VG Düsseldorf, Urteil vom 14.04.2000 - 1 K 2352/99
Fundstelle
openJur 2011, 79988
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Rat der Beklagten stellte in seiner Sitzung vom 13. August 1998 fest, daß das Bürgerbegehren zu der Frage, ob die Bürgerwiese an der xxxxxxxxxxxxxxxx an ihrem derzeitigen Standort erhalten bleibt, ob der Kunstrasensportplatz an der xxxxxxxxxx erhalten und einschließlich der Gebäude saniert wird, und ob das Trainingsfeld in Aschbauweise im Bereich der Bezirkssportanlage angelegt wird, zulässig ist.

In der Sitzung vom 30. September 1998 beschloß der Rat mehrheitlich, dem Bürgerbegehren nicht vollinhaltlich zu entsprechen und am Sonntag, dem xxxxxxxxxxx 1998, einen Bürgerentscheid durchzuführen. Im Amtsblatt der Beklagten vom xxxxxxxxxx 1998 wurden Tag und Gegenstand des Bürgerentscheides sowie Zeit und Ort der Offenlegung des Abstimmungsverzeichnisses bekanntgemacht. In der örtlichen Presse wurden die Stimmbezirke und die Abstimmungsorte veröffentlicht.

Im Amtsblatt vom xxxxxxxxxx 1999 wurde das Ergebnis des Bürgerentscheides öffentlich bekanntgemacht. Der Rat der Beklagten hatte festgestellt, daß bei 31.130 Stimmberechtigten 7.293 Ja-Stimmen abgegeben worden waren und damit das Bürgerbegehren gescheitert war, weil sich kein Quorum von 25 % ergeben hatte.

Unter dem 8. Dezember 1998 erhob die Klägerin zu 1. Einspruch gegen die Gültigkeit des Bürgerentscheides und beanstandete, daß keine Briefwahl möglich gewesen sei, die Stimmberechtigten nicht benachrichtigt und die Stimmlokale in Zusammenhang mit der unübersichtlichen Stimmkreiseinteilung drastisch reduziert worden seien. Mit Schreiben vom 3. März 1999 teilte die Beklagte der Klägerin zu 1. mit, daß der Einspruch weder zulässig noch begründet sei: § 15 der Satzung über den Bürgerentscheid lege fest, daß eine Abstimmungsprüfung nicht stattfinde. Jedenfalls habe die Klägerin zu 1. kein Einspruchsrecht, da sie nicht zu dem in § 39 KWahlG genannten Personenkreis gehöre. Außerdem läge kein Fehler bei Vorbereitung und Durchführung des Bürgerentscheides vor. Der Ausschluß der Briefwahl in § 11 Abs. 5 der Satzung sei nicht zu beanstanden; er entspreche der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Bei der Benachrichtigung der Stimmberechtigten sei das Verfahren des § 8 der Satzung eingehalten worden; der interessierte Bürger sei dadurch ausreichend informiert worden. Ebensowenig sei die Festlegung der Stimmlokale zu beanstanden, da darauf geachtet worden sei, daß die maximale Entfernung zwischen Wohnung und Stimmlokal, wie sie bei anderen Wahlen üblich sei, nicht überschritten worden sei. Im übrigen sei an den üblichen Stimmlokalen ein Hinweis auf die nächstgelegenen Abstimmungsmöglichkeiten angebracht worden.

Am 3. April 1999 haben die Kläger Klage erhoben, mit der sie ihren bisherigen Standpunkte wiederholen und vertiefen. Ergänzend machen sie geltend, daß die Beklagte tendenzielle Werbung und Desinformation der xxx, die die stärkste Fraktion im Rat der Beklagten stelle, nicht unterbunden und damit eine ordnungsgemäße Durchführung des Bürgerbegehrens verhindert habe.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verpflichten, den Bürgerentscheid vom xxxxxxxxxxx 1998 erneut durchzuführen,

hilfsweise festzustellen, daß der Bürgerentscheid vom xxxxxxxxxxx 1998 ungültig ist,

weiter hilfsweise festzustellen, daß die Beklagte die Durchführung des Bürgerentscheides am xxxxxxxxxxx 1998 durch eine unzureichende organisatorische Unterstützung vereitelt hat.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Klage ist insgesamt nicht zulässig.

Der Verwaltungsrechtsweg ist für eine gerichtliche Überprüfung des Bürgerentscheides nicht gegeben.

Nach § 15 der Satzung für die Durchführung von Bürgerentscheiden in der Stadt xxxxxxxxxxxxxxxx vom 18. August 1998 findet eine Abstimmungsprüfung nicht statt. Gemäß § 7 Abs. 1 GO i.V.m. § 41 Abs. 1 Satz 2 lit. f GO war der Rat der Beklagten ermächtigt, diese Satzung zu erlassen, da das Innenministerium von der ihm in § 26 Abs. 10 GO eingeräumten Verordnungsermächtigung bisher keinen Gebrauch gemacht hat. Die Maßgabe steht im Einklang mit dem übergeordneten Gesetzesrecht, das ebenfalls keine gerichtliche Prüfung vorsieht.

Die Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, die seit 1994 als ein neues Element unmittelbarer Demokratie den Bürgerentscheid kennt,

vgl. hierzu allgemein Fischer, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid - ein neues Element unmittelbarer Demokratie in der Kommunalverfassung von Nordrhein-Westfalen, NWVBl. 1995, 366 ff., m.w.N.,

enthält selbst in § 26 Abs. 6 - 8 GO nur rudimentäre Bestimmungen, die u.a. festlegen, daß für die Durchführung des Bürgerentscheids die Gemeinde zuständig ist, die eine Abstimmung herbeizuführen hat. Anders als im Kommunalrecht einiger anderer Länder,

vgl. hierzu Fischer, Rechtsschutz der Bürger bei Einwohneranträgen sowie Bürgerbegehren, DÖV 1996, 181 (187), m.w.N.,

sind weitere Grundsätze über die Durchführung des Bürgerentscheids nicht im Gesetz geregelt, sondern ist in Abs. 10 des § 26 dem Innenministerium die Ermächtigung zum Erlaß einer entsprechenden Verordnung eingeräumt. Solange hiervon kein Gebrauch gemacht ist, liegt die Entscheidung über Art und Weise der Abstimmung bei der Gemeinde,

vgl. Rehn/Cronauge, Gemeindeordnung für Nordrhein- Westfalen, Kommentar, Stand: Dezember 1999, § 26 GO Anm. VIII 1 und Mustersatzung für die Durchführung von Bürgerentscheiden des NWStGB - Anhang C III.5.

Zu beachten sind hierbei, da das Gesetz mit der Abstimmung ein Wahlen vergleichbares Verfahren gewählt hat, die bei Wahlen geltenden und unmittelbar aus dem Demokratieprinzip folgenden Grundsätze der Allgemeinheit, Unmittelbarkeit, Freiheit, Gleichheit und Geheimhaltung,

vgl. hierzu Rehn/Cronauge, a.a.O.

Das Kommunalrecht in Baden-Württemberg, Brandenburg und Sachsen-Anhalt sieht deshalb auch die sinngemäße Anwendung des Kommunalwahlgesetzes vor.

Vgl. hierzu Fischer, in: DÖV 1996, 181 (187), m.w.N.

Auch damit ist aber nicht zwangsläufig eine an die Wahlprüfung angelehnte Überprüfung des Bürgerentscheids verbunden; in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt sind die Vorschriften über die Wahlprüfung ausdrücklich von der Anwendung ausgeschlossen. Der nordrheinwestfälische Gesetzgeber hat demgegenüber auf die Anwendbarkeit des Kommunalwahlgesetzes ganz verzichtet. Vor dem Hintergrund dieser in den Ländern ähnlichen, aber in den Einzelheiten differenzierend geregelten Rechtslage kann das Fehlen einer solchen Verweisung gerade nicht als bloßes Versehen und damit als durch Analogie zu schließende planwidrige Gesetzeslücke angesehen werden. Vielmehr ist das Schweigen des Gesetzgebers beredt.

Gegen eine sinngemäße Heranziehung der kommunalwahlrechtlichen Bestimmungen der Wahlprüfung,

so aber Fischer, in: DÖV 1996, 181 (187),

spricht zudem, daß der Gesetzgeber die Prüfung von Wahlentscheidungen zum Teil ausdrücklich geregelt, dabei aber unterschiedlich ausgestaltet hat: §§ 39 ff. KWahlG NRW mit dem Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten; Wahlprüfungsgesetz NRW, das die Beschwerde zum Verfassungsgerichtshof vorsieht; Wahlprüfungsgesetz des Bundes mit dem Einspruch zum Bundesverfassungsgericht und in § 18 dem ausdrücklichen Verweis auf das BVerfGG. Dem entspricht es, daß die Verfassungen (Art. 41 GG, Art. 33 Verf NRW) sich für bestimmte Wahlen der Wahlprüfung selbst annehmen und jeweils die nähere Regelung einem Gesetz vorbehalten. Damit gehen sowohl das Grundgesetz als auch - im Einklang hiermit - die Verfassung NRW,

vgl. zum Verhältnis des Art. 33 Verf NRW zu Art. 41 GG Beschluß der Kammer vom 12. September 1999 - 1 L 2634/99 -, NWVBl. 2000, 110,

ersichtlich davon aus, daß die Kontrolle des ordnungsgemäßen Verlaufs von Wahlen und Abstimmungen nicht schon von vornherein etwa über Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet ist. Das legt nahe, das Wahlprüfungsverfahren als Verfahren sui generis anzusehen, das jeweils zur rechtsförmlichen Prüfung basisdemokratischer Entscheidungen gesondert gesetzlich vorgesehen und ausgestaltet werden muß, und dessen Fehlen nicht durch Analogie überspielt werden darf.

Dieses Verständnis der Rechtslage liegt ersichtlich auch § 41 KWahlG zugrunde. Wäre auf das dort vorgesehene (gerichtliche) Wahlprüfungsverfahren nämlich von vornherein die VwGO anwendbar, wäre diese Regelung teils überflüssig, teils kompetenzrechtlich bedenklich.

Dafür, daß der nordrheinwestfälische Landesgesetzgeber keine Prüfung des Bürgerentscheides vorgesehen hat, läßt sich außerdem § 26 Abs. 8 GO anführen. Nach Satz 1 dieser Bestimmung hat der Bürgerentscheid die Wirkung eines Ratsbeschlusses, dem durch Satz 2 zudem ein erhöhter Bestandsschutz zukommt. Diese Regelung legt nahe, daß die Bürgerschaft einen Bürgerentscheid wie auch einen Ratsbeschluß nicht mehr angreifen kann; es verbliebe dann lediglich bei der in § 54 GO vorgesehenen Beanstandung,

vgl. Rehn/Cronauge, § 26 GO Anm. IX 1.

Vor diesem Hintergund kann das Fehlen eines vom Gesetzgeber vorzusehenden Prüfungsverfahrens auch nicht durch das allgemeine Verwaltungsprozeßrecht überspielt werden. Zwar ist anerkannt, daß eine Prüfung von Rechtsnormen grundsätzlich auch als Feststellungsklage denkbar ist, deren Anwendbarkeit nicht an der Spezialität des § 47 VwGO scheitert,

vgl. hierzu Pietzker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, Stand: März 1999, § 43 Rdn. 25.

Der Prüfung einer unmittelbar vom Volk getroffenen Entscheidung steht aber nicht der zuletzt genannte Gesichtspunkt, sondern vielmehr entgegen, daß sie gesonderter gesetzlicher Regelung bedarf, an der es fehlt.

II.

Die Kammer läßt offen, ob es sich hierbei etwa um eine verfassungswidrige Lücke in § 26 GO handeln könnte. Denn eine Vorlage nach § 50 VGHG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Entscheidung nicht von der Gültigkeit des Gesetzes abhängig ist. Die Klage müßte nämlich auch bei einer Prüfung des Bürgerentscheids abgewiesen werden.

Es ist nicht zu beanstanden, wie von den Klägern gerügt, daß die Möglichkeit der Briefwahl nicht vorgesehen war. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,

vgl. hierzu Beschluß der Kammer vom 25. April 1996 - 1 L 1477/96 - m.w.N.,

ist die Briefwahl zulässig, aber nicht verfassungsrechtlich geboten.

Auch mit den weiteren Beanstandungen, die Abstimmungsorte seien unzureichend bekanntgemacht worden, sie seien ungünstig verteilt und die Entferungen zu weit gewesen, hätten die Kläger keinen Erfolg. Im Amtsblatt der Beklagten und in der örtlichen Presse sind die Einzelheiten zum Bürgerentscheid veröffentlicht worden. Es ist weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich, daß hierbei ein ordnungsgemäßes Verfahren, wie es etwa in § 20 Abs. 1 des Gesetzes über Volksbegehren und Volksentscheid i.V.m. der Durchführungsverordnung vom 15. Mai 1952 zu § 20 Abs. 1 geregelt ist, nicht eingehalten worden wäre. Die Reduzierung der Abstimmungslokale gegenüber den Bundes- und Landtagswahlen ist solange unbedenklich, wie angesichts der räumlichen Zuordnung zum Wohnsitz und der Öffnungszeiten ausreichend Gelegenheit zur Stimmabgabe war. Die von den Klägern insoweit dargelegten Bedenken sind nicht substantiiert. Zunächst ist zu berücksichtigen, daß das Stimmlokal im Bezirk x, das mit 2.200 m Luftlinie die weiteste Entfernung zum Wohnsitz eines Wahlberechtigten aufweist, mangels geeigneter Alternativen auch bei anderen Wahlen benutzt wird. Außerdem fand der Bürgerentscheid an einem Sonntag statt, an dem die Stimmlokale - wie üblich - von 8 - 18 Uhr geöffnet waren, was genügend Zeit auch zur Überbrückung einer etwas größeren Entfernung bot. Schließlich waren wegen der Reduzierung der Stimmlokale an den üblichen Wahllokalen Hinweise auf das nächst gelegene Abstimmungslokal angebracht.

Die - in der mündlichen Verhandlung noch vertiefte - Rüge der Kläger, die Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, die im Vorfeld des Bürgerentscheids von der xxx betriebene Werbung für ein bestimmtes Abstimmungsverhalten zu unterbinden oder deren Behauptungen richtigzustellen, liegt neben der Sache. Auch wenn die Initiatoren des Bürgerbegehrens kein parteipolitisches Anliegen verfolgt haben sollten, ist es aber gerade die in Art. 21 Abs. 1 GG verankerte Aufgabe der Parteien, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken; § 1 Abs. 2 ParteiG führt hierzu näher aus, daß sie an der Willensbildung auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens mitwirken, indem sie insbesondere auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung Einfluß nehmen. Das der Beklagten angesonnene Verhalten hätte gegen diese Prinzipien verstoßen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.