LG Berlin, Urteil vom 26.01.2011 - 49 S 106/10
Fundstelle
openJur 2011, 91765
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 6 C 304/10
Tenor

Auf die Berufungder Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Spandau - 6 C 304/10 - vom 28. Juni 2010 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt Ersatz der Kosten in Höhe von 1.006,81 € für die Erneuerung der Wohnungstür ihrer Mieterin. Die Tür wurde bei einem Feuerwehreinsatz am 13.11.2009 zerstört. Die Beklagte hatte die Feuerwehr alarmiert, weil sie annahm, Frau S... sei in Gefahr. Sie hatte zweimal versucht, diese telefonisch zu erreichen. Die Feuerwehr, auf deren Klingeln niemand antwortete, hatte bei der Beklagten nachgefragt und darauf hingewiesen, dass die Wohnungstür aufgebrochen werden müsse.

Die Beklagte hat behauptet, bei dem ersten Anruf bei Frau S... habe sie ein Stöhnen und Jammern im Telefon vernommen.

Das Amtsgericht hat die Beklagte mit dem angefochtenen Urteil zur Zahlung verurteilt, im Wesentlichen mit der Begründung, ihr sei die Beschädigung der Tür durch die Feuerwehr zuzurechnen und sie habe auch fahrlässig gehandelt, denn sie habe nicht substantiiert darlegen können, dass die Annahme einer Notstandssituation für sie unvermeidbar war.

Die Beklagte beantragt mit ihrer Berufung,

wie erkannt.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kammer hat die Beklagte persönlich angehört. Sie hat die Darstellung hinsichtlich der Telefonate wiederholt und vertieft; auf das Sitzungsprotokoll vom 26. Januar 2011 wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und den weiteren Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Die Klage ist abzuweisen, weil der Klägerin kein Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz der Kosten für die Erneuerung der Wohnungstür der Frau S... zusteht.

1. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB besteht nicht. Nach dieser Vorschrift hat derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig das Eigentum eines anderen widerrechtlich verletzt den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Beklagte hat die Tür selbst nicht zerstört und die Zerstörung durch die Feuerwehr ist keine ihr zurechenbare Tat, mit der sie eine mittelbare Verletzungshandlung vorgenommen hätte.

Voraussetzung für die Zurechnung ist die Kausalität des Handelns. Dabei ist zunächst jede gesetzte Ursache gleichwertig im Sinne einer conditio sine qua non. Korrigiert wird ein so gefundenes Ergebnis durch das Erfordernis der Adäquanz. Das Erfordernis der Adäquanz hat die Funktion eines Filters, der Kausalverläufe ausgrenzt, die dem Verantwortlichen billigerweise rechtlich nicht mehr zugerechnet werden können (vgl. nur BGH NJW 1993, 2234, Rdnr. 8 bei juris).

Bei dem Dazwischentreten Dritter ist zu beachten, ob die schadensstiftende Handlung (hier die Türöffnung durch die Feuerwehr) durch das Verhalten der Beklagten (den Alarm und die Aussage gegenüber der Feuerwehr) herausgefordert oder wesentlich mitbestimmt worden ist (vgl. nur Palandt/Heinrichs, 70. Aufl., vor § 248, Rdnr. 49 und 41). Im Rahmen dieser Frage des Zurechnungszusammenhangs, ist eine wertende Betrachtung nötig. Die Grenze ist dort zu sehen, wo ein eigenständiges Verhalten eines Dritten dem Geschehen eine Wendung gibt, die die Wertung erlaubt, dass die erste Handlung für die zweite Handlung von völlig untergeordneter Bedeutung ist, das heißt, dass das durch die erste Handlung geschaffene Risiko nur äußerlich mit dem eingetretenen Schaden zusammenhängt (vgl. OLG Köln, Urteil vom 26. Januar 2006, 7 U 82/05, NZV 2007, 317, Rdnr. 8 bei juris und BGH NJW-RR 1990, 204, Rdnr. 13 bei juris).

So liegt der Fall hier. Die Feuerwehrwurde bei dem Aufbrechender Wohnungstür zur Abwehr einer vermeintlich der Frau drohenden Lebensgefahr gemäß § 3 FwG-Berlin/§3 ASOG Berlin tätig. Die Entscheidung, ob tatsächlich ein Eingreifen notwendig ist, obliegt dabei auch im Fall von Alarmen der Feuerwehr selbst. Sie hat als (nachgeordnete) Ordnungsbehörde (§ 1 Abs. 2 FwG Berlin) gemäß § 11 ASOG zu prüfen, welche Maßnahme, gemessen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sie zu ergreifen hat (vgl. hierzu VGH Baden-Wu?rttemberg, Urteil vom 20. März 2003, 1 S 397/01, Rdnr. 25, zitiert nach juris).

Diese eigenständig zu treffende Entscheidung kann nicht mit Hinweis auf einen

Willensentschluss der Alarmperson ersetzt werden; die Mitteilung der Beklagte auf die Nachfrage der Feuerwehrleute mit dem Hinweis, dass dann die Tür aufgebrochen werden müsse, kann deshalb nicht die zwingende Folge haben, dass das Ermessen, eine - hoheitliche - Handlung vorzunehmen, auf diese Maßnahme reduziert ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Feuerwehrleute in eigenständiger Verantwortung selbst beschlossen haben, die Tür aufzubrechen. Sie haben bei der Beklagten zwar nachgefragt, ob das sein müsse. Damit haben sie aber nur zu erkennen gegeben, dass das Aufbrechen der Tür für sie der einzig gangbare Weg war, um eingreifen zu können, und dass sie sich deshalb vergewissern wollten, ob die Beklagte tatsächlich von einem Notfall ausging.

Dies zeigt, dass die Beklagte zwar mit dem Alarm die Feuerwehr herbeigerufen hat und mit Ihrer Schilderung die Grundlage für das Eingreifen der Feuerwehr in dem Sinne lieferte, dass diese von einem Notfall ausging. Im Übrigen aber die Sache der Feuerwehr als den Verantwortlichen und Erfahrenen selbst überließ. Die Wahl ihrer Worte und die Bestätigung des angenommenen Sachverhalts ändern daran nichts, denn sie sind nur der äußere Anlass für die letztlich erfolgte Türöffnung gewesen. Vorliegend ist geschehen, was typischerweise bei Notrufen geschieht: Die Feuerwehr wird veranlasst sich ein eigenes Bild zu machen und dann verlässt sich der den Notruf Tätigende darauf, dass diese das in der Situation Richtige unternimmt.

Konsequenterweise sehen §§ 14, 15 FwG/§8 KatSG in Verbindung mit §§ 59 ff. ASOG für entstandene Schäden Ausgleichs-, Erstattungs- und Ersatzansprüche vor. Auf diese Weise ist die Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens gesichert, das darauf angewiesen ist, dass Alarmrufe, zu denen der Alarmierende sich aus guten Gründen genötigt sieht, nicht aus Angst vor Schadensersatzforderungen unterbleiben. Dies zeigt sich auch daran, dass gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 a und b FwG die Feuerwehr von demjenigen, der mindestens grob fahrlässig einen Falschalarm getätigt hat, Ersatz der durch den Einsatz entstandenen Kosten verlangen kann (vgl. auch VG Stade NVwZ-RR 2009, 990, Rdnr. 28 bei juris).

Es kann offen bleiben, ob der Zurechnungszusammenhang dann nicht unterbrochen wird, wenn jemand bewusst die Feuerwehr falsch alarmiert. Denn so liegt der Fall hier nicht, sondern die Beklagte durfte unter den gegebenen Umständen von einem Notfall ausgehen. Die Beklagte schilderte glaubhaft, dass und weshalb sie davon ausgehen musste, dass Frau S... in Not war. Sie sollte sich bei Frau S... nach ihrer Reha zurückmelden. Sie schilderte, und die Klägerin hat dies nicht bestritten, dass sie die Nummer der Frau S... gespeichert hatte und das Telefon, nachdem sie diese aufgerufen hatte, die Nummer selbsttätig wählte. Sie schilderte, dass sie ein Stöhnen hörte und mehrfach den Vornamen der Frau S... rief und nachfragte, bevor sie auflegte. Weiter schilderte sie, dass sie bei dem zweiten Anruf ein Freizeichen erhielt, weshalb sie annahm, Frau S... habe das Telefon nicht mehr abheben können. Dies alles ist glaubhaft. Dass bei dem zweiten Anruf ein Freizeichenertönte, lässt nicht wie das Amtsgericht meint, zwingend den Schluss zu, dass derjenige, der so schrecklich gestöhnt hatte und nicht antworten konnte, in keiner Notlage war, sondern kann auch genau anders gewertet werden. Die Beklagte beschrieb ihre Aufregung und wirkte in Auftreten, Schilderung und ihrer Fassungslosigkeit über das Geschehene glaubwürdig. Die Klägerin hat dies auch nicht mehr bestritten; Im Übrigen ist es durch die glaubhafte und glaubwürdige Darstellung der Beklagten auch hinreichend beweisen, § 286 ZPO. Eine förmliche Vernehmung war deshalb gemäß § 448 ZPO nicht erforderlich.

2. Der Anspruch besteht auch nicht aufgrund anderer Vorschriften.

a) Eine Haftung nach § 830 BGB scheidet schon deshalb aus, weil die Beklagte nicht im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit handelte, sondern im Bewusstsein der - wenn auch hier irrtümlichen - Annahme einer Notlage und der daraus folgenden Verpflichtung zur Hilfeleistung (vgl. § 323c StGB).

b) Auch eine Haftung nach § 831 BGB scheidet aus. zum einen fällt die Feuerwehr unter die in § 831 Absatz 1 Satz 2 BGB genannten Personen. zum anderen ist die Vorschrift nur einschlägig, wenn der Verrichtungsgehilfe in einem Abhängigkeitsverhältnis steht, was bei der hoheitlich handelnden Feuerwehr nicht der Fall ist.

c) Eine Haftung nach § 904 Satz 2 BGB scheidet aus weil die Beklagte aus den Erwägungen zu oben 1. nicht als Einwirkende in Betracht kommt.

3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 und 708 Nr. 10 BGB.