VG Köln, Urteil vom 30.03.2011 - 10 K 6829/10
Fundstelle
openJur 2011, 76826
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der 1968 in Polen geborene und dort wohnhafte Kläger beantragte unter dem 31.03.2005 bei der Beklagten die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises. Er leitete seine deutsche Staatsangehörigkeit von seinem Vater ab, dem am 05.07.1930 in Grätz (Grodzisk), Polen, geborenen P. K. . Dieser wurde zusammen mit seinem Vater, dem Großvater des Klägers, dem 1897 in Krone, Kreis Bromberg, geborenen X. K. , von der Zweigstelle der Deutschen Volksliste beim Landrat des Landkreises Bromberg am 13.11.1942 in die Abteilung 3 der Deutschen Volksliste eingetragen. Der Kläger gab an, die Familie seines Großvaters habe von 1940 bis 1945 in Falkenburg, Kreis Bromberg, gewohnt, wo sein Großvater im Gemeindeamt gearbeitet habe.

Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Heimatortskartei Westpreußen mit Schreiben vom 13.03.2007 mit, dass für den Vater und die Großeltern väterlicherseits des Klägers keine Aufzeichnungen hätten festgestellt werden können. Den von der Heimatortskartei als Zeitzeugen benannten Herrn O. befragte die Beklagte schriftlich. Er gab lediglich an, die Großeltern des Klägers gekannt zu haben. Ermittlungen zu weiteren benannten Zeitzeugen blieben ergebnislos.

Mit Bescheid vom 23.12.2009 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, ein heute noch wirksamer Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit auf der Grundlage der Deutschen Volksliste setze voraus, dass die maßgebliche Bezugsperson deutsche Volkszugehörige gewesen sei. Dies könne für den hier maßgeblichen Großvater väterlicherseits des Klägers nicht festgestellt werden. Ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum sei weder durch die Eintragung in Abteilung 3 der Deutschen Volksliste noch durch Zeugen noch durch das Schulzeugnis des Vaters nachgewiesen.

Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch legte der Kläger eine schriftliche Erklärung von Herrn O. vom 03.08.2010 vor. Dieser gab darin an, er sei 1924 geboren. In seiner Jugendzeit sei X. K. in der polnischen Gemeindeverwaltung in Falkenburg tätig gewesen. Sein Vater habe sehr viel Kontakt zu Herrn K. gehabt, da er kein Polnisch gekonnt habe und sich mit Herrn K. auf Deutsch habe unterhalten können. Herr K. habe seinem Vater oft bei den verschiedensten Problemen geholfen. Herr K. sei zunächst in der polnischen und dann von 1939 bis 1945 auch in der deutschen Verwaltung tätig gewesen. Er erinnere sich, dass sein Vater sich über die Möglichkeit eines solchen unmittelbaren Wechsels gewundert habe. Herr K. sei aus seiner Sicht eindeutig als Deutscher anzusehen gewesen. Er habe Deutsch gesprochen und sich auch als Deutscher geriert. Daraufhin befragte die Beklagte Herrn O. nochmals schriftlich. Herr O. gab hier an, der Vater und die Großeltern des Klägers seien als Angehörige des deutschen Volkes angesehen worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.10.2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Sie führte aus, auch durch die weiteren Erklärungen von Herrn O. habe ein Bekenntnis des Großvaters des Klägers zum deutschen Volkstum nicht belegt werden können. Herr O. habe hierzu keine konkreten Angaben machen können.

Mit seiner hiergegen erhobenen Klage trägt der Kläger vor, dass sein Großvater nach seiner Tätigkeit in der polnischen Verwaltung in die deutsche Verwaltung übernommen worden sei. Hieraus könne nur gefolgert werden, dass er sich eher der deutschen Seite zugehörig gefühlt habe. Auch sei in seiner Familie damals offensichtlich Deutsch als Muttersprache gesprochen worden, wie unter anderem aus den damaligen Schreiben seiner Großmutter wie auch den Schulzeugnissen hervorgehe. Seine Vorfahren, darunter sein Vater, seien in einer im Bromberger Staatsarchiv befindlichen Liste der Deutschen Bürger im Gemeindegebiet Bromberg 1946-1947 im Rahmen einer Volkszählung aufgeführt. Sein Großvater habe seinerzeit nicht gezählt werden können, da er sich in Kriegsgefangenschaft befunden habe.

Der Kläger beantragt die Beiziehung dieser Dokumente aus dem Bromberger Staatsarchiv durch das Gericht zum Beweis der Tatsache, dass seine Vorfahren Deutsche Bürger gewesen seien.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesverwaltungsamtes vom 23.12.2009 und seines Widerspruchsbescheids vom 04.10.2010 zu verpflichten, ihm einen deutschen Staatsangehörigkeitsausweis auszustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide.

Vor Rückübertragung auf die Kammer hat die Einzelrichterin Herrn O. in der mündlichen Verhandlung vom 31.01.2011 als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht konnte im Einverständnis der Beteiligten ohne (weitere) mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger ist durch die Weigerung der Beklagten, ihm einen Staatsangehörigkeitsausweis nach § 30 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) auszustellen, nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Kläger kann von der Beklagten nicht die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises verlangen.

Das Bundesverwaltungsamt der Beklagten ist die für die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises hier weiterhin zuständige Staatsangehörigkeitsbehörde gemäß § 5 des Gesetzes über die Errichtung des Bundesverwaltungsamtes in der Fassung durch Artikel 12 des Gesetzes über die weitere Bereinigung von Bundesrecht vom 08.12.2010 (BGBl I S. 1864). Danach ist das Bundesverwaltungsamt für Staatsangehörigkeitsangelegenheiten einer Person zuständig, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, was vorliegend beim Kläger der Fall ist.

Der Kläger hat aber nicht nachweisen können, dass er deutscher Staatsangehöriger ist. Er hat die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt nach § 4 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 13.07.1913 (RGBl. I S. 583 - RuStAG -) in der seinerzeit geltenden Fassung von seinem Vater erworben. Es lässt sich nicht feststellen, dass dieser zum Zeitpunkt der Geburt des Klägers deutscher Staatsangehöriger war.

Der Vater des Klägers hat die deutsche Staatsangehörigkeit nicht seinerseits durch Geburt von seinem Vater, dem Großvater des Klägers, erworben. Denn der Großvater väterlicherseits des Klägers war zur Zeit der Geburt des Vaters des Klägers im Jahr 1930 jedenfalls nicht mehr deutscher Staatsangehöriger. Eine mögliche durch Geburt erworbene deutsche Reichsangehörigkeit hat der Großvater gemäß Art. 91 Abs. 1 Versailler Vertrag in Verbindung mit dem deutschpolnischen Abkommen (Wiener Abkommen) vom 30.08.1924 (RGBl. 1925 II S.33) mit Wirkung vom 10.01.1920 verloren. Nach diesen Bestimmungen erwarben die deutschen Reichsangehörigen, die am Tage des Übergangs der Staatshoheit ihren Wohnsitz im an Polen übergegangenen Gebiet hatten - hierzu gehörte auch Krone a.d. Brahe im Kreis Bromberg/ Westpreußen, wo nach Angaben des Klägers sein Großvater damals noch wohnte - von Rechts wegen die polnische Staatsangehörigkeit unter Verlust der deutschen. Einer Erklärung der Betroffenen insoweit bedurfte es nicht; darauf, ob sie die polnische Staatsangehörigkeit erwerben wollten, kam es ebenfalls nicht an.

Der Vater des Klägers hat die deutsche Staatsangehörigkeit auch nicht aufgrund seiner Eintragung in die Abteilung 3 der Deutschen Volksliste im Jahr 1942 noch heute wirksam erworben. Nach der inzwischen aufgehobenen Regelung in § 1 Abs. 1 d) des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 22.02.1955 - (BGBl. I S. 65) - 1. StAngRegG - in Verbindung mit der Verordnung über die Deutsche Volksliste und die Deutsche Staatsangehörigkeit in den eingegliederten Ostgebieten vom 04.03.1941 (RGBl. I S. 118) i.d.F. vom 31.01.1942 (RGBl. I S. 51) - nachfolgend: Volkslistenverordnung - sind die deutschen Volkszugehörigen, denen die deutsche Staatsangehörigkeit aufgrund der Volkslistenverordnung verliehen worden ist, deutsche Staatsangehörige geworden, es sei denn, dass sie die deutsche Staatsangehörigkeit durch ausdrückliche Erklärung ausgeschlagen haben oder noch ausschlagen.

Zwar ist dieses Gesetz durch Art. 2 des Gesetzes über die weitere Bereinigung von Bundesrecht vom 08.12.2010 (BGBl I S. 1864) zum 15.12.2010 aufgehoben worden (s. hier Art. 112). Es ist aber weiterhin anwendbar für die Frage, ob die im 2. Weltkrieg erfolgte Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit durch die in § 1 Abs. 1 1. StAngRegG genannten Sammeleinbürgerungen wirksam ist. Dies folgt aus Sinn und Zweck des genannten Aufhebungsgesetzes wie auch des Staatsangehörigkeitsregelungsgesetzes und dessen Entstehungsgeschichte.

Das Gesetz über die weitere Bereinigung von Bundesrecht enthält keine Regelung über eine rückwirkende Aufhebung. In der Begründung des Entwurfs dieses Gesetzes ist im Allgemeinen Teil ausgeführt: "Für alle vorgeschlagenen Änderungen gilt uneingeschränkt, was bereits den bisherigen Rechtsbereinigungsgesetzen zugrunde lag, nämlich dass keine Aufhebung eine rückwirkende Rechtsfolgenveränderung bezweckt, sondern alle Aufhebungen nur mit Wirkung für die Zukunft erfolgen sollen, was dazu führt, dass bewirkte Rechtsfolgen unangetastet bleiben." Zu Artikel 2 heißt es: "Soweit dies für das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich ist, bleiben die Maßgaben des Gesetzes zu deren Erwerb und Verlust auch nach seiner Aufhebung zu beachten."

BT-Drs. 17/2279 vom 23.06.2010, S. 28 und S. 29.

Die weitere Anwendung des Staatsangehörigkeitsregelungsgesetzes in diesen Fällen steht auch mit Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte des Staatsangehörigkeitsregelungsgesetzes vom 22.02.1955 selbst im Einklang. Die Rechtsgültigkeit der Verleihungen der deutschen Staatsangehörigkeit durch Sammeleinbürgerungen, die im Zusammenhang mit der völkerrechtswidrigen und unwirksamen Annexionen durch das Deutsche Reich standen, war nach dem Krieg umstritten.

Vgl. Schätzel, Das Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 22.2.1952, StAZ 1955, S. 73.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschied mit Beschluss vom 28.05.1952 über die Verfassungsbeschwerde eines ehemals tschechoslowakischen Staatsangehörigen deutscher Volkszugehörigkeit, der sich als kollektiv eingebürgerter Deutscher gegen seine Auslieferung zur Wehr setzte,

- 1 BvR 213/51- , BVerfGE 1, 322.

Das Bundesverfassungsgericht führte dort aus: "Aus der Unwirksamkeit der Annexionen durch das Deutsche Reich seit dem 01.01.1938 kann aufgrund der gesamten Umstände nicht die Folgerung gezogen werden, dass alle mit den Annexionen zusammenhängenden Zwangsverleihungen deutscher Staatsangehörigkeit als nichtig zu betrachten sind" (S. 329f). Weiter führte es aus, diese seien vielmehr dann als unwirksam zu betrachten, "soweit die betreffenden Personen von den Staaten, deren Gebiet annektiert wurde, als ihre Staatsangehörigen in Anspruch genommen werden...Ist dies nicht der Fall, dann besteht auch nach deutschem Recht jedenfalls kein Anlass, die betreffenden Personen als Nicht-Deutsche dann zu betrachten, wenn der zwangsweise Eingebürgerte seit dem Zusammenbruch im Jahre 1945 ständig den Willen bekundet hat, als deutscher Staatsangehöriger behandelt zu werden. Durch diese Berücksichtigung des Willens des Betroffenen ist zugleich auch eine völkerrechtlich unangreifbare Basis für die Anerkennung der deutschen Staatsangehörigkeit aller zwangseingebürgerter Personen deutscher Volkszugehörigkeit geschaffen." (S. 331).

Diese rechtliche Würdigung der Sammeleinbürgerungen durch das Bundesverfassungsgericht sollte durch das Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit allgemeinverbindliche Kraft erhalten; die diesbezüglich bestehenden Zweifelsfragen sollten geklärt werden. Der Wille des Einzelnen kam durch ein befristetes Ausschlagungsrecht zur Geltung.

Vgl. Begründung der Bundesregierung zu § 1 Abs. 1, BT-Drs. 2/44, S. 7.

Mit der Regelung in § 1 Abs. 1 1. StAngRegG hatte der Gesetzgeber entschieden, in welchen Fällen allgemein davon ausgegangen werden kann, dass eine weitere Inanspruchnahme der Betroffenen durch den früheren Heimatstaat nicht vorliegt, auf eine diesbezügliche Einzelprüfung kommt es nicht an. Hiergegen bestehen auch angesichts des vorgesehenen Ausschlagungsrechts weder staats- noch völkerrechtliche Bedenken.

Vgl. Makarov/ v.Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, Stand August 1993, § 1 StARegG, Rn 11f, mit weiteren Nachweisen (m.w.N.).

Für den Fall der fehlenden Ausschlagung wurde durch § 1 Abs. 1 1. StAngRegG deklaratorisch die Wirksamkeit der genannten Sammeleinbürgerungen deutscher Volkzugehöriger im Nachhinein festgestellt, nicht jedoch nachträglich verliehen.

Vgl. Schätzel aaO, S. 73; Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht (GK)- Marx, § 1 StARegG, Rn 21, 36; Hailbronner/ Renner/ Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, StAngRegG, Rn 5.

Die Aufhebung dieser Vorschrift zum 15.12.2010 kann auch daher keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des seinerzeitigen Staatsangehörigkeitserwerbs haben.

Die weitere Anwendung des § 1 Abs. 1 1. StAngRegG in den Fällen vorliegender Art ist auch im Hinblick auf Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG geboten. Nach dieser Vorschrift darf die deutsche Staatsangehörigkeit nicht entzogen werden. Eine unzulässige Entziehung der Staatsangehörigkeit ist danach eine Verlustzufügung, die die Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit beeinträchtigt und die der Betroffene nicht oder nicht auf zumutbare Weise beeinflussen kann,

vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 24.05.2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24, 44; Bonner Kommentar - Kämmerer, Art. 16 Rn 49; beide m.w.N.; Hailbronner aaO, Art. 16, Rn 42.

Dies wäre der Fall, wenn die Aufhebung des § 1 Abs. 1 1. StAngRegG dahin gehend verstanden würde, dass der bislang unter den dortigen Voraussetzungen als wirksam angesehene Erwerb der Staatsangehörigkeit nunmehr mit Aufhebung des Gesetzes als nicht mehr wirksam angesehen werden könnte. Mit der weiteren Anwendung der Norm auf diese in der Vergangenheit verwirklichten Tatbestände wird zudem nicht etwa an sich nicht mehr gültiges Recht auf einen erst nach Außerkrafttreten der Norm eingetretenen Sachverhalt angewandt, sondern auf die Vergangenheit abgestellt,

vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) zur Anwendung des aufgehobenen Art. 3 RuStAÄndG 1974, Beschluss vom 30.11.2009 - 12 A 554/09-.

Nach § 1 Abs. 1 d) 1. StAngRegG sind die deutschen Volkszugehörigen, denen die deutsche Staatsangehörigkeit aufgrund der Volkslistenverordnung verliehen worden ist, nach Maßgabe der genannten Bestimmung und fehlender Ausschlagung deutsche Staatsangehörige geworden. Die Volkslistenverordnung wurde in den Gebieten Polens angewandt, die während des Zweiten Weltkriegs in das damalige Deutsche Reich eingegliedert waren. Ein Teil der dort lebenden Bevölkerung erwarb unter gewissen Voraussetzungen die deutsche Staatsangehörigkeit, was u.a. davon abhing, in welche Abteilung der Betreffende einzugruppieren war. Die Personen, die die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Abteilungen 1 und 2 erfüllten, erwarben ohne Rücksicht auf den Tag der Aufnahme mit Wirkung vom 26.10.1939 die deutsche Staatsangehörigkeit. Die in die Abteilung 3 aufgenommenen Personen - wie der Großvater und der Vater des Klägers - erwarben mit der Eintragung die deutsche Staatsangehörigkeit auf Widerruf. Gemäß § 28 1. StAngRegG stand die deutsche Staatsangehörigkeit auf Widerruf der deutschen Staatsangehörigkeit gleich, soweit nicht bis zum 08.05.1945 vom Widerrufsrecht Gebrauch gemacht wurde - was vorliegend ersichtlich nicht erfolgte -. Mit dieser Vorschrift wird lediglich deklaratorisch bestätigt, dass ein Widerruf seit der Kapitulation nicht mehr zulässig ist;

Vgl. GK-Marx, § 28 Rn 2.

Auch diese Vorschrift ist in Verbindung mit § 1 Abs. 1 1. StAngRegG im Rahmen der Prüfung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit aufgrund von Sammeleinbürgerungen entsprechend der voranstehenden Ausführungen weiterhin anwendbar. Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit auf Widerruf findet danach jedoch nur dann Anerkennung, wenn die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit aufgrund der genannten Bestimmungen an deutsche Volkszugehörige erfolgt ist, wobei der Begriff der deutschen Volkszugehörigkeit hier identisch ist mit § 6 des Bundesvertriebenengesetzes i.d.F. des Gesetzes zur Regelung des Aufnahmeverfahrens für Aussiedler vom 28.06.1990 (BGBl. I S. 1247) - BVFG,

vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 27.08.1997 - 9 B 312.97 -, Dok-BerA 1997, 369.

Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass der Vater des Klägers deutscher Volkszugehöriger war. Gemäß § 6 BVFG ist deutscher Volkszugehöriger, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung und Kultur bestätigt wird. Dabei muss dieses Bekenntnis bis zum Beginn der allgemeinen gegen die deutsche Bevölkerung gerichteten Vertreibungsmaßnahmen abgelegt worden sein,

vgl. BVerwG, Urteil vom 10.11.1976 - 8 C 92.75 -, Buchholz 412.3 Nr. 17 zu § 1 BVFG.

Das Gesetz verlangt danach zum einen den Nachweis eines Bekenntnisses zum deutschen Volkstum als einer national geprägten Kulturgemeinschaft, zum anderen daneben die Bestätigung dieses Bekenntnisses durch objektive Merkmale, wie sie in § 6 BVFG beispielhaft aufgezählt sind. Beide Anerkennungsvoraussetzungen müssen grundsätzlich nebeneinander vorliegen. Allerdings können Bestätigungsmerkmale Indizwirkung für das Bekenntnis haben. In Vielvölkerstaaten ist die deutsche Volkszugehörigkeit dann zu vermuten, wenn die objektiven Bestätigungsmerkmale hinreichend für ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum sprechen,

vgl. BVerwG, Urteil vom 15.07.1986 - 9 C 9.86 -, Buchholz 412.3 Nr. 46 zu § 6 BVFG.

Da der Vater des Klägers bei Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen gerade 14 Jahre alt und damit noch nicht selbst bekenntnisfähig war, kommt es auf die volkstumsmäßige Bekenntnislage innerhalb seiner Familie zu diesem Zeitpunkt an. Er ist danach Volksdeutscher, wenn beide Eltern oder zumindest der die familiäre Bekenntnislage prägende Elternteil - dies war in maßgebenden Zeit in der Regel der Vater - dem deutschen Volkstum angehörten,

vgl. BVerwG, Urteil vom 08.11.1994 - 9 C 599.93 -, juris.

Es gibt weder hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Großeltern väterlicherseits, insbesondere der Großvater väterlicherseits des Klägers, ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum abgelegt haben, noch lassen objektive Bestätigungsmerkmale den Schluss auf ein solches Bekenntnis zu. Die Ermittlungen des Bundesverwaltungsamts haben insoweit zu keinem Ergebnis geführt. Auch der Kläger konnte keine Nachweise vorlegen, die sich zum Beleg eines Volkstumsbekenntnisses eignen.

In einer Eintragung in die Abteilung 3 der Volksliste kann ein Volkstumsbekenntnis nicht gesehen werden. Angesichts der in den genannten Verordnungen als Voraussetzung für die Eintragung in die Abteilung 3 der Deutschen Volksliste normierten Umstände (danach war Abteilung 3 vorgesehen "für deutschstämmige Personen, die im Laufe der Jahre Bindungen zum Polentum eingegangen sind, nach deren Verhalten aber die Voraussetzung gegeben erschien, dass sie wieder ,vollwertige Mitglieder der deutschen Volksgemeinschaft' würden") und der Verhältnisse, die bei Anlegung der Deutschen Volksliste in deren Anwendungsgebieten geherrscht haben (es wurde zum Teil erheblicher Druck ausgeübt, einen Aufnahmeantrag zu stellen, und die Volkslistenaufnahme prägte die Lebensbedingungen der Bevölkerung, etwa was den Lebensmittelbezug anbelangte, entscheidend), kann allein die Tatsache der Eintragung in diese Abteilung der Deutschen Volksliste nicht als Bekenntnis zum deutschen Volkstum, d.h. als Erklärung, nur dem deutschen Volkstum und keinem anderen anzugehören, gewertet werden,

vgl. BVerwG, Urteil vom 16.02.1993 - 9 C 25.92 -, NJW 1993, 2129; Beschluss vom 19.04.1994 - 9 B 8.94 - und 03.06.1994 - 9 B 39.94 -.

Es sind auch keine konkreten Umstände dargetan, aus denen sich ergeben könnte, dass der Großvater des Klägers sich als ausschließlich dem deutschen Volkstum angehörig angesehen sowie sich entsprechend dieser Einstellung nach außen erkennbar verhalten hätte und deshalb von seiner Umgebung als Volksdeutscher angesehen worden wäre.

Aus den Angaben des Zeugen O. kann dies nicht geschlossen werden. Die pauschale und hierfür allein nicht hinreichende Angabe im Rahmen seiner schriftlichen Befragung, der Großvater des Klägers sei als Angehöriger des deutschen Volkes angesehen worden, hat der Zeuge O. in der mündlichen Verhandlung nicht bestätigt. Vielmehr hat er angegeben, nicht zu wissen, ob der Großvater so angesehen worden sei; an anderer Stelle in seiner Vernehmung als Zeuge hat er ihn ausdrücklich als "Polen" bezeichnet.

Ein solcher Umstand ist auch nicht die Tätigkeit des Großvaters des Klägers als Verwaltungsangestellter im Gemeindeamt. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass diese Anstellung in der Verwaltung ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum voraussetzte.

Auch mit der Eintragung insbesondere der Großmutter und des Vaters des Klägers in der vom Kläger benannten Liste der Deutschen Bürger im Gemeindegebiet Bromberg 1946-1947 im Rahmen einer Volkszählung ist kein auf eine Zugehörigkeit des Großvaters bzw. der Großeltern des Klägers zum deutschen Volkstum führender Umstand dargetan. Die Aufführung der Vorfahren des Klägers auf dieser Liste kann als wahr unterstellt werden ebenso wie der Umstand, dass die polnischen Stellen die Vorfahren des Klägers im Zeitraum 1946-1947 als "Deutsche Bürger" ansahen. Dies ist rechtlich unerheblich. Denn die Einstufung der Vorfahren des Klägers als deutsche Bürger durch polnische Stellen nach dem Krieg lässt keinen hinreichend sicheren Schluss auf ein Bekenntnis des Großvaters oder auch der Großmutter des Klägers zum deutschen Volkstum vor Beginn der Vertreibungsmaßnahmen zu. Es ist nicht dargetan und auch nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage und unter welchen Voraussetzungen diese Liste seinerzeit erstellt wurde; möglicherweise war die Eintragung in die Deutsche Volksliste, Abteilung 3, der betreffenden Vorfahren der Grund für die polnischen Stellen, sie in ihre genannte Liste aufzunehmen. Dem Antrag des Klägers auf Beiziehung dieser Dokumente aus dem Bromberger Staatsarchiv ist daher nicht stattzugeben - unabhängig von den sich ergebenden rechtlichen Schwierigkeiten einer solchen Beiziehung und der offensichtlichen mangelnden Bindung des Bromberger Staatsarchivs an § 99 Abs. 1 VwGO.

Es lässt sich auch nicht feststellen, dass der Großvater des Klägers im maßgeblichen Zeitraum durch den Gebrauch der deutschen Sprache seine Zugehörigkeit zum deutschen Volkstum zu erkennen gegeben hat. Dies würde voraussetzen, dass es sich bei der deutschen Sprache um die Muttersprache oder im entscheidenden Zeitpunkt um die bevorzugte Umgangssprache gehandelt hat,

vgl. BVerwG, Urteil vom 12.11.1996 - 9 C 8.96 -, NVwZ-RR 1997, 361.

Dies ist nicht nachgewiesen. Zwar ist schon aufgrund der Tätigkeit des Großvaters des Klägers zunächst in der polnischen und dann in der deutschen Verwaltung davon auszugehen, dass der Großvater des Klägers sowohl Deutsch als auch Polnisch gesprochen hat. Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich aber weder aus dem Brief seiner Großmutter vom 13.11.1944 an die Zweigstelle der Deutschen Volksliste in Bromberg noch aus den deutschen Schulzeugnissen, dass die deutsche Sprache in seiner Familie die Muttersprache oder die bevorzugte Umgangssprache gewesen wäre. Mit dem an die deutsche Stelle gerichteten Schreiben bat die Großmutter um Ausstellung eines Volkslistenausweises. Dem Zweck entsprechend war das Schreiben in der als Amtssprache verwandten deutschen Sprache abgefasst; weitere verlässliche Rückschlüsse können hieraus nicht gezogen werden. Ebenso wenig kann aus dem Umstand, dass die deutsche Volksschule dem Vater des Klägers am 15.07.1943 ein in deutscher Sprache abgefasstes Zeugnis erteilt hat, auf das Sprachverhalten der Familie geschlossen werden. Auch die Aussage des Zeugen O. in der mündlichen Verhandlung belegt nicht, dass Deutsch die Muttersprache oder die bevorzugte Umgangssprache des Großvaters des Klägers gewesen wäre. Aus der Aussage ergibt sich nur, dass der Großvater des Klägers im Rahmen seiner Tätigkeit im Gemeindeamt die deutsche Sprache, die aber insoweit auch Amtssprache war, benutzt hat. Zu dem Sprachverhalten des Großvaters des Klägers außerhalb seiner beruflichen Tätigkeit konnte der Zeuge mangels außerberuflicher Kontakte keine Angaben machen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.