OLG Köln, Urteil vom 19.01.1999 - 9 U 73/98
Fundstelle
openJur 2011, 83494
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 2 0 280/97
Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 16.04.1998 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 2 0 280/97 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 18.000,00 DM abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheitsleistung kann auch in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Genossenschaftsbank erbracht werden.

Gründe

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Denn entgegen der Auffassung des Landgerichts steht dem Kläger ein Zahlungsanspruch weder aus § 9 des Praxiseinbringungsvertrages noch aus sonstigem Rechtsgrund zu.

Es kann dahinstehen, ob § 7 des Praxiseinbringungsvertrages gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 203 Abs. 1 StGB nichtig ist, weil er die Aushändigung von Patientenunterlagen vorsieht, und ob dies gegebenenfalls gemäß § 139 BGB die Gesamtnichtigkeit des Vertrages zur Folge hätte. Entgegen der Auffassung des Beklagten hält der Senat allerdings die einen Steuerberater betreffende, in NJW 1996, 2087 f. veröffentlichte Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht für einschlägig. Denn anders als in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden Sachverhalt haben die Parteien in § 12 des Praxiseinbringungsvertrages ausdrücklich vereinbart, daß die Unwirksamkeit einer oder mehrerer Bestimmungen des Vertrages die übrigen Bestimmungen unberührt lassen und die Parteien lediglich verpflichtet sein sollten, die unwirksame Bestimmung gegebenenfalls durch eine wirksame zu ersetzen, mit der nach Möglichkeit derselbe wirtschaftliche Erfolg erreicht wird.

Die Frage nach der Teil- und Gesamtnichtigkeit des Vertrages kann jedoch ebenso offen bleiben wie die Frage, ob Dr. G. bis zum 30.06.1996 bereits im Sinne der Vertragsbestimmungen "gefunden" war. Nicht entscheidungserheblich ist darüber hinaus, ob - wie der Beklagte meint - der Vertrag gegen § 103 Abs. 4 SGB V verstößt und welche Rechtsfolgen ein etwaiger Verstoß hätte. Denn dem Kläger steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch ungeachtet dieser Zweifelsfragen schon deshalb nicht zu, weil die Umstände, die die Parteien vertraglich zur Voraussetzung eines Zahlungsanspruchs des Klägers bestimmt haben, nicht vorliegen bzw. eingetreten sind.

Nach dem eindeutigen, entgegen der Auffassung des Landgerichts einer abweichenden Auslegung nicht zugänglichen Wortlaut des § 9 des Praxiseinbringungsvertrages ist die Zahlungsverpflichtung des Beklagten von der tatsächlichen Zahlung eines entsprechenden Kaufpreises durch den eintretenden Nachfolger des Klägers abhängig. Die vertraglich getroffene Regelung, wonach die Zahlung des vereinbarten Betrages unter der Bedingung der Zahlung eines entsprechenden Kaufpreises durch einen eintretenden Nachfolger erfolgen sollte, kann schlechterdings nicht dahin interpretiert werden, zwischen den Parteien habe Einvernehmen geherrscht, der Beklagte solle bereits mit Übernahme der schuldrechtlichen Zahlungsverpflichtung des Nachfolgers seinerseits zur Zahlung an den Kläger verpflichtet sein. Denn sonst würde auch die Regelung, wonach der Kläger die zweite Hälfte des vereinbarten Betrages erst dann erhalten sollte, wenn der Vertragsarztsitz durch den Nachfolger übernommen und der Kaufpreis gezahlt worden ist, keinen Sinn machen. Gleiches gilt für die in § 2 des Abtretungsvertrages zum Vertrag über die Gründung einer fach-übergreifenden Gemeinschaftspraxis getroffene Vereinbarung: Dort ist bestimmt, der Kläger könne die "Abtretung" im Zusammenhang mit der Kassenzulassung zurückfordern, wenn der Kaufpreis für den Erwerb des Praxisanteils des Klägers nicht vereinbarungsgemäß gezahlt und der Beklagte den noch ausstehenden Teil des Kaufpreises nach Feststellung der Nichtzahlung durch den Erwerber ablehne. Diese Regelung macht keinen Sinn, wenn der Beklagte in jedem Fall und unabhängig von der tatsächlichen Zahlung des Erwerbers dem Kläger gegenüber zur Zahlung verpflichtet sein sollte.

Ein Zahlungsanspruch des Klägers folgt auch nicht aus Ziffer 5. der Zusatzvereinbarung zum Vertrag über die Neuregelung einer Gemeinschaftspraxis vom 15.12.1995. Wenn es dort heißt, der Abfindungsanspruch des Klägers betrage zum 31.03.1996 300.000,00 DM, vermindert um alle bis zu diesem Zeitpunkt von Herrn Dr. A. erhaltenen Zahlungen, schafft diese Vertragsbestimmung keinen selbständigen vertraglichen Schuldgrund, greift vielmehr lediglich die in § 9 des Praxiseinbringungsvertrages übernommene Zahlungsverpflichtung des Beklagten inhaltlich auf. Der Regelungsgehalt erschöpft sich, wie aus dem Sinnzusammenhang folgt, im wesentlichen darin, festzuschreiben, daß mit der nach Ziffer 9. des Praxiseinbringungsvertrages geschuldeten Zahlung von 300.000,00 DM abzüglich erhaltener Zahlungen zuzüglich anteiligen Gewinns der gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzungsanspruch abgegolten sein sollte. Zusätzlich ist bestimmt, daß sich der Abfindungsbetrag von 300.000,00 DM aus dem Buchwert der eingebrachten Praxis, der darin enthaltenen stillen Reserven und einem Anteil am Goodwill der Gemeinschaftspraxis zusammensetzt. Dagegen spricht nichts dafür, daß die Parteien hier einen zu den in § 9 des Praxiseinbringungsvertrages getroffenen Zahlungsmodalitäten in diametralem Verhältnis stehenden selbständigen vertraglichen Zahlungsanspruch hätten begründen wollen.

Soweit der Kläger darauf verweist, im Vorfeld des Vertragsschlusses aus Dezember 1995 sei, wie seiner Meinung nach die Vertragsentwürfe belegten, entgegen der Behauptung des Beklagten nie davon die Rede gewesen, daß dessen Zahlung von der Zahlung des Kaufpreises durch den eintretenden Praxisnachfolger abhängig sein sollte, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Denn ungeachtet dessen, was die Parteien vor Abschluß der Verträge überlegt und besprochen haben mögen, sind sie nur an die Abreden gebunden, die Eingang in die - hier schriftlich abgeschlossenen - Verträge gefunden haben. Ein mündliches, etwa nur versehentlich nicht in das Vertragswerk aufgenommenes Einvernehmen behauptet der Kläger selbst nicht. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang vorträgt, im Vorfeld der Vertragsschlüsse sei keine Rede davon gewesen, sein Zahlungsanspruch habe davon abhängig sein sollen, daß sein Nachfolger in die Praxis eintrete und auch tatsächlich zahle, führt dies ebenfalls zu keiner abweichenden Beurteilung. Insbesondere rechtfertigt sein Vortrag nicht die Annahme, seine Willenserklärungen seien wegen Irrtums oder Täuschung (§§ 119 Abs. 1, 123 Abs. 1 BGB) anfechtbar und angefochten. Eine Handlung des Beklagten oder eines Dritten, die Anlaß zur Prüfung einer Schadenersatzpflicht des Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Verletzung (vor-) vertraglicher Nebenpflichten geben könnte, ist ebenfalls nicht schlüssig vorgetragen. Deshalb brauchte im übrigen der unter Beweis gestellten Behauptung des Beklagten, man habe vor Unterzeichnung der Verträge ausdrücklich über die später in den Verträgen festgehaltenen Zahlungsmodalitäten, namentlich die "Risikoverteilung" gesprochen, bevor man sie zum Gegenstand des Vertrages gemacht habe, nicht nachgegangen zu werden.

Steht dem Kläger mithin der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zu, weil die vertraglich vereinbarten Zahlungsvoraussetzungen, namentlich die Kaufpreiszahlung durch den Nachfolger des Klägers, nicht vorliegen, vermag sich der Senat auch der Auffassung des Klägers, der Beklagte habe den Eintritt der vereinbarten Bedingung "Zahlung des Kaufpreises durch den Nachfolger" im Sinne des § 162 Abs. 1 BGB wider Treu und Glauben verhindert, nicht anzuschließen. Der Beklagte hat vielmehr das getan, was ihm zu tun vertraglich oblag: Er hat einen Nachfolger gesucht und mit diesem unstreitig eine entsprechende Zahlungsverpflichtung vereinbart. Damit hat der Beklagte alles ihm Zumutbare getan, um seine vertraglichen Pflichten zu erfüllen. In Ermangelung einer abweichenden vertraglichen Regelung ist der Beklagte demgegenüber nicht verpflichtet, Dr. G. zu verklagen und die von diesem übernommene Zahlungsverpflichtung gerichtlich durchzusetzen. Namentlich folgt eine solche Pflicht auch nicht als Nebenpflicht aus den im Dezember 1995 zwischen den Parteien geschlossenen Verträgen. Denn dadurch würde dem Beklagten ohne sachlichen Grund nicht nur das Prozeß-, sondern auch das Insolvenzrisiko aufgebürdet. Es ist jedoch kein sachlicher Grund erkennbar und erst recht nicht vorgetragen, der zu der Annahme berechtigen könnte, die Übernahme des Prozeß- und Insolvenzrisikos durch den Beklagten habe dem Parteiwillen entsprochen. Der Kläger wird dadurch auch nicht unbillig benachteiligt und steht insbesondere nicht schutzlos da. Denn es bleibt ihm unbenommen, auf das Abtretungsangebot des Beklagten einzugehen, die Abtretung anzunehmen und gegen Dr. G. gerichtlich vorzugehen.

Nach alledem war das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage dem Antrag des Beklagten entsprechend abzuweisen. Der Inhalt des nicht nachgelassenen Schriftsatzes des Klägers vom 07.12.1998 gab zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keinen Anlaß.

Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711 und 108 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren

und Wert der Beschwer des Klägers: 300.000,00 DM

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