscheidungen freimütig beraten werden könne. Die erforderliche Unbefangenheit und Offenheit der Entscheidungsfindung werde wesentlich beeinträchtigt, wenn die Entscheidungsträger befürchten müssten, dass ihre im Rahmen der Regierungsberatungen abgegebenen Stellungnahmen in Parlamentsausschüssen publik würden. Mitglieder der Regierung würden dann in einen der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung abträglichen Zwang geraten, zu rechtfertigen, weshalb sie Ratschlägen und Auffassungen ihrer Mitarbeiter nicht gefolgt seien. Danach könne zwar eine abschließende Kabinettsentscheidung ein verfassungsrechtlich zulässiger Gegenstand der parlamentarischen Kontrolle sein, nicht aber etwa das Protokoll einer Kabinettssitzung, in dem die Entscheidungsfindung dokumentiert werde. Auch nach Abschluss eines Vorgangs gehöre die vorgelagerte regierungsinterne Beratung zum Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, der parlamentarischer Kontrolle nicht zugänglich sei. Die Möglichkeit einer späteren Offenlegung würde sich negativ auf die Unbefangenheit und die Offenheit aktueller Willensbildungsprozesse der Regierung auswirken und unter Umständen die Bereitschaft reduzieren, auch kontroverse Auffassungen in die Entscheidungsfindung einzubringen.

B.

I.

1. Der Antrag ist zulässig; insbesondere fehlt es, wie bereits im Verfahren der einstweiligen Anordnung festgestellt, nicht an der Parteifähigkeit und Prozessführungsbefugnis der Antragsgegner (BVerfGE 106, 51 <55 ff.>). Die Zulässigkeit des Antrags scheitert auch nicht an deren Einwand, das von der Antragstellerin als verfassungsverletzend beanstandete Vorlagebegehren sei keine rechtserhebliche Maßnahme im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG. Der Antrag der Landesregierung ist darauf gerichtet, das Vorlagebegehren der Antragsgegner abzuwehren. Aus Art. 23 Abs. 3 Satz 4 LV folgt, dass sie dazu eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbeiführen muss. Nach dieser Vorschrift ist die Landesregierung verpflichtet, dem Informationsverlangen unverzüglich zu entsprechen, es sei denn, dass sie eine gegenteilige einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts erwirkt. Damit hat die Landesverfassung in zulässiger Umkehr der üblichen Klagelastverteilung (vgl. BVerfGE 106, 51 <56>) zum Gegenstand des Streits vor dem Bundesverfassungsgericht auch für das Hauptsacheverfahren die - den Anforderungen des § 64 Abs. 1 BVerfGG entsprechend konkret umstrittene - Frage bestimmt, ob die Landesregierung zur Vorlage der begehrten Unterlagen verpflichtet ist. Der von der Antragstellerin in Anlehnung an § 64 Abs. 1 BVerfGG formulierte Antrag zielt demgemäß auf die Feststellung, dass die von den Antragsgegnern geltend gemachte Vorlagepflicht nicht bestehe. Er ist daher auch hinsichtlich seines Gegenstandes zulässig.

2. Auf welche Dokumente sich der Antrag unter c) und d) bezieht, ist angesichts der nicht feststehenden Bedeutung der verwendeten Begriffe "Haushaltsverhandlungsvermerke" und "Verhandlungsvermerke zur Nachschiebeliste" auslegungsbedürftig. Die Antragstellerin hat in der Formulierung ihres Antrags zu c) und d) die von den Antragsgegnern in ihrem Aktenvorlagebegehren zu den betreffenden Punkten verwendete Bezeichnung der gewünschten Dokumente aufgegriffen. Ihr Antrag ist demnach zu c) und d) darauf gerichtet, das Vorlagebegehren der Antragsgegner bezüglich derjenigen Dokumente abzuwehren, auf die sich das Vorlagebegehren der Antragsgegner in den betreffenden Punkten bezieht.

Für die Beantwortung der Frage, welche Unterlagen vom Aktenvorlagebegehren der Antragsgegner erfasst sind, ist nicht die von den Antragsgegnern hierzu im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht abgegebene Erklärung, sondern der objektive Sinn des ursprünglichen Aktenvorlagebegehrens der Antragsgegner maßgebend. Das schließt nachfolgende Präzisierungen nicht aus; ein Vorlagebegehren kann aber jedenfalls nicht in späteren Verfahrensstadien einseitig nach Belieben auf andere als die ursprünglich verlangten Unterlagen erstreckt werden.

Unter den im Aktenvorlagebegehren der Antragsgegner vom Juli 2001 genannten Haushaltsverhandlungsvermerken des Bildungsministeriums und des Ministeriums für Finanzen und Energie waren und sind die als unmittelbare Grundlage der Haushaltsverhandlungen zwischen den beiden Ministerien zur beiderseitigen Kenntnis erstellten Vermerke sowie die Protokolle dieser Verhandlungen zu verstehen. Neben Unterlagen, für die bereits nach dem Schriftsatz der Antragstellerin vom 9. Dezember 2003 außer Streit steht, dass sie als "Haushaltsverhandlungsvermerke" qualifiziert werden können - die Protokolle der Referentenverhandlungen sowie die im Finanzministerium als Grundlage der Chefverhandlungen gefertigten und dem Bildungsministerium übermittelten Unterlagen -, zählt dazu das Protokoll des zwischen Finanz- und Bildungsministerium geführten Chefgesprächs. Entsprechendes gilt für die Verhandlungsvermerke zur Nachschiebeliste.

Aus dem Wortlaut und aus dem Zusammenhang, in den das Vorlagebegehren ausdrücklich gestellt war, ergibt sich, dass die begehrte Vorlage der Haushaltsverhandlungsvermerke des Bildungsministeriums und des Ministeriums für Finanzen und Energie nicht auf alle in diesen Ministerien im Zusammenhang mit den Haushaltsverhandlungen entstandenen, sondern auf die speziell für oder über die bilateralen Verhandlungen zwischen Finanz- und Bildungsministerium gefertigten Vermerke zielte. Die Vorlage sollte der Aufklärung der Deckungslücke im Lehrerpersonalhaushalt dienen. Diesem Zweck hätte etwa die Vorlage von Haushaltsverhandlungsvermerken aus dem Finanzministerium, die sich auf Verhandlungen mit anderen Ressorts als dem Bildungsministerium beziehen, von vornherein nicht dienen können. Unter anderem der hierdurch verdeutlichte Bezug auf die zwischen Bildungs- und Finanzministerium geführten Verhandlungen schließt ein Verständnis des Vorlagebegehrens aus, wonach dieses auch vorbereitende Vermerke für und Protokolle von Kabinettsverhandlungen erfasst hätte. Ohnehin könnten Protokolle von Kabinettssitzungen auch bei großzügiger Auslegung nicht als Vermerke des Bildungs- oder des Finanzministeriums aufgefasst werden.

Dass schließlich unter den zur Vorlage verlangten Haushaltsverhandlungsvermerken des Bildungs- und des Finanzministeriums nicht sämtliche im Hinblick auf die Verhandlungen zwischen diesen Ministerien gefertigten Unterlagen verstanden werden können, sondern nur diejenigen, die den ressortinternen Bereich verlassen haben und auch der Verhandlungsgegenseite als Verhandlungsgrundlage zugänglich gemacht wurden, ergibt sich ebenfalls aus einer den Zusammenhang berücksichtigenden Interpretation. Alle im Zusammenhang mit der Verhandlungsvorbereitung ressortintern erarbeiteten oder auch nur zusammengestellten Unterlagen als "Verhandlungsvermerke" zu bezeichnen, läge schon angesichts der unbestimmten Fülle derartiger Unterlagen nicht nahe. Dass auch die Antragsgegner ein so weites Begriffsverständnis weder subjektiv zugrundegelegt noch objektiv zum Ausdruck gebracht haben, ergibt sich auch daraus, dass in ihrem Vorlagebegehren vom Juli 2001 neben den Unterlagen, um die es im vorliegenden Verfahren geht, zahlreiche weitere Dokumente aufgeführt waren, deren gesonderter Aufführung es bei einem derart weiten Begriffsverständnis nicht bedurft hätte.

II.

Der Antrag ist nicht begründet. Die Landesregierung ist nicht berechtigt, die Vorlage der im Antrag bezeichneten Unterlagen zu verweigern.

1. Art. 23 Abs. 3 Satz 1, 4. Alt. LV knüpft an die in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Flick-Untersuchungsausschuss entwickelten Grundsätze zum Schutz eines Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung an (vgl. Hübner, in: v. Mutius u.a., Kommentar zur Landesverfassung Schleswig-Holstein, Bd. I, 1995, Art. 23 Rn. 19, m.w.N.). Gründe, einem Untersuchungsausschuss Akten vorzuenthalten, können sich nach dieser Entscheidung vor allem aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz ergeben. Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen "Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung" voraus, der einen auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt. Dazu gehört z.B. die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (BVerfGE 67, 100 <139>).

Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht danach in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen. Diese Möglichkeit besteht bei Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen regelmäßig, solange die Entscheidung noch nicht getroffen ist. Schon ein so wesentlicher Teil jeder politischen Entscheidung wie die Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem sie fallen soll, könnte der Regierung weitgehend aus der Hand genommen werden, wenn das Parlament schon vor diesem Zeitpunkt auf den Stand der Entscheidungsvorbereitung innerhalb der Regierung zugreifen könnte. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts erstreckt sich daher die Kontrollkompetenz des Parlaments grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge. Sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (BVerfGE 67, 100 <139>; vgl. auch HessStGH, DÖV 1967, S. 51 <55 f.>; Bayer. VerfGH, DVBl 1986, S. 233 <234>; BremStGH, NVwZ 1989, S. 953 <956>; BbgVerfG, NVwZ 1998, S. 209 <211>; Böckenförde, AöR 103 <1978>, S. 1 <17>).

Der aus dem Gewaltenteilungsprinzip folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Abschirmung gegen unmittelbare Eingriffe in die autonome Kompetenzausübung der Regierung. Auch dem nachträglichen parlamentarischen Zugriff auf Informationen aus der Phase der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen setzt der Gewaltenteilungsgrundsatz Grenzen. Zwar gebietet dieser Grundsatz gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle wirksam sein kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>). Dies wäre nicht der Fall, wenn die dazu nötigen Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen dem Parlament grundsätzlich verschlossen blieben. Andererseits würde aber ein - sei es auch erst nach Abschluss des jeweiligen Entscheidungsprozesses einsetzender - schrankenloser parlamentarischer Anspruch auf Informationen aus diesem Bereich vor allem durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der selbständigen Funktion beeinträchtigen, die das Gewaltenteilungsprinzip ihr zuweist. Das Bundesverfassungsgericht hat daher bereits im Urteil zum Flick-Untersuchungsausschuss deutlich gemacht, dass Informationen aus dem Vorfeld von Regierungsentscheidungen zwar nach Abschluss der jeweiligen Entscheidung nicht mehr im selben Maße geschützt sind wie in der Phase, in der die Kenntnisnahme Dritter diesen einen unmittelbaren Einfluss auf die Entscheidung verschaffen würde, dass aber das parlamentarische Informationsrecht auch dann noch Grenzen hat: Auch bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, in denen die Regierung aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung geheimzuhaltende Tatsachen mitzuteilen nicht verpflichtet ist (BVerfGE 67, 100 <139>).

2. Beide Aspekte, den des Schutzes eigenverantwortlicher Kompetenzausübung der Regierung vor parlamentarischer Mitentscheidung in laufenden Angelegenheiten wie den eines auch bei abgeschlossenen Vorgängen eingreifenden, in erster Linie präventiven Schutzes der Funktionsfähigkeit der Regierung, greift Art. 23 Abs. 3 Satz 1 LV auf, indem er die Informationspflichten der Landesregierung gegenüber dem Parlament durch den Gesichtspunkt der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung begrenzt.

Die beiden Elemente des Begriffspaars "Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung" erfassen dabei gerade in ihrer Kombination als einheitliches Tatbestandsmerkmal beide genannten Schutzaspekte. Wären stattdessen Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung als zwei Tatbestandsmerkmale zu verstehen, die kumulativ erfüllt sein müssen, je für sich aber nur einen der genannten Schutzgesichtspunkte erfassen mit der Folge, dass etwa die Eigenverantwortung der Regierung nur bei einem Informationszugriff auf noch unabgeschlossene Vorgänge als beeinträchtigt gelten könnte, so entfiele im Ergebnis jeder Schutz in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge, weil eine in diesem Sinne eng verstandene Eigenverantwortung der Regierung hier definitionsgemäß nie beeinträchtigt und damit eines der beiden kumulativ erforderlichen Merkmale in dieser Fallkonstellation nie erfüllt wäre. Dieses Ergebnis wäre unvereinbar mit den Rechtsprechungsgrundsätzen, an die Art. 23 Abs. 3 Satz 1, 4. Alt. LV anknüpft, und entspräche nicht dem in der Entstehungsgeschichte des Art. 23 LV deutlich zutage getretenen Willen des Verfassungsgebers.

3. Die Entstehungsgeschichte des Art. 23 LV zeigt, dass der Verfassungsgeber mit der gewählten Ausgestaltung der parlamentarischen Informationsrechte und ihrer Grenzen eine wirksame Kontrolle der Regierung ermöglichen, zugleich aber auch hinsichtlich abgeschlossener Vorgänge keinen uneingeschränkten parlamentarischen Zugriff auf den Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen eröffnen wollte. Im Sonderausschuss "Verfassungs- und Parlamentsreform" gingen die Auffassungen über die wünschenswerte Reichweite und die notwendigen Grenzen des parlamentarischen Informationsrechts auseinander. Ein vom Wissenschaftlichen Parlamentsdienst unterbreiteter Vorschlag sah vor, dass die Landesregierung berechtigt sein sollte, Auskünfte oder die Vorlage von Akten zu verweigern, wenn die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung bei der Vorbereitung ihrer Entscheidungen beeinträchtigt würde. Dieser Vorschlag, der das Verweigerungsrecht auf noch nicht abgeschlossene Vorgänge begrenzt hätte, entsprach den Vorstellungen der Ausschussmehrheit, stieß aber auf Bedenken seitens der Landesregierung, die im Interesse freier und offener Diskussion innerhalb der Regierung einen Schutz von Regierungsinterna auch bei abgeschlossenen Vorgängen als erforderlich ansah. Die Ausschussminderheit schloss sich diesen Bedenken an. Die Suche nach dem für eine Verfassungsänderung notwendigen Kompromiss endete damit, dass der Zusatz "bei der Vorbereitung ihrer Entscheidungen" gestrichen wurde. Damit war klargestellt, dass die Berufung auf eine Beeinträchtigung von Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung nicht, wie seitens der Ausschussmehrheit zunächst gewünscht, in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge prinzipiell ausgeschlossen sein sollte (vgl. Protokolle des Sonderausschusses "Verfassungs- und Parlamentsreform", 16. Sitzung, S. 21, 28 ff.; 17. Sitzung, S. 5 ff.; 30. Sitzung, S. 23 f., 33 ff.).

Der Umstand, dass eine vom Innenminister und von einer Ausschussminderheit vorgeschlagene Ergänzung "Dies gilt auch für zeitlich abgeschlossene Vorgänge" (Protokolle, a.a.O., 30. Sitzung, S. 35) nicht in den Verfassungstext aufgenommen wurde, spricht vor dem Hintergrund dieser Klarstellung nicht für die Annahme, damit sei die Möglichkeit einer Informationsverweigerung in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge prinzipiell verneint worden (vgl. Protokolle, a.a.O., 30. Sitzung, S. 36). Der im Sonderausschuss gefundene Kompromiss fand Eingang in den Verfassungstext (vgl. LTDrucks 12/826).

Art. 23 Abs. 3 Satz 1, 4. Alt. LV ist folglich dahingehend auszulegen, dass die Vorlage von Akten aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung auch dann beeinträchtigen kann, wenn es sich um Akten zu einem abgeschlossenen Vorgang handelt (vgl. auch Hübner, in: v. Mutius u.a., Kommentar zur Landesverfassung Schleswig-Holstein, Bd. I, 1995, Art. 23 Rn. 20; für die entsprechende Rechtslage in anderen Bundesländern vgl. VerfG Hamburg, DÖV 1973, S. 745 <746>; Nds.StGH, NdsVBl 1996, S. 189 <190>; BbgVerfG, NVwZ-RR 1998, S. 209 <211>; einschränkend BremStGH, NVwZ 1989, S. 953 <956 f.>).

4. a) Die Frage, ob die Vorlage von Akten aus dem Bereich der Vorbereitung abgeschlossener Regierungsentscheidungen, aus denen Aufschluss über die Willensbildung der Regierung und ihrer Mitglieder gewonnen werden kann, die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung beeinträchtigen würde, kann demnach nicht pauschal verneint werden. Ebensowenig ist sie aber pauschal zu bejahen. Würde sie, in der Annahme, dass jeder der Regierung unerwünschte parlamentarische Einblick in das Zustandekommen von Regierungsentscheidungen die Offenheit des Willensbildungsprozesses und damit die Funktionsfähigkeit der Regierung beeinträchtigt, grundsätzlich bejaht, so unterlägen die Entscheidungen der Regierung dem parlamentarischen Kontrollrecht nur hinsichtlich des verlautbarten Entscheidungsinhalts und solcher Entscheidungsgrundlagen, die keine Rückschlüsse auf die Willensbildung innerhalb der Regierung zulassen. Weitere Hintergründe - auch solche, ohne deren Kenntnis die getroffene Entscheidung politisch nicht beurteilt und die politische Verantwortung der Regierung für Fehler, die gerade das Zustandekommen ihrer Entscheidungen betreffen, nicht zur Geltung gebracht werden kann - könnten dagegen nach Belieben unzugänglich gehalten werden. Das Aktenvorlagerecht, sofern es dem Parlament Zugriff gerade auch auf von der Regierung nicht freiwillig bereitgestellte Informationen über die Regierungstätigkeit verschaffen soll, liefe insoweit leer; die parlamentarische Kontrolle bliebe unwirksam. Dies wäre mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz nicht vereinbar und widerspräche der Intention des schleswig-holsteinischen Verfassungsgebers, mit Art. 23 LV eine wirksame parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns zu ermöglichen.

Auch die bundesverfassungsrechtliche Rechtslage, an die Art. 23 Abs. 3 Satz 1, 4. Alt. LV anknüpft, geht dahin, dass parlamentarische Informationsrechte in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge nicht grundsätzlich immer dann ausscheiden, wenn es sich um Akten aus dem Bereich der Willensbildung der Regierung, einschließlich der vorbereitenden Willensbildung innerhalb der Ressorts und der Abstimmung zwischen ihnen, handelt (BVerfGE 67, 100 <139>; 77, 1 <59>; vgl. auch VerfG Hamburg, DÖV 1973, S. 745 <746>; BremStGH, NVwZ 1989, S. 953 <954 ff.>; a.A. Nds.StGH, NdsVBl 1996, S. 189 <190>).

Ob die Vorlage solcher Akten die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung beeinträchtigen würde, lässt sich daher nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände feststellen. Die Notwendigkeit, hier zwischen gegenläufigen Belangen abzuwägen, entspricht der doppelten Funktion des Gewaltenteilungsgrundsatzes als Grund und Grenze parlamentarischer Kontrollrechte. In ihr kommt zum Ausdruck, dass die parlamentarische Kontrolle der Regierung einerseits gerade dazu bestimmt ist, eine demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechende Ausübung der Regierungsfunktion sicherzustellen, andererseits aber diese Funktion auch stören kann und daher der Begrenzung auf ein funktionsverträgliches Maß bedarf.

b) Anhaltspunkte dafür, dass die schleswig-holsteinische Landesverfassung parlamentarischen Informationsbegehren unterschiedliches Gewicht beimäße je nachdem, ob sie von einem Untersuchungsausschuss oder von einem sonstigen Ausschuss ausgehen, sind nicht ersichtlich. Art. 18 Abs. 4 Satz 2 LV verweist für das Aktenvorlagerecht von Untersuchungsausschüssen auf die für isolierte Aktenvorlagebegehren geltende Regelung des Art. 23 Abs. 3 LV und sieht damit die Geltung ein und desselben inhaltlichen Maßstabes vor. Hierdurch vermeidet die schleswig-holsteinische Verfassung, dass für Aufklärungszwecke, denen mit einer einfachen Aktenvorlage entsprochen werden könnte, der Bedarf, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, nur deshalb entsteht, weil das Aktenvorlagerecht der Mitglieder regulärer Ausschüsse inhaltlich weniger weit reicht als das der Mitglieder eines Untersuchungsausschusses.

Zwar weist die Antragstellerin mit Recht darauf hin, dass Aktenvorlagebegehren von Abgeordneten außerhalb eines Untersuchungsausschusses durch ihre potentiell größere Häufigkeit mit höheren Belastungen für die Regierung verbunden sein können, während das hinter dem Informationsverlangen stehende Aufklärungsinteresse des Parlaments typischerweise eher bei einem Untersuchungsausschuss besonders gewichtig sein wird. Dies führt jedoch, da es sich hier nur um Mögliches oder Typisches handelt, nicht dazu, dass im Rahmen der Anwendung des Art. 23 Abs. 3 Satz 1, 4. Alt. LV den Aktenvorlagebegehren aus regulären Ausschüssen generell engere Grenzen gesetzt werden als denen eines Untersuchungsausschusses. Der richtige Ort für die Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist vielmehr die im konkreten Fall notwendige Abwägung.

c) Aus dem Umstand, dass Art. 23 Abs. 3 Satz 1, 4. Alt. LV auf eine Beeinträchtigung und nicht, wie Art. 53 Abs. 4 Satz 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt und Art. 24 Abs. 3 Satz 1 der Niedersächsischen Verfassung, auf eine wesentliche Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung abstellt, lässt sich nicht ableiten, dass der schleswig-holsteinische Verfassungsgeber dem Informationsinteresse des Parlaments ein im Verhältnis zu den Geheimhaltungsinteressen der Regierung prinzipiell geringes Gewicht zugemessen hätte. Ein solcher Schluss verbietet sich schon deshalb, weil die genannten Vergleichsvorschriften von anderen Gesetzgebern später als Art. 23 LV erlassen worden sind.

d) Auch aus der in Art. 23 Abs. 3 Satz 4 LV vorgesehenen Umkehr der Klagelast lassen sich allgemeine Schlüsse auf das abwägungsrelevante Gewicht der parlamentarischen Informationsinteressen nicht ziehen. Diese Klagelastumkehr dient zwar dem Anliegen, die parlamentarischen Informationsrechte zu stärken; Art. 23 LV folgt damit einer auf nationaler wie internationaler Ebene zu beobachtenden allgemeinen Tendenz zur Transparenzverstärkung, die gerade für den Bereich der Exekutive ein Gegengewicht gegen deren oft beklagten Machtzuwachs im Gewaltengefüge bildet. Dass die beabsichtigte Stärkung der parlamentarischen Informationsrechte über die ausdrücklich geregelte verfahrensrechtliche Seite hinaus auch eine materiellrechtliche sein, dem parlamentarischen Informationsinteresse also grundsätzlich ein Übergewicht eingeräumt werden oder sein Gewicht über das in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum "Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung" (BVerfGE 67, 100 <130 ff., 139>) Vorgezeichnete hinaus verstärkt werden sollte, folgt daraus jedoch nicht.

e) Als funktioneller Belang, der durch eine Vorlagepflicht beeinträchtigt werden könnte, fällt bei abgeschlossenen Vorgängen nicht mehr die Entscheidungsautonomie der Regierung (s.o. B.II.1.), sondern vor allem die Freiheit und Offenheit der Willensbildung innerhalb der Regierung ins Gewicht. Dieser letztere Gesichtspunkt war bestimmend für die Entscheidung des schleswig-holsteinischen Verfassungsgebers, den Vorlageverweigerungsgrund einer drohenden Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung nicht von vornherein auf noch laufende Vorgänge zu beschränken (s.o. B.II.3.). Unter diesem Aspekt sind Unterlagen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen, die Aufschluss über den Prozess der Willensbildung geben, umso schutzwürdiger, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen. So kommt den Erörterungen im Kabinett besonders hohe Schutzwürdigkeit zu.

Auf der anderen Seite ist das Gewicht des parlamentarischen Informationsinteresses in Anschlag zu bringen. Müsste in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge jedem beliebigen parlamentarischen Informationsinteresse allein deshalb, weil es angemeldet wurde, Zugang zum innersten Bereich der Willensbildung der Regierung verschafft werden, so liefe die in Art. 23 Abs. 3 Satz 1, 4. Alt. LV auch für abgeschlossene Vorgänge vorgesehene Möglichkeit der Informationsverweigerung leer. Je weiter ein parlamentarisches Informationsbegehren in diesen innersten Bereich eindringt, desto gewichtiger muss daher das parlamentarische Informationsinteresse sein, um sich gegen ein von der Regierung geltend gemachtes Interesse an Vertraulichkeit durchsetzen zu können.

Besonders hohes Gewicht kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb der Regierung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>).

III.

Nach diesen Maßstäben ist die Landesregierung nicht berechtigt, die Vorlage der im Antrag bezeichneten Unterlagen zu verweigern.

1. Alle im Antrag bezeichneten Unterlagen fallen in den Bereich, der in der Phase der Vorbereitung einer Regierungsentscheidung dem parlamentarischen Informationszugriff in der Regel entzogen ist und ihm - nach Maßgabe einer Abwägung - auch nach Abschluss der Angelegenheit noch entzogen sein kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>). Sie betreffen sämtlich den Bereich der Willensbildung der Regierung, zu dem nicht nur die Kabinettsberatungen zu zählen sind, sondern auch die Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (vgl. BVerfG, ebd.).

Nachdem die Aufstellung des Landeshaushalts 2001 abgeschlossen ist, greift der Gesichtspunkt, dass die autonome Wahrnehmung der Regierungskompetenzen zu schützen ist (s.o. B.II.1.), nicht mehr ein, wohl aber der Gesichtspunkt des Schutzes der funktionsnotwendigen freien und offenen Willensbildung innerhalb der Regierung. Die erforderliche Abwägung fällt zugunsten des Informationsanspruchs der Antragsgegner aus.

2. Die im Antrag aufgeführten Unterlagen stehen in engem Bezug zu der Entscheidung über den Haushaltsentwurf, die der Landesregierung als Kollegium obliegt (vgl. Art. 50 Abs. 3 LV), und geben unmittelbar Aufschluss über den Verlauf der Abstimmung zwischen den beteiligten Ressorts. Die Sicherung der Freiheit und Offenheit der Willensbildung in derartigen Abstimmungsprozessen hat hohes Gewicht. Sie wird durch die Vorlage der im Antrag bezeichneten Akten jedoch nicht in einer der Funktionsfähigkeit der Regierung abträglichen Weise bedroht.

Die von der Antragstellerin geltend gemachte Gefahr, dass zur Vermeidung unerwünschter Publizität Abstimmungsprozesse aus dem Verfassungsorgan Regierung hinaus in informelle Gesprächsrunden verlagert werden, besteht im vorliegenden Fall nicht. Das Anliegen, dass die der Regierung als Verfassungsorgan zugewiesenen Entscheidungen nicht aus dem Regierungskollegium hinaus verlagert werden, wird durch die Vorlage von Akten, die nicht die Beratungen der Regierung als Kollegium, sondern deren Vorbereitung innerhalb der Ressorts und zwischen den Ressorts betreffen, nicht berührt.

Die schützenswerte Freiheit und Offenheit des der Regierungsentscheidung über den Haushaltsentwurf vorgelagerten interministeriellen Abstimmungsprozesses könnte durch die Verpflichtung zur Vorlage von Unterlagen aus diesem Abstimmungsprozess beeinträchtigt werden, wenn die dadurch ausgelöste Befürchtung eventueller späterer Publizität geeignet wäre, eine sachlich förderliche Kommunikation zwischen den Beteiligten zu hemmen.

a) Bezüglich der im Antrag unter a) und b) aufgeführten Unterlagen - Haushaltsvoranschlag des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur sowie Haushaltsentwurf des Ministeriums für Finanzen und Energie, jeweils für den Landeshaushalt 2001 - liegt diese Gefahr von vornherein nicht nahe. Es besteht kein Anlass zu der Annahme, dass wegen befürchteter späterer Publizität Ministerien künftig einen realistisch ermittelten Haushaltsbedarf nicht mehr offen anmelden oder das Finanzministerium seine Vorstellungen - und damit das Ergebnis der vorausgegangenen Ressortabstimmungen - nicht mehr offen in seinem Haushaltsentwurf für das Kabinett zum Ausdruck bringen würden.

Auch soweit die Antragstellerin geltend macht, die an den verlangten Unterlagen ablesbaren ressortspezifischen Durchsetzungserfolge könnten von der Opposition zum Maßstab der Durchsetzungsfähigkeit einzelner Ressortmitglieder genommen, die Regierung so "auseinanderdividiert" und die Haushaltsverhandlungen zu einem "öffentlichen Kräftemessen" umfunktioniert werden, kann darin eine Gefahr für die Freiheit und Offenheit der Willensbildung innerhalb der Regierung nicht gesehen werden. Die Vorlage des Haushaltsvoranschlages des Bildungsministeriums und des Haushaltsentwurfs des Finanzministeriums würde es zwar ermöglichen, durch Vergleich dieser Dokumente untereinander und mit dem schließlich von der Regierung beschlossenen, ins Parlament eingebrachten Haushaltsentwurf Feststellungen darüber zu treffen, inwieweit das Bildungs- im Verhältnis zum Finanzministerium und letzteres im Verhältnis zur Regierung ihren Voranschlag oder Entwurf durchsetzen konnten oder sich Abstriche gefallen lassen mussten. Die Möglichkeit, dass Beobachter diese Informationen zu Rückschlüssen auf die Durchsetzungsfähigkeit der beteiligten Regierungsmitglieder nutzen könnten, begründet jedoch keine Gefahr für Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung. Das Interesse der einzelnen Regierungsmitglieder daran, dass das Ausmaß ihrer Durchsetzungsfähigkeit innerhalb der Regierung dem Parlament und damit auch einer weiteren Öffentlichkeit verborgen bleibt, ist verfassungsrechtlich nicht per se geschützt.

b) Eher als die Vorlage des Haushaltsvoranschlags und des Haushaltsentwurfs könnte die Vorlage der unter c) und d) des Antrags aufgeführten Unterlagen - Haushaltsverhandlungsvermerke des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur und des Ministeriums für Finanzen und Energie sowie Verhandlungsvermerke zur Nachschiebeliste - die von Art. 23 Abs. 3 Satz 1, 4. Alt. LV geschützte Freiheit und Offenheit der Willensbildung im die Regierungsentscheidung vorbereitenden Abstimmungsprozess berühren. Diese Unterlagen geben nicht nur Aufschluss über den größeren oder geringeren Verhandlungserfolg der Beteiligten. In den haushaltsbezogenen Verhandlungen des Finanzministeriums mit den anderen Ressorts geht es letztlich darum, welche Anmeldungen des jeweiligen Ressorts in den vom Finanzministerium ins Kabinett einzubringenden Haushaltsentwurf aufgenommen werden. Die über diese Verhandlungen - oder als Grundlage dafür - gefertigten Vermerke können aber Informationen enthalten, die über diesbezügliche Verhandlungsergebnisse hinausgehen. So enthalten nach Auskunft der Antragstellerin die Protokolle über die auf Referentenebene geführten Verhandlungen Arbeitsaufträge des Finanzministeriums an das jeweilige Fachressort, die auf die Prüfung von Einsparungsmöglichkeiten zielen, und benennen Konfliktpunkte sowie Maßnahmen von besonderer finanzieller Bedeutung, über die nach beiderseitiger Auffassung eine Einigung auf der Ebene der politischen Führung der beteiligten Ressorts herbeigeführt werden muss. Die als Grundlage der Chefgespräche gefertigten Unterlagen und die Protokolle dieser Gespräche geben ebenfalls Aufschluss unter anderem über zum jeweiligen Zeitpunkt noch offene Verhandlungspunkte. Die Beantwortung der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Pflicht zur Offenlegung dieser Dokumente besteht, kann daher von Bedeutung sein für die Bereitschaft der Beteiligten, die Verhandlungen offen zu führen.

Nach Abwägung mit dem Gesichtspunkt wirksamer parlamentarischer Kontrolle überwiegt jedoch auch hier das Informationsinteresse der Antragsgegner. Ihr Interesse, das Zustandekommen der aufgetretenen Deckungslücke von 35,1 Mio. DM im Haushalt des Jahres 2001 aufzuklären, hat deshalb besonderes Gewicht, weil es dabei um die Frage geht, ob das Parlament im Verfahren der Haushaltsaufstellung seitens der Regierung nach bestem Wissen informiert wurde oder ob ihm Informationen über eine zu erwartende oder sich abzeichnende Unterdeckung, die auf Regierungsebene bereits vorhanden waren, vorenthalten worden sind. Es handelt sich also darum, ob eines der wichtigsten Rechte des Parlaments, das Budgetrecht (Art. 50 Abs. 2 LV), missachtet wurde. Das Budgetrecht des Parlaments schließt einen Anspruch des Parlaments wie der einzelnen Abgeordneten darauf ein, dass ihnen die für eine sachverständige Beurteilung des Haushaltsplans erforderlichen Informationen nicht vorenthalten werden (BVerfGE 70, 324 <355>). Die Gründe, aus denen die Antragsgegner vermuten, dass dies geschehen sei, sind nicht aus der Luft gegriffen. Sie sind auch nicht durch die von der Landesregierung abgegebenen Erklärungen für das Zustandekommen der Haushaltslücke erledigt. Ob diese Erklärungen zutreffen, ist die Frage, um deren Klärung es geht. Mit ihrem Aktenvorlagebegehren nehmen die Antragsgegner das parlamentarische Kontrollrecht in seiner wichtigsten Funktion, nämlich als Instrument präventiver Sicherung verfassungskonformen Verhaltens der Regierung und ihrer einzelnen Mitglieder, wahr.

Die von Art. 23 Abs. 3 Satz 1, 4. Alt. LV geschützte Freiheit und Offenheit der Willensbildung bei der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen steht unter diesen Umständen der begehrten Aktenvorlage nicht entgegen.