OLG Nürnberg, Beschluss vom 22.06.2011 - 2 Ws 286/11
Fundstelle
openJur 2011, 94136
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. StVK 116/2011

Steht aufgrund der Regelung des Art. 316 e Abs. 3 EGStGB fest, dass die Maßregel der Unterbringung für erledigt zu erklären ist, so hat dies unverzüglich zu geschehen.

Es besteht kein Grund, entsprechend der Regelung in § 67 c Abs. 1 Satz 1 StGB „am Ende des Vollzugs der Strafe“ zu prüfen, ob der Zweck der Maßregel die Vollstreckung noch erfordert, denn es steht fest, dass es zu deren Vollstreckung aus Rechtsgründen nicht mehr kommen wird.

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Straubing vom 19.5.2011 aufgehoben.

II. Die mit Urteil des Landgerichts München II vom 21.9.2004 angeordnete Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wird für erledigt erklärt.

III. Mit der Entlassung aus dem Strafvollzug tritt für die Dauer von fünf Jahren Führungsaufsicht ein, die nicht abgekürzt wird.

IV. Der Untergebrachte wird für die Dauer der Führungsaufsicht der Aufsicht und Leitung des für ihn örtlich zuständigen hauptamtlichen Bewährungshelfers unterstellt.

V. Die weitere Ausgestaltung der Führungsaufsicht wird der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Straubing übertragen.

VI. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die hierbei entstandenen notwendigen Auslagen des Verurteilten trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

Das Landgericht München II verurteilte S... H... mit Urteil vom 21.9.2004 (Az.: 1 KLs 35 Js 9286/04), rechtskräftig seit dem 16.2.2005, wegen Diebstahls in neunzehn Fällen und versuchten Diebstahls in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren (Einzelstrafen 2x zwei Jahre, 1x ein Jahr und sechs Monate, 16x ein Jahr und 8x neun Monate) und ordnete die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer zur Finanzierung seiner Spielsucht in der Zeit vom 9.1. bis 12.3.2004 in einer Vielzahl von Fällen in Gebäude einbrach, um dort nach Geld zu suchen. Insgesamt erlangte er dadurch einen Geldbetrag in Höhe von 6.902,00 €. Der vom Verurteilten dabei verursachte Sachschaden betrug insgesamt 13.940,00 €.

Das Landgericht hat die Sicherungsverwahrung angeordnet, weil wegen der abzuurteilenden Taten in zwei Fällen Einzelstrafen von zwei Jahren Freiheitsstrafe wegen vorsätzlicher Straftaten enthalten seien, der Verurteilte vor dieser Tat schon mehr als zweimal zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt worden sei, er wegen dieser Taten bereits mehr als zwei Jahre Freiheitsstrafe verbüßt habe und er aufgrund seines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich sei.

Als vorgängige Verurteilungen hat das Landgericht in seinem Urteil festgestellt:

a) Verurteilung durch das Amtsgericht – Schöffengericht – Miesbach vom 4.4.1989 (Az.: Ls 35 Js 22188/88) wegen (fortgesetzten) Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten.

b) Verurteilung durch das Amtsgericht – Schöffengericht – Miesbach vom 12.7.1994 (Az.: Ls 36 Js 15383/93) wegen Diebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren (Einzelstrafe ein Jahr und sechs Monate und ein Jahr).

c) Verurteilung durch das Amtsgericht Miesbach vom 27.3.1995 (Az.: 35 Js 8906/95) wegen Betrugs zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je DM 40,00.

d) Verurteilung durch das Landgericht München II vom 30.7.1999 (Az.: 1 KLs 35 Js 22738/98) wegen Diebstahls in zehn Fällen und versuchten Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren (Einzelstrafen neun Monate, drei Jahre und sechs Monate, neun Monate, ein Jahr und sechs Monate, ein Jahr, neun Monate, neun Monate, neun Monate, ein Jahr, ein Jahr und nochmals neun Monate.

Hinsichtlich des Hangs zu erheblichen Straftaten ist das Landgericht dem Sachverständigen Dr. S... gefolgt.

Die mit Urteil des Landgerichts München II vom 21.9.2004 verhängte Freiheitsstrafe von acht Jahren verbüßt der Verurteilte derzeit in der Justizvollzugsanstalt S... . Zwei Drittel der Strafe wird der Verurteilte am 6.12.2011 verbüßt haben. Das Strafende ist für den 6.8.2014 vorgemerkt. Im Anschluss daran ist der Vollzug der Sicherungsverwahrung vorgesehen.

Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 22.12.2010 beantragte der Verurteilte gemäß Art. 316e Abs. 3 EGStGB die angeordnete Unterbringung in der Sicherungsverwahrung für erledigt zu erklären.

Mit Verfügung vom 22.3.2011 hat die Staatsanwaltschaft München II beantragt, die Sicherungsverwahrung für erledigt zu erklären, das Nichtentfallen der Führungsaufsicht nach der Haftentlassung festzustellen und die Ausgestaltung der Führungsaufsicht zurückzustellen, bis ein Entlassungszeitpunkt feststehe.

Mit Beschluss vom 19.5.2011 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Straubing den Antrag des Verurteilten vom 22.12.2010, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung für erledigt zu erklären, als unzulässig zurückgewiesen, da der Antrag verfrüht gestellt worden sei.

Gegen diesen ihm am 25.5.2011 zugestellten Beschluss hat der Verurteilte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 30.5.2011 – eingegangen am gleichen Tag – sofortige Beschwerde eingelegt.

Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg hat beantragt, auf die sofortige Beschwerde den Beschluss vom 19.5.2011 aufzuheben und die angeordnete Unterbringung in der Sicherungsverwahrung für erledigt zu erklären.

Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen im Übrigen insgesamt auf die genannten Entscheidungen, Verfügungen und Schriftsätze Bezug.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (Art. 316e Abs. 3 Satz 4 EGStGB mit §§ 454 Abs. 3 Satz 1, 463 Abs. 3 Satz 1, 304 StPO) und hat auch in der Sache Erfolg.

Das Landgericht München II ordnete in seinem Urteil vom 21.9.2004 eine unbefristete Unterbringung in der Sicherungsverwahrung basierend auf § 66 Abs. 1 und 4 StGB an. Der Verurteilte wurde bislang nur wegen Vermögensdelikten geahndet, die nicht unter die Regelung des § 66 Abs. 1 StGB n.F. fallen. Gemäß Art. 316e Abs. 3 Satz 1 EGStGB war daher im vorliegenden Fall die mit Urteil des Landgerichts München II vom 21.9.2004 angeordnete Unterbringung in der Sicherungsverwahrung für erledigt zu erklären.

Eine Möglichkeit zur Zurückstellung dieser Entscheidung bis zum Ende der Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe kann der Regelung des Art. 316e Abs. 3 EGStGB nicht entnommen werden. Nach dessen Satz 1 „erklärt das Gericht für erledigt, wenn“ die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Die Vollstreckungsbehörde hat insoweit nach Art. 316e Abs. 3 Satz 4 2.HS EGStGB die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft zu übersenden, die diese umgehend dem Gericht zur Entscheidung zu übergeben hat. Entgegen der Annahme der Strafvollstreckungskammer erfolgt vorliegend die Prüfung der Erledigterklärung nicht nach § 67c Abs. 1 Satz 1 StGB, die allein zur Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung führen kann, sondern nach der vorrangigen Vorschrift des Art. 316e Abs. 3 EGStGB. Es besteht kein Grund, entsprechend der Regelung in § 67c Abs. 1 Satz 1 StGB „am Ende des Vollzugs der Strafe“ zu prüfen, ob der Zweck der Maßregel die Vollstreckung noch erfordert, denn es steht fest, dass es zu deren Vollstreckung aus Rechtsgründen nicht mehr kommen wird.

Der Verurteilte hat auch ein berechtigtes Interesse an der Erledigterklärung, da es für alle weiteren Entscheidungen im Rahmen des Strafvollzugs - insbesondere der Ausgestaltung des Vollzugsplans - sehr wohl von Bedeutung ist, ob nach dem Strafende noch eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorgemerkt ist oder nicht.

Mit der Erledigterklärung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung tritt von Gesetzeswegen nach der Entlassung aus dem Vollzug Führungsaufsicht ein (Art. 316e Abs. 3 Satz 5 EGStGB).

Einen Grund, das Höchstmaß der Dauer der Führungsaufsicht von fünf Jahren abzukürzen (§ 68c Abs. 1 StGB), sieht der Senat im vorliegenden Fall nicht.

Die Bestellung eines Bewährungshelfers folgt aus § 68a Abs. 1 StGB.

Die Ausgestaltung der Führungsaufsicht, insbesondere die Erteilung von Weisungen gemäß § 68b StGB wird der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Straubing vorbehalten, da sich die Entlassungssituation derzeit noch nicht genügend überblicken lässt und die Strafvollstreckungskammer vor Ort besser in der Lage sein wird zu beurteilen, welche Weisungen angezeigt sein werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.