VG Düsseldorf, Beschluss vom 29.07.2010 - 22 K 5087/09
Fundstelle
openJur 2011, 73412
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt I aus E wird abgelehnt.

Gründe

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, § 166 VwGO, § 114 ZPO.

Die am 5. August 2009 erhobene Klage mit dem sinngemäßen Antrag,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 24. Februar 2009 zu verpflichten, den Antrag des Klägers, ihm zusätzlich zu der ihm bereits erteilten Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen zu erteilen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden,

ist zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts zulässig, aber unbegründet.

Die Klage ist zulässig, und zwar nach § 75 VwGO, falls das Schreiben des Beklagten vom 24. Februar 2009 nicht als Versagungsbescheid ausgelegt wird, andernfalls gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Ferner wird hier zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis vorliegt,

was zweifelhaft erscheint, vgl. insoweit OVG NRW, Urteil vom 28. Juni 2000 1 A 1462/96.A (juris) im Falle einer Klage auf Verpflichtung zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG (jetzt § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG), wenn der klagende Ausländer im Besitz einer befristeten Aufenthaltserlaubnis ist.

Die Klage ist jedenfalls unbegründet. Der Kläger wird durch das Unterlassen der Bescheidung seines Antrages vom 14. Februar 2009 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen zusätzlich zu der ihm am 8. Dezember 2008 mit Gültigkeit bis zum 7. Dezember 2011 erteilten Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG bzw. durch Ablehnung dieses Antrages nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 5 VwGO. Der Beklagte kann weder zu einer Entscheidung über eine Erweiterung der dem Kläger aus humanitären Gründen erteilten Aufenthaltserlaubnis um einen familiären Aufenthaltszweck verpflichtet werden (I.) noch zu einer Entscheidung über die Erteilung einer weiteren Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen zusätzlich zu der dem Kläger aus humanitären Gründen erteilten Aufenthaltserlaubnis (II.).

I. Der Beklagte ist nicht befugt, die dem Kläger erteilte Aufenthaltserlaubnis in der Weise zu erweitern, dass diese zusätzlich zu dem bisherigen humanitären Aufenthaltszweck zugleich auf einen familiären Aufenthaltszweck gestützt ist. Denn ein Aufenthaltstitel wird nach der gesetzlichen Konzeption des Aufenthaltsgesetzes immer nur für einen bestimmten Aufenthaltszweck erteilt. Das in §§ 7 und 8 AufenthG verankerte Trennungsprinzip zwischen den in den Abschnitten 3 bis 7 näher beschriebenen Aufenthaltszwecken impliziert, dass Ansprüche jeweils nur aus den Rechtsgrundlagen abgeleitet werden können, die der Gesetzgeber für die spezifischen vom Ausländer verfolgten Aufenthaltszwecke geschaffen hat.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September.2007 1 C 43.06 , juris.

Wird ein Aufenthaltstitel erteilt, so steht er in untrennbarem Zusammenhang mit dem spezifischen Aufenthaltszweck. Verdeutlicht wird dies insbesondere durch § 7 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Danach ist die Aufenthaltserlaubnis unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszweckes zu befristen. Wollte ein Ausländer einen Aufenthaltstitel aus mehreren gleichzeitig verfolgten Aufenthaltszwecken ableiten, so müssten ihm wegen der Untrennbarkeit von Aufenthaltstitel und Aufenthaltszweck mehrere Aufenthaltstitel nebeneinander, das heißt für einen identischen oder jedenfalls überschneidenden Gültigkeitszeitraum erteilt werden.

Im Ergebnis ebenso: VG Stuttgart, Urteil vom 8. August 2008 9 K 627/08 , juris.

II. Der Kläger hat zudem weder einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen zusätzlich zu der ihm bereits erteilten Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen noch steht die Erteilung einer solchen zusätzlichen Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen im Ermessen des Beklagten.

Ungeachtet der Frage, ob die Erteilung mehrerer Aufenthaltstitel nebeneinander überhaupt praktisch umsetzbar wäre,

dies unterstellend: Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 7 AufenthG Rdn. 11; ferner mit Hinweis auf die Möglichkeit der Eintragung mehrerer Rechtsgrundlagen in den Vordruck für den Aufenthaltstitel nach § 59 Abs. 3 AufenthV: HK-AuslR/Müller, § 7 Rdn. 6; ähnlich: HK-AuslR/Hofmann § 101 Rdn. 3,

oder wegen der eventuell unterschiedlichen Befristung der Aufenthaltstitel zu unlösbaren Problemen führen dürfte,

so VG Stuttgart, Urteil vom 8. August 2008 9 K 627/08 , juris; Fehrenbacher, HTK-AuslR / § 7 / zu Abs. 1 09/2009 Nr. 2,

ist die Erteilung mehrerer Aufenthaltstitel nebeneinander im Gesetz jedenfalls nicht vorgesehen.

Vgl. Fehrenbacher, HTK-AuslR / § 7 / zu Abs. 1 09/2009 Nr. 2.

Dies folgt aus dem in § 4 Abs. 1 und 2 AufenthG normierten Regelungsgehalt eines Aufenthaltstitels. Danach begründet ein Aufenthaltstitel das Recht zur Einreise und zum Aufenthalt im Bundesgebiet und regelt die Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Ist diese Rechtsposition wie im Falle des Klägers durch Erteilung eines Aufenthaltstitels für einen bestimmten Zeitraum geklärt, besteht für eine weitere den gleichen Zeitraum betreffende Regelung kein Raum. Eine Bestimmung über die in § 4 Abs. 1 und 2 AufenthG genannten Rechtspositionen könnte der Kläger nur für einen Zeitraum beanspruchen, für den sein Aufenthalt in Deutschland noch nicht legalisiert ist, also für die Zeit nach Ablauf der Gültigkeit seiner derzeitigen Aufenthaltserlaubnis bzw. an deren Stelle. Ein solches Begehren verfolgt der Kläger aber ausdrücklich nicht. Vielmehr strebt er eine weitere befristete Aufenthaltserlaubnis neben der ihm bereits Erteilten an, also für einen jedenfalls überschneidenden Gültigkeitszeitraum.

Auch aus der Tatsache, dass die ausländerrechtliche Stellung des Klägers in Zukunft davon abhängen mag, ob er zu dem dann maßgeblichen Zeitpunkt im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären oder familiären Gründen ist (z.B. §§ 26 Abs. 3 und 4, 31 AufenthG) sowie aus den von der Rechtsgrundlage der erteilten Aufenthaltserlaubnis und damit vom Aufenthaltszweck abhängigen Stellung eines Ausländers auf dem Arbeitsmarkt und im Sozialrecht (Zugang zum Arbeitsmarkt, Anspruch auf staatliche Leistungen) folgt nichts anderes. Es handelt sich hierbei nicht um Rechtsfolgen, die gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AufenthG Regelungsgehalt eines Aufenthaltstitels sind, sondern um mittelbare Wirkungen der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Diese weitergehende Rechtsstellung beruht auf der jeweiligen Rechtsvorschrift, in der der Gesetzgeber nach dem Rechtsgrund eines zuvor erteilten Aufenthaltstitels differenziert. Ein Ausländer, der mehrere Aufenthaltszwecke verfolgt,

was keineswegs ungewöhnlich ist, z.B. neben familiären Gründen im Sinne der §§ 27 ff AufenthG zugleich Studien- oder Ausbildungszwecke im Sinne der §§ 16 f AufenthG bzw. den Zweck der Erwerbstätigkeit nach §§ 18 ff AufenthG oder wie hier neben familiären auch humanitäre Aufenthaltsgründe,

hat es in der Hand, durch seinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels den für ihn maßgeblichen Aufenthaltszweck zu bestimmen und damit zugleich Einfluss auf die mittelbar aus der Erteilung eines bestimmten Aufenthaltstitels folgende Rechtsposition Einfluss zu nehmen. Es liefe sowohl dem im Aufenthaltsgesetz verankerten Trennungsprinzip als auch dem Willen des Gesetzgebers, Aufenthaltsverfestigung, Zweckwechsel, Arbeitsmarktzugang sowie Ansprüche im Sozialrecht nach dem Aufenthaltszweck differenziert zu regeln, zuwider, die Erteilung mehrerer Aufenthaltstitel nebeneinander zu ermöglichen. Hierdurch würde die vom Gesetzgeber vorgesehene Differenzierung ausgehebelt, indem ein Ausländer sich (aus der Auswahl der ihm erteilten Aufenthaltstitel) nach Art einer "Rosinentheorie" auf den ihm im jeweiligen Zusammenhang Günstigsten berufen könnte, ohne damit verbundene Einschränkungen in Kauf nehmen zu müssen. Eine solche vorweggenommene Meistbegünstigung ist auch nicht aus Rechtsschutzgründen geboten. Sieht ein Ausländer sich durch die Vorenthaltung einer Rechtsposition wegen der gesetzlichen Differenzierung nach dem Aufenthaltszweck in seinen Rechten verletzt, stehen dem Betreffenden Rechtsschutzmöglichkeiten offen in einem auf die Einräumung der konkreten Rechtsposition gerichteten Rechtsstreit. In diesem kann geklärt werden, ob die Differenzierung im betreffenden Einzelfall Rechte des Ausländers verletzt, etwa weil dieser neben dem der Aufenthaltserlaubnis zu Grunde liegenden Aufenthaltszweck weitere Aufenthaltszwecke verfolgte und gerade keine Möglichkeit der Erteilung mehrerer Aufenthaltstitel nebeneinander besteht.