AG Menden, Urteil vom 12.08.1998 - 4 C 311/97
Fundstelle
openJur 2011, 81749
  • Rkr:
Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, es in Zukunft zu unterlassen, Rinder mit Kuhglocken/-schellen auf der dem Wohnhaus der Kläger gegenüberliegenden Weide am Asbecker Bach jeweils in der Zeit von 20:00 Uhr bis 07:00 Uhr weiden zu lassen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger wohnen unter der Adresse Am Asbecker Bach 9. Dabei handelt es sich um eine von dem geschlossenen Ortsteil Menden-Asbeck getrennt liegende Ansiedlung von 9 Häusern bzw. Grundstücken entlang der Anliegerstraße im Tal des Asbecker Baches. Gegenüber der Häuserreihe, der Straße und dem Bach liegt eine Weide, welcher der Beklagte, der eine Nebenerwerbslandwirtschaft betreibt, nutzt. Der untere Teil der Weide beginnt am Bach, ca. 30 m von dem Wohnhaus und zur Weide gelegenen Schlafzimmer der Kläger entfernt.

Der Beklagte läßt auf der genannten Weide mehrere Rinder weiden und hat einer Kuh eine Kuhglocke bzw. -schelle umgehängt. Durch das von der Kuhglocke ausgehende Schellen fühlen sich die Kläger - insbesondere in ihrer Nachtruhe - gestört.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten zu verurteilen, es in Zukunft zu unterlassen, Kühe

mit Kuhglocken auf der dem Wohnhaus der Kläger gegenüberlie-

genden Weide am Asbecker Bach weiden zu lassen;

hilfsweise,

den Beklagten zu verurteilen, es in Zukunft zu unterlassen, Kühe mit

Kuhglocken auf der dem Wohnhaus der Kläger gegenüberliegenden

Weide am Asbecker Bach in der Zeit von 20:00 bis 07:00 Uhr weiden

zu lassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, daß es sich lediglich um eine kleine Glocke handele, die er bereits seit 3 Jahren nutze.

Auch handele es sich um ein landwirtschaftlich genutztes Gebiet und die Nachbarn der Parteien fühlten sich durch das Glockengeräusch nicht gestört.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch richterliche Augenscheinseinnahme der Örtlichkeit einschließlich Rindern und Kuhglocke. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 12.08.1998 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat zwar nicht mit dem Hauptantrag, jedoch mit dem Hilfsantrag Erfolg.

Nach den Feststellungen des Gerichts vor Ort steht den Klägern das Recht zu, jedenfalls zur Nachtzeit von 20:00 bis 07:00 Uhr von dem Beklagten zu verlangen, daß dieser auf der bezeichneten Weide keine Rinder mit Kuhglocken bzw. Kuhschellen weiden läßt.

Als Grundstückseigentümer und -besitzer haben die Kläger gem. §§ 823, 862, 903, 906, 1004 BGB das Recht, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit ihrem Grundstück nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auf das Grundstück auszuschließen, wobei unter Einwirkung im Sinne dieser Regel unter anderem auch die Zuführung von Geräuschen von einem anderen Grundstück zu verstehen ist. Die Zuführung von Geräuschen und anderen sogenannten unwägbaren Stoffen auf ihr Grundstück können die Kläger allerdings insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung ihres Grundstückes nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt bzw. eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind.

Maßstab dafür, ob eine Beeinträchtigung nicht nur unwesentlich bzw. wesentlich ist, ist nicht das subjektive Empfinden der Kläger, sondern das Empfinden eines Durchschnittbenutzers des betroffenen Grundstücks in seiner durch Natur, Gestaltung und Zweckbestimmung geprägten konkreten Beschaffenheit (vergl. LG Freiburg, Agrarrecht 1977, Seite 41; AG Lindau, Urteil vom 31.07.1991, Az.: C 507/91 j. m. w. Nachw.).

Unter Zugrundelegung der vom Gericht an Ort und Stelle festgestellten Gegebenheiten ist davon auszugehen, daß die von der Kuhglocke ausgehenden Geräusche jedenfalls in der Zeit von 07:00 bis 20:00 Uhr - also tagsüber - nur eine unwesentliche Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks darstellen. Unstreitig nutzt der Beklagte lediglich die vor Ort in Augenschein genommene Kuhglocke. Hierbei handelt es sich um eine relativ kleine Schelle in der geschätzten Größe von ca. 15 cm Durchmesser. Diese Kuhschelle verursacht Geräusche von geringerer Lautstärke als dies bei großen Kuhglocken der Fall ist. Unter Berücksichtigung der am Tage bestehenden Hintergrundgeräusche - hier insbesondere von der im Tal entlangführenden Hüstener Straße L 682 - ist das Gericht davon überzeugt, daß Glockengeräusche tagsüber zum einen von dem Wohnhaus der Kläger aus nur dann zu hören sind, wenn sich die mit der Schelle behängte Kuh im Bereich des Asbecker Baches, also im unteren Bereich der Weide aufhält, und zum anderen die dann vernehmbaren Geräusche angesichts der erheblichen Verkehrsgeräusche von der Hüstener Landstraße nur eine unwesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB darstellen.

Danach war der Hauptantrag der Kläger abzuweisen.

Die Kläger dringen jedoch mit ihrem Hilfsantrag durch.

Zur Nachtzeit ist die Situation nämlich anders. Die Kläger haben insoweit angegeben, außerhalb der Zeiten des Berufs- sowie des Werkverkehrs der nahegelegenen Rheinisch-Westfälischen Kalkwerke sei es zur Nachtzeit bei ihnen "totenstill".

Aufgrund der abgesonderten Lage dieser Splittersiedlung sind diese Angaben für das Gericht glaubhaft. Es ist allgemein bekannt, daß Einzelgeräusche bei fehlender Geräuschkulisse im Hintergrund wesentlich lauter und störender wirken. Die Kläger haben weiter angegeben, die Kühe würden sich gerade zur Nachtzeit bevorzugt auf dem unteren Teil der Weide im Schutz der Bäume und Büsche am Bach und somit in unmittelbarer Nähe ihres Hauses aufhalten. Das Gericht konnte sich bei der Ortsbesichtigung davon überzeugen, daß dieser Teil der Weide erkennbar von den Kühen besonders ausgiebig benutzt worden ist, so daß das Gericht auch diesen Angaben der Kläger folgt. Nach allem geht das Gericht davon aus, daß jedenfalls zur Nachtzeit und damit in der Zeit von 20:00 Uhr bis 07:00 Uhr eine nicht nur unwesentliche Beeinträchtigung des Grundstücks der Kläger durch das Schellen der Kuhglocke besteht.

Eine Duldungspflicht der Kläger nach § 906 Abs. 2 BGB greift hier nicht ein. Weder wird die festgestellte nächtliche Beeinträchtigung "durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstückes herbeigeführt", noch ist die Verhinderung der Beeinträchtigung dem Beklagten wirtschaftlich unzumutbar. Aufgrund eigener Ortskunde ist gerichtsbekannt, daß das Umhängen von Kuhglocken bzw. Kuhschellen in der hiesigen Gegend keine ortsübliche Benutzung darstellt, mögen auch vereinzelt Landwirte gelegentlich der ein oder anderen ihrer Kühe eine solche Glocke umhängen. Insoweit unterscheidet sich die Situation zu derjenigen in den Ländern Süddeutschlands. Da der Beklagte in unmittelbarer Nähe wohnt, ist es ihm auch zuzumuten, die Glocke abends abzunehmen und morgens der Kuh wieder umzuhängen. Da die Weide komplett eingezäunt ist, kann auch nicht mit einem Verlust der Kuh, welcher durch das Umhängen der Glocke verhindert werden könnte, gerechnet werden.

Soweit der Beklagte darauf abhebt, die Weide befände sich in einem ausschließlich landwirtschaftlich genutzten Gebiet, so trifft dies nicht zu.

Einerseits befindet sich in unmittelbarer Nähe das Werk der S-werke mit seinen Steinbrüchen. Auf der anderen Seite wird die Gegend auch forstwirtschaftlich genutzt. Soweit das Landgericht Freiburg in seinem oben zitierten Urteil (vergl. auch Gaisbauer, ZMR 1997, 561 "Kuhglockenlärm aus rechtlicher Sicht") auch nächtliches Kuhglockengeläut zugelassen hat, bezog sich diese Entscheidung auf eine "ausschließlich landwirtschaftlich genutzte Gegend". Gaisbauer grenzt dies weiter dahin ein, daß in dieser ausschließlich landwirtschaftlich genutzten Gegend der Viehhaltung die größte Bedeutung zukommen muß. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.

Weiter kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, daß er die Kuhglocke bereits seit 3 Jahren nutzt und sich Nachbarn nicht gestört fühlen. Hierzu haben die Kläger vorgetragen, daß sie zunächst aufgrund nachbarschaftlicher Rücksichtnahme von einer klageweise Geltendmachung abgesehen haben und den Beklagten zunächst formlos - sogar unter Anerbieten einer Geldzahlung - gebeten hatten, die Kuhglocke zu entfernen. Erst als letzten Schritt habe man sich zur klageweisen Geltendmachung entschieden. Dies ist nachvollziehbar. Hinsichtlich der von Beklagtenseite überreichten Unterschriftsliste von Nachbarn, welche sich nicht gestört fühlen, haben die Kläger zum einen vorgetragen, daß diese Nachbarn zum Teil außerhalb des störenden Lärmbereichs wohnen, zum Teil mit dem Beklagten verwandt bzw. befreundet sind. Hier mag also bereits objektiv oder auch nur subjektiv eine geringere Lärmbeeinträchtigung vorliegen. Einer Beweiserhebung bedurfte es nicht, da es allein auf das Durchschnittsempfinden eines Bewohners des klägerischen Grundstücks ankommt.

Nach allem war dem Hilfsantrag stattzugeben, so daß beide Seiten teilweise unterliegen und die Kostenentscheiung nach § 92 ZPO zu treffen war.

Die weitere Nebenentscheidung beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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