LG Kiel, Beschluss vom 29.08.2006 - 32 Qs 52/06
Fundstelle
openJur 2011, 92850
  • Rkr:
Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Wirkungen der Beiordnung im führenden Verfahren werden auf die hinzuverbundenen Verfahren erstreckt.

Gründe

Die Entscheidung beruht auf § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG. Danach kann das Gericht die Wirkungen des § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG -Vergütung auch für anwaltliche Tätigkeiten vor der Bestellung - auf Verfahren erstrecken, in denen vor Verfahrensverbindung keine Beiordnung erfolgt war. Dabei kommt nach der Gesetzesbegründung eine Erstreckung insbesondere dann in Betracht, wenn eine Beiordnung oder Bestellung unmittelbar bevorgestanden hätte (vgl. BT -Drucksache 15/1971, S. 201). Das Amtsgericht hat dazu hier unter Hinweis auf eine Entscheidung des Landgerichts Berlin (JurBüro 2006, 29) die Auffassung vertreten, die Beiordnung stehe nur dann unmittelbar bevor, wenn vor Verbindung im hinzuverbundenen Verfahren ein Beiordnungsantrag gestellt gewesen sei. Auf dieser Grundlage hat das Amtsgericht hier den Erstreckungsantrag mit der Begründung abgelehnt, es fehle in den hinzuverbundenen Verfahren an Beiordnungsanträgen, in einem der Verfahren sogar an jeder Tätigkeit des Rechtsanwalts vor Verbindung.

Dem kann so nicht gefolgt werden. Liegen wie hier zum Zeitpunkt der Verbindung die Voraussetzungen einer Beiordnung vom Amts wegen nach § 140 Abs. 1 Zift. 5 StPO vor, steht in den hinzuverbundenen Verfahren eine Beiordnung unmittelbar bevor, ohne dass es noch eines Beiordnungsantrages bedarf. Erfolgt nun die Verbindung - anstelle der ohne Verbindung im Einzelverfahren angezeigten Beiordnung - liegt ein Fall vor, für den der Gesetzgeber eine Erstreckungsentscheidung nach § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG vorsieht. Soweit nach dem Wortlaut der Vorschrift dem Gericht ein Ermessen eingeräumt ist, übt die Kammer es im vorliegenden Fall dahin aus, dass eine Erstreckung stattfindet.

Inwieweit in den hinzuverbundenen Verfahren vor Beiordnung überhaupt Tätigkeiten des Rechtsanwalts entfaltet wurden und Gebühren entstanden sind, hatte die Kammer nicht zu prüfen. Für die Frage, ob eine Beiordnung in den hinzuverbundenen Verfahren unmittelbar bevorstand, ist dies jedenfalls ohne Belang.