VG Düsseldorf, Beschluss vom 06.05.2011 - 1 L 701/11
Fundstelle
openJur 2011, 92451
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der am 27. April 2011 gestellte Antrag,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Freifläche des Schwimmbades W-M vorläufig zu öffnen, bis über den Bürgerentscheid am 10. Juli 2011 über die Erhaltung des Freibades entschieden ist,

hat keinen Erfolg.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt in beiden Fällen voraus, dass der zu Grunde liegende materielle Anspruch, der Anordnungsanspruch, und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, der Anordnungsgrund, glaubhaft gemacht sind (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 294, 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es bestehen bereits Zweifel, ob die Antragsteller einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht haben. Als mögliche Anspruchsgrundlage kommt allein § 26 Abs. 6 Satz 6 Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) in Betracht. Hiernach darf, nachdem die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens festgestellt worden ist, bis zur Feststellung des Ergebnisses des Bürgerentscheids eine dem Begehren entgegenstehende Entscheidung der Gemeindeorgane nicht mehr getroffen oder mit dem Vollzug einer derartigen Entscheidung nicht mehr begonnen werden, es sei denn, zu diesem Zeitpunkt haben rechtliche Verpflichtungen der Gemeinde hierzu bestanden. Diese durch das Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung vom 9. Oktober 2007 (GV. NRW S. 380) eingeführte Sperrwirkung soll verhindern, dass noch vor Abstimmung im Bürgerentscheid endgültige Fakten geschaffen werden und dem Bürgerbegehren damit die Grundlage entzogen wird.

Der Rat der Antragsgegnerin hat zwar in seiner Sitzung vom 12. April 2011 die Zulässigkeit des von den Antragstellern vertretenen Bürgerbegehrens zur Erhaltung der Freifläche des Schwimmbades W-M (Freibad O) festgestellt. Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob die Antragsteller den geltend gemachten Anspruch auf Öffnung des Freibades O bis zur Feststellung des Ergebnisses des Bürgerentscheids auf die Sperrwirkung des § 26 Abs. 6 Satz 6 GO NRW stützen können. Denn ein (vorläufiges) Unterlassen der Öffnung des Freibades bzw. der nach der Winterpause durchzuführenden Pflege- und Instandsetzungsarbeiten schafft keine endgültigen Zustände, die einer Öffnung des Freibades im Anschluss an ein etwaiges positives Ergebnis des Bürgerentscheids am 10. Juli 2011 entgegenstehen. Die Antragsteller haben auch nicht glaubhaft gemacht, dass sich der Zustand des Freibades O bis zur Durchführung des Bürgerentscheids verschlechtern wird, wenn die Arbeiten nicht sofort aufgenommen werden. Ihr Vortrag, die Antragstellerin löse durch ihr Verhalten zwingende Sanierungsmaßnahmen aus, ist weder hinreichend dargelegt noch glaubhaft gemacht. Es ist bereits nicht ersichtlich, inwiefern eine Verzögerung der Wiedereröffnung um wenige Monate nach der Winterpause zusätzliche Arbeiten verursacht. Ohne substantiierte und hier fehlende Darlegung ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb ein Schwimmbecken, das auch regulär zu Wartungs- und Reparaturzwecken geleert werden können muss, von einem - von den Antragstellern hier nur hypothetisch angenommenen - Leerstand Schaden nehmen soll. Auch die Behauptung, je länger Becken und Technik außer Betrieb blieben, desto größer seien die Einwirkungen auf Bausubstanz und Anlage, belegt nicht, dass eine Verschlechterung bereits bei einer Verlängerung der Winterpause um nur wenige Monate eintritt, zumal die für Freibäder besonders problematischen Temperaturen von unter 0° Celsius bis zum Bürgerentscheid nicht mehr zu erwarten sind.

Aus der Sperrwirkung dürften zudem regelmäßig auch nur Unterlassungs-, nicht aber Handlungspflichten der Gemeindeorgane resultieren. Die Gemeindeorgane dürften insbesondere nicht verpflichtet sein, durch aktives Tun die Belange des Bürgerbegehrens zu fördern.

Vgl. BayVGH, Urteil vom 31. März 1999 - 4 B 98.2506 -, juris Rdn. 34; VG Regensburg, Beschluss vom 3. März 2003 - RO 3 E 03.00379 -, juris Rdn. 40.

Die von den Antragstellern begehrte Öffnung des Freibades O bzw. das geforderte Einwirken der Antragsgegnerin auf die das Freibad O betreibende Stadtwerke W GmbH durch die Vertreter der Antragsgegnerin in den Gesellschaftsorganen dürfte sich daher nicht auf § 26 Abs. 6 Satz 6 GO NRW stützen lassen.

Ungeachtet der Zweifel am Bestehen eines Anordnungsanspruchs, haben die Antragsteller jedenfalls keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Da, wie dargelegt, keine zeitnahe Verschlechterung des Zustandes des Freibades O glaubhaft gemacht ist, ist nicht ersichtlich, dass die Durchführung des Bürgerentscheids ohne eine vorläufige gerichtliche Entscheidung vereitelt oder wesentlich erschwert würde oder dem Bürgerbegehren wesentliche Nachteile drohen. Allein in einer zeitlichen Verzögerung einer (Wieder-)Eröffnung des Freibades O von wenigen Monaten, die aus dem Abwarten des Ergebnisses des Bürgerentscheides resultiert, ist kein schwerwiegender Nachteil zu sehen. Umgekehrt würde die vorzeitige Öffnung des Freibades im Fall eines abschlägigen Ergebnisses des Bürgerentscheids unverhältnismäßige und letztlich unnötige Kosten verursachen und der Haushaltskonsolidierung entgegenstehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Das Gericht geht hierbei in Anlehnung an Nr. 22.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 7./8. Juli 2004 von einem Hauptsachenstreitwert in Höhe des Auffangwerts aus. Das von den Antragstellern im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verfolgte Interesse an der vorläufigen Öffnung des Freibades O bemisst das Gericht mit der Hälfte des Hauptsachenstreitwerts.

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