LAG Düsseldorf, Beschluss vom 14.12.2010 - 17 TaBV 12/10
Fundstelle
openJur 2011, 72958
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 4 BV 40/09

Verstöße des Betriebsrats gegen die Verpflichtungen gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG begründen keinen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat (entsprechende Anwendung der Grundsätze der Entscheidung des BAG , Beschluss vom 17.03.2010 - 7 ABR 95/08 - AP Nr. 12 zu § 74 BetrVG 1972).

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Wesel - Gerichtstag Moers - vom 02.12.2009 - Aktenzeichen: - 4 BV 40/09 - teilweise abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass der Betriebsrat zu folgenden Handlungen nicht berechtigt war:

a) Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 131 (Anlage AS 1 zur Antragsschrift ) im Betrieb, d.h. die Mitteilung an die Belegschaft über die Durchführung einer Urabstimmung bei c.* oder Mitteilung, der Betriebsrat könne bei Fragen und Informationsbedarf zum Thema Urabstimmung angesprochen werden;

b) Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 136 (Anlage AS III zur Antragsschrift) im Betrieb, d.h. Danksagung an die Belegschaft wegen deren Unterstützung des ver.di Streiks.

2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird für die Antragstellerin und den Betriebsrat zugelassen.

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten über Unterlassungsansprüche und die Feststellung der Rechtswidrigkeit von Erklärungen des Betriebsrats.

Die Antragstellerin (im Folgenden: Arbeitgeberin) beschäftigt in der Zentrale in T. ca. 690 Mitarbeiter, von denen ca. 200 im Bereich der Logistik beschäftigt sind. Der Beteiligte zu 2. ist der bei der Arbeitgeberin bestehende Betriebsrat. Die Beteiligten zu 3.-15. sind die Mitglieder des Betriebsrats.

Mit Schreiben vom 30.03.2009 kündigte die Arbeitgeberin die Betriebsvereinbarung Nr. 124 "Leistungsbezogener Umsatzgruppenprämie" mit Wirkung zum 30.06.2009. Der von der Arbeitgeberin erstrebte Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung über eine Leistungsprämie im Bereich Logistik wurde mit dem Betriebsrat streitig verhandelt und inzwischen eine neue Betriebsvereinbarung abgeschlossen.

Die Arbeitgeberin ist tarifgebundenes Mitglied des Arbeitgeberverbandes Großhandel-Außenhandel-Dienstleistungen Niederrhein e.V. Krefeld. Die Tarifvertragsparteien des Groß- und Außenhandels befanden sich 2009 in einem Arbeitskampf über den Abschluss eines neuen Entgelttarifvertrages für das Verbandsgebiet. Vom 09.-11.07.2009 wurde die Arbeitgeberin als einziger Betrieb im gesamten Tarifgebiet bestreikt.

Im Rundbrief "BR-Aktuell Nr. 131" vom 17.06.2009 (Bl. 340 d.A.), der am Folgetag an diversen Stellen im Betrieb T. öffentlich ausgehängt und per E-Mail an Mitarbeiter des Betriebes versandt wurde, berichtete der Betriebsrat über die bevorstehende Urabstimmung der Gewerkschaft ver.di vom 26.06.2009 und beendete das Schreiben mit:

"P.S.: Solltet Ihr noch Fragen und Informationsbedarf haben, ruft uns einfach an. Vieles lässt sich so schnell klären".

Per E-Mail vom 29.06.2009 10.57 Uhr (Bl. 344 d.A.) berichtete der Betriebsrat allen Belegschaftsmitglieder über das Ergebnis der gewerkschaftlichen Urabstimmung und wies darauf hin, dass

"auf der heutigen Betriebsversammlung auch ein Vertreter von ver.di einen Part übernehmen wird und es möglicherweise hierzu weitere Informationen geben könnte."

Im Rundbrief "BR-Aktuell Nr. 136" vom 14.07.2009 (Bl. 347 ff d.A.) ) schrieb der Betriebsrat u.a:

"Zunächst einmal möchten wir Euch im Namen der Gewerkschaft ver.di über die rege Teilnahme am Streik und der daraus resultierenden Unterstützung bei den Tarifverhandlungen in der vergangenen Woche danken.

Nach Rücksprache mit unserem ver.di Betreuungssekretär N. Q. können wir Euch folgende aktuelle Fakten liefern...

………….

………….

Allerdings konnte eine so rege Teilnahme, sowohl bei der Urabstimmung als auch bei der eigentlichen Streikaktionen, nur erzielt werden, weil die Geschäftsführung es in den letzten Wochen durch ihre Verhandlungsstrategie geschafft hat, die betroffenen Kollegen so zu demotivieren und in die Ecke zu treiben, dass den betroffenen Kollegen keine andere Möglichkeit blieb, sich selbst zu organisieren und ihren Unmut kundzutun."

Mit Schreiben vom 15.07.2009 (Bl. 349 ff d.A,) warf die Arbeitgeberin dem Betriebsrat ein Verstoß gegen die Friedenspflicht im Zusammenhang mit dem Arbeitskampf vor und verlangte die Unterlassung solcher Maßnahmen.

Mit Schreiben vom 17.07.2009 (Bl. 352 ff d. A.) brach der Betriebsrat die Verhandlungen mit der Antragstellerin zu der Betriebsvereinbarung Nr. 124 ab.

Im Rundbrief "BR-Aktuell Nr. 137" vom 07.08. 2009 (Bl. 359 ff. d. A.) informierte der Betriebsrat die Belegschaft u.a. über das Verfahren vor dem Arbeitsgericht und die Vorwürfe der Arbeitgerberin gegen den Betriebsrat, den Streik aktiv zu unterstützen.

Am 13.08.2009 (Bl. 359 d.A.) berichtete die RP Online über die Beendigung der Arbeitskampfmaßnahmen bei der Antragstellerin, dass aber Frieden im Hause c.* nicht eingekehrt sei. Sie zitierte Herren T. von der Antragstellerin u.a. mit den Worten, "Die Geschäftsführung habe "hinsichtlich des Verhaltens des Betriebsrats und seiner Mitglieder ein gerichtliches Verfahren einleiten müssen." Wegen des weiteren Inhalts wird auf die Mitteilung Bezug genommen (Bl. 359 d. A.).

Im Rundbrief "BR-Aktuell Nr. 138" vom 18.08.2009 (Bl. 360 ff d.A.) heißt es u.a.:

"Drohungen, Gerichtsverfahren, diffamierende Presse...und was kommt als Nächstes?

...

Statt dessen wird mal eben der Betriebsrat vor Gericht gezerrt. Grund: Angeblich soll der Betriebsrat aktiv den Streik von ver.di unterstützt haben und per Gericht soll eine zukünftige Unterlassung erzwungen werden. Zum einen sieht unsere Rechtsvertretung keinen Verstoß, da wir lediglich unser Informationsrecht wahrgenommen haben…

...

Parallel dazu gibt Dr. T. Pressinformationen heraus, die keinesfalls positiv für die Marke c.* sind, sondern lediglich das Ziel hatten, den Betriebsrat in der Öffentlichkeit zu diffamieren.

….

In dem Rundbrief "BR-Aktuell" vom 01.06.2010 (Bl. 365 ff. d. A.) äußerte sich der Betriebsrat zur Einstellung des spedbo-Fuhrparks u.a.:

"Wieder soll es langjährige Mitarbeiter mit bis zu 30 Jahren Betriebszugehörigkeit treffen. Wo bleibt die soziale Verantwortung unserer Unternehmensleitung? Die Frage, wo unsere Unternehmenskultur geblieben ist, verkneifen wir uns an dieser Stelle."

In dem Rundbrief "BR-Aktuell" vom 11.06.2010 (Bl. 366 ff. d.A.) äußert sich der Betriebsrat ebenfalls kritisch zur Entscheidung über den Fuhrpark.

Mit den am 19.07.2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Anträgen begehrt die Arbeitgeberin dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern bestimmte Äußerungen und Handlungen zu untersagen, hilfsweise festzustellen, dass bestimmte Handlungen rechtswidrig sind.

Die Arbeitgeberin hat die Ansicht vertreten, dass der Betriebsrat und seine Mitglieder durch die Veröffentlichungen gegen das Arbeitskampfverbot und gegen die Friedenspflicht des § 74 BetrVG verstoßen hätten. Insofern könne von ihnen die Unterlassung solcher Äußerungen aufgegeben werden. Zumindest seien die hilfsweise gestellten Feststellungsanträge begründet. Eine Wiederholungsgefahr sei für jeden zukünftigen Arbeitskampf gegeben. Sämtlichen Betriebsratsmitgliedern seien die vorgetragenen Tatsachen bekannt und von ihnen gebilligt worden.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

1. es dem Antragsgegner zu 1) sowie den Antragsgegnern zu 2) bis 14) in ihrer jeweiligen Eigenschaft als Mitglied des Betriebsrats zu untersagen,

a) sich an Arbeitskampfmaßnahmen, die den Betrieb der Antragstellerin betreffen, zu beteiligen, solche zu unterstützen und/oder zu solchen oder der Beteiligung oder Unterstützung an solchen aufzurufen;

b) die Belegschaft der Antragstellerin - sei es mündlich oder schriftlich, per Aushang oder Email - über einen gewerkschaftlich organisierten Arbeitskampf (Streik), der den Betrieb der Antragstellerin betrifft, und/oder zum Zwecke der Vorbereitung eines solchen zu informieren;

c) gewerkschaftlich organisierte Arbeitskampfmaßnahmen durch öffentlich gemachte Äußerungen - sei es mündlich oder schriftlich, per Aushang oder Email - gegenüber der Belegschaft der Antragstellerin zu kommentieren und/oder mit betriebspolitischen oder betriebsverfassungsrechtlichen Interessen, insbesondere der Durchsetzung einer Betriebsvereinbarung, in Zusammenhang zu bringen;

2. dem Antragsgegner zu 1) sowie den Antragsgegnern zu 2) bis 14) persönlich für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen den Antrag zu 1. die Verurteilung zu einem Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 25.000,00 € anzudrohen;

3. im Falle des Obsiegens eine vollstreckbare Kurzausfertigung der Entscheidung (ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe) zu erteilen.

Hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1) und 2) beantragen wir,

4. es dem Antragsgegner zu 1) sowie den Antragsgegnern zu 2) bis 14) in ihrer jeweiligen Eigenschaft als Mitglied des Betriebsrats zu untersagen, sich an gewerkschaftlich organisierten Streiks, die das Unternehmen der Antragstellerin betreffen, aktiv zu beteiligen und/oder diese zu unterstützen, wenn dies in einer Weise geschieht wie

a) in der Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 131 (Anlage AS 1 zur Antragsschrift) im Betrieb, d.h. durch eine Mitteilung an die Belegschaft über die Durchführung einer Urabstimmung bei c.* und/oder durch Mitteilung, der Betriebsrat könne bei Fragen und Informationsbedarf zum Thema Urabstimmung angesprochen werden, und/oder

b) in der E-Mail vom 29. Juni 2009 an die Belegschaft (Anlage AS 2 zur Antragsschrift), d.h. durch eine Mitteilung, ver.di habe in einer Urabstimmung die Streikbereitschaft bei c.* abgefragt, durch Mitteilung des Abstimmungsergebnisses und/oder durch die Ankündigung, dass ein ver.di Vertreter hierzu möglicherweise auf der Betriebsversammlung weitere Informationen geben werde, und/oder

c) in der Betriebsversammlung vom 29. Juni 2009, bei der einem Vertreter der Gewerkschaft ver.di durch den Betriebsrat die Gelegenheit gegeben wurde, über die Urabstimmung bei c.* sowie geplante und unmittelbar bevorstehenden Streikmaßnahmen bei c.* zu informieren, und/oder

d) in der Betriebsversammlung vom 29. Juni 2009, bei der die Betriebsratsvorsitzende erklärt hat, der Betriebsrat werde auch künftig Streiks von ver.di unterstützen, und/oder

e) in der Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 136 (Anlage AS 3 zur Antragsschrift ) im Betrieb, d.h. durch Danksagung an die Belegschaft wegen deren Unterstützung des ver.di Streiks, durch Beurteilung der Tarifverhandlungen und/oder durch den Vorwurf an die Geschäftsführung der Antragstellerin, diese habe durch ihre Verhandlungsstrategie Kollegen in eine Lage gebracht, dass diesen keine andere Möglichkeit geblieben sei, als sich zu organisieren und ihren Unmut kundzutun;

5. es dem Antragsgegner zu 1) sowie den Antragsgegnern zu 2) bis 14) in ihrer jeweiligen Eigenschaft als Mitglied des Betriebsrats zu untersagen, den Betriebsfrieden zu stören, wenn dies in einer Weise geschieht wie

a) in der Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 131 (Anlage AS 1 zur Antragsschrift ) im Betrieb, d.h. durch eine Mitteilung an die Belegschaft über die Durchführung einer Urabstimmung bei c.* und/oder durch Mitteilung, der Betriebsrat könne bei Fragen und Informationsbedarf zum Thema Urabstimmung angesprochen werden, und/oder

b) in der E-Mail vom 29. Juni 2009 an die Belegschaft (Anlage AS 2 zur Antragsschrift), d.h. durch eine Mitteilung, ver.di habe in einer Urabstimmung die Streikbereitschaft bei c.* abgefragt, durch Mitteilung des Abstimmungsergebnisses und/oder durch die Ankündigung, dass ein Vertreter der Gewerkschaft ver.di hierzu möglicherweise auf der Betriebsversammlung weitere Informationen geben werde, und/oder

c) in der Betriebsversammlung vom 29. Juni 2009, bei der einem Vertreter der Gewerkschaft ver.di durch den Betriebsrat die Gelegenheit gegeben wurde, über die Urabstimmung bei c.* sowie geplante und unmittelbar bevorstehenden Streikmaßnahmen bei c.* zu informieren, und/oder

d) in der Betriebsversammlung vom 29. Juni 2009, bei der die Betriebsratsvorsitzende erklärt hat, der Betriebsrat werde auch künftig Streiks von ver.di unterstützen, und/oder

e) in der Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 136 (Anlage AS 3 zur Antragsschrift ) im Betrieb, d.h. durch Danksagung an die Belegschaft wegen deren Unterstützung des ver.di Streiks, durch Beurteilung der Tarifverhandlungen und/oder durch den Vorwurf, an die Geschäftsführung der Antragstellerin, diese habe durch ihre Verhandlungsstrategie Kollegen in eine Lage gebracht, dass diesen keine andere Möglichkeit geblieben sei, als sich zu organisieren und ihren Unmut kundzutun, und/oder

f) in der Veröffentlichung des Betriebsrats vom 7. August 2009 (Anlage AS 1 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 10. August 2009) und vom 18. August 2009 (Anlage AS 1 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 19. August 2009), in der der Betriebsrat gegenüber der Belegschaft über einen Reststreit mit der Antragstellerin berichtet hat, und/oder

g) in der Veröffentlichung des Betriebsrats vom 18. August 2009 (Anlage AS 1 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 19. August 2009), in der der Betriebsrat gegenüber der Belegschaft behauptet hat, dass das Verfahren das Ziel habe, den Betriebsrat in der Öffentlichkeit zu diffamieren und ihm zu schaden;

6. dem Antragsgegner zu 1) sowie den Antragsgegnern zu 2) bis 14) persönlich für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen den Antrag zu 5) und/oder 6) die Verurteilung zu einem Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 25.000,00 € anzudrohen;

7. im Falle des Obsiegens eine vollstreckbare Kurzausfertigung der Entscheidung (ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe) zu erteilen.

Wiederum hilfsweise für den Fall eines Unterliegens mit den Anträgen zu 5) und/oder 6) beantragen wir,

8. festzustellen, dass die nachfolgend bezeichneten Handlungen der Antragsgegner zu 1) und die Antragsgegner zu 2) bis 14) in ihrer jeweiligen Eigenschaft als Mitglied des Betriebsrats rechtswidrig waren:

a) Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 131 (Anlage AS 1 zur Antragsschrift ) im Betrieb, d.h. die Mitteilung an die Belegschaft über die Durchführung einer Urabstimmung bei c.* oder Mitteilung, der Betriebsrat könne bei Fragen und Informationsbedarf zum Thema Urabstimmung angesprochen werden;

b) E-Mail vom 29. Juni 2009 an die Belegschaft (Anlage AS 2 zur Antragsschrift), d.h. die Mitteilung, ver.di habe in einer Urabstimmung die Streikbereitschaft bei c.* abgefragt, die Mitteilung des Abstimmungsergebnisses und Ankündigung, dass ein ver.di Vertreter hierzu möglicherweise auf der Betriebsversammlung weitere Informationen geben werde;

c) Betriebsversammlung vom 29. Juni 2009, bei der einem Vertreter der Gewerkschaft ver.di durch den Betriebsrat die Gelegenheit gegeben wurde, über die Urabstimmung bei c.* sowie geplante und unmittelbar bevorstehenden Streikmaßnahmen bei c.* zu informieren;

d) Betriebsversammlung vom 29. Juni 2009, bei der die Betriebsratsvorsitzende erklärt hat, der Betriebsrat werde auch künftig Streiks von ver.di unterstützen;

e) Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 136 (Anlage AS 3 zur Antragsschrift ) im Betrieb, d.h. Danksagung an die Belegschaft wegen deren Unterstützung des ver.di Streiks, Beurteilung der Tarifverhandlungen, Vorwurf an die Geschäftsführung der Antragstellerin, diese habe durch ihre Verhandlungsstrategie Kollegen in eine Lage gebracht, dass diesen keine andere Möglichkeit geblieben sei, als sich zu organisieren und ihren Unmut kundzutun;

f) Veröffentlichung des Betriebsrats vom 7. August 2009 (Anlage AS 1 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 10. August 2009) und vom 18. August 2009 (Anlage AS 1 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 19. August 2009), d.h. Bericht gegenüber der Belegschaft über einen Rechtsststreit mit der Antragstellerin;

g) Veröffentlichung des Betriebsrats vom 18. August 2009 (Anlage AS 1 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 19. August 2009), d.h. Behauptung gegenüber der Belegschaft, das Verfahren habe das Ziel, den Betriebsrat in der Öffentlichkeit zu diffamieren und ihm zu schaden.

Der Betriebsrat und die weiteren Beteiligen haben beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Die Antragsgegner haben die Auffassung vertreten, dass der Antrag zu 1. als Globalantrag zu unbestimmt und daher unzulässig sei. Im Übrigen bestehe keine Wiederholungsgefahr. Für die Feststellungsanträge fehle das Rechtsschutzinteresse. Der Betriebsrat sei bereit, einen Vergleich im Hinblick auf das Neutralitätsgebot zu schließen und erkenne dies an.

Mit Beschluss vom 02.12.2009 hat das Arbeitsgericht die Anträge zurückgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antrag zu 1. unbegründet sei. Der Betriebsrat bewege sich mit der Unterrichtung der Belegschaft im Rahmen seiner Aufgabenstellung. Es gehöre die sachliche Information und Unterrichtung der Belegschaft über den Stand von Tarifverhandlungen zu den zulässigen tarifpolitischen Angelegenheiten, wie die Unterrichtung über die Durchführung einer Urabstimmung und deren Stand. Dem Betriebsrat dürfte zwar eine Verletzung der Neutralitätspflicht vorzuwerfen sein, soweit er den Arbeitnehmern im Namen der Gewerkschaft dankt. Dem Unterlassungsantrag fehle es jedoch an der erforderlichen Wiederholungsgefahr. Solche hätte zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht vorgelegen. Die Antragsgegner hätten bei ihrer Anhörung im Kammertermin glaubhaft erklärt, dass sie sich demnächst an die sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz ergebende Neutralitätspflicht halten werden. Eine Fortsetzung des gerügten Verhaltens nach dem Gütetermin am 14.08.2009 halte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat auch nicht mehr entgegen. Soweit eine Wiederholungsgefahr aus einer Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden vom 29.06.2009 hergeleitet werde, gehe dies dem gerichtlichen Termin voraus und widerlege nicht die fehlende Wiederholungsgefahr. Zudem sei der Entgelttarifvertrag im Bereich Groß- und Außenhandel Anfang November 2009 und die neue Betriebsvereinbarung über leistungsbezogenes Entgelt im Bereich Logistik für den Betrieb der Arbeitgeberin zustande gekommen, sodass die Sachverhalte abgeschlossen und weitere Unterstützungsmaßnahmen für die Zukunft nicht zu erwarten seien. Auch im Hinblick auf zukünftige Arbeitskämpfe bestehe keine Wiederholungsgefahr, da im Jahre 2010 turnusmäßig Betriebsratswahlen stattfänden. Ob bzw. wie sich der zukünftige Betriebsrat, dessen Personenidentität nicht festgestellt werden könne, verhalte, könne nicht vorausgesagt werden. Angesichts der Zurückweisung des Antrags zu 1. hätten auch die Anträge zu 2. und 3. keinen Erfolg. Der Antrag zu 4. sei ebenfalls wegen fehlender Wiederholungsgefahr unbegründet. Den Anträgen zu 6. und 7. habe nicht stattgegeben können, da sie voraussetzten, dass die Arbeitgeberin mit dem Antrag zu 5. obsiege. Dies sei nicht der Fall. Der Feststellungsantrag zu 8. sei wegen fehlendem Feststellungsinteresse unzulässig. Es gelte der Vorrang der Leistungsklage vor der Feststellungsklage. Der Feststellungsantrag sei praktisch wortgleich mit den Unterlassungsanträgen.

Gegen den der Arbeitgeberin am 28.12.2009 zugestellten Beschluss hat sie mit dem am 27.01.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese darin gleichzeitig begründet.

Die Arbeitgeberin hält die Unterlassungsanträge für zulässig. Die Anträge seien auch begründet. Dem Betriebsrat und den Betriebsratsmitgliedern seien mehrfache Verstöße gegen die parteipolitische Neutralitätspflicht und die Friedenspflicht vorzuwerfen. Der Betriebsrat habe in der Mitteilung BR- aktuell 136 nicht nur über den Stand der Tarifverhandlungen informiert sondern, sondern mit den weiteren Äußerungen den Streik unterstützt. In der E-Mail vom 26.02.2009 habe sich der Betriebsrat als Streikberater angeboten. Auch die Einberufung einer Betriebsversammlung zur Unterstützung eines Streiks sei rechtswidrig. Es sei ihm auch untersagt Arbeitskampfmaßnahmen zu kommentieren. Die Anträge könnten auch nicht wegen fehlender Wiederholungsgefahr zurückgewiesen werden. Für eine Wiederholungsgefahr bestehe bereits bei einem festgestellten Verstoß eine tatsächliche Vermutung. Verstöße habe selbst das Arbeitsgericht festgestellt. Der Betriebsrat habe es abgelehnt eine Unterlassungserklärung abzugeben. Der Betriebsrat sei auch nicht berechtigt gewesen, über das Verfahren vor dem Arbeitsgericht in der Form zu berichten, da dies mit einer Diffamierung des Arbeitgebers verbunden sei. Auch die Feststellungsanträge seien zulässig und begründet. Die Antragstellerin habe ein berechtigtes Interesse daran, dass gerichtlich die Klärung der Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Betriebsrats und seiner Mitglieder zur Wiederherstellung des Betriebsfriedens und zur Rehabilitation der Arbeitgeberin vor der Belegschaft festgestellt werde. Bei einer ablehnenden Entscheidung würde die Arbeitgeberin schutzlos gestellt. Sie müsse verhindern können, dass der Betriebsrat in Zukunft gegen seine Friedenspflicht verstoße. Der Abschluss des Tarifvertrages beseitige nicht die Wiederholungsgefahr. Außerdem habe sich der Betriebsrat unzulässigerweise im Zusammenhang mit den Umstrukturierungen des Fuhrparks an die Belegschaft gewandt. Es handele sich um eine andere Gesellschaft für deren Arbeitnehmer der Betriebsrat nicht zuständig sei.

Die Arbeitgeberin beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Wesel vom 02.12.2009 - 4 BV 40/09-

1. es dem Antragsgegner zu 1) sowie den Antragsgegnern zu 2) bis 14) in ihrer jeweiligen Eigenschaft als Mitglied des Betriebsrats zu untersagen,

a) sich an Arbeitskampfmaßnahmen, die den Betrieb der Antragstellerin betreffen, zu beteiligen, solche zu unterstützen und/oder zu solchen oder der Beteiligung oder Unterstützung an solchen aufzurufen;

b) die Belegschaft der Antragstellerin - sei es mündlich oder schriftlich, per Aushang oder Email - über einen gewerkschaftlich organisierten Arbeitskampf (Streik), der den Betrieb der Antragstellerin betrifft, und/oder zum Zwecke der Vorbereitung eines solchen zu informieren;

c) gewerkschaftlich organisierte Arbeitskampfmaßnahmen durch öffentlich gemachte Äußerungen - sei es mündlich oder schriftlich, per Aushang oder Email - gegenüber der Belegschaft der Antragstellerin zu kommentieren und/oder mit betriebspolitischen oder betriebsverfassungsrechtlichen Interessen, insbesondere der Durchsetzung einer Betriebsvereinbarung, in Zusammenhang zu bringen;

2. dem Antragsgegner zu 1) sowie den Antragsgegnern zu 2) bis 14) persönlich für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen den Antrag zu 1. die Verurteilung zu einem Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 25.000,00 € anzudrohen;

3. im Falle des Obsiegens eine vollstreckbare Kurzausfertigung der Entscheidung (ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe) zu erteilen.

Hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1.) und 2.) beantragen wir,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Wesel vom 02.12.2009 - 4 BV 40/09 -

4. es dem Antragsgegner zu 1) sowie den Antragsgegnern zu 2) bis 14) in ihrer jeweiligen Eigenschaft als Mitglied des Betriebsrats zu untersagen, sich an gewerkschaftlich organisierten Streiks, die das Unternehmen der Antragstellerin betreffen, aktiv zu beteiligen und/oder diese zu unterstützen, wenn dies in einer Weise geschieht wie

a) in der Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 131 (Anlage AS 1 zur Antragsschrift) im Betrieb, d.h. durch eine Mitteilung an die Belegschaft über die Durchführung einer Urabstimmung bei c.* und/oder durch Mitteilung, der Betriebsrat könne bei Fragen und Informationsbedarf zum Thema Urabstimmung angesprochen werden, und/oder

b) in der E-Mail vom 29. Juni 2009 an die Belegschaft (Anlage AS 2 zur Antragsschrift), d.h. durch eine Mitteilung, ver.di habe in einer Urabstimmung die Streikbereitschaft bei c.* abgefragt, durch Mitteilung des Abstimmungsergebnisses und/oder durch die Ankündigung, dass ein ver.di Vertreter hierzu möglicherweise auf der Betriebsversammlung weitere Informationen geben werde, und/oder

c) in der Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 136 (Anlage AS 3 zur Antragsschrift ) im Betrieb, d.h. durch Danksagung an die Belegschaft wegen deren Unterstützung des ver.di Streiks, durch Beurteilung der Tarifverhandlungen und/oder durch den Vorwurf an die Geschäftsführung der Antragstellerin, diese habe durch ihre Verhandlungsstrategie Kollegen in eine Lage gebracht, dass diesen keine andere Möglichkeit geblieben sei, als sich zu organisieren und ihren Unmut kundzutun;

5. es dem Antragsgegner zu 1) sowie den Antragsgegnern zu 2) bis 14) in ihrer jeweiligen Eigenschaft als Mitglied des Betriebsrats zu untersagen, den Betriebsfrieden zu stören, wenn dies in einer Weise geschieht wie

a) in der Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 131 (Anlage AS 1 zur Antragsschrift ) im Betrieb, d.h. durch eine Mitteilung an die Belegschaft über die Durchführung einer Urabstimmung bei c.* und/oder durch Mitteilung, der Betriebsrat könne bei Fragen und Informationsbedarf zum Thema Urabstimmung angesprochen werden, und/oder

b) in der E-Mail vom 29. Juni 2009 an die Belegschaft (Anlage AS 2 zur Antragsschrift), d.h. durch eine Mitteilung, ver.di habe in einer Urabstimmung die Streikbereitschaft bei c.* abgefragt, durch Mitteilung des Abstimmungsergebnisses und/oder durch die Ankündigung, dass ein Vertreter der Gewerkschaft ver.di hierzu möglicherweise auf der Betriebsversammlung weitere Informationen geben werde, und/oder

c) in der Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 136 (Anlage AS 3 zur Antragsschrift ) im Betrieb, d.h. durch Danksagung an die Belegschaft wegen deren Unterstützung des ver.di Streiks, durch Beurteilung der Tarifverhandlungen und/oder durch den Vorwurf, an die Geschäftsführung der Antragstellerin, diese habe durch ihre Verhandlungsstrategie Kollegen in eine Lage gebracht, dass diesen keine andere Möglichkeit geblieben sei, als sich zu organisieren und ihren Unmut kundzutun, und/oder

d) in der Veröffentlichung des Betriebsrats vom 7. August 2009 (Anlage AS 1 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 10. August 2009) und vom 18. August 2009 (Anlage AS 1 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 19. August 2009), in der der Betriebsrat gegenüber der Belegschaft über einen Rechtsstreit mit der Antragstellerin berichtet hat, und/oder

e) in der Veröffentlichung des Betriebsrats vom 18. August 2009 (Anlage AS 1 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 19. August 2009), in der der Betriebsrat gegenüber der Belegschaft behauptet hat, dass das Verfahren das Ziel habe, den Betriebsrat in der Öffentlichkeit zu diffamieren und ihm zu schaden;

6. dem Antragsgegner zu 1) sowie den Antragsgegnern zu 2) bis 14) persönlich für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen den Antrag zu 5) und/oder 6) die Verurteilung zu einem Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 25.000,00 € anzudrohen;

7. im Falle des Obsiegens eine vollstreckbare Kurzausfertigung der Entscheidung (ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe) zu erteilen.

Wiederum hilfsweise für den Fall eines Unterliegens mit den Anträgen zu 5.) und/oder 6.) beantragen wir,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Wesel vom 02.12.2009 - 4 BV 40/09 -

8. festzustellen, dass die nachfolgend bezeichneten Handlungen der Antragsgegner zu 1) und die Antragsgegner zu 2) bis 14) in ihrer jeweiligen Eigenschaft als Mitglied des Betriebsrats rechtswidrig waren;

a) Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 131 (Anlage AS 1 zur Antragsschrift ) im Betrieb, d.h. die Mitteilung an die Belegschaft über die Durchführung einer Urabstimmung bei c.* oder Mitteilung, der Betriebsrat könne bei Fragen und Informationsbedarf zum Thema Urabstimmung angesprochen werden;

b) E-Mail vom 29. Juni 2009 an die Belegschaft (Anlage AS 2 zur Antragsschrift), d.h. die Mitteilung, ver.di habe in einer Urabstimmung die Streikbereitschaft bei c.* abgefragt, die Mitteilung des Abstimmungsergebnisses und Ankündigung, dass ein ver.di Vertreter hierzu möglicherweise auf der Betriebsversammlung weitere Informationen geben werde;

c) Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 136 (Anlage AS 3 zur Antragsschrift ) im Betrieb, d.h. Danksagung an die Belegschaft wegen deren Unterstützung des ver.di Streiks, Beurteilung der Tarifverhandlungen, Vorwurf an die Geschäftsführung der Antragstellerin, diese habe durch ihre Verhandlungsstrategie Kollegen in eine Lage gebracht, dass diesen keine andere Möglichkeit geblieben sei, als sich zu organisieren und ihren Unmut kundzutun;

d) Veröffentlichung des Betriebsrats vom 7. August 2009 (Anlage AS 1 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 10. August 2009) und vom 18. August 2009 (Anlage AS 1 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 19. August 2009), d.h. Bericht gegenüber der Belegschaft über einen Reststreit mit der Antragstellerin;

e) Veröffentlichung des Betriebsrats vom 18. August 2009 (Anlage AS 1 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 19. August 2009), d.h. Behauptung gegenüber der Belegschaft, das Verfahren habe das Ziel, den Betriebsrat in der Öffentlichkeit zu diffamieren und ihm zu schaden.

Unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Wesel vom 02.12.2009 - 4 BV 40/09 -

9. es dem Antragsgegner zum 1) sowie den Antragsgegnern zu 2) bis 14) in ihrer jeweiligen Eigenschaft als Mitglied des Betriebsrats zu untersagen, den Betriebsfrieden und die Betriebsabläufe zu stören, wenn dies in einer Weise geschieht wie durch Veröffentlichung der BR-aktuell "Fuhrpark vor dem Aus !" Vom 01.06.2010 (Anlage AS 7) und/oder durch Veröffentlichung der BR-aktuell "Fuhrpark vor dem Aus !(2)" vom 11.06.2010 (Anlage AS 8), wenn hierdurch

a) die Geschäftsleitung und/oder der Beirat die Antragstellerin die betriebsinterne Vorgänge bei einem Drittunternehmen verantwortlich gemacht werden und/oder

b) der Geschäftsleitung und/oder dem Beirat aus diesem Grund jeglicher sozialer Verantwortung und Unternehmenskultur abgesprochen wird und/oder

c) durch Aushang im Betrieb und/oder Versendung einer solchen unzulässigen Äußerung der E-Mail an die dienstliche E-Mail Adressen der Belegschaft die Betriebsabläufe gestört werden.

10. dem Antragsgegner zu 1) sowie den Antragsgegnern zu 2) bis 14) persönlich für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen den Antrag zu 5) und/oder 6) die Verurteilung zu einem Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 25.000,00 € anzudrohen;

11. im Falle des Obsiegens eine vollstreckbare Kurzausfertigung der Entscheidung (ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe) zu erteilen.

Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 9) beantragen wir,

12. festzustellen, dass die Antragsgegner durch Aushang im Betrieb und/oder Versendung der BR-aktuell "Fuhrpark vor dem Aus !" Vom 01.06.2010 (Anlage AS 7) und BR-aktuell "Fuhrpark vor dem Aus !(2)" vom 11.06.2010 (Anlage AS 8) per E-Mail an die dienstlichen E-Mail-Adressen der Belegschaft gegen die betriebsverfassungsrechtliche Friedenspflicht verstoßen und rechtswidrig in die Betriebsabläufe eingegriffen zu haben.

Der Betriebsrat und die weiteren Beteiligen haben beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Der Betriebsrat und die weiteren Beteiligten sind der Auffassung, dass keine unzulässige Verbindung zwischen den Verhandlungen über eine Neufassung des Prämiensystems und dem Streik herbeigeführt worden sei. Es hätten besondere Umstände vorgelegen, die zu einer Verzögerung der Verhandlungen geführt hätten. Die Äußerungen in der aktuellen Mitteilung BR-aktuell 136 sei eine Reaktion auf das Schreiben des Arbeitgebers vom 13.07.2009. Der Betriebsrat habe über die aktuellen Umstände informiert, genauso wie über die Einleitung des Gerichtsverfahrens gegen den Betriebsrat. Mit der betriebsinternen Veröffentlichung vom 18.08.2009 BR- aktuell Nr. 138 habe der Betriebsrat auf die Presseveröffentlichungen durch den Arbeitgeber reagiert. Ein Rechtsschutzinteresse sei für die Unterlassungsanträge sei angesichts der Erklärungen des Betriebsrats im Gütetermin nicht zu erkennen. Auch die Danksagung in der Mitteilung habe der Betriebsrat nicht so eingeschätzt wie der Arbeitgeber. Es sei nur um die Information der Belegschaft gegangen. Der Betriebsrat könne allein in dem Schreiben vom 14.07.2009 über das Ziel hinaus geschossen sein. Soweit die Arbeitgeberin in der Beschwerde den Antrag erweitert habe, werde dem nicht zugestimmt. Unabhängig davon sei der Betriebsrat angesichts der jahrelangen Zusammenarbeit der Mitarbeiter auch im Fuhrpark und der Tatsache, dass es sich um ein zu c.*-Gruppe gehörendes Unternehmen handele, davon ausgegangen berechtigt zu sein, den Sachverhalt darzustellen und auf die Maßnahmen zu reagieren. Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestehe zudem kein Anspruch mehr auf Unterlassung von Äußerungen und Handlungen des Betriebsrats und seiner Mitglieder. Ein Rechtsschutzinteresse für alle Anträge sei nicht gegeben. Der Betriebsrat habe mehrfach mitgeteilt, dass er sich in Zukunft bei Arbeitskämpfen neutral verhalten werde. Im Übrigen sei der Arbeitskampf abgeschlossen, so dass keine Wiederholungsgefahr bestehe. Dies gelte auch für die Äußerungen zur Ausgliederung des Fuhrparks.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und deren Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

B.

I. Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist bezüglich der Anträge zu 1. - 8. zulässig. Sie ist insoweit statthaft (§ 87 Abs. 1 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 87 Abs. 2 S. 1,66 Abs. 1 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO). Bezüglich der weiteren Anträge zu 9.-12. ist die Beschwerde unzulässig.

II. Die im Beschwerderechtszug gestellten Anträge zu 1. bis 8. sind zulässig. Der Feststellungsantrag gegen den Betriebsrat zu 8. a) ist begründet und der Feststellungsantrag gegen den Betriebsrat zu 8. c) teilweise begründet. Im Übrigen sind die Anträge unbegründet.

1. Für die von der Arbeitgeberin gestellten Anträge ist das Beschlussverfahren gemäß §§ 2a, 80 Abs. 1 ArbGG die zutreffende Verfahrensart. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig. Sie streiten über die Rechte und Pflichten des Betriebsrats sowie seiner Mitglieder aus dem Betriebsverfassungsgesetz und zwar um Verstöße gegen die sich aus § 74 BetrVG ergebenden Pflichten u.a. die Friedens- und Neutralitätspflicht.

2. Die Antragsbefugnis der Arbeitgeberin sowie die Beteiligung des Betriebsrats und der Mitglieder des Betriebsrats ergeben sich aus §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG.

3. Die Untersagungsanträge der Arbeitgeberin zu 1., 4., 5. sind zulässig.

Die Beschwerdekammer folgt den Ausführungen des Arbeitsgerichts. Die Arbeitgeberin will dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern mit den Anträgen zu 1., 4., 5., untersagen, sich in bestimmter Weise zu äußern. Mit dem beschriebenen Inhalt sind die Anträge hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Für den Betriebsrat und seine Mitglieder ist erkennbar, was von ihnen verlangt wird. Sie sollen sich jeglicher Unterstützungshandlungen bei Arbeitskampfmaßnahmen und während laufender Tarifverhandlungen enthalten, sowie die Arbeitgeberin in der Öffentlichkeit nicht in einer bestimmten Weise kritisieren. Bei den Anträgen zu 2., 3., 6., 7. handelt es sich um zulässige Folgeanträge.

4. Die Anträge zu 1., 4., 5. sind aber unbegründet.

a) Hinsichtlich dieser Anträge kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls durch welche Äußerungen der Betriebsrat bzw. die Betriebsratsmitglieder gegen die in § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG geregelte Friedenspflicht oder gegen das Neutralitätsgebot S. 1 verstoßen haben.

aa) Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG Beschluss vom 17.03.2010 - 7 ABR 95/08 - NZA 2010, 1133-1137) begründet die Verletzung des parteipolitischen Neutralitätsgebots durch den Betriebsrat keinen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu ausgeführt, dass die Vorschrift zwar die Verpflichtung der Betriebsparteien zur parteipolitischen Neutralität enthalte, aber weder bestimme, dass bei Verstößen gegen diese Verpflichtung Unterlassung verlangt werden könne, noch lasse sich der Regelung entnehmen, wer Inhaber des Unterlassungsanspruch sein könnte. Damit unterscheide sich die Vorschrift von anderen Bestimmungen die Unterlassungsansprüche normierten wie z.B.

§ 862 Abs. 1 BGB oder § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB und hierzu den Anspruchsinhaber ausdrücklich nennen. Aus § 74 Abs. 2 S. 3 BetrVG ergebe sich seinem Wortlaut nach keine Aktivlegitimation einer Person oder Stelle, die berechtigt wäre, das Verbot parteipolitische Betätigung im Betrieb gerichtlich durchzusetzen. Gegen einen Anspruch spreche vor allem der systematische Gesamtzusammenhang und die Konzeption, die § 23 BetrVG für die "Verletzung gesetzlicher Pflichten" durch die Betriebsparteien vorsieht. § 23 Abs. 3 BetrVG normiere bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats und der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften. Dagegen regele die Vorschrift einen entsprechenden Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers bei groben Pflichtverletzungen durch den Betriebsrat gerade nicht. Derartige Pflichtverletzungen begründeten vielmehr nach § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG u.a. für den Arbeitgeber das Recht, die Auflösung des Betriebsrats zu beantragen. Die bei Pflichtverletzungen der beiden Betriebsparteien verschiedenen Rechtsfolgen entsprächen den unterschiedlichen rechtlichen Eigenschaften von Arbeitgeber und Betriebsrat. Die für den Betriebsrat in § 23 Abs. 3 S. 1 BetrVG vorgesehene Auflösung - mit anschließender Neuwahl - komme für den Arbeitgeber nicht in Betracht. Demgegenüber sei der in § 23 Abs. 3 S. 1 BetrVG normierte Unterlassungsanspruch des Betriebsrats verbunden mit der in § 23 Abs. 3 S. 2 - 5 BetrVG geregelten Vollstreckung die sachgerechte Lösung. Dagegen ergebe ein gegen den Betriebsrat gerichteter Unterlassungsanspruch auch vollstreckungsrechtlich keinen Sinn. Da der Betriebsrat vermögenslos sei, komme ihm gegenüber eine Androhung, Festsetzung und Vollstreckung von Ordnungsgeld nicht in Betracht. Das Gesetzeskonzept des § 23 BetrVG sehe deshalb einen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat nicht vor. Anders als ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers entspreche der - weitere - Unterlassungsanspruch des Betriebsrats dem strukturellen Konzept des § 23 BetrVG. Sinn und Zweck des §§ 74 Abs. 2 S. 3 BetrVG gebiete auch keinen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat. Die Einhaltung des parteipolitischen Neutralitätsgebots würde durch den Betriebsrat durch einen Unterlassungsanspruch nicht gewährleistet, da ein Unterlassungstitel gegen dessen Vermögenslosigkeit nicht vollstreckbar wäre. Die Rechte des Arbeitgebers würden hierdurch nicht verkürzt. Bei groben Verstößen des Betriebsrats gegen seine Pflichten zur parteipolitischen Neutralität könne der Arbeitgeber gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG dessen Auflösung beantragen. Im Übrigen habe er bei Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit einer bestimmten Betätigung des Betriebsrats die Möglichkeit, deren Zulässigkeit unter den Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO im Wege eines Feststellungsantrags klären zu lassen.

bb) Dieser Rechtsprechung folgt die Beschwerdekammer. Im vorliegenden Fall geht es zwar nicht in erster Linie um eine parteipolitische Betätigung des Betriebsrats sondern um Verstöße gegen die Friedenspflicht bzw. gegen das Neutralitätsgebot im Arbeitskampf gemäß § 74 Abs. 2 S. 1, 2 BetrVG. Diese Rechtsprechung ist aber nach Auffassung der Beschwerdekammer auch hier anzuwenden. Angesichts des vom Bundesarbeitsgericht dargestellten strukturellen Konzepts des § 23 Abs. 3 BetrVG, das nur Unterlassungsansprüche des Betriebsrats bzw. der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft bei Verstößen des Arbeitgebers gegen das Betriebsverfassungsgesetz vorsieht, ergeben sich keine ausreichenden Umstände, für den vorliegenden Fall davon abzuweichen. Die gesetzliche Formulierung in § 74 Abs. 2 BetrVG unterscheidet insoweit nicht. Sie gibt den Betriebspartnern in Satz 2 gleichermaßen auf, Maßnahmen, die den Arbeitsablauf und den Betriebsfrieden beeinträchtigen bzw. die parteipolitische Betätigung, zu unterlassen. In Satz 1 ist aufgeführt, dass Arbeitkampfmaßnahmen unzulässig sind. Die Einhaltung des Neutralitätsgebots und der Friedenspflicht würde auch durch den Betriebsrat durch einen Unterlassungsanspruch nicht gewährleistet, da ein Unterlassungstitel wegen dessen Vermögenslosigkeit nicht vollstreckbar wäre.

Nach alledem sind die Anträge gegen den Betriebsrat unbegründet, da dem Betriebsrat untersagt werden soll, die Gewerkschaft durch Veröffentlichungen im Zusammenhang mit den Arbeitskampfmaßnahmen über den Abschluss eines neuen Entgelttarifvertrags zu unterstützen, Kampfmaßnahmen zu kommentieren, solche Maßnahmen mit Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung in Verbindung zu bringen und sich in der in den Anträgen zu. 4., und 5. ) aufgeführten Weise kritisch gegenüber dem Arbeitgeber zu äußern.

b) Die Unterlassungsanträge gegen die einzelnen Betriebsratsmitglieder sind ebenfalls unbegründet. Die Ansprüche scheiden nach Auffassung der Beschwerdekammer schon deswegen aus, weil nicht die Zulässigkeit von Veröffentlichungen der einzelnen Betriebsratsmitglieder im Streit ist, sondern die des Betriebsrats. Dass sich nach dem Vortrag des Arbeitgebers die einzelnen Betriebsratsmitglieder nicht von den Veröffentlichungen des Betriebsrats distanziert haben, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Es verbleibt bei einer Veröffentlichung des Betriebsrats. Der Betriebsrat entscheidet über sein Verhalten soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt nach dem Mehrheitsprinzip (§ 33 BetrVG). Die Veröffentlichung ist damit allein dem Gremium (Betriebsrat) zuzurechnen.

Angesichts der obigen Ausführungen kam es nicht mehr darauf an, ob die vom Bundesarbeitsgericht (a.a.O.) entwickelten Grundsätze auch für die Beurteilung von Unterlassungsanträgen gegen Veröffentlichungen einzelner Mitglieder des Betriebsrats anzuwenden sind.

5. Aufgrund der unbegründeten Unterlassungsanträge hatten die Anträge zu 2., und 6. keinen Erfolg. Die Anträge zu 3. und 7., fielen nicht zur Entscheidung an, da sie nur für den Fall des Obsiegens gestellt wurden.

6. Die hilfsweise gestellten Feststellungsanträge zu 8. sind zulässig und hatten teilweise Erfolg.

a) Die Feststellungsanträge sind zulässig.

aa) Dem steht nicht entgegen, dass es um die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens geht. Nach dem auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbaren § 256 Abs. 1 ZPO ist ein Feststellungsantrag zwar nur zulässig, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses alsbald durch gerichtliche Entscheidung festgestellt wird (BAG Beschluss vom 03.05.2006 - 1 ABR 63/04 - AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 61). Erforderlich ist grundsätzlich, dass es sich um ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis handelt. Die Beantwortung der Frage darf nicht auf die Erstellung eines bloßen Rechtsgutachtens hinauslaufen. Ein auf die Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses gerichteter Antrag ist damit nur zulässig, wenn sich aus der Entscheidung noch Rechtsfolgen für die Zukunft ergeben (BAG Beschluss vom 28.04.2009 -1 ABR 7/08 - AP Nr. 99 zu § 77 BetrVG 1972; BAG Beschluss vom 03.05.2006 - 1 ABR 15/05 - AP Nr. 29 zu § 50 BetrVG 1972).

bb) Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Arbeitskampf, den die Gewerkschaft im Betrieb der Arbeitgeberin geführt hat und der Anlass für die Veröffentlichung des Betriebsrats war, ist zwar abgeschlossen. Tarifliche Auseinandersetzungen, die den Betrieb betreffen, können aber auch für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden. Da sich der Betriebsrat berechtigt sieht, entsprechende Erklärungen abzugeben, ist nicht auszuschließen, dass er sich in Zukunft in gleicher Weise betätigen wird. Dies gilt auch für die Frage, ob und in welcher Form die Belegschaft über gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen den Betriebsparteien durch den Betriebsrat informiert werden kann.

b) Der Antrag zu 8. a) ist in vollem Umfang und der Antrag zu 8. c) teilweise begründet, soweit er sich gegen den Betriebsrat richtet.

Der Betriebsrat verstößt nach Auffassung der Beschwerdekammer mit den im Antrag bezeichnen Äußerungen in BR-aktuell Nr. 131 vom 17.06.2006 und der Danksagung an die Belegschaft wegen der Unterstützung des Streiks in

BR -aktuell Nr. 136 vom 14.07.2009 gegen die Friedenspflicht und das Neutralitätsgebot.

aa) Der Betriebsrat hat sich als Organ jeder Tätigkeit im Arbeitskampf zu enthalten. Er darf insbesondere keinen Streik unterstützen oder die Belegschaft auffordern, sich an einem gewerkschaftlich organisierten Streik zu beteiligen (BAG Urteil vom 23.12.1980 AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 71; LAG Hamm Beschluss vom 31.05.2006 - 10 TaBV 204/05 - juris.de; Fitting 23. Aufl. § 74 Rd. 14 m.w.N.). Ebensowenig gehört es zu den gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats als Organ, Gewerkschaftswerbung zu betreiben (BVerfG, Beschluss vom 15.11.1995 - AP GG Art. 9 Nr. 80; LAG Hamm a.a.O.; Fitting a.a.O. Rd. 70). Der Betriebsrat bewegt sich dagegen in seiner Aufgabenstellung, wenn er die Belegschaft über tarifliche Auseinandersetzungen, die den von ihm repräsentierten Betrieb betreffen, unterrichtet. Dies ergibt sich bereits aus § 74 Abs. 2 S. 3 BetrVG, wonach die Behandlung von Angelegenheiten tarifpolitische Art, die den Betrieb oder seine Arbeitnehmer unmittelbar betreffen, durch den Betriebsrat nicht erlaubt ist. Die sachliche Information und Unterrichtung der Belegschaft über den Stand von Tarifverhandlungen gehört dagegen zu den zulässigen tarifpolitischen Angelegenheiten (LAG Hamm a.a.O. Erfurter/Komm/Kania 11. Aufl. § 74 BetrVG Rn 29-33 m.w.N.).

bb) Dies hat der Betriebsrat nicht beachtet. In BR-aktuell Nr. 131 vom 14.07.2009 wird die Belegschaft zunächst über die bevorstehende Urabstimmung informiert und anschließend angeboten, Informationsbedarf zu erfüllen, Darin es heißt es weiter, "PS.: Solltet ihr noch Fragen und Informationsbedarf haben, ruft uns einfach an. Vieles läßt sich so schnell erklären".

Dies kann nach der Auffassung der Beschwerdekammer nur dahingehend verstanden werden, dass der Betriebsrat die Gewerkschaft bei der konkreten Vorbereitung zur der Urabstimmung unterstützt.

BR-aktuell Nr. 136 vom 14.07.2009 enthält die Danksagung an die Belegschaft für die Teilnahme am Streik und für die Unterstützung bei den Tarifverhandlungen. Auch daraus ergibt sich eine eindeutige Parteinahme und Unterstützung für die Gewerkschaft, die den Arbeitskampf geführt hat. Damit hat der Betriebsrat gegen die ihm obliegende Friedenspflicht und Neutralitätspflicht gemäß § 74 Abs. 2 S 1. und S. BetrVG verstoßen.

cc) Der weitergehende Antrag zu 8 c) ist unbegründet. Die Erklärungen sind zulässig.

Der Betriebsrat informiert die Belegschaft zunächst über das aktuelle Angebot des Arbeitgeberverbandes im Rahmen der Tarifverhandlungen. Wie ausgeführt ist die Information über den aktuellen Stand der Verhandlungen, wozu auch die Angebote der einzelnen Tarifpartner gehören, zulässig. Soweit der Betriebsrat anschließend das Arbeitgeberangebot bewertet, kann darin kein Verstoß gegen die Friedenspflicht gesehen werden. Das Angebot betrifft unmittelbar die Belegschaftsmitglieder. Soweit darauf hingewiesen wird, dass anhand des Arbeitgeberangebotes nicht von geringfügigen Differenzen die Rede sein kann, ergibt sich keine andere Beurteilung. Wenn noch Differenzen zwischen den Tarifpartnern bestanden, kann der Betriebsrat auch darauf hinweisen. Dass dies nicht der Fall war, hat die Arbeitgeberin nicht behauptet.

Ein Verstoß gegen die Friedenspflicht kann auch nicht darin gesehen werden, dass der Betriebsrat der Geschäftsführung vorgeworfen hat, durch seine Verhandlungsstrategie betroffene Kollegen "so demotiviert und in die Ecke getrieben zu haben, dass ihnen keine Möglichkeit bot, sich zu organisieren und ihren Unmut kundzutun". Die Information ist eine Reaktion auf einen offenen Brief von Herrn I. von der Arbeitgeberin, der gegenüber der Belegschaft die beabsichtigten Arbeitskampfmaßnahmen der Gewerkschaft rügt. Mit seinen Äußerungen gibt der Betriebsrat aus seiner subjektiven Sicht lediglich die Stimmung und die Hintergründe von Belegschaftsmitgliedern bewertend wieder, die sich organisiert haben. Der darin enthaltene Angriff gegen den Arbeitgeber überschreitet nicht die zulässigen Grenzen. Dies ist von der auch für Werkszeitungen geltenden Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) gedeckt (BVerfG 08.10.1996 AP Nr. 3 zu Art. 5 Abs. 1 GG Pressefreiheit; LAG Schleswig-Holstein Beschluss vom 01.04.2009 - 3 TaBVGa 2/09 - juris.de).

Der Hinweis auf eine Störung des Betriebsablaufs dadurch, dass die Mitarbeiter die BR-aktuell lesen, führt auch nicht weiter. Wenn der Betriebsrat in zulässiger Weise informiert, müssen die Belegschaftsmitglieder auch die Möglichkeit haben, sich über den Inhalt zu informieren. Unabhängig davon ist auch eine konkrete Störung des Betriebsablaufs insoweit nicht dargetan.

c) Die Beschwerde hatte auch bezüglich der Feststellungsanträge zu 8. b), d) und e) keinen Erfolg.

aa) Die kritisierte Mitteilung in der E-Mail vom 29.06.2009 (Antrag zu b)) an die Belegschaft ist nicht rechtswidrig. Darin kann kein Verstoß gegen die Friedenspflicht insbesondere die Unterstützung des Arbeitskampfes der Gewerkschaft gesehen werden. Der Betriebsrat gibt nur das Ergebnis der Abstimmung wieder. Dass die Angaben nicht stimmen, hat die Arbeitgeberseite nicht behauptet. Auch die Ankündigung, dass ein Vertreter von ver.di in der Betriebsversammlung sprechen und hierzu weitere Informationen geben wird, kann dem Betriebsrat nicht vorgeworfen werden. Die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften haben gemäß § 46 BetrVG ein Teilnahmerecht an einer Betriebsversammlung. (Fitting 23 Aufl. § 46 BetrVG Rn.5). Insofern kann auch vorab auf die Anwesenheit eines Vertreters der Gewerkschaft hingewiesen werden. Die Friedenspflicht gilt zwar auch für die Durchführung der Betriebsversammlung, so dass Maßnahmen des Arbeitskampfes nicht Gegenstand der Erörterung oder von Beschlüssen der Betriebsversammlung sein können (Fitting a.a.O. BetrVG § 45 Rd. 23; Richardi/Annuß BetrVG 9. Aufl. § 45 Rd. 12). Dass aber dem Gewerkschaftsvertreter ein Forum gegeben werden soll, Maßnahmen des bevorstehenden Arbeitskampfes zu erörtern, ergibt sich daraus noch nicht. Insofern war es angezeigt, abzuwarten, wie sich die Betriebsversammlung gestaltet. Dass die Betriebsratsversammlung den Rahmen überschritten hat, ist zudem nicht dargelegt. Die ursprünglichen Anträge zu 4., 5., 8. jeweils c) und d), die den Inhalt der Betriebsversammlung und Äußerungen der Betriebsratsvorsitzenden in der Betriebsversammlung betrafen, wurden zurückgenommen.

bb) Die Veröffentlichung des Betriebsrates vom 07.08.2009 (Antrag zu d)), in der über einen Rechtsstreit mit der Arbeitgeberin berichtet wird, ist ebenfalls nicht rechtswidrig. Die Friedenspflicht soll einen ungestörten Arbeitsablauf sicherstellen. Es geht um das störungsfreie Zusammenleben sowohl zwischen dem Arbeitgeber und Betriebsrat einerseits sowie den Arbeitnehmern des Betriebes andererseits als auch den Arbeitnehmern untereinander (Fitting a.a.O.

§ 74 Rd. 31). Die Betriebspartner streiten über die Zulässigkeit einzelner Veröffentlichungen des Betriebsrats. Die Arbeitgeberin hat das vorliegende Verfahren eingeleitet. Es kann dahinstehen, ob die Presseerklärung der Arbeitgeberin vom 13.08.2009 eine bloße Reaktion auf eine vorherige Drohung der Gewerkschaft war, die Auseinandersetzung mit dem Betriebsrat über die Einhaltung der Friedenspflicht zu veröffentlichen. Die Belegschaftsmitglieder haben ein Interesse daran, darüber informiert zu werden, ob und welche Auseinandersetzungen zwischen der Arbeitgeberin und dem von ihnen gewählten Betriebsrat bestehen und wie sie geführt werden. Dazu gehört auch, auf die eigenen Rechtsposition hinzuweisen und eine Bewertung vorzunehmen.

cc) Das Schreiben des Betriebsrats vom 18.08.2009 (Antrag zu e)) verstößt ebenfalls nicht gegen § 74 Abs. 2 BetrVG. Es ist eine Reaktion auf die Presseinformation der Arbeitgeberin vom 13.08.2009. Die Arbeitgeberin weist selbst darauf hin, "dass im Hause kein Frieden eingetreten sei,…das Verhältnis zum Betriebsrat trotz Abschluss der Gespräche und Betriebsvereinbarungen problematisch sei… und dass die Geschäftsführung hinsichtlich des Verhaltens des Betriebsrats und seiner Mitglieder ein gerichtliches Verfahren habe einleiten müssen". Bei dem Streit gehe es u.a. darum, dass über das interne c.* Mailsystem zwei Mails mit Informationen zum Streik verschickt worden sind.

Dem Betriebsrat werden damit in der Öffentlichkeit Verstöße gegen das Betriebsverfassungsgesetz vorgeworfen, die aus Sicht der Arbeitgeberin so erheblich sind, dass man gegen den Betriebsrat und seine Mitglieder ein gerichtliches Verfahren einleiten musste. Auf die aus Sicht des Betriebsrats fehlerhaften Vorwürfe konnte er betriebsintern reagieren und eine Beurteilung und Bewertung des Verhaltens der Arbeitgeberin auch in scharfer Form vornehmen. Die Äußerung überschreitet jedenfalls noch nicht die zulässige Grenze. Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der Betriebsrat zum Schluß des Schreibens die Anregung von Dr. T. aufgreift und die Bereitschaft zur besseren Zusammenarbeit für die Zukunft erklärt.

d) Die Feststellungsanträge zu 8. gegen die Antragsgegner zu 3. - 15. in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Betriebsrats sind insgesamt unbegründet. Insofern wird auf die obigen Ausführungen unter II. 4. b) Bezug genommen.

e) Die Beschwerde bezüglich der weitergehenden Anträge zu 9. - 12. ist bereits unzulässig.

Die von der Arbeitgeberin vorgenommene Antragserweiterung in der Beschwerdeinstanz ist gem. §§ 87 Abs. 2 Satz 3, § 81 Abs. 3 ArbGG nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten zustimmen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Die vorbehaltlose Einlassung des Gegners gilt als Zustimmung.

Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die Antragsgegner haben der Antragserweiterung ausdrücklich mit Schriftsatz vom 03.09.2010 widersprochen. Sie ist auch nicht sachdienlich. Sachdienlichkeit setzt voraus, dass der bisherige Streitstoff und das Ergebnis des Verfahrens nutzbar gemacht werden kann (Germelmann/Matthes ArbGG 7. Aufl. § 81 Rdnr. 91). Dies ist nicht der Fall. Zwischen den Veröffentlichungen besteht keine Verbindung. Mit den Anträgen zu 1. bis 8. werden Äußerungen und Veröffentlichungen im Zusammenhang mit dem Arbeitskampf im Betrieb und über das gerichtliche Verfahren, welches gerade über das Verhalten des Betriebsrats im Zusammenhang mit dem Arbeitskampf geführt wird, angegriffen. Die Anträge zu 9. - 12. betreffen dagegen Äußerungen anlässlich von Umstrukturierungsmaßnamen eines Unternehmens der Unternehmensgruppe, dessen Arbeitnehmer Leistungen für die Arbeitgeberin auch am Standort in T. erbracht haben.

Der bisherige Streitstoff kann für die Beurteilung nicht verwertet werden. Es sind vielmehr völlig neue Sachverhalte, deren Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit unabhängig von den vorherigen Streitfragen zu bewerten ist. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass durch eine Entscheidung über diese Anträge weitere Verfahren endgültig vermieden werden können. Dem Betriebsrat ist es nicht grundsätzlich verwehrt, sich zu Umstruktuierungsmaßnahmen innerhalb der Unternehmensgruppe zu äußern. Es hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalles ab, ob, in welchem Umfang und in welcher Form der Betriebsrat die Belegschaft über betriebsinterne oder allgemeinpolitische Fragestellungen informieren kann.

Nach alledem hatte die Beschwerde nur teilweise Erfolg.

C.

Die Beschwerdekammer hat den entscheidungserheblichen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung zugemessen und deswegen die Rechtsbeschwerde für die Antragstellerin und den Betriebsrat an das Bundesarbeitsgericht zugelassen (§§ 92 Abs. 1 S. 2, 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG).

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen diesen Beschluss kann von der Antragstellerin und dem Betriebsrat

R E C H T S B E S C H W E R D E

eingelegt werden.

Für weitere Beteiligte ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Die Rechtsbeschwerde muss

innerhalb einer Notfrist* von einem Monat

nach der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses schriftlich beim

Bundesarbeitsgericht

Hugo-Preuß-Platz 1

99084 Erfurt

Fax: 0361-2636 2000

eingelegt werden.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

1.Rechtsanwälte,

2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Rechtsbeschwerdeschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.

Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

JansenClemensDamm