OLG Köln, Urteil vom 01.07.1998 - 27 U 6/98
Fundstelle
openJur 2011, 80804
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 27 O 504/96

1. Ein Verstoß gegen § 16 Abs. 2 und 3 BeurkG macht die Beurkundung nicht unwirksam, wenn der Notar die Feststellung mangelnder Sprachkunde eines Beteiligten in der Niederschrift unterläßt.

2. Sieht der Bebauungsplan für ein gekauftes Grundstück eine öffentliche Verkehrsfläche als Fußgängerbereich und die Errichtung einer Gemeinschaftstiefgarage vor, so handelt es sich um Rechtsmängel; damit ist der Weg zu einer Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB nicht durch kaufrechtliche Gewährleistungsvorschriften versperrt.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 2. Dezember 1997 verkündete Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 27 O 504/96 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß 6 % Zinsen nur von 220.000,00 DM, auf die weiteren 225.000,00 DM dagegen 4 % Zinsen zu zahlen sind. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 485.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.

Tatbestand

Die Kläger, die die türkische Staatsangehörigkeit besitzen und seit mehr als 20 Jahren in Deutschland leben, beabsichtigten, für sich und ihre Familie ein Hausgrundstück in E. zu erwerben. Auf ein im Sommer 1996 von der Beklagten aufgegebenes Zeitungsinserat nahmen sie mit deren Vater, der die Immobilienangelegenheit für die Beklagte regelte, wegen des von ihr angebotenen Objekts L. 9 in E.-B. Kontakt auf. Das mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück liegt im Gebiet eines Bebauungsplans der Stadt E., dessen Festsetzungen für diesen Bereich unter anderem eine Tiefgarage, eine öffentliche Verkehrsfläche für einen Fußgängerweg sowie Leitungsrechte zugunsten der Ver- und Entsorgungsträger vorsehen.

Am 9. September 1996 schlossen die Parteien vor dem Notar J. in S. einen Kaufvertrag über das Grundstück zum Preise von 445.000,00 DM. Diese Summe wurde zum vereinbarten Fälligkeitstermin am 30. September 1996 auf das Konto der Beklagten überwiesen.

Mit Anwaltsschreiben vom 8. Oktober 1996 fochten die Kläger gegenüber der Beklagten ihre Vertragserklärungen wegen arglistiger Täuschung unter Hinweis darauf an, daß sie über die - der Beklagten bekannt gewesenen - Festsetzungen des Bebauungsplans nicht aufgeklärt worden seien. Vorsorglich erklärten sie auch die Anfechtung wegen Irrtums, weil ihnen aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse unklar gewesen sei, was sie beim Notar im einzelnen unterschrieben hätten.

Die Kläger verlangen von der Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises.

Sie haben behauptet, der deutschen Sprache nicht mächtig zu sein. Der klagende Ehemann könne sich nur unzureichend in dieser Sprache verständigen, während die klagende Ehefrau gar kein Wort Deutsch verstehe. Den Ausführungen des Notars zum Inhalt der Vertragsurkunde hätten sie deshalb nicht folgen können. Für sie wesentliche Vertragsbestimmungen über den Kaufpreis, die Gewährleistung und die Übergabe seien ihnen von ihrer im Notartermin anwesenden Tochter Gülümser übersetzt worden. Die Kläger haben den Standpunkt eingenommen, der notarielle Kaufvertrag sei aufgrund einer gemäß §§ 6, 16 BeurkG unzulässigen Mitwirkung ihrer Tochter als Dolmetscherin formnichtig, jedenfalls aber wirksam wegen Irrtums angefochten. Zudem seien sie zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung berechtigt gewesen, da die Beklagte bzw. deren Vater als ihr Vertreter sie auf die - ihnen unbekannt gewesene - Existenz des Bebauungsplans und dessen Inhalt hätte hinweisen müssen. Sie seien erst nach Vertragsschluß durch den Sachbearbeiter der finanzierenden Bank auf den Bebauungsplan aufmerksam gemacht worden und hätten sich daraufhin beim Stadtplanungsamt über dessen Inhalt erkundigt. Durch die Festsetzungen im Bebauungsplan drohe die Enteignung entsprechender Grundstücksflächen für die geplante Errichtung einer Gemeinschaftstiefgarage, die sogar einen Abriß des Hauses notwendig mache, und die Anlegung eines Fußgängerwegs. Auch das Leitungsrecht beeinträchtige das Grundstückseigentum. Der Bebauungsplan verhindere somit die beabsichtigte Nutzung des Hausgrundstücks.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 445.000,00 DM nebst 6,5 % Zinsen seit dem 22. Oktober 1996 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat mangelnde Sprachkenntnisse und Verständigungsschwierigkeiten der Kläger sowie eine Übersetzertätigkeit von deren Tochter bei Abschluß des Notarvertrags bestritten, ferner deren Unkenntnis von der Existenz des Bebauungsplans, und behauptet, der klagende Ehemann habe vor Vertragsschluß von ihrem Vater auch die Bezeichnung der Flurstücke mit der Begründung erfragt, er wolle sich über die Nutzungsmöglichkeiten informieren. Deshalb habe ihr Vater davon ausgehen müssen, daß sich die Kläger selbst über den Bebauungsplan unterrichten würden, was ohnehin Sache des Kaufinteressenten sei. Durch die Festsetzungen des Bebauungsplans werde die Nutzung des Grundstücks auch nicht beeinträchtigt. Der Bebauungsplan gebe allein dem betreffenden Grundeigentümer das Recht, eine Tiefgarage zu errichten. Das Leitungsrecht beziehe sich lediglich auf einen vorhandenen Abwasserkanal. Selbst wenn künftig eine weitere - unterirdische - Abwasserleitung durch das Grundstück verlegt werde, entstünde dadurch keinerlei Beeinträchtigung. In absehbarer Zeit werde der öffentliche Fußweg von der Stadt E. nicht verwirklicht. Eine möglicherweise später einmal erforderlich werdende Abtretung der beiden dafür vorgesehenen Grundstücksstreifen behindere die Grundstücksnutzung nicht, zumal ein "Ausgleich in Land" gewährt würde und die Grundstücksgröße damit erhalten bliebe. Abgesehen davon sei der Bebauungsplan ohnehin wegen verschiedener unwirksamer Festsetzungen nichtig.

Das Landgericht hat über die Erkennbarkeit von Verständigungsschwierigkeiten seitens der Kläger für den beurkundenden Notar und eine Dolmetscherfunktion ihrer Tochter durch Vernehmung von Zeugen Beweis erhoben. Durch Urteil vom 2. Dezember 1997 hat es unter Abweisung der Klage im übrigen die Beklagte verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 445.000,00 DM nebst 6,5 % Zinsen seit dem 22. Oktober 1996 zu zahlen Zug um Zug gegen Herbeiführung der Löschung der zugunsten der Kläger eingetragenen Auflassungsvormerkung vom 30. September 1996 sowie der Grundschuld von 220.000,00 DM zugunsten der Kreissparkasse E.-N. im Grundbuch von E. Nr. 34968. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Kaufvertrag sei wegen unzureichender Sprachkenntnisse der klagenden Ehefrau und eines Irrtums der Kläger über den Geschäftsgegenstand nach § 119 Abs. 1 BGB, wegen eines Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB und wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten.

Gegen das ihr am 19. Dezember 1997 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 19. Januar 1998 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie frist- und formgerecht begründet hat. Sie macht geltend, es liege keiner der vom Landgericht angenommenen Anfechtungsgründe vor. Entgegen der Aussage der Tochter der Kläger habe die klagende Ehefrau den Wortsinn des Kaufvertrags sehr wohl verstanden. Ein Irrtum im Sinne von § 119 Abs. 1 BGB lasse sich aus diesem Gesichtspunkt ohnehin nicht ableiten. Ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft scheide schon deshalb aus, weil als Sacheigenschaft nur die Bebaubarkeit als solche oder eine Beschränkung derselben in Betracht komme und überdies bei Vorliegen eines Sachmangels die Anfechtungsregel des § 119 Abs. 2 BGB ab Gefahrübergang - hier dem 1. Oktober 1996 - durch die kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften verdrängt werde. Auch die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung greife nicht durch. Ihr Vater habe zwar von der Existenz des Bebauungsplans gewußt, sich aber nicht von der Vorstellung leiten lassen, daß dieser die Nutzbarkeit des Grundstücks beeinträchtige und die Kenntnis von seinem Bestehen die Kläger vom Kauf abgehalten hätte. Nachdem der klagende Ehemann ihn schon beim ersten Zusammentreffen gebeten habe, ihm "alle näheren Angaben zu dem Grundstück (postalische Bezeichnung, Größe, Flurstücksnummern) aufzuschreiben", sei er davon ausgegangen, daß dieser sich bei den zuständigen Stellen der Stadt E. über alle mit dem Objekt zusammenhängenden Gegebenheiten, mithin auch über den Bebauungsplan, erkundigen werde. Eine etwaige Wandlung des Kaufvertrags scheitere daran, daß ein Sachmangel nicht in Betracht komme und im übrigen die Haftung für sämtliche Sachmängel im Kaufvertrag ausgeschlossen sei. Schließlich fehle es an einem Rücktrittsrecht der Kläger wegen eines Rechtsmangels, weil durch die Festsetzungen des Bebauungsplans die Nutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigt werde. Wegen des Bebauungsplans habe sie inzwischen ein Normenkontrollverfahren beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim - 8 S 159/98 - eingeleitet. Dieser habe zwar nunmehr mit Beschluß vom 4. Mai 1998 ihren Antrag abgelehnt, jedoch - ebenso wie die Stadt E. - die Auffassung vertreten, bei der vorgesehenen Tiefgarage handele es sich nicht um eine Gemeinschaftsanlage.

Die Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Kläger in vollem Umfang mit der Klage abzuweisen,

sowie

ihr zu gestatten, zulässige oder erforderliche Sicherheiten auch durch Bürgschaft einer im Währungsgebiet ansässigen Bank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil, soweit das Landgericht ihren Sach- und Rechtsausführungen gefolgt ist, und berufen sich weiterhin auch darauf, daß der Grundstückskaufvertrag nach § 16 i.V.m. § 6 BeurkG unwirksam sei, weil ihre Tochter die Erläuterungen des Notars teilweise übersetzt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie auf die im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung hat in der Hauptsache keinen Erfolg und führt lediglich zu einer Herabsetzung des als Nebenforderung geltend gemachten Zinsanspruchs.

Die Kläger können von der Beklagten die Rückzahlung des für das Grundstück L. 9 in E.-B. entrichteten Kaufpreises von 445.000,00 DM verlangen.

I.

Der notarielle Grundstückskaufvertrag vom 9. September 1996 ist allerdings nicht schon wegen eines Formmangels gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 BeurkG ist die Beurkundung von Willenserklärungen unwirksam, wenn eine Person, die mit dem Notar in gerader Linie verwandt ist, an der Beurkundung beteiligt ist. Für den Dolmetscher gilt diese Regelung entsprechend (§ 16 Abs. 3 Satz 2 BeurkG). Dies bedeutet, daß eine mit einem der Vertragschließenden in gerader Linie verwandte Person als Dolmetscher ausgeschlossen ist. Folge einer Verletzung des § 16 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 6 BeurkG wäre bei einer gesetzlich vorgeschriebenen notariellen Beurkundung nach § 125 Satz 1 BGB auch die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts (vgl. Huhn/von Schuckmann, BeurkG, 3. Auflage, § 6 Rn. 12; Soergel/Harder, BGB, 12. Aufl., § 6 BeurkG Rn. 10). Für den Abschluß eines Grundstückskaufvertrags ist in § 313 Satz 1 BGB die notarielle Beurkundung vorgesehen.

Indessen liegen die Voraussetzungen für eine Formunwirksamkeit des Kaufvertrags wegen eines Verstoßes gegen die Regelungen des Beurkundungsgesetzes nicht vor. Hierfür kann der Streit der Parteien darüber, ob die Tochter der Kläger den vom Notar verlesenen Vertragstext auszugsweise übersetzt hat, auf sich beruhen. Auf die Wirksamkeit des Kaufvertrags hätte ein solches Verhalten ohnehin keinen Einfluß. Allein die Feststellung der mangelnden Sprachkunde eines Beteiligten in der Niederschrift führt nämlich zwingend zu deren Übersetzung anstelle des Vorlesens und zur Hinzuziehung eines Dolmetschers, falls der Notar den Text nicht selbst übersetzt. Dies folgt aus § 16 Abs. 2 Satz 1 BeurkG, wonach eine Niederschrift, die eine derartige Feststellung enthält, dem Beteiligten anstelle des Vorlesens übersetzt werden muß. Ein Verstoß gegen die zwingenden Vorschriften des § 16 BeurkG macht die Beurkundung mithin dann unwirksam, wenn er sich aus der Urkunde selbst ergibt. Auf die Gültigkeit der Beurkundung hat es dagegen keinen Einfluß, wenn der Notar von der mangelnden Sprachkunde eines Beteiligten Kenntnis erlangt, eine entsprechende Feststellung in der Niederschrift aber unterläßt. In diesem Fall treten die Folgen der Nichtbeachtung dieser Verfahrensregel, wie sie in § 16 Abs. 2 und 3 BeurkG vorgesehen sind, nicht ein (Soergel/Harder, § 16 BeurkG Rn. 4). Die Wirksamkeit der Urkunde wird auch dann nicht berührt, wenn der Notar etwa irrtümlich nicht erkennt, daß ein Beteiligter der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig ist, und deshalb die Übersetzung und Hinzuziehung eines Dolmetschers unterläßt (Huhn/von Schuckmann, § 16 Rn. 3). Da die notarielle Urkunde vom 9. September 1996 die Feststellung mangelnder Sprachkenntnisse der Kläger nicht enthält, scheidet eine Formungültigkeit selbst dann aus, wenn die Tochter der Kläger den Vertragstext ganz oder teilweise übersetzt haben sollte.

II.

Die Beklagte schuldet den Klägern jedoch die Rückzahlung des Kaufpreises aus dem Rechtsgrund der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB), weil diese ihre Vertragserklärungen wirksam angefochten haben und es wegen der daraus folgenden Nichtigkeit der Willenserklärungen (§ 142 Abs. 1 BGB) an einem Rechtsgrund für die geleistete Zahlung fehlt. Die im Anwaltsschreiben der Kläger vom 8. Oktober 1996 erklärte Anfechtung ist mit Recht geschehen.

1.

Die Anfechtung läßt sich freilich nicht auf die Vorschrift des § 119 Abs. 1 BGB stützen, da weder ein Erklärungs- noch ein Inhaltsirrtum vorliegt.

Mit ihrer Behauptung, trotz der Übersetzung eines Teils des Vertragstextes durch ihre Tochter hätten sie dasjenige, was notariell beurkundet worden sei, nicht verstanden, haben die Kläger einen Irrtum im Sinne von § 119 Abs. 1 BGB nicht schlüssig dargetan. Als Irrtum ist die unbewußte Unkenntnis von dem wirklichen Sachverhalt aufzufassen. Deshalb unterliegt der Erklärende keinem Irrtum, wenn er seine Erklärung in dem Bewußtsein abgibt, deren Inhalt nicht zu kennen (Palandt/Heinrichs, BGB, 56. Aufl., § 119 Rn. 9), oder wenn er sich über ihren Inhalt keine Gedanken macht (Kramer in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl., § 119 Rn. 39). Auch derjenige, der eine Urkunde ungelesen unterschreibt, hat daher grundsätzlich kein Anfechtungsrecht (Palandt/Heinrichs a.a.O.). Er darf ausnahmsweise und nur dann anfechten, wenn er sich von dem Inhalt des Schriftstücks eine bestimmte, allerdings unrichtige Vorstellung gemacht hat, weil er in diesem Fall, ohne dies zu bemerken, etwas anderes zum Ausdruck gebracht hat, als das, was er in Wirklichkeit hat erklären wollen (BGH NJW 1995, 191; Palandt/Heinrichs a.a.O.; Kramer a.a.O. Rn. 41). Diese Grundsätze gelten auch für sprachunkundige Ausländer (Palandt/Heinrichs a.a.O.). Die von den Klägern in der Klagebegründung insoweit herangezogene Belegstelle (Kramer a.a.O., § 119 Rn.40) besagt keineswegs etwas anderes; sie betrifft vielmehr den Fall, daß sich der Unterzeichnende - etwa ein der deutschen Sprache nicht mächtiger Ausländer - gar nicht dessen bewußt war, eine rechtsgeschäftliche Erklärung abgegeben zu haben. Dieser Ausnahmefall liegt hier nicht vor, da die Kläger wußten, daß sie einen Kaufvertrag über das von der Beklagten angebotene Grundstück schlossen. Sofern sie über einzelne Regelungen des notariellen Vertrags im Unklaren waren, haben sie sich in einer bewußten Unkenntnis und somit in keinem Irrtum befunden.

Ein Irrtum im Sinne von § 119 Abs. 1 BGB kann auch nicht mit der Begründung angenommen werden, den Klägern sei unbekannt gewesen, daß der Bebauungsplan der Stadt E. in Teilbereichen des Grundstücks eine Tiefgarage, öffentliche Verkehrsflächen und Leitungsrechte vorsehe. Um einen Irrtum in der Erklärungshandlung (§ 119 Abs. 1, 2. Fall) handelt es sich, wenn schon der äußere Erklärungstatbestand nicht dem Willen des Erklärenden entspricht. Da die Kläger das Grundstück zu den mit der Beklagten vereinbarten Konditionen kaufen wollten, ist ein solcher Fall hier nicht gegeben. Auch ein Irrtum über den Erklärungsinhalt (§ 119 Abs. 1, 1. Fall) scheidet vorliegend aus. Von einem Inhaltsirrtum ist dann die Rede, wenn sich der Erklärende über Bedeutung oder Tragweite seiner Erklärung irrt. Als ein solcher Irrtum kommt zwar auch ein Irrtum über den Geschäftsgegenstand, nämlich eine falsche Vorstellung über dessen Identität oder Umfang in Frage (Palandt/Heinrichs, § 119 Rn. 14). Die Kläger haben aber weder über die Identität des zu erwerbenden Grundstücks noch über dessen Umfang geirrt. Sie wollten das Hausgrundstück so, wie dies in der notariellen Urkunde beschrieben ist, von der Beklagten erwerben. Ebenso scheidet ein Irrtum über die Rechtsfolgen der Erklärung aus; ein solcher Irrtum ist nur dann zu bejahen, wenn das Rechtsgeschäft nicht die erstrebten, sondern davon wesentlich verschiedene Rechtsfolgen erzeugt (Palandt/Heinrichs, § 119 Rn. 15). Rechtsfolge des beurkundeten Vertrags war aber der - dem Willen der Kläger entsprechende - Kauf des von ihnen ausgewählten Grundstücks zu den ausgehandelten Bedingungen.

2.

Möglich ist dagegen ein Irrtum der Kläger über eine verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB. Ihre Anfechtungserklärung erstreckt sich auch auf einen solchen Willensmangel. Zwar hatten die Kläger in dem Schreiben ihrer Anwälte vom 8. Oktober 1996 ausdrücklich nur eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt. Es ist aber eine Frage der Willensauslegung, ob im Einzelfall in der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zugleich eine solche wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft liegt (BGHZ 34, 39; NJW 1979, 161). Für einen dahingehenden Willen der Kläger spricht, daß diese nach dem Inhalt des Anwaltsschreibens den Kaufvertrag wegen der ihnen bei Vertragsschluß unbekannten Festsetzungen im Bebauungsplan auf jeden Fall rückgängig machen wollen.

Durch die Bestimmungen der §§ 459 ff. BGB wird die Anwendung des § 119 Abs. 2 BGB im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen. Die kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften gehen als Sonderregelungen einer Anfechtung nur wegen eines Irrtums über Eigenschaften vor, welche Gewährleistungsansprüche bekunden können (BGHZ 34, 34; NJW 1979, 161; 1988, 2598), und zwar grundsätzlich erst ab Gefahrübergang (BGHZ 34, 34; Palandt/Putzo, Vorben. v. § 459 Rn. 9). Im Kaufrecht findet der Gefahrübergang mit der Übergabe der Kaufsache statt (§ 446 BGB). Die Übergabe des Grundstücks, die nach § 3 Nr. 1 des Kaufvertrags für den 1. Oktober 1996 vereinbart worden war, hat dadurch stattgefunden, daß - wie insoweit unstreitig ist - die Hausschlüssel an dem verabredeten Tag mit einem Begleitschreiben in den Briefkasten der Kläger eingeworfen worden waren. Daß diese die Schlüssel ihrer Rechtsanwältin zur treuhänderischen Verwahrung übergeben haben, vermag an der bereits erfolgten Schlüsselübergabe nichts zu ändern.

Der Ausschluß der Anwendbarkeit des § 119 Abs. 2 BGB gilt indessen nur für den Bereich von Sachmängelansprüchen (BGH NJW 1988, 2598), während die Rechtsmängelhaftung das Anfechtungsrecht aus § 119 Abs. 2 BGB nicht berührt (Palandt/Heinrichs, § 119 Rn. 28; H.P. Westermann: in Münchener Kommentar zum BGB, 3. Auflage, § 434 Rn. 2). Die Festsetzungen im Bebauungsplan - mit Ausnahme des Leitungsrechts - begründen jedoch keinen Sachmangel im Sinne von § 459 BGB, sondern - soweit sie sich nachteilig auf das verkaufte Grundstück auswirken - einen Rechtsmangel gemäß § 434 BGB. Ein Rechtsmangel kann sich nicht nur aus privaten Rechten eines Dritten hinsichtlich des Kaufgegenstands ergeben, sondern auch aus dessen Bindung kraft öffentlichen Rechts. Zwar führt das Bestehen solcher rechtlicher Bindungen nicht ohne weiteres zur Annahme eines Rechtsmangels; darin kann vielmehr je nach den Umständen des Falles auch ein Sachmangel im Sinne der §§ 459 ff BGB zu sehen sein, wie dies vor allem für öffentlichrechtliche Baubeschränkungen gilt. Wenn aber dem Eigentümer kraft der bestehenden öffentlichrechtlichen Bindung in deren Umfang das Grundstückseigentum selbst entzogen werden kann, insbesondere, indem eine öffentlichrechtliche Körperschaft ein Recht auf einen ausgewiesenen Grundstücksteil selbst geltend machen und die Übertragung des Eigentums an diesem Teil auf sich verlangen sowie notfalls im Wege der Enteignung erzwingen kann, ist der Verkäufer im Verhältnis zum Käufer nicht im stande, seiner Pflicht aus § 434 BGB, diesem das Eigentum frei von Rechten Dritter auf den Kaufgegenstand zu verschaffen, nachzukommen. Insoweit liegt daher ein Rechtsmangel vor (BGH NJW 1983, 275).

Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Das gilt zwar nicht für das zugunsten der Ver- und Entsorgungsträger bestehende Leitungsrecht. Aus dieser Festsetzung im Bebauungsplan können die Kläger aber ohnehin keine Ansprüche, auch nicht solche aus den §§ 459 ff BGB, ableiten. Nach dem unwiderlegten Vortrag der Beklagten erschöpft sich das Leitungsrecht darin, daß der Grundstückseigentümer unterirdisch verlaufende Ver- und Entsorgungsleitungen zu dulden hat. Demgegenüber haben die Kläger nicht substantiiert dargelegt, welche konkreten Beeinträchtigungen mit dem Leitungsrecht verbunden sind und inwieweit dieses Recht den Wert oder die Tauglichkeit des Grundstücks zu dem gewöhnliche oder dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufhebt oder mindert (vgl. § 459 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Soweit der Bebauungsplan dagegen eine öffentliche Verkehrsfläche als Fußgängerbereich und - worauf sich die Kläger auch berufen - die Errichtung einer Gemeinschaftstiefgarage vorsieht, handelt es sich um Rechtsmängel. Die Realisierung dieser Vorhaben geschieht durch bodenordnende Maßnahmen, entweder in Form der Umlegung (§ 45 BauGB) oder der Enteignung (§ 85 BauGB). In beiden Fällen würde den Klägern ihr Grundstückseigentum auf einem Teil des erworbenen Objekts entzogen. Damit ist der Weg zu einer Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB nicht durch kaufrechtliche Gewährleistungsvorschriften versperrt.

Als verkehrswesentliche Eigenschaft der Sache im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB, kommen alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse in Betracht, die infolge ihrer Beschaffenheit und Dauer auf die Brauchbarkeit und den Wert der Sache von Einfluß sind (BGHZ 34, 41; NJW 1979, 161). Beziehungen des Kaufgegenstands zur Umwelt sind in diesem Zusammenhang nur dann rechtserheblich, wenn sie in der Sache selbst ihren Grund haben, von ihr ausgehen und den Kaufgegenstand kennzeichnen oder näher beschreiben (BGH NJW 1978, 370). Diese Merkmale treffen auf die Festsetzungen im Bebauungsplan zu, da die Möglichkeit, Teile des Grundstücks zu enteignen, mit der Lage des Anwesens innerhalb des Bebauungsplans verknüpft ist.

Auch der in § 3 Nr. 5 des Kaufvertrags vereinbarte Gewährleistungsausschluß steht einer Anfechtung gemäß § 119 Abs. 2 BGB nicht entgegen. Zwar scheidet eine Irrtumsanfechtung nach dieser Vorschrift aus, wenn Mängelhaftungsansprüche vertraglich abbedungen werden, da anderenfalls die mit dem Gewährleistungsausschluß angestrebte Risikobeschränkung nicht erreicht würde (Kramer in: Münchener Kommentar zum BGB, § 119 Rn. 128). Der Kaufvertrag vom 9. September 1996 schließt aber ausdrücklich nur die Haftung für "Sachmängel", nicht dagegen für die wegen der Tiefgarage und der Verkehrsfläche in Rede stehenden Rechtsmängel aus. Davon abgesehen wäre der Gewährleistungsausschluß ohnehin unwirksam, weil hier - wie noch darzulegen sein wird - der Fall der Arglist vorliegt (§ 476 BGB).

Allerdings haben die Kläger zu beweisen, daß ihnen die Festsetzungen des Bebauungsplans bei Abgabe ihrer Willenserklärungen nicht bekannt waren, da der Anfechtende für alle Voraussetzungen des Anfechtungsrechts, also auch für das Vorliegen des Irrtums, die Beweislast trägt (Palandt/Heinrichs, § 119 Rn. 23). Der Vernehmung des von ihnen in diesem Zusammenhang als Zeugen benannten Sachbearbeiters Guillard der Kreissparkasse E. bedarf es jedoch im Ergebnis nicht, da sich die Klage schon aus anderen Gründen als gerechtfertigt erweist. Insofern kann deshalb auch offenbleiben, welche rechtlichen Konsequenzen mit der Festsetzung einer Tiefgarage im Bebauungsplan verbunden sind.

3.

Die Kläger haben ihre Vertragserklärungen - jedenfalls - wirksam wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) angefochten.

Der Vater der Beklagten, der als deren Vertreter gehandelt hat und daher nicht "Dritter" im Sinne von § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB war, hat den Klägern bei den Vertragsverhandlungen die Festsetzungen des Bebauungsplans verschwiegen. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, besteht auch bei Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien entgegengesetzte Interessen verfolgen, für jeden Vertragspartner die Pflicht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck (des anderen) vereiteln können und daher für seinen Entschluß von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten konnte (BGH NJW 1980, 2461; NJW-RR 1988, 1290). Die Verletzung einer solchen Offenbarungspflicht ist im Rahmen des § 123 BGB erheblich (BGH NJW 1980, 2461). Die Festsetzungen des Bebauungsplans der Stadt E. waren geeignet, den mit dem Grundstückskauf verfolgten Zweck zu gefährden. Die Parteien streiten allerdings über die Folgen der Festsetzung einer Tiefgarage. Während die Kläger behaupten, nach dem Bebauungsplan zulässig und von der Stadt E. beabsichtigt sei die Errichtung einer Gemeinschaftstiefgarage, für welche das Grundstück in Anspruch genommen und das darauf befindliche Wohnhaus sogar abgerissen werden müsse, wendet die Beklagte ein, es handele sich lediglich um eine sogenannte Angebotsplanung mit dem Inhalt, daß der Eigentümer des betroffenen Grundstücks eine Tiefgarage errichten dürfe. Letztlich kann diese im öffentlichen Recht wurzelnde Frage für die Entscheidung des Rechtsstreits unbeantwortet bleiben. Ebensowenig kommt es darauf an, welchen Inhalt der von der Beklagten zitierte Beschluß des VGH Mannheim vom 4. Mai 1998 hat und ob ihm bindende Wirkung zur Auslegung des Bebauungsplans zukommt. Unabhängig von der Errichtung einer Tiefgarage sieht der Bebauungsplan jedenfalls vor, daß ein Teil des von den Klägern erworbenen Grundstücks für eine öffentliche Verkehrsfläche als Fußgängerbereich in Anspruch genommen werden soll. Die Beklagte räumt ein, daß die Festsetzung der öffentlichen Verkehrsfläche "theoretisch" für die Stadt E. ein Enteignungsrecht nach §§ 85 Abs. 1 Nr. 1, 87 Abs. 1 BauGB begründet. Das entspricht der Begründung zum Bebauungsplan, in der es - ersichtlich bezogen (auch) auf die öffentliche Verkehrsfläche - unter anderem heißt: "Im Bereich der Flurstücke Nr. 211/3 u. 211/2 sowie dem Flurstück Nr. 211/4 sind bodenordnende Maßnahmen notwendig." Aufgrund des Bebauungsplans besteht somit für die Stadt E. die Möglichkeit, den Klägern die beiden in der Zeichnung markierten Grundstücksstreifen zu entziehen. Ob dies im Wege der Enteignung oder aber durch Umlegung geschieht, ist nicht von wesentlicher Bedeutung, da auch die letztgenannte bodenordnende Maßnahme mit einem Entzug des betroffenen Grundstücksteils - wenn auch mit einem Ausgleich "in Natur" - verbunden ist. Ohne Erfolg wendet die Beklagte ein, ein Entzug der gekennzeichneten Geländestreifen beeinträchtige die Nutzung des Grundstücks nicht und sei deshalb ohne Belang. Der Erwerber eines Grundstücks hat regelmäßig ein Interesse daran, die vereinbarte Fläche ungeschmälert zu erhalten und auch behalten zu dürfen. Das gilt hier umso mehr, als den Klägern - wie unstreitig ist - an der Bearbeitung des Gartens besonders gelegen ist und ihnen ein Teil des Gartengeländes durch die Stadt E. entzogen werden kann. Wie die Einzeichnungen der als Fußgängerweg vorgesehenen Geländestreifen im Bebauungsplan zeigt, sind diese Grundstücksteile auch nicht so geringfügig, daß sie in aufklärungsrechtlicher Hinsicht allein deshalb vernachlässigt werden könnten. Daher hätte die Beklagte den Klägern den Bebauungsplan und dessen Festsetzungen offenbaren müssen. Wie von ihr selbst vorgetragen, ist ihr Versuch, den Bebauungsplan im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens für nichtig erklären zu lassen, ohne Erfolg geblieben, so daß auch der Gesichtspunkt der Nichtigkeit des Bebauungsplans sie ihrer Aufklärungspflicht nicht zu entheben vermag.

Die Offenbarungspflicht würde zwar dann entfallen, wenn die Kläger schon anderweitig eindeutig in Kenntnis gesetzt worden wären (vgl. BGB NJW-RR 1988, 1291). Dafür fehlt es indessen an hinreichenden Anhaltspunkten. Daß die Beklagte die Unkenntnis der Kläger von dem Inhalt des Bebauungsplans mit Nichtwissen bestreitet, reicht hierfür nicht aus. Da diese Frage den Wegfall der an sich begründeten Aufklärungspflicht betrifft, obliegt es der Beklagten, im einzelnen darzulegen, auf welche Weise die Kläger anderweitig von den Festsetzungen des Bebauungsplans in Kenntnis gesetzt worden sind. Insoweit fehlt es jedoch an einem substantiierten Vorbringen.

Zwischen der Täuschung und der Abgabe der Vertragserklärungen besteht auch der erforderliche Ursachenzusammenhang. Dafür reicht es aus, wenn der Getäuschte Umstände dartut, die für seinen Entschluß von Bedeutung sein konnten, und darlegt, daß die Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluß auf die Entschließung hat (BGH NJW 1995, 2362). Der Bebauungsplan hat bei Abschluß des Kaufvertrags die Gefahr heraufbeschworen - und dies gilt auch noch für den jetzigen Zeitpunkt -, daß den Klägern ein Teil des erworbenen Grundstücks durch die Stadt E. durch bodenordnende Maßnahmen entzogen wird. Die Möglichkeit eines derartigen bauplanungsrechtlichen Eingriffs ist nach aller Erfahrung geeignet, den Entschluß eines Kaufinteressenten zum Grundstückserwerb zu beeinflussen.

Der als Vertreter handelnde Vater der Beklagten hat auch arglistig gehandelt. Arglist im Sinne von § 123 BGB setzt zwar Vorsatz voraus, wobei freilich bedingter Vorsatz genügt, erfordert jedoch keine Schädigungsabsicht. Vielmehr reicht das Bewußtsein aus, daß der Partner ohne die Täuschung die Willenserklärung möglicherweise nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt abgegeben hätte (BGH NJW 1974, 1506; 1980, 2461). Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten war deren Vater der Bebauungsplan seinem gesamten Inhalt und Umfang nach bekannt. Daher wußte er, daß - unabhängig von der weiteren Frage nach der Errichtung einer Tiefgarage - den Klägern zwei nicht nur geringfügige Geländestreifen für öffentliche Verkehrsflächen entzogen werden können. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß sich der Vater der Beklagten zumindest über die Möglichkeit im Klaren war, daß die Kläger bei Kenntnis von den Festsetzungen im Bebauungsplan den Kaufvertrag nicht in der vorgesehenen Form abgeschlossen hätten.

Zwar ist eine Arglist ausgeschlossen, wenn - worauf sich die Beklagte beruft - der Auskunftspflichtige angenommen hat, der andere Teil sei bereits informiert (BGH NJW-RR 1996, 690; Palandt/Heinrichs, § 123 Rn. 5 a). Diese Ausnahme darzulegen, obliegt dem zur Offenbarung verpflichteten Vertragspartner. An einem nachvollziehbaren Vortrag der Beklagten zu der insoweit in Rede stehenden Gutgläubigkeit ihres Vaters fehlt es jedoch. Die Beklagte behauptet lediglich, ihr Vater sei aufgrund der Bitte des klagenden Ehemannes, ihm "alle näheren Angaben zu dem Grundstück (postalische Bezeichnung, Größe, Flurstücksnummern) aufzuschreiben", davon ausgegangen, daß dieser sich bei den zuständigen städtischen Stellen über alle mit dem Grundstück zusammenhängenden Gegebenheiten erkundigen werde, wozu "selbstverständlich" auch die Einsichtnahme in einen bestehenden Bebauungsplan gehöre. Aus der Erkundigung über die Grundstücksbezeichnung allein konnte der Vater der Beklagten aber nicht auf die Unterrichtung der Kläger über die einzelnen Festsetzungen des Bebauungsplans schließen. Die Annahme, der Vater der Beklagten sei bei Vertragsschluß von der Kenntnis der Kläger vom Inhalt des Bebauungsplans und dessen Konsequenzen ausgegangen, verbietet sich vor allem jedoch deshalb, weil er sich bei Vertragsschluß nicht dessen vergewissert hat, daß die Kläger tatsächlich Einsicht in den Bebauungsplan genommen hatten, und dafür auch keine für ihn erkennbaren Anhaltspunkte vorlagen. Damit hat die Beklagte keine hinreichenden Tatsachen für die Annahme ihres Vaters vorgetragen, die Kläger seien über die Festsetzung des Bebauungsplans bereits anderweitig informiert worden. Für eine Beweiserhebung in Form der von der Beklagten beantragten Vernehmung ihres Vaters als Zeugen fehlt es demnach an der notwendigen tatsächlichen Grundlage. Nach alledem sind die Vertragserklärungen der Kläger mit Erfolg wegen arglistiger Täuschung angefochten.

4.

Der Klageanspruch rechtfertigt sich überdies aus dem Rechtsgrund des Verschuldens bei Vertragsschluß (culpa in contrahendo). Unter diesem rechtlichen Aspekt, dem gegenüber die Vorschriften des Anfechtungsrechts keine ausschließende Spezialregelung darstellen (BGH NJW 1995, 2362), macht sich der Verhandlungspartner schadensersatzpflichtig, wenn er eine vorvertragliche Aufklärungspflicht verletzt, die ihn trifft, soweit eine Aufklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung im Einzelfall erwartet werden darf. Aufzuklären ist insbesondere über solche Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können und daher für den anderen Teil von wesentlicher Bedeutung sind (BGH NJW 1985, 1771; 1993, 2107). Aus den zur arglistigen Täuschung angeführten Gründen hätte der Vater der Beklagten, dessen Verhalten als eines Erfüllungsgehilfen dieser gemäß § 278 BGB zuzurechnen ist, die Kläger über die Festsetzungen im Bebauungsplan aufklären müssen. Für eine Haftung wegen vorvertraglicher Verletzung einer Aufklärungspflicht genügt sogar fahrlässiges Verhalten, so daß es allein darauf ankommt, ob der Vertragspartner diese Verpflichtung bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte kennen müssen (BGH NJW 1985, 1771). Der Vorwurf der Fahrlässigkeit trifft den Vater der Beklagten auf jeden Fall; zumindest hätte er sich vor der Beurkundung des notariellen Kaufvertrags bei den Klägern danach erkundigen müssen, ob diese sich inzwischen über die Festsetzungen des Bebauungsplans informiert hatten.

Schadensersatz wegen der Verletzung vorvertraglicher Offenbarungspflichten kann in der Form beansprucht werden, daß der Vertrag, der bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht geschlossen worden wäre, rückgängig gemacht und eine bereits erbrachte Leistung erstattet wird (BGH NJW 1985, 1771; 1993, 1325, 2107). Für den notwendigen Ursachenzusammenhang reicht es aus, wenn der Vertragsgegner nach seiner Behauptung im Fall der ordnungsgemäßen Aufklärung den Vertrag nicht geschlossen hätte; Aufgabe des offenbarungspflichtigen Vertragspartner ist es, dies zu widerlegen (BGH NJW 1985, 1771). Dieser prozessualen Obliegenheit ist die Beklagte nicht nachgekommen.

In seiner neueren Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof zwar klargestellt, daß die Rückgängigmachung des Vertrags unter dem Gesichtspunkt culpa in contrahendo von einem durch die im Verhandlungsstadium begangene schuldhafte Sorgfaltspflichtverletzung entstandenen Vermögensschaden abhängt. Zugleich hat der BGH jedoch betont, daß der Schadensbegriff im Ansatz subjektbezogen ist und ein Vermögensschaden selbst dann, wenn der Kaufgegenstand den Kaufpreis wert ist, schon darin liegen kann, daß der von dem schuldhaften Pflichtverstoß Betroffene in seinen Vermögensdispositionen beeinträchtigt ist. Wenn jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluß eines Vertrages gebracht wird, den er sonst nicht geschlossen hätte, so kann er auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden, daß die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (BGH NJW 1998, 304). Nach diesen Grundsätzen ist den Klägern durch die Verletzung der Aufklärungspflicht ein Schaden entstanden. Die durch den Bebauungsplan begründete Möglichkeit, ihnen einen Teil des erworbenen Grundstücks zu entziehen, schränkt die Brauchbarkeit der Immobilie für die mit ihr verfolgten Zwecke ein. Die durch den unerwünschten Vertrag erlangte Leistung wird daher nicht nur aus rein subjektiver willkürlicher Sicht (vgl. dazu BGH a.a.O.) als Schaden angesehen. Die Beklagte hat den gezahlten Kaufpreis deshalb auch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zurückzugewähren.

III.

Der Klageanspruch ist schließlich auch aus § 440 Abs. 1 i.V.m. § 325 Abs. 1 Satz 1 BGB begründet. Ihre aus § 434 BGB folgende Pflicht, den Klägern das verkaufte Grundstück frei von Rechten Dritter zu verschaffen, hat die Beklagte nicht erfüllt. Aufgrund des Bebauungsplans ist das Grundstück mit dem Recht der Stadt E. belastet, zwei Grundstücksstreifen durch bodenordnende Maßnahmen einzuziehen. Die nach § 434 BGB geschuldete Leistung ist der Beklagten mittlerweile unmöglich geworden. Die ursprünglich zu erörternde Frage, ob ein Rechtsmangel im Sinne des § 434 BGB auch dann vorläge, wenn der Bebauungsplan nichtig wäre, stellt sich inzwischen nicht mehr. Durch das Scheitern des Normenkontrollantrags der Beklagten steht vielmehr fest, daß diese den Klägern das Grundstück nicht mehr frei von dem Recht der Stadt E. verschaffen kann, ihnen einen Teil des Grundstücks für öffentliche Verkehrswege zu entziehen. Als Verkäuferin hat die Beklagte das darin bestehende Unvermögen auch zu vertreten (vgl. Palandt/Putzo, §§ 440, 441 Rn. 4). Aufgrund dessen waren die Kläger berechtigt, von dem Kaufvertrag zurückzutreten (§ 325 Abs. 1 Satz 1 BGB).

IV.

Zinsen stehen den Klägern aus dem Rechtsgrund des Verzugs ab dem 22. Oktober 1996 zu (§§ 284, 286, 288 BGB). In Höhe eines Teilbetrags von 225.000,00 DM können sie jedoch nur den gesetzlichen Zinssatz von 4 % (§ 288 Abs. 1 Satz 1 BGB) verlangen. Nach ihrem eigenen Vortrag haben sie lediglich einen Kaufpreisteil von 220.000,00 DM durch ein zu 6,5 % verzinsliches Bankdarlehen finanziert. Wegen des Restbetrags von 225.000,00 DM ist ein über den gesetzlichen Zinssatz hinausreichender Verzugsschaden nicht dargetan. Insbesondere haben die Kläger nicht vorgetragen, daß sie die Kaufpreissumme, soweit sie nicht zur Abdeckung des Bankkredits benötigt wird, zu einem höheren als dem gesetzlichen Zinssatz hätten gewinnbringend anlegen können.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Entgegen der Ansicht der Kläger ist die Entscheidung des Landgerichts über die Kosten der ersten Instanz nicht zu beanstanden. Mit Rücksicht darauf, daß die Klage wegen der Zugum-Zug-Verurteilung nur eingeschränkt Erfolg hat, sind die Kläger mit Recht zu einem Drittel an den erstinstanzlichen Kosten beteiligt worden.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Berufungsstreitwert: 445.000,00 DM

Beschwer für die Beklagte: über 60.000,00 DM

Beschwer für die Kläger: unter 60.000,00 DM