OLG Frankfurt am Main, vom 03.05.1984 - 6 W 14/84
Fundstelle
openJur 2011, 118050
  • Rkr:
Zivilrecht
§§ 1c Nr. 3, 1b AbzG
Tenor

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert entspricht dem Kosteninteresse der Klägerin.

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig (§§ 91 a Abs. 2, 577 ZPO), sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Mit Recht hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt. Diese wäre nämlich im Falle einer Hauptsacheentscheidung mit Wahrscheinlichkeit unterlegen.

Mit ihrer Auffassung, der Pacht- und Franchise-Vertrag vom 2. April 1982 sei nichtig, wäre die Klägerin voraussichtlich nicht durchgedrungen. Dieser Vertrag verstößt nicht gegen das Schriftformerfordernis des § 34 GWB. Die vertraglichen Abreden sind nämlich in ihm vollständig schriftlich niedergelegt. Anforderungen an den Inhalt des Vertrages stellt § 34 GWB nicht (BGH GRUR 1981, 612 "Fernsicht"; BGH GRUR 1981, 675 "Brunnenhof"). Soweit die Parteien nach Vertragsabschluß hinsichtlich der Regelungen in den §§ 2 und 5 des Pacht- und Franchise-Vertrages geringfügige Änderungen vereinbart haben, ändert dies nichts daran, daß der ursprüngliche Pacht- und Franchise-Vertrag vollständig schriftlich abgefaßt und damit nicht wegen eines Formverstoßes unwirksam war.

Die Klägerin konnte den Pacht- und Franchise-Vertrag nicht wirksam nach dem Abzahlungsgesetz widerrufen. Zwar wird für den (nicht als Kaufmann eingetragenen) Gastwirt die Möglichkeit bejaht, Bierlieferungsverträge gemäß §§ 1 b, 1 c Nr. 3 AbzG zu widerrufen (BGH NJW 1981, 230, 231). Im Streitfall konnte die Klägerin sich jedoch auf eine fehlende Belehrung über eine Widerrufsmöglichkeit im Pacht- und Franchise-Vertrag vom 2. April 1982 nicht berufen, denn sie hat diesen Vertrag mehr als sieben Monate vollzogen. Es erscheint rechtsmißbräuchlich, wenn sie sich, um von dem Pacht- und Franchise-Vertrag loszukommen, auf ein Fehlen der Belehrung nach dem Abzahlungsgesetz be – ruft, nachdem sie das Vertragsverhältnis längere Zeit praktiziert hat. Ein solches Verhalten ist weder von dem Schutzzweck des Abzahlungsgesetzes gedeckt noch mit dem Grundsatz von Treu und Glauben vereinbar (vgl. auch Entscheidungen des Senats vom 16.9.1983 – 6 U 71/82 Kart-, 13.1.1983 – 6 U 101/81 Kart – und 10.12.1982 – 6 U 24/81 Kart –).

Der Pacht- und Franchise-Vertrag vom 2. April 1982 war auch nicht wegen eines Verstoßes gegen § 138 BGB nichtig. Ein Fall der "Ausbeutung der Unerfahrenheit" der Klägerin im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB liegt nicht vor. Der Annahme der Unerfahrenheit steht entgegen, daß sie vor Abschluß des Vertrages Gelegenheit hatte, sich hinsichtlich der Rentabilität des Pachtobjektes und des Arbeitsaufwandes an Ort und Stelle zu informieren (§ 3 letzter Absatz des Pacht- und Franchise-Vertrages). Außerdem war in die Vertragsverhandlungen auch der Ehemann der Klägerin eingeschaltet, der in § 2 des Vertrages ausdrücklich als "Fachmann" bezeichnet worden war.

Sonstige Gesichtspunkte, die zu einer Anwendbarkeit des § 138 Abs. 1 BGB führen könnten, liegen nicht vor. Mit Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, daß nach dem Sachvortrag, wie er sich im Zeitpunkt der Erledigungserklärung darstellte, ein besonders grobes Mißverhältnis zwischen den beiderseitigen Leistungen nicht erkennbar ist. Zwar verpflichtete sich die Klägerin einerseits, in eine bereits bestehende Bierbezugsverpflichtung einzutreten und für das Pachtobjekt einen monatlichen Pachtzins von 6.300,– DM zuzüglich der Grundmiete von 1.500,– DM zu entrichten. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß sie eine voll eingerichtete, gut eingeführte Schnellgaststätte übernahm, die der Beklagte zuvor mit einem erheblichen Kostenaufwand ausgebaut und modernisiert hatte. Von Bedeutung ist vor allem, daß beide Parteien einen monatlichen Umsatz von 50.000,– DM für ohne weiteres möglich und erreichbar hielten. Diese Umsatzerwartung beruhte nicht nur auf den Angaben des Beklagten, sondern auch auf eigenen Erkenntnissen der Klägerin und ihres Ehemanns, die vor Abschluß des Pacht – und Franchise-Vertrages Einblick in die Tagesumsätze des Beklagten hatten. Gerade angesichts dieser hohen Umsatzerwartung kommt ein besonders grobes Mißverhältnis zwischen den beiderseitigen Leistungen nicht in Betracht. Daran ändert nichts der Umstand, daß im Streitfall die erwarteten Umsätze von der Klägerin – aus welchen Gründen auch immer – nicht erzielt wurden. Dieser Gesichtspunkt kann unter Umständen ein Kündigungsrecht oder einen Anspruch auf Vertragsanpassung nach sich ziehen, führt aber nicht zur Nichtigkeit des Vertrages nach § 138 Abs. 1 BGB, für deren Beurteilung allein auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts abzustellen ist.

Zutreffend ist das Landgericht schließlich davon ausgegangen, daß der Klägerin ein Recht zur Anfechtung des Rechtsgeschäfts gemäß § 123 Abs. 1 BGB nicht etwa deshalb zustand, weil in unmittelbarer Nähe zu dem angepachteten Objekt angeblich ein weiteres Schnell – Restaurant eröffnet wurde. Abgesehen davon, daß eine Anfechtungserklärung nicht ersichtlich ist, liegt eine arglistige Täuschung nicht vor, weil ein Gastwirt dann, wenn in seiner Nähe zahlreiche weitere Lokale und Gaststätten vorhanden sind, ohnehin mit dem Auftauchen von Konkurrenzbetrieben gleichen Zuschnitts rechnen muß.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.