VG Düsseldorf, Beschluss vom 17.05.2010 - 27 L 143/10
Fundstelle
openJur 2011, 73576
  • Rkr:

Die DENIC eG kann zur Einschränkung des Zugangs zu Internetinhalten nicht als Störerin (im Sinne des Gefahrenabwehrrechts) in Anspruch genommen werden, wenn sie die Haftungsprivilegierungen des § 8 TMG erfüllt. Eine Inanspruchnahme als Nichtstörerin nach den Grundsätzen des Polizei- und Ordnungsrechts ist jedoch - wenn die weitergehenden Voraussetzungen einer solchen Verantwortlichkeit gegeben sind - möglich.

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage 27 K 458/10 gegen die Zif-fern 1 - 3 der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 15. Januar 2010 wird angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 5.100,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag,

die aufschiebende Wirkung der Klage 27 K 458/10 gegen die Ziffern 1 - 4 der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 15. Januar 2010 anzuordnen,

hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

I. Soweit die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Gebührenfestsetzung in Ziffer 4 der Ordnungsverfügung vom 15. Januar 2010 begehrt wird, ist der Antrag unzulässig. Die Antragstellerin hat vor Anrufung des Gerichts weder das nach § 80 Abs. 6 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erforderliche "Vorverfahren" durchgeführt noch sind die Ausnahmetatbestände des § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO gegeben. Zwar hat die Antragstellerin einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gegenüber der Antragsgegnerin am 21. Januar 2010 gestellt. Dieser ist jedoch durch die Antragsgegnerin unbeschieden geblieben. Einer der Ausnahmetatbestände des § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO ist nicht erfüllt. Es droht weder eine Vollstreckung (§ 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO) noch hat die Antragsgegnerin über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden (§ 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO). Abzustellen ist insoweit auf den Zeitpunkt des Eingangs des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO am 22. Januar 2010. Unabhängig davon, welche Zeitspanne als angemessene Frist im Sinne des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO anzusehen ist, traf die Antragstellerin am 22. Januar 2010 unzweifelhaft noch keine Pflicht zur Bescheidung des Aussetzungsantrags vom 21. Januar 2010. An der Auffassung, dass ein zum Zeitpunkt des Eingangs des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen mangelnder Durchführung eines "Vorverfahrens" im Sinne des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO unzulässiger Antrag nachträglich zulässig werden kann, wenn sich im Laufe des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO die Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO erfüllen, hält die Kammer nicht fest. Die Tatbestände des § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO stellen Ausnahmen von § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO dar und teilen aus diesem Grund den Rechtscharakter der Regelung als Zugangsvoraussetzung.

Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 30. November 2009 - 14 B 581/09 -; Schoch, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Loseblattwerk (Stand: November 2009), § 80 Rdnr. 350.

Eine davon abweichende Einordnung des Tatbestandes § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO würde die Voraussetzung des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO aushöhlen, bestünde doch die Möglichkeit, unmittelbar vor der Antragstellung nach § 80 Abs. 5 VwGO einen Antrag auf Aussetzung gegenüber der Behörde zu stellen und darauf zu setzen, in die Zulässigkeit "hineinzuwachsen". Dies würde dem von § 80 Abs. 6 VwGO verfolgten Sinn und Zweck, der Entlastung der Gerichte, zuwiderlaufen.

II. Im Übrigen ist der Antrag zulässig und begründet.

Die im Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Interessenabwägung fällt zu Gunsten der Antragstellerin aus. Das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage 27 K 458/10 überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 - 3 der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 15. Januar 2010. Die Regelungen in den Ziffern 1 - 3 der Ordnungsverfügung vom 15. Januar 2010,

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2. die Maßnahme zu 1. ist innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieses Bescheides umzusetzen.

3. für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Ziffer 2 wird hiermit ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro (zehntausend Euro) angedroht.",

erweisen sich nach der im Aussetzungsverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als rechtswidrig.

1. Dies gilt zunächst in Hinsicht auf die Regelung in Ziffer 1 der Ordnungsverfügung vom 15. Januar 2010. Ihre Rechtswidrigkeit folgt zwar weder aus den Bindungswirkungen der vorausgegangen Beschlüsse der Kammer und des OVG NRW (a) noch aus einer Verletzung der Verbandskompetenz (b). Die Antragstellerin dürfte jedoch nicht als Störerin in Anspruch genommen werden können (c) und eine Ermessenreduzierung zu Gunsten einer Inanspruchnahme als Nichtstörerin ist nicht gegeben (d).

a) Eine Rechtswidrigkeit der Regelung ergibt sich nicht aus einem (von der Antragstellerin angenommenen) Verstoß der Ordnungsverfügung gegen die Bindungswirkung der Beschlüsse der Kammer vom 18. Mai 2009 - 27 L 9/09 - (NRWE = Juris) und des OVG NRW vom 21. Dezember 2009 - 13 B 725/09 - (NRWE = Juris).

Dies gilt unabhängig davon, ob die Bindungswirkung eines Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aufhebung und den Neuerlass eines im Wesentlichen gleichen Verwaltungsaktes hindert,

OVG Bremen, Beschluss vom 14. März 1991 - 1 B 14/91 -, NVwZ 1991, 1194; Schoch, in: Schoch /Schmidt-Aßmann / Pietzner, a. a. O., § 80 Rdnr. 361; Puttler, in: Sodan / Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Auflage (2006), § 80 Rdnr. 171,

oder die Sachherrschaft der Behörde nur in Hinsicht auf die wiederholte Anordnung des Sofortvollzugs eingeschränkt wird,

Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. März 1991 - 5 S 323/91 -, NVwZ 1991, 1000; Schmidt, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Auflage (2006), § 80 Rdnr. 98,

da die Regelung in Ziffer 1 der Ordnungsverfügung vom 15. Januar 2010 nicht den gleichen Inhalt wie die Regelung in Ziffer 1 der Ordnungsverfügung vom 18. Dezember 2008 hat. Letztere war auf ein Handeln gerichtet. Hingegen wird der Antragstellerin durch Ziffer 1 der hier streitbefangenen Ordnungsverfügung ein Unterlassen aufgegeben. Obgleich sie in der Umsetzung gleiches Verhalten erfordern mögen, haben Handlungs- und Unterlassungsverpflichtungen im Rechtssinn - wie sich an der Vollstreckungsregelung des § 60 Abs. 3 Satz 2 Hs. 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) NRW oder § 63 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 VwVG NRW zeigt - nicht den gleichen Inhalt. Der Umstand, dass die Erfüllung der Unterlassungsverpflichtung ein Handeln erforderlich machen kann, hat auf den Charakter der Regelung als Unterlassungsgebot keinen Einfluss. Wie sie der Unterlassungsanordnung nachkommt, ist der Antragstellerin überlassen. Zwar mag dies ausschließlich durch eine Dekonnektierung der Domain "Q.de" möglich sein. Maßgeblich zur Abgrenzung des Unterlassungsgebotes von einer Handlungsverpflichtung ist jedoch, dass die Regelung in Ziffer 1 der Ordnungsverfügung vom 15. Januar 2010 keine Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung umfasst, welche im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchgesetzt werden kann.

b) Ebenso wenig dürfte sich eine Rechtswidrigkeit der Regelung aus einer Überschreitung der Verbandskompetenz des Landes Nordrhein-Westfalen ergeben.

Nach der Rechtsprechung des OVG NRW ist eine hoheitliche Verfügung, die dem Adressaten in ihrem Entscheidungssatz eine Maßnahme auferlegt, die sich auf einen in einem anderen Land befindlichen Gegenstand bezieht und die deshalb nur in diesem Land umgesetzt werden kann, wegen Verstoßes gegen die Verbandskompetenz rechtswidrig, wenn nicht das betreffende andere Land oder das Bundesrecht dies gestattet.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Dezember 2009 - 13 B 725/09 -, a. a. O., Beschluss vom 28. Dezember 2009 - 13 B 903/09 -, NRWE, Beschluss vom 26. Januar 2010 - 13 B 760/09 -, DVBl. 2010, 442.

Dies ist hier nicht der Fall. Durch die Regelung in Ziffer 1 der Ordnungsverfügung vom 15. Januar 2010 wird der Antragstellerin - wie ausgeführt - ein Unterlassen aufgegeben. Das Unterlassungsgebot ist auf das Gebiet des Landes Nordrhein-Westfalen beschränkt. Zwar findet sich in Ziffer 1 der Ordnungsverfügung vom 15. Januar 2010 keine solche Beschränkung. Dies dürfte jedoch ein offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 42 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) NRW und überdies nach der Rechtsprechung des OVG NRW,

vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. November 2009 - 13 B 959/09 -, 5. November 2009 - 13 B 892/09 - und 30. Oktober 2009 - 13 B 736/09 - (NRWE),

ohne Auswirkung auf den Regelungsgehalt sein, da sich aus der Begründung der Ordnungsverfügung offensichtlich ergibt, dass sich die Untersagung ausschließlich auf das Gebiet des Landes Nordrhein-Westfalen erstrecken soll.

Im Unterschied zu der Regelung in Ziffer 1 der Ordnungsverfügung vom 18. Dezember 2008 wird der Antragstellerin durch die Beschränkung auf ein Unterlassungsgebot in dem Entscheidungssatz der Regelung in Ziffer 1 der Ordnungsverfügung vom 15. Januar 2010 keine Maßnahme auferlegt, die sich auf einen in einem anderen Land befindlichen Gegenstand bezieht und die deshalb nur in diesem Land umgesetzt werden kann. In gleicher Weise wie in Hinsicht auf die Bindungswirkung der Beschlüsse der Kammer vom 18. Mai 2009 - 27 L 9/09 - und des OVG NRW vom 21. Dezember 2009 - 13 B 725/09 - ist es ohne Auswirkung auf die Verbandskompetenz, dass das Unterlassungsgebot (möglicherweise) ausschließlich durch eine Handlung erfüllt und diese Handlung (möglichweise) nicht in Nordrhein-Westfalen vorgenommen werden kann. Zudem ist es auf die Verbandskompetenz ohne Einfluss, dass sich die Wirkungen der zur Erfüllung des Unterlassungsgebots erforderlichen Handlung nicht auf das Gebiet des Landes Nordrhein-Westfalen beschränken lassen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Januar 2010 - 13 B 760/09 -, a. a. O.

Entsprechendes hat das OVG NRW im Ergebnis in Hinsicht auf Internetwerbeverbote angenommen, welche im Kern ausschließlich durch ein Löschen der Werbeinhalte erfüllt werden können, was sich (in der Regel) zwangsläufig auf die Abrufbarkeit (zumindest) im Bundesgebiet auswirkt und (in der Regel) nicht von Nordrhein-Westfalen aus veranlasst werden konnte.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 3. November 2009 - 13 B 716/09 - und 5. November 2009 - 13 B 1148/09 - (NRWE).

c) Die Rechtswidrigkeit der Regelung dürfte jedoch daraus folgen, dass die Antragstellerin nicht als Störerin in Anspruch genommen werden kann.

Der Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) trifft keine Regelungen zu den als Störer in Anspruch zu nehmenden Personen. In § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und 5 GlüStV werden Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute und Diensteanbieter im Sinne des durch das Telemediengesetz (TMG) ersetzten Teledienstgesetzes (TDG) als Adressaten von Ordnungsverfügungen nach § 9 Abs. 1 Satz 1 GlüStV genannt. Die Regelung ist jedoch weder abschließend noch differenziert sie in Hinsicht auf die Adressaten zwischen Störern und Nichtstörern. Es ist vielmehr mangels Spezialregelung auf die allgemeinen Grundsätze des Polizei- und Ordnungsrechts zurückzugreifen.

Im Gegensatz zu der von der Antragsgegnerin zur Begründung einer Störereigenschaft der Antragstellerin in der Ordnungsverfügung vom 15. Januar 2010 herangezogenen Störerhaftung im Zivil- und Wettbewerbsrecht, welcher die Rechtsfigur des Nichtstörers unbekannt ist und welche im Kern jegliche Mitverursachung erfasst,

vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 18. Oktober 2001 - I ZR 22/99 -, GRUR 2002, 618; Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart, Urteil vom 1. August 2002 - 2 U 47/01 -, NJW-RR 2003, 1273; Hanseatisches OLG, Urteil vom 4. November 1999 - 3 U 274/98 -, MMR 2000, 92; Billmeier, in: Manssen, Telekommunikations- und Multimediarecht, Loseblattwerk (Stand: Dezember 2009), D § 7 Rdnr. 147 ff., m. w. N.,

ist die Zurechnung im Polizei- und Ordnungsrecht nach der in Rechtsprechung und Schrifttum herrschenden Theorie der unmittelbaren Verursachung auf Ursachen zu begrenzen, welche unmittelbar die Gefahr oder Störung setzen und so die Gefahrengrenze überschreiten.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Januar 1985 - 4 B 1434/84 -, NVwZ 1985, 355 m. w. N.; Bundesverwaltungsgereicht (BVerwG), Beschluss vom 22. Dezember 1980 - 4 B 192/80 -, Juris ; Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. November 2008 - 8 A 10933/08 -, NVwZ-RR 2009, 280; Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, 9. Auflage (1986), S. 313; Denninger, in: Lisken / Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Auflage (2007), E Rdnr. 77, m. w. N.

Für die Bewertung, wann die Gefahrengrenze überschritten wird, sind im Anwendungsbereich des Telemediengesetzes die Haftungsgrundsätze und Haftungsprivilegien der §§ 7 - 10 TMG heranzuziehen.

Die Antragstellerin dürfte als Registrierungsstelle in Negativabgrenzung zu Telekommunikationsdiensten und Rundfunk Telemediendienste im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG erbringen sowie durch die Zuordnung der Domainnamen zu der zugehörigen IP-Adresse in Bezug auf die Top-Level-Domain ".de" (im weiteren Sinne) den Zugang zur Nutzung von Telemedien vermitteln und damit Diensteanbieter im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG sein.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Januar 2010 - 13 B 760/09 -, a. a. O., Spindler, MMR 2000, 279, in Bezug auf die in der Funktion im Kern vergleichbare Tätigkeit eines Registrars und Domain-Name-Server-Providers.

Selbst wenn indes eine unmittelbare Anwendung des Telemediengesetztes auf die Antragstellerin abgelehnt wird, dürften jedenfalls die Wertungen der §§ 7 - 10 TMG heranzuziehen sein für die Abgrenzung, ob und wann die Antragstellerin durch die Nameserverdienste und Registrierungsdatenbankdienste die Gefahrengrenze überschreitet und nach den Grundsätzen des Polizei- und Ordnungsrechts Störerin ist.

Diensteanbieter sind nach § 7 Abs. 1 TMG für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich. In Hinsicht auf fremde Informationen ist im Telemediengesetz jedoch eine Haftungsprivilegierung vorgesehen. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG sind Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 - 10 TMG nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Spezifische Haftungsprivilegierungen ergeben sich in Abhängigkeit von der Funktion des Diensteanbieters aus den §§ 8 - 10 TMG. Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 TMG bleiben Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen jedoch auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 - 10 TMG unberührt.

Die Antragstellerin dürfte aufgrund ihrer Tätigkeit als Zugangsvermittler im Sinne des § 8 TMG (Zugangsvermittler) anzusehen sein, nicht hingegen als Diensteanbieter im Sinne des § 10 TMG (Inhalteanbieter). Ein Diensteanbieter im Sinne des § 10 TMG speichert Informationen im Auftrag eines Nutzers, er stellt dem Inhaber der Informationen Speicherkapazität zur Verfügung. Ein Diensteanbieter im Sinne des § 8 TMG übermittelt demgegenüber fremde Informationen in einem Kommunikationsnetz oder vermittelt den Zugang zur Nutzung zu solchen. Die Antragstellerin vermittelt (im weiteren Sinne) durch die Zuordnung von Domainnamen zu den zugehörigen IP-Adressen den Zugang zu der Nutzung von Dritten auf Servern vorgehaltene Informationen.

Vgl. Spindler, in: Spindler / Schmitz / Geis, TDG, 1. Auflage (2004), § 9 TDG Rdnr. 18, in Bezug auf die in der Funktion im Kern vergleichbare Tätigkeit von Domain-Name-Server-Provider.

Sie erbringt im Kern als Registrierungsstelle die Nameserverdienste und Registrierungsdatenbankdienste in Bezug auf die Top-Level-Domain ".de". Der von der Antragstellerin zur Verfügung gestellte Nameserverdienst gewährleistet die Zuordnung von Domainnamen zu den zugehörigen IP-Adressen des Rechners, von welchem die vom Nutzer durch Eingabe des Domainnamens aufgerufenen Inhalte abzurufen sind. Im Kern speichert die Antragstellerin die zur Zuordnung erforderlichen Daten auf mehreren Nameservern an verschiedenen Orten auf der Welt und ermöglicht den Zugriff auf die Daten durch die Nutzer. Ergänzend hält sie in einer Datenbank zu Informationszwecken Domain- und Kontaktdaten vor und ermöglicht einen Zugang zu diesen Daten (Whois). Sie vermittelt sonach (im weiteren Sinne) den Zugang zu von Dritten auf Servern vorgehaltenen Informationen. Gespeicherte Information hält sie zwar in Gestalt der Domain- und Kontaktdaten vor. Diese Informationen haben jedoch inhaltlich keinen Bezug zu den hier relevanten Verboten des Glückspielstaatsvertrages. Sie sind glücksspielrechtlich "neutral". Die Antragstellerin speichert hingegen keine Informationen der Internet P Entertainment (Sports) Limited und sonach keine Glücksspielinhalte. Dies mag abweichend - wie im Beschluss des OVG NRW vom 26. Januar 2010 (13 B 760/09) - in Bezug auf Registrare zu bewerten sein, welche in der Regel zugleich Hostproviderdienste erbringen und in einer unmittelbaren Vertragsbeziehung zu dem Glücksspielveranstalter als Inhalteanbieter stehen. Es kann überdies davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin in keiner unmittelbaren Vertragsbeziehung zu der Internet P Entertainment (Sports) Limited steht. Administrativer Ansprechpartner und Zonenverwalter in Bezug auf die Domain "paradisepoker.de" ist ausweislich der Whois-Auskunft der Antragstellerin die Registrarin NetNames Limited.

Da die Antragstellerin als Diensteanbieter im Sinne des § 8 TMG einzuordnen sein dürfte, dürfte sie als solche für die durch Aufruf der Domain "Q.de" zu erreichenden Inhalte der Internet P Entertainment (Sports) Limited nicht verantwortlich sein. Diensteanbieter im Sinne des § 8 TMG sind für fremde Informationen nicht verantwortlich, sofern sie die Übermittlung nicht veranlasst, den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben. § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG findet keine Anwendung, wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 TMG).

Diese Haftungsausschlussvoraussetzungen dürfte die Antragstellerin erfüllen. Weder veranlasst sie die Übermittlung der Glücksspielinhalte noch wählt sie diese oder den Adressaten aus. Zudem kann offenkundig ein Zusammenwirken der Antragstellerin und einem Nutzer im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG ausgeschlossen werden.

Der Umstand, dass die Antragstellerin Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Inhalte der Internet P Entertainment (Sports) Limited hat, ist im Anwendungsbereich des § 8 TMG - wie die Ausgestaltung der Haftungsregelungen des § 8 TMG im Vergleich zu den Haftungsregelungen des § 10 TMG zeigt - ohne Relevanz.

Vgl. Spindler, in: Spindler / Schmitz / Geis, a. a. O., § 9 TDG Rdnr. 6.

Wäre die Antragstellerin hingegen als Diensteanbieter im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 TMG anzusehen, träfe sie eine Verantwortlichkeit in Hinsicht auf die Glücksspielinhalte, da nach dieser Vorschrift eine Haftungsprivilegierung nur die Diensteanbieter genießen, die keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben und welchen im Falle von Schadensersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird oder die unverzüglich tätig geworden sind, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt haben. Die Antragstellerin hatte zumindest nach Erlass der von der Antragsgegnerin gegen sie gerichteten (zwischenzeitlich wieder aufgehobenen) Ordnungsverfügung vom 18. Dezember 2008 Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Inhalte der Internet P Entertainment (Sports) Limited.

d) Es verbleibt die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Antragstellerin als Nichtstörerin. Eine Heranziehung als Nichtstörer ist nach § 7 Abs. 2 Satz 2 TMG im Rückgriff auf das Recht der Gefahrenabwehr möglich.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Januar 2010 - 13 B 760/09 -, a. a. O.

Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin jedoch nicht als Nichtstörerin - sondern als Störerin - in Anspruch genommen und das Ermessen der Antragsgegnerin zu Gunsten einer Inanspruchnahme der Antragstellerin als Nichtstörerin ist auch nicht auf Null reduziert.

Die Antragsgegnerin hat nicht geprüft, ob die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Antragstellerin als Nichtstörerin vorgelegen haben. Nichtstörer können nach § 19 Abs. 1 OBG NRW nur in Anspruch genommen werden, wenn eine gegenwärtige erhebliche Gefahr abzuwehren ist, Maßnahmen gegen die nach den §§ 17 - 18 OBG NRW Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen, die Ordnungsbehörde die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig selbst oder durch Beauftragte abwehren kann und die Personen ohne erhebliche eigene Gefährdung und ohne Verletzung höherwertiger Pflichten in Anspruch genommen werden können.

Zwar dürfte die Grundvoraussetzung der mangelnden Möglichkeit der Gefahrabwehr durch ein Vorgehen gegen den Störer gegeben sein. Der Ordnungsverfügung vom 15. Januar 2010 lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass die Antragsgegnerin die Inanspruchnahme der Antragstellerin als Nichtstörerin überhaupt in Betracht gezogen hat.

Zugleich dürfte von keiner Ermessensreduzierung auf Null auszugehen sein. Ausnahmsweise ist eine solche anzunehmen, wenn eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für ein besonders bedeutsames Rechtsgut besteht, die ausschließlich durch die Inanspruchnahme des Nichtstörers umgehend beseitigt werden kann.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2003 - 8 B 2567/02 -,NJW 2003, 2183, Beschluss vom 26. Januar 2010 - 13 B 760/09 -, a. a. O.

Durch das Glücksspiel im Internet ist jedoch - wie das OVG NRW im Beschluss vom 26. Januar 2010 (13 B 760/09) ausgeführt hat - nicht ein derart bedeutsames Rechtsgut betroffen, dass die Antragsgegnerin von vornherein von der Pflicht der (fehlerfreien) Ermessensausübung beim Einschreiten gegen die Antragstellerin als Nichtstörerin entbunden wäre.

2. Aus der Rechtswidrigkeit der Anordnung in Ziffer 1 folgt zugleich die Rechtswidrigkeit der Regelung in Ziffer 2 der Ordnungsverfügung vom 15. Januar 2010.

3. Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 der Ordnungsverfügung stellt sich als rechtswidrig dar, da es nach Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen die Ziffern 1 - 2 der Ordnungsverfügung vom 15. Januar 2010 gerichteten Klage mit dem vorliegenden Beschluss an einem sofort vollziehbaren Grundverwaltungsakt mangelt.

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Der Teil, zu dem die Antragstellerin unterlegen ist, stellt sich im Verhältnis zu dem gesamten Streitgegenstand als geringfügig dar.

IV. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 39 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Sie ist an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (NVwZ 2004, 1327 = DVBl. 2004, 1525) orientiert. Hinsichtlich des in der Ordnungsverfügung vom 15. Januar 2010 ausgesprochenen Verbots der Domainregistrierung ist im Hauptsacheverfahren von dem Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG (5.000,00 Euro) auszugehen. Da die Höhe des zugleich angedrohten Zwangsgeldes höher als dieser Wert ist, ist der höhere Wert von 10.000,00 Euro festzusetzen (Ziffer 1.6.2 Satz 2 Streitwertkatalog 2004). In Hinsicht auf die angegriffene Gebührenfestsetzung ergibt sich im Hauptsacheverfahren nach § 52 Abs. 3 GKG ein weiter zu berücksichtigender Wert von 400,00 Euro.

Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sind die Werte in Anwendung von Ziffer 1.5 Satz 1 Streitwertkatalog 2004 in Hinsicht auf die Gebührenfestsetzung zu ¼ und im Übrigen zu ½ anzusetzen. Die sich ergebenden Werte von 5.000,00 Euro und 100,00 Euro sind nach § 39 Abs. 1 GKG und Ziffer 1.1.1 Streitwertkatalog 2004 zu addieren.