OLG Köln, Urteil vom 05.10.1999 - 15 U 98/99
Fundstelle
openJur 2011, 78957
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 7 O 331/97
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 11. März 1999 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bonn- 7 O 331/97- wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist zwar zulässig. In der Sache bleibt dem Rechtsmittel jedoch der Erfolg versagt.

Der Klägerin steht der zwischen den Parteien noch im Streit befindliche Anspruch auf Widerruf der in dem Artikel "Die zweite Krise der Mathiopoulos " in der Juli- Ausgabe 1997 des "p.magazins" enthaltenen Äußerung, die Klägerin "lasse sich selbst von ihren Mitarbeitern mit ihrem Professorentitel ansprechen", nicht zu, weil es sich hierbei nicht um eine unwahre Tatsachenbehauptung handelt; vielmehr entspricht diese Behauptung bei richtigem Verständnis ihres Aussagegehalts schon nach dem Vorbringen der Klägerin jedenfalls in ihrem Kern den Tatsachen und ist deshalb von dem Recht der Beklagten auf freie Berichterstattung gedeckt.

Welcher Aussagegehalt einer in einem Druckbeitrag veröffentlichten Äußerung zukommt, bestimmt sich nach dem allgemeinen Sprachverständnis und den Erkenntnismöglichkeiten eines unbefangenen Durchschnittslesers, und zwar unter Berücksichtigung der Gesamtdarstellung. Wie der Verfasser selbst die Äußerung verstanden wissen wollte, ist ebensowenig von Belang wie die Frage, ob mit der Äußerung eine Beeinträchtigung bezweckt war. Sind mehrere Deutungen möglich, kann eine Äußerung im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit nur dann untersagt werden, wenn die sich im Rahmen des Zulässigen haltende Auslegung zweifelsfrei ausscheidet (BVerfG NJW 1977, 626; BGH NJW 1977, 799/798; BGH NJW 1979, 1041; BGH NJW 1992, 1312, 1313).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist die jetzt im Rahmen des Widerrufsbegehrens der Klägerin allein noch umstrittene Passage aus dem eingangs genannten Artikel des "p.magazin" nicht zu beanstanden.

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die - auf ihre frühere Tätigkeit als Bankdirektorin der Nord- LB bezogene- Äußerung nicht zum Inhalt, dass die Klägerin ihre Mitarbeiter aufgefordert oder in sonstiger Weise ausdrücklich dazu veranlasst habe, sie mit ihrem Professorentitel anzureden, sondern es wird damit lediglich behauptet, dass die Klägerin von Mitarbeitern ihrer Abteilung mit diesem Titel angesprochen und dies von ihr auch gerne gesehen werde. Das Verb "lassen" hat nach allgemeinem Sprachgebrauch zwar zum einen die Bedeutung von "veranlassen"; es wird aber ebenso dazu benutzt, um zum Ausdruck zu bringen, dass etwas "hingenommen" oder "gerne gesehen" werde. Lediglich mit diesem letztgenannten Wortsinn ist nach Auffassung des Senats die Behauptung, die Klägerin lasse sich selbst von ihren Mitarbeitern mit ihrem Professorentitel ansprechen, vom Verständnis eines Durchschnittslesers her mit Rücksicht darauf zu verstehen, dass der Klägerin in dem gesamten Artikel - und ebenso in dem weiteren in der Juli- Ausgabe des "p.magazins" enthaltenen Beitrag "Mathiopoulos adieu"- nichts nachgesagt wird, woraus sich ein Hinweis darauf ergeben würde, dass sie ihre Anrede mit dem Professorentitel gegenüber ihren Mitarbeitern in irgendeiner Form mit Nachdruck betrieben haben könnte.

Mit diesem Aussagegehalt stellt die Äußerung jedoch keine unwahre Tatsachenbehauptung dar. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin von einigen ihrer Mitarbeiter nach ihrer Ernennung zur Honorarprofessorin mit dem Professorentitel angeredet wurde. Nach der glaubhaften Aussage der Zeugin S.-G. haben sogar viele Mitarbeiter diese Anrede verwendet (Bl. 72 d. A.). Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, enthält die Äußerung nicht etwa die Behauptung, dass alle Mitarbeiter die Klägerin mit ihrem Professorentitel angeredet hätten. Das eigene Vorbringen der Klägerin gibt auch zu erkennen, dass sie die Anrede mit dem Professorentitel gerne sah. In ihrem Schriftsatz vom 10. November 1997 hat die Klägerin vorgetragen, dass sie nach ihrer Ernennung zur Honorarprofessorin ihren Mitarbeitern gesagt habe, mit der Anrede könne es jeder so halten, wie er es wolle (Bl. 51 d.A). Nach Auffassung des Senats legte eine solche Auskunft der Klägerin jedenfalls nachgeordneten Mitarbeitern nahe, die Klägerin mit ihrem Professorentitel anzureden. In wohl allen hierarchisch strukturierten Institutionen ist es nach wie vor weitgehend üblich, Vorgesetzte mit ihrem akademischen Titel anzusprechen, sofern diese nicht ausdrücklich gegenüber ihren Mitarbeitern auf diese Anrede verzichten. Eine Auskunft, jeder könne es mit der Anrede der Klägerin so halten wie er wolle, beinhaltete einen solchen Verzicht nicht, sondern veranlasste jeden einzelnen Mitarbeiter konkludent dazu, vor seiner Entscheidung über die Anrede der Klägerin zu überlegen, ob es wohl angebracht sei, dass gerade er sich über bewährte Umgangsformen hinwegsetzte. Vor allem in der Rangordnung deutlich unterhalb der Klägerin stehenden Mitarbeitern wie aber auch solchen, die um das Wohlwollen der Klägerin besonders bemüht waren, wird es auf diese Weise ratsamer erschienen sein, die Klägerin mit ihrem Professorentitel anzureden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Klägerin der Professorentitel geraume Zeit nach Beginn ihrer Tätigkeit bei der Nord- LB verliehen wurde und die Honorarprofessur mit ihrem dortigen Dienstverhältnis in keinem Zusammenhang stand. Die Tatsache, dass die Ernennung der Klägerin und die sich hieraus ergebenden Konsequenzen im Hinblick auf ihre Anrede in ihrer Abteilung zu einem Thema gemacht wurden, war geeignet, den Mitarbeitern den Eindruck zu vermitteln, dass die Klägerin durchaus auf ihren Titel Wert legte.

Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Klägerin an ihre Mitarbeiter die Aufforderung gerichtet oder sie sonstwie ausdrücklich veranlasst hat, sie mit dem Professorentitel anzureden, kam es nach allem nicht an, so dass die Aufklärungsrüge der Klägerin nicht durchgreift. Ebensowenig bedurfte es einer Vertiefung, ob sich die Klägerin bereits in der Zeit, als der Zeuge S. sein Praktikum in ihrer Abteilung absolvierte, also noch vor ihrer Ernennung zur Honorarprofessorin, als "Frau Professorin" hatte anreden lassen, wie die Beklagten, gestützt auf dessen erstinstanzliche Aussage, behaupten. Dieser Streitpunkt ist für die Entscheidung nicht relevant, weil die von der Klägerin beanstandete Äußerung eine Behauptung des Inhalts, dass die Klägerin den Professorentitel unberechtigt geführt habe, nicht enthält und dies deshalb auch nicht Streitgegenstand ist.

Auch die gemischte Kostenentscheidung des Landgerichts hält den Berufungsangriffen stand. Mit Rücksicht darauf, dass auch der Unterlassungsanspruch der Klägerin in Bezug auf die Behauptung, die Klägerin lasse sich von ihren Mitarbeitern mit ihrem Professorentitel ansprechen, aus den oben dargelegten Gründen als unbegründet hätte abgewiesen werden müssen, wenn die Parteien nicht das gesamte Unterlassungsbegehren der Klägerin übereinstimmend für erledigt erklärt hätten, entsprach es billigem Ermessen, der Klägerin die auf diesen Teil des Unterlassungsbegehrens entfallenden Kosten- deren Quote das Landgericht zutreffend berechnet hat- aufzuerlegen.

Die Berufung der Klägerin war nach allem mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 22. September 1999 hat keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung gegeben.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Wert des Berufungsverfahrens:

15.000,- DM

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