KG, Urteil vom 18.04.2011 - 10 U 149/10
Fundstelle
openJur 2011, 91761
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 27 O 685/10
Tenor

I. Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 21. September 2010 verku?ndete Urteil des Landgerichts Berlin – 27 O 685/10 – gea?ndert und neu gefasst.

Die einstweilige Verfu?gung des Landgerichts vom 2. September 2010 wird mit der Maßgabe besta?tigt,

dass der Antragsgegnerin bei Vermeidung eines vom Gericht fu?r jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen am Vorstand, untersagt wird, den Inhalt folgender E-Mails in direkter oder indirekter Rede zu verbreiten oder verbreiten zu lassen:
E-Mail vom 29. November 2002 von Frau G... an den Antragsteller:
“...”
und/oder
E-Mail vom 28. Oktober 1997 des Antragstellers an Frau G...:
“...”
und/oder
E-Mail vom 25. Juni 2008 von Frau G... an den Antragsteller:
“...”
und/oder
E-Mail vom 21. April 2004 von Frau G... an den Antragsteller:
“...”
Soweit der Antragsgegnerin in der einstweiligen Verfu?gung untersagt worden ist, den Inhalt der E-Mails sinngema?ß zu verbreiten oder verbreiten zu lassen, wird festgestellt, dass das Verfahren in der Hauptsache erledigt ist.
Im U?brigen wird die einstweiligen Verfu?gung aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass zuru?ckgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zuru?ckgewiesen.
III. Von den Kosten des Verfahren tragen der Antragsteller 1/10 und die Antragsgegnerin 9/10.

Gründe

(Ohne Tatbestand, §§ 313 a Abs. 1 Satz 1, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO)

Die zula?ssige Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache nur zu einem geringen Teil Erfolg. Dem Antragsteller steht gegen die Antragsgegnerin aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG ein Anspruch auf Unterlassung der Verbreitung der im Tenor

aufgefu?hrten E-Mails zu. Untersagt ist die Wiedergabe in direkter oder indirekter Rede. Soweit in der einstweiligen Verfu?gung die sinngema?ße Wiedergabe untersagt worden ist, war auf den in der mu?ndlichen Verhandlung vor dem Senat gestellten Antrag des Antragstellers festzustellen, dass das Verfahren in der Hauptsache erledigt ist. Ein weitergehender Unterlassungsanspruch steht dem Antragsteller nicht zu. Insoweit hat die Berufung der Antragsgegnerin Erfolg.

I. Die Wiedergabe des Inhalts der zwischen dem Antragsteller und Frau G... (im Folgenden: “G.”) gewechselten E-Mails in direkter oder indirekter Rede ist rechtswidrig. Die sinngema?ße Wiedergabe war bis zum Ru?cktritt des Antragstellers vom Amt des Innenministers des Landes B... am 23. September 2010 rechtswidrig.

1. U?ber den Unterlassungsantrag ist aufgrund einer Abwa?gung des Rechts des Antragstellers auf Schutz seiner Perso?nlichkeit und Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Antragsgegnerin auf Meinungs- und Medienfreiheit zu entscheiden. Denn wegen der Eigenart des Perso?nlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwa?gung der widerstreitenden grundrechtlich geschu?tzten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umsta?nde des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewa?hrleistungen der Europa?ischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu beru?cksichtigen sind. Der Eingriff in das Perso?nlichkeitsrecht ist dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwu?rdigen Belange der anderen Seite u?berwiegt (BGH, NJW 2010, 2728 m.w.N.). Dabei kommt es vor allem auf den Inhalt der Berichterstattung an. Das allgemeine Perso?nlichkeitsrecht schu?tzt vor einer Beeintra?chtigung der Privat- oder Intimspha?re, vor herabsetzenden, vor allem ehrverletzenden A?ußerungen oder davor, dass einem Betroffenen A?ußerungen unterschoben werden, die er nicht getan hat (BVerfG, NJW 2011, 740, 742 m.w.N.). Besonderen Schutz genießen Briefe oder sonstige private Aufzeichnungen. Sie du?rfen in der Regel nicht ohne Zustimmung des noch lebenden Verfassers vero?ffentlicht werden (BGHZ 13, 334, 341 – Leserbrief). Auch ist im Rahmen der Abwa?gung zu beru?cksichtigen, ob rechtswidrig beschaffte oder erlangte Informationen vero?ffentlicht werden (BVerfG, NJW 1984, 1741 – Wallraff; BGH, NJW 1979, 647 – Telefongespra?ch; BGH, NJW 1987, 2667 – BND-Interna). Wesentlicher Abwa?gungsfaktor ist das Gewicht des o?ffentlichen Informationsinteresses. Zu den Aufgaben der Medien geho?rt die o?ffentliche Berichterstattung u?ber Straftaten sowie innerhalb der Grenzen zula?ssiger Verdachtsberichterstattung (vgl. BGH, NJW 2000, 1036) auch die Berichterstattung u?ber ein nur mo?gliches Fehlverhalten. Ein gesteigertes Informationsinteresse besteht unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle fu?r Personen des politischen Lebens. Denn sie stehen in besonderem Maße fu?r bestimmte Wertvorstellungen und Lebenshaltungen, bieten Orientierung bei eigenen Lebensentwu?rfen, werden zu Kristallisationspunkten fu?r Zustimmung oder Ablehnung und erfu?llen Leitbild- oder Kontrastfunktionen (BGH, NJW 2008, 3134 – Einkaufsbummel). Nach diesen Grundsa?tzen ist dem Interesse des Antragstellers am Schutz seines Perso?nlichkeitsrechts der Vorrang vor dem Publikationsinteresse der Antragsgegnerin einzura?umen.

2. Die in den E-Mails ero?rterten Angelegenheiten betreffen die Privatspha?re des Antragstellers. Thematisch geht es um seine mo?gliche Vaterschaft zu dem Kind E., um Unterhaltsforderungen und darauf erfolgte Zahlungen. Das ist ein Bereich, zu dem Andere nur Zugang haben, soweit er ihnen gestattet wird. Die absolut geschu?tzte Intimspha?re ist nicht betroffen. Zwar werden Vorga?nge aus dem Sexualbereich ha?ufig der Intimspha?re zugerechnet. Geht aus einer außerehelichen Beziehung ein Kind hervor, sind jedoch auch die Belange Anderer sowie der Gemeinschaft beru?hrt. Die Frage, ob jemand der Vater eines bestimmten Kindes ist, kann deshalb nicht von vornherein durch den Hinweis auf die Intimspha?re des Betreffenden abgeschnitten werden (OLG Hamburg, NJW-RR 1991, 98). Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist aber auch nicht lediglich die Sozialspha?re betroffen. Denn vor der Berichterstattung und den anschließenden o?ffentlichen Erkla?rungen des Antragstellers war fu?r Dritte nicht erkennbar, dass er der Vater der 1997 geborenen E. ist.

3. Versta?rkt wird der Privatspha?renschutz durch den Umstand, dass die E-Mails erkennbar geheim bleiben sollten und nicht fu?r die O?ffentlichkeit bestimmt waren. So unbefangen wie der Antragsteller und Frau G. in den E-Mails teilt sich nur mit, wer den Teilnehmerkreis der Kommunikation kennt und ihn unter Kontrolle hat oder dies zumindest glaubt. Was und wie es in den E-Mails geschrieben wurde, hing wesentlich von dem perso?nlichen Vertrauensverha?ltnis zwischen dem Antragsteller und Frau G. ab. Beide haben darauf vertraut, dass ihre Korrespondenz nicht einem gro?ßeren Personenkreis zuga?nglich gemacht wird. Dieses Vertrauen ist schutzwu?rdig (vgl. BGH, NJW 1987, 2667, 2668 – BND-Interna). Die Missachtung des Geheimhaltungswillens versta?rkt den Eingriff in das Perso?nlichkeitsrecht.

4. Besonders intensiv ist der Eingriff durch eine wo?rtliche Wiedergabe der E-Mails. Die sprachliche Fassung eines bestimmten Gedankeninhalts ist Ausfluss der Perso?nlichkeit des Verfassers. Grundsa?tzlich steht daher allein dem Verfasser die Befugnis zu, daru?ber zu entscheiden, ob und in welcher Form seine Aufzeichnungen der O?ffentlichkeit zuga?nglich gemacht werden. Eine ungenehmigte Vero?ffentlichung privater Aufzeichnungen stellt in der Regel einen unzula?ssigen Eingriff in die jedem Menschen geschu?tzte Geheimspha?re dar (BGHZ 13, 334 – Leserbrief).

Dies gilt nicht nur fu?r die E-Mail des Antragstellers vom 28. Oktober 1997, sondern auch fu?r die von Frau G. geschriebenen E-Mails. Diese geben zwar in erster Linie Aufschluss u?ber die Perso?nlichkeit von Frau G... Sie lassen jedoch auch Ru?ckschlu?sse auf die Beschaffenheit der perso?nlichen Beziehung zu, so dass auch das Perso?nlichkeitsrecht des Antragstellers betroffen ist. Dass Frau G. mit der Vero?ffentlichung einverstanden war, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

5. Zu beru?cksichtigen ist weiter die rechtswidrige Informationsbeschaffung. Der Senat geht davon aus, dass die E-Mails zwar nicht durch strafbare Handlungen eigener Mitarbeiter der Antragsgegnerin, sondern durch Straftaten Dritter beschafft worden sind. Nach den Umsta?nden kann die Rechtswidrigkeit der Informationsbeschaffung den verantwortlichen Redakteuren aber nicht verborgen geblieben sein.

a) Der Senat ha?lt es fu?r u?berwiegend wahrscheinlich (§ 294 ZPO), dass die E-Mails tatsa?chlich vom Antragsteller und von Frau G. stammen. Der Antragsteller ra?umt ein, per E-Mail mit Frau G. kommuniziert zu haben (Seite 3 der Antragsschrift). Thematisiert werden Umsta?nde, die der O?ffentlichkeit erst durch die Berichterstattung bekannt geworden sind (Bestehen einer intimen Beziehung, Vaterschaft, Unterhaltsvorschuss, Unterhaltsforderungen, Zahlungen). Die den E-Mails insoweit zu entnehmenden Tatsachen sind wahr. Soweit in den vorgelegten, mehr als einhundert E-Mails (Anlagenkonvolut BK 2) a?ußere Vorga?nge aus der Sozial- und O?ffentlichkeitsspha?re angesprochen werden, die sich u?berpru?fen lassen, zeigt der Antragsteller keine Widerspru?che oder Unstimmigkeiten auf. Die Annahme, unbekannte Dritte ha?tten die E-Mails erstellt, um diese der Presse zuzuspielen und so dem Antragsteller zu schaden, ist unwahrscheinlich. Abgesehen davon, dass die geheim gehaltenen Tatsachen nur wenigen Personen bekannt gewesen sein du?rften, wa?re der betriebene Aufwand nicht plausibel. Um die brisanten Informationen an die O?ffentlichkeit zu bringen, wa?re es nicht erforderlich gewesen, eine derartige Vielzahl von E-Mails zu erstellen. Auf die in 1. Instanz vorgelegte eidesstattliche Versicherung von Frau G., die E-Mails nicht geschrieben zu haben, beruft sich der Antragsteller im Berufungsverfahren ausdru?cklich nicht mehr.

b) Fu?r die Entscheidung ist davon auszugehen, dass der Zugriff auf die E-Mails durch eine Straftat erfolgt ist. Dies ergibt sich zwar nicht schon als prozessuale Folge (§ 138 Abs. 1 und 3 ZPO) daraus, dass die Antragsgegnerin zur Herkunft der E-Mails nicht na?her vortra?gt, ist aber durch die eidesstattliche Versicherung des Antragstellers vom 1. September 2010 glaubhaft gemacht.

Die Antragsgegnerin behauptet, sie habe den Datentra?ger von einer Kontaktperson erhalten, die fu?r Hinterma?nner gehandelt habe. Mehr tra?gt sie unter Hinweis auf den Informantenschutz nicht vor. Das ist nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin ist nicht verpflichtet, ihren Informanten zu nennen oder Einzelheiten zur Erlangung der Dateien dazulegen. Sie hat ihrer (sekunda?ren) Darlegungslast genu?gt. Die Presse- und Rundfunkfreiheit schließt die Voraussetzungen und Hilfsta?tigkeiten ein, ohne welche die Medien ihre Funktion nicht in angemessener Weise erfu?llen ko?nnen. Geschu?tzt sind die Geheimhaltung der Informationsquellen und das Vertrauensverha?ltnis zwischen Presse und Informanten. Dieser Schutz ist unentbehrlich, weil die Presse auf private Mitteilungen nicht verzichten kann, diese Informationsquelle aber nur dann ergiebig fließt, wenn sich der Informant grundsa?tzlich auf die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses verlassen kann (BGH, NJW 2008, 2262, 2264). Zwar kann die Presse gehalten sein, im Prozess na?here Umsta?nde vorzutragen, aus denen auf die Richtigkeit der Information geschlossen werden kann. Denn der von einer Perso?nlichkeitsrechtsverletzung Betroffene bliebe weitgehend schutzlos, wenn die Presse zum Beleg einer umstrittenen Behauptung allein auf einen nicht namentlich benannten Informanten verweisen du?rfte (BGH, AfP 1975, 801, 803). Im vorliegenden Fall ist eine na?here Darlegung der Umsta?nde, wie sie an die E-Mails gelangt ist, von der Antragsgegnerin aber nicht zu fordern. Angaben zur Herkunft der E-Mails ko?nnte allenfalls der Informant machen, der als Zeuge

zu vernehmen oder dessen eidesstattliche Versicherung vorzulegen wa?re. Das wa?re nur mo?glich, wenn seine Identita?t offenbart wu?rde. Damit liefe der Schutz der Quelle leer.

Durch die eidesstattliche Versicherung des Antragstellers ist glaubhaft gemacht, dass die E-Mails auf der Festplatte seines im Oktober 2009 gestohlenen Laptops gespeichert waren. Die damals gestellte Strafanzeige spricht dafu?r, dass der Laptop tatsa?chlich gestohlen wurde (§ 242 StGB). Sollte der Antragsteller das Gera?t, was die Antragsgegnerin mutmaßt, verloren haben, a?nderte sich an der Beurteilung nichts. Dann ha?tten Dritte den Datentra?ger unterschlagen (§ 246 StGB). Sollte der Zugriff auf die Daten, was die Antragsgegnerin auch fu?r mo?glich ha?lt, u?ber ein geknacktes Passwort erfolgt sein, la?ge ein Vergehen des Ausspa?hens von Daten vor (§ 202 a StGB). Die denkbare Variante einer Wiederherstellung nicht vollsta?ndig gelo?schter Daten von einem alten Gera?t scheidet aus, da der Antragsteller unwidersprochen vortra?gt, dass die E-Mail vom 26. Juni 2008 aus der Zeit nach der Konfiguration des verschwundenen Laptops stamme. Zudem hat er durch seine eidesstattliche Versicherung vom 20. September 2010 glaubhaft gemacht, dass die alten Gera?te nach Neukonfiguration durch seine To?chter genutzt werden und weiterhin im Besitz der Familie sind.

c) Dafu?r, dass Mitarbeiter der Antragsgegnerin an einem Diebstahl oder einer Unterschlagung beteiligt waren oder im Zusammenhang mit der Beschaffung der Daten eine rechtswidrige Handlung begangen haben, sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Der Senat ist jedoch davon u?berzeugt, dass die Redakteure aufgrund der Umsta?nde (Angebot durch eine Kontaktperson, Inhalt der vertraulichen E-Mails) erkannt hatten, dass der Zugriff durch eine Straftat erfolgt sein musste. Auf welchem legalen Weg dies ha?tte geschehen ko?nnen, erla?utert die Antragsgegnerin nicht.

6. Der Eingriff in die Vertraulichkeitsspha?re (oben 3.) und die Verschaffung der E-Mails auf strafbare Weise begru?ndeten kein absolutes Verwertungsverbot, das jede Vero?ffentlichung ohne Ru?cksicht auf ihren O?ffentlichkeitswert untersagte.

Auch die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen fa?llt in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG. Zur Funktion der Presse geho?rt es, auf Misssta?nde von o?ffentlicher Bedeutung hinzuweisen. Diese Kontrollaufgabe ko?nnte bei einem absoluten Verbreitungsverbot leiden. Gleiches gilt fu?r die Freiheit des Informationsflusses, die gerade durch die Pressefreiheit erhalten und gesichert werden soll. Ob rechtswidrig erlangte Informationen vero?ffentlicht werden du?rfen, ha?ngt von einer Abwa?gung ab. Dabei kommt es auf der einen Seite auf den Zweck der A?ußerung an: Dem Grundrecht der Meinungsfreiheit kommt um so gro?ßeres Gewicht zu, je mehr es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die O?ffentlichkeit wesentlich beru?hrenden Frage handelt. Auf der anderen Seite ist das Mittel von wesentlicher Bedeutung, durch welches ein solcher Zweck verfolgt wird. Die widerrechtliche Beschaffung einer Information indiziert einen nicht unerheblichen Eingriff in den Bereich eines Anderen, besonders dann, wenn dieser Bereich wegen seiner Vertraulichkeit geschu?tzt ist. Daru?ber hinaus entsteht ein Konflikt mit dem Prinzip der

Unverbru?chlichkeit des Rechts, einer Grundvoraussetzung der Rechtsordnung. Eine Vero?ffentlichung ist daher nur dann zula?ssig, wenn die Bedeutung der Information fu?r die Unterrichtung der O?ffentlichkeit und fu?r die o?ffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile u?berwiegt, welche der Rechtsbruch fu?r den Betroffenen und die tatsa?chliche Geltung der Rechtsordnung nach sich zieht (BVerfG, NJW 1984, 1741, 1743 – Wallraff).

7. Die Abwa?gung ergibt, dass ein u?berwiegendes Publikationsinteresse nicht vorliegt. a) Aus den E-Mails ergibt sich, dass Frau G. den Antragsteller fu?r den Vater ihrer Tochter gehalten und Unterhaltszahlungen gefordert hat. Ersichtlich ist auch, dass das Kind Unterhaltsvorschuss erhalten hat und Frau G. angenommen hat, dadurch einen Betrug zu begehen. Fu?r den Senat ist es u?berwiegend wahrscheinlich, dass auch der Antragsteller spa?testens Ende 2002 angenommen hat, der Vater zu sein. Die in der E-Mail vom 29. November 2002 angesprochenen und tatsa?chlich auch erfolgten Zahlungen wa?ren sonst nicht nachvollziehbar.

Nach dem Vaterschaftstest und den o?ffentlichen Erkla?rungen des Antragstellers steht mittlerweile auch fest, dass er der Vater ist. Ferner ist unstreitig, dass das Kind nach seiner Geburt 72 Monate, also bis Oktober 2003, Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erhalten hat.

b) Auf Grundlage dieses Sachverhalts steht weder fest, dass der Antragsteller eine Straftat begangen hat, noch liegt ein Mindestbestand an Beweistatsachen vor, der Voraussetzung fu?r eine zula?ssige Verdachtsberichterstattung ist (vgl. BGH, NJW 2000, 1036). Die Beweistatsachen sprechen nur dafu?r, dass Frau G. einen Betrug begangen haben ko?nnte.

Ihre E-Mail vom 29. November 2002 la?sst darauf schließen, dass sie wusste, dass die Voraussetzungen fu?r die Zahlung des Vorschusses nicht vorlagen (“Betrug”, “Strafrelevanz”). Der Beho?rde hatte sie den Antragsteller als mo?glichen Vater nicht genannt, obwohl sie dessen Vaterschaft fu?r gegeben hielt. Daraus ergibt sich der Verdacht eines Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB).

Unterhaltsvorschuss erha?lt nur ein Kind, das nicht oder nur unregelma?ßig Unterhalt von dem nicht betreuenden Elternteil erha?lt, § 1 Abs. 1 Nr. 3 a Unterhaltsvorschussgesetz (UnterhVG). Kein Anspruch besteht, wenn sich die Mutter weigert, die zur Durchfu?hrung des Gesetzes erforderlichen Ausku?nfte zu erteilen oder wenn sie bei der Feststellung der Vaterschaft nicht mitwirkt (§ 1 Abs. 3 UnterhVG). Nach § 6 Abs. 4 UnterhVG ist der Elternteil, bei dem das Kind lebt, verpflichtet, A?nderungen in den Verha?ltnissen, die fu?r die Leistung erheblich sind oder u?ber die im Zusammenhang mit der Leitung Erkla?rungen abgegeben worden sind, unverzu?glich mitzuteilen.

Danach war Frau G. verpflichtet, den Antragsteller als mo?glichen Vater zu nennen. Wa?re seine Vaterschaft zu einem fru?heren Zeitpunkt festgestellt worden und ha?tte der Antragsteller, was ihm auch mo?glich gewesen wa?re, Unterhalt bezahlt, ha?tte Frau G. Unterhaltsvorschuss fu?r das Kind

nicht erhalten. Daraus ergibt sich der Verdacht, dass Frau G. in Bereicherungsabsicht geta?uscht hat, um die Zahlung des Vorschusses zu bewirken.

Hinreichende Beweistatsachen, die auf eine Ta?terschaft oder Teilnahme des Antragstellers schließen lassen, liegen hingegen nicht vor. Er hat gegenu?ber der Beho?rde keine Angaben gemacht. Dazu wa?re er erst nach Feststellung der Vaterschaft und auf Verlangen der Beho?rde verpflichtet gewesen, § 6 Abs. 1 UnterhVG. Aus den E-Mails und auch aus den in diesem Verfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen ergeben sich zudem keine Anhaltspunkte dafu?r, dass das Vorgehen von Frau G. auf eine Absprache mit dem Antragsteller, also auf einen gemeinsamen Tatplan zuru?ckging. Auch fu?r eine Anstiftung oder Beihilfe ist nichts ersichtlich. Anstiftung ist das vorsa?tzliche Bestimmen eines Anderen zu der von diesem vorsa?tzlich begangenen Straftat (§ 26 StGB). Das setzte eine Beeinflussung des Willens von Frau G. durch den Antragsteller voraus, die den E-Mails nicht zu entnehmen ist. Da ein Tatbeitrag des Antragstellers nicht erkennbar ist, kommt auch eine Beihilfe (§ 27 StGB) nicht in Betracht. Eine Beteiligung durch Unterlassen (§ 13 StGB) setzte eine Garantenstellung voraus, die der Antragsteller nicht inne hatte. Die E-Mails stu?tzen auch nicht den Verdacht, dass der Antragsteller sich einer gesetzlichen Unterhaltspflicht entzogen haben ko?nnte (§ 170 Abs. 1 StGB). Eine Strafbarkeit nach dieser Vorschrift setzt die Anerkennung oder gerichtliche Feststellung der Vaterschaft voraus. Eine Ausnahme davon kommt nach §§ 1615 o BGB, 641 d ZPO nur in Betracht, wenn der Unterhaltsverpflichtete durch eine einstweilige Verfu?gung oder Anordnung zur Zahlung verpflichtet worden ist (Scho?nke/Schro?der, 28. Aufl., § 170 StGB, RNrn. 4, 7). Das war nicht der Fall.

c) Unabha?ngig davon, dass hinreichende Beweistatsachen fu?r eine Straftat des Antragstellers nicht vorliegen, besteht an dem Vorgang ein o?ffentliches Informationsinteresse. Aufgrund der E-Mail vom 29. November 2002 war ihm bekannt, dass Frau G. davon ausging, durch unzutreffende Angaben einen Betrug zu begehen. Daraus ergibt sich der Verdacht, dass der Antragsteller jedenfalls ab November 2002 die Begehung eines Betrugs zum Nachteil der o?ffentlichen Hand geduldet hat. Daru?ber hinaus hat er es hingenommen, dass Unterhaltsvorschuss bezahlt worden ist, obwohl die Voraussetzungen dafu?r bei wahrheitsgema?ßen Angaben der Frau G. nicht vorgelegen ha?tten. Besonderes Gewicht erha?lt der Vorgang dadurch, dass sich der Rechtsverstoß zu seinem perso?nlichen Vorteil ausgewirkt hat. Wenn der Antragsteller Kindesunterhalt in voller Ho?he bezahlt ha?tte, ha?tte dafu?r nicht die Allgemeinheit einstehen mu?ssen. Als Innenminister des Landes B... und als Landtagsabgeordneter geho?rte der Antragsteller auch zu den Personen des politischen Lebens, an deren Verhalten unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle ein gesteigertes Informationsinteresse besteht. Hochrangige und in der O?ffentlichkeit weithin bekannte Politiker stehen in besonderem Maße fu?r bestimmte Wertvorstellungen und werben mit ihrer Perso?nlichkeit um das Vertrauen der Wa?hler. Hat ein Minister es hingenommen, dass das Recht gebrochen wird, steht seine Vertrauenswu?rdigkeit in Frage. Es geht deshalb nicht nur darum, ob das Verhalten des Antragstellers moralischen Maßsta?ben genu?gt hat, vielmehr hat der Vorgang eine politische Dimension.

d) Obwohl das Informationsinteresse der O?ffentlichkeit gewichtig ist, gebu?hrt dem Schutzinteresse des Antragstellers der Vorrang.

Finanzminister ist der Antragsteller erst im Jahr 2004 geworden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem Unterhaltsvorschuss nicht mehr bezahlt worden ist. Das Argument der Antragsgegnerin, der Antragsteller habe als fu?r die o?ffentlichen Finanzen verantwortlicher Minister den Rechtsbruch zu Lasten des Fiskus geduldet, ist daher nicht stichhaltig. Fu?r den Senat ist bei der Abwa?gung entscheidend, dass die E-Mails durch eine Straftat beschafft worden sind und der Eingriff wegen des erkennbaren Geheimhaltungsinteresses an der privaten Korrespondenz besonders intensiv ist. Dem steht gegenu?ber, dass der Antragsteller zwar einen Rechtsverstoß geduldet, selbst aber keine Rechtsvorschriften verletzt hat. Bei dieser Sachlage ist nicht festzustellen, dass die Bedeutung der Information fu?r die o?ffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile u?berwiegt, welche der in der strafbaren Informationsbeschaffung liegende Rechtsbruch fu?r den Betroffenen und die (tatsa?chliche) Geltung der Rechtsordnung nach sich ziehen muss. Offenbaren widerrechtlich beschaffte und verwertete Informationen Zusta?nde oder Verhaltensweisen, die ihrerseits nicht rechtswidrig sind, deutet dies darauf hin, dass es sich nicht um Misssta?nde von erheblichem Gewicht handelt, an deren Aufdeckung ein u?berragendes o?ffentliches Interesse besteht. In einem solchen Fall muss das Informationsinteresse der O?ffentlichkeit regelma?ßig zuru?cktreten (vgl. BVerfG, NJW 1984, 1741, 1743). An der Aufdeckung einer mo?glichen durch Frau G. begangenen Straftat bestand kein gewichtiges Publikationsinteresse. Sie ist keine Person des o?ffentlichen Lebens und die etwaige Straftat ist dem Bereich der leichten Kriminalita?t zuzuordnen. Von o?ffentlichem Interesse ist der Vorgang allein im Hinblick auf die Person des Antragstellers.

8. Zu Recht und mit zutreffender Begru?ndung, der sich der Senat anschließt, hat das Landgericht das Vorliegen einer Erstbegehungsgefahr aufgrund der Anku?ndigung der Vero?ffentlichung wa?hrend des Interviews vom 31. August 2010 bejaht.

II. Auf den in der mu?ndlichen Verhandlung vor dem Senat gestellten Antrag ist festzustellen, dass sich das Verfahren in der Hauptsache erledigt hat, soweit der Antragsgegnerin in der einstweiligen Verfu?gung untersagt worden ist, den Inhalt der E-Mails sinngema?ß zu verbreiten oder verbreiten zu lassen. Das erledigende Ereignis liegt in dem Ru?cktritt des Antragstellers vom Amt des Innenministers am 23. September 2010. Der urspru?nglich zula?ssige und begru?ndete Verfu?gungsantrag ist durch dieses Ereignis unbegru?ndet geworden.

Soweit das Landgericht in den Parallelverfahren ausgefu?hrt hat, dass kein erledigendes Ereignis vorliege, wenn nur die Grundlage der wirtschaftlichen oder sonstigen Motivierung wegfalle, folgt der Senat dem. Richtig ist, dass allein der Interessenwegfall des Antragstellers kein erledigendes Ereignis darstellt. Diese Sichtweise la?sst jedoch außer Betracht, dass der auf die Vero?ffentlichungen zuru?ckgehende Ru?cktritt des Antragstellers seinerseits ein Ereignis ist, an dem

ein hohes o?ffentliches Informationsinteresse besteht. Das Informationsinteresse erstreckt sich dabei auch auf die Frage, welche Gru?nde zu dem Ru?cktritt gefu?hrt haben und welche Vorwu?rfe gegen den Antragstellers erhoben werden. Ohne die Mitteilung der aus den E-Mails zu entnehmenden Informationen bliebe eine Berichterstattung u?ber die Gru?nde des Ru?cktritts unvollsta?ndig und nicht versta?ndlich. Soweit die Verbreitung in wo?rtlicher oder indirekter Rede untersagt worden ist, gelten diese Erwa?gungen allerdings nicht. Zum Versta?ndnis der Vorgeschichte des Ru?cktritts bedarf es der Wiedergabe von Zitaten aus den E-Mails nicht. Hinzu kommt, dass der Eingriff insoweit besonders intensiv ist (vgl. oben I.4.).

III. Die Berufung ist begru?ndet, soweit dem Antragsgegnerin u?ber die wo?rtliche und sinngema?ße Verbreitung der E-Mails hinaus jede “publizistische Nutzung” untersagt worden ist. Insoweit war das angefochtene Urteil zu a?ndern, die einstweilige Verfu?gung aufzuheben und der Antrag auf ihren Erlass zuru?ckzuweisen. Wie sich aus den Ausfu?hrungen auf Seite 9 der Antragsschrift ergibt, ist der Antragsteller der Auffassung, dass ihm ein Lo?schungs- bzw. Vernichtungs- oder Herausgabeanspruch gegen die Antragsgegnerin zusteht. Vor diesem Hintergrund ist der auf eine umfassende Untersagung der publizistischen Nutzung gerichtete Antrag dahin zu verstehen, dass nicht nur die Vero?ffentlichung, sondern auch die Redaktion, Dokumentation und Archivierung der Daten untersagt werden sollte. Darauf besteht jedoch kein Anspruch.

IV. Die Kostenentscheidung folgt § 92 Abs. 1 ZPO. Das Schwergewicht des Eingriffs in das Perso?nlichkeitsrecht liegt in der rechtswidrigen Vero?ffentlichung der E-Mails. Die Antragsgegnerin hat deshalb 9/10 der Kosten zu tragen.