LG Düsseldorf, Urteil vom 19.08.2009 - 9 O 279/08
Fundstelle
openJur 2011, 70725
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Gründe

Die Klage ist zulässig. In der Sache ist sie jedoch unbegründet.

1. Der Kläger ist aktiv legitimiert. Der Kläger hat sich von dem Zedenten XXX "sämtliche Schadensersatzansprüche, die ihm wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit der Vermittlung und Beratung zu den VIP-Fonds 4 zustehen" unter dem 18.08.2008 abtreten lassen. Aufgrund der Abtretung ist er befugt die geltend gemachten Schadensersatzansprüche im eigenen Namen und für eigene Rechnung geltend zu machen.

2. Die von dem Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüche bestehen jedoch nicht.

a. Diese ergeben sich nicht aus §§ 398, 280 Abs. 1, 278 BGB. Ein Anspruch nach diesen Vorschriften setzt das Bestehen eines Schuldverhältnisses zwischen dem Zedenten und der Beklagten voraus, in dem die Beklagte eine Pflichtverletzung begangen hat, aufgrund derer dem Zedenten ein Schaden entstanden ist.

aa. Zwischen dem Zedenten und der Beklagten ist im Rahmen der Anlagevermittlung ein Auskunftsvertrag zu Stande gekommen. Entgegen der Auffassung des Klägers ist dieser Vertrag nicht als ein Anlageberatungsvertrag einzustufen.

Die Abgrenzung liegt darin, dass bei einem Auskunftsvertrag der Anlagevermittler im Interesse des Kunden mit dem Vertrieb einer bestimmten Kapitalanlage befasst ist. Ein Auskunftsvertrag kommt dann zu Stande, wenn der Kunde zum Ausdruck bringt, dass er bei der Anlageentscheidung die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nimmt und dieser daraufhin tätig wird (BGH, NJW 1993, 1114).

Der Anlagevermittler schuldet insoweit eine ausschließlich zutreffende objektbezogene Beratung (Heinrichs in Palandt, 68. Aufl., § 280 BGB, Rn. 52).

Bei einem Anlageberatungsvertrag dagegen hat der Kunde noch kein konkretes Anlageziel, sondern erwartet vor einer Anlageentscheidung eine Information über verschiedene Anlagemöglichkeiten. Ein Beratungsvertrag kommt dann zustande, wenn für den die Auskunft Erteilenden erkennbar ist, dass die Auskunft für den Anfragenden von erheblicher Bedeutung ist und dieser sie zur Grundlage einer wesentlichen Entscheidung machen will (BGH, NJW 1989, 2882). Dies gilt insbesondere, wenn der Auskunftsgeber für die Erteilung besonders sachkundig ist (BGH, NJW 1987, 1815).

Der Anlageberater schuldet, da er auch das Anlageziel des Anfragenden ermitteln hat, eine anleger- und objektgerechte Beratung (Heinrichs, aaO, Rn. 47 ff).

Vorliegend ist aus dem Sachvortrag des Klägers zu entnehmen, dass der Zedent sich für eine bestimmte Anlage, nämlich eine mit steuersparendem Ziel, interessierte. Er hat sich also mit einem bestimmten Anlageziel an die Beklagte gewandt. Nicht vorgetragen wurde dagegen, dass der Zedenten verschiedene Anlageformen in Erwägung gezogen hat, als er sich mit der Beklagten in Verbindung gesetzt hat. Nicht entscheidungserheblich deshalb auch nicht, wie von der Beklagten behauptet, ob der Zedent die Fondsbeteiligung schon über die XXXAG kannte und sich nur wegen monetärer Erwägungen, nämlich der teilweisen Rückerstattung des Agios, an die Beklagte wandte.

bb. Eine Pflichtverletzung der Beklagten im Rahmen der von ihr durchgeführten Vermittlung ist nicht erkennbar.

(1.) Die Beklagte schuldete ausschließlich eine objektgerechte Beratung. Die Bewertung und Empfehlung eines Anlageobjektes muss dabei ex ante betrachtet vertretbar sein. Das Risiko, dass sich eine aufgrund objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt jedoch der Kunde (BGH, NJW 2006, 2042).

Objektgerecht ist eine Beratung nur, wenn sie über alle Risiken, die für die Anlageentscheidung Bedeutung haben, richtig und vollständig informiert (Heinrichs in Palandt, aaO, Rn. 49).

In der Regel genügt für eine objektgerechte Beratung, dass der Kunde einen vollständigen und richtigen Prospekt ausgehändigt erhält und eine sogenannte Plausibilitätsprüfung in Bezug auf ein schlüssiges Gesamtbild des Beteiligungsangebots durchführt.

(aa.) Einen Anlageprospekt hat der Zedent unstreitig vor der Zeichnung erhalten. Der Kläger führt in der Klageschrift sogar aus, dass Herr XXX erklärt habe, dass sich alle Vor- und Nachteile in dem Prospekt stehen würden. Auch wenn der Zedent, wie im Schriftsatz vom 10.08.2009 behauptet, den Prospekt erst zwei Tage vor der Zeichnung erhalten haben soll, hatte er damit genügend Möglichkeit die geplante Anlage unter Berücksichtigung der Angaben des Herrn XXX zu prüfen. Im Übrigen gab es - mangels entgegenstehenden Vortrags des Klägers - auch keinen Stichtag zur Zeichnung der Anlage, so dass der Zedent gegebenenfalls die geplante Anlage anhand des Prospekts auch noch länger hätte prüfen können.

(bb.) In Bezug auf die von ihr durchgeführte Plausibilitätsprüfung hatte die Beklagte mit einem zumutbaren Aufwand (BGH, WM 2009, 739) zu überprüfen, ob der Prospekt ein schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsprojekt gibt und ob die darin enthaltenen Informationen sachlich vollständig und richtig sind, wobei das Verlassen auf einen positiven Prüfbericht einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nicht ausreicht (BGH, NJW-RR 2000, 998). Die Beklagte hat insoweit vorgetragen, dass sie ein Prospektgutachten und ein Steuergutachten zur Erfüllung ihrer eigenen Prüfungspflichten herangezogen hat und darüber hinaus auch noch Information von Partnerunternehmen des Fonds angesehen und die einschlägige Wirtschaftspresse ausgewertet. Insoweit ist nicht erkennbar, dass ihr dabei Fehler unterlaufen sind. Im übrigen konnte die Beklagten im Rahmen der ihr obliegenden Plausibilitätsprüfung die später tatsächlich aufgetretenen Probleme in steuerlicher Hinsicht, die sich aus der konkreten Gestaltung und Umsetzung des Fondkonzepts resultieren könnten, aufgrund des vorgelegten Prospekts nicht erkennbar. Diesbezüglich hat der Kläger auch nicht vorgetragen, wie dies für die Beklagte hätte erkennbar sein sollen.

Soweit eine Musterklage nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz vor dem Oberlandesgericht anhängig sein soll (der Kläger hat insoweit kein Aktenzeichen angegeben), ist dies für die vorliegende Entscheidung nicht relevant, da das dortige Verfahren einerseits noch nicht abgeschlossen und andererseits die Beklagte nicht Prospektverantwortliche ist.

(2.) Die Beweislast für die Pflichtverletzung trägt der Kläger. Die mit dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, dass die Beklagte die behauptete fehlerhafte Beratung substantiiert bestreiten und darlegen muss, wie im Einzelnen beraten und aufgeklärt sein soll (BGH, ZIP 2006, 504).

Die von dem Kläger aufgezeigten Ansatzpunkte für eine fehlerhafte Auskunft sind allerdings nicht ausreichend, um tatsächlich von einer fehlerhaften Beratung ausgehen zu können.

(aa.) So behauptet der Kläger, dass Herr XXX dem Zedenten gesagt habe, dass es sich um eine fantastische steuersparende Anlagemöglichkeit handele und das steuerliche Konzept abgesichert sei. Diese Behauptung steht im Widerspruch zu der Angabe, dass Herr XXX erklärt habe, dass sich alle Vor- und Nachteile aus dem Anlageprospekt ergäben. In diesem ist nämlich keine Rede davon, dass die steuerliche Konzeption abgesichert ist. Vielmehr heißt es dort zum Beispiel:

Seite 18: Änderungen rechtlicher, steuerlicher und anderer gesetzlicher Vorschriften, der Rechtsprechung sowie der Verwaltungspraxis können das Beteiligungskonzept negativ beeinflussen. Das Fondskonzept beruht auf der Auslegung und Interpretation des Medienerlasses und des Anwendungsschreibens zum § 2b EStG. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Finanzverwaltung eine andere Auslegung vornimmt, auch wenn nach Ansicht der Prospektherausgeberin § 2 b EStG bei dieser Beteiligung keine Anwendung finden kann.

Seite 80: Der folgende Überblick zu relevanten steuerlichen Grundlagen entspricht nicht einer detaillierten Einzelerörterung und soll nicht die Beratung eines Steuerberaters ersetzen. Es insbesondere darauf hinzuweisen, dass die endgültige Beurteilung der Steuerkonzeption der Betriebsprüfung der Finanzverwaltung vorbehalten bleibt.

Der Kläger hat nicht ansatzweise dargelegt, mit welcher Begründung der Zedent den von dem Prospekt abweichenden behaupteten Angaben des Herrn XXX Glauben geschenkt haben will, obwohl ihm der Inhalt es Anlageprospektes bekannt war/ hätte sein müssen.

(bb.) Soweit der Kläger auf Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München I verweist, ist dies ebenfalls nicht zielführend. Gegenstand dieser Ermittlungen ist, dass die eingenommen Anlagegelder nicht zweckgerecht eingesetzt wurden. Dieser Vorwurf kann aber nicht der Beklagten entgegenhalten. Denn die Beklagte hat den Fonds lediglich vertrieben. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die Beklagte Kenntnis von der vom Prospekt abweichenden Verwendung der Anlagegelder hatte.

(cc.) Weiter kann der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass der Anlageprospekt mit der Bezeichnung "Garantiefonds" den Eindruck erwecke, durch die Schuldübernahme der XXX AG sei das von dem Zedenten eingesetzte Kapital abgesichert, und weil dies tatsächlich nicht der Fall sei, der Anlageprospekt falsch bzw. unvollständig und irreführend sei. Denn die diesbezüglichen Angaben in dem Anlageprospekt, dort Seiten 5, 90 und 93, sind so formuliert, dass lediglich die Absicherung des Kommanditkapitals der Fondsgesellschaft als abgesichert gilt. Es entsteht auch nicht der Eindruck, dass diese Schlusszahlung an die Anleger fließe oder deren individuelle Ansprüche auf Rückzahlung der Einlage bei Beendigung des Fonds sichere.

(dd.) Weiter behauptet der Kläger, der Zedent sei nicht auf die für den Vertrieb enthaltene Provision informiert worden. Für diese Behauptung gelten die vorstehenden Ausführungen. Aus dem übergebenen Anlageprospekt, den der Kläger in diesem Zusammenhang in der Klageschrift sogar selbst zitiert, ergeben sich nämlich sehr wohl die angeblich nicht erteilten Informationen. Dort auf Seite 63 ist unter dem Punkt "Investitionsplanung/ Modellrechnung dargestellt, dass von 100 % des Kommanditkapitals, ohne Agio, 87,20 % in Produktionskosten und 12,80 % in emissionsbedingte Nebenkosten und laufende Verwaltungskosten fließen. Eine Erläuterung der Darstellung findet sich dann auf der folgenden Seite. Insbesondere ist dort erläutert, die Eigenkapitalbeschaffung mit 4,9 % aufgrund eines Vertrags mit der VIP Beratung für Banken AG beruhe, die auch das Agio von 5 % erhalte.

Weitere Informationen hat die Beklagte dagegen nichtgeschuldet. Die Beklagte war insoweit nicht verpflichtet hierüber ungefragt zu informieren. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist von einer ungefragten Aufklärungspflicht grundsätzlich erst bei einer Provision von 15 % auszugehen (BGH, NJW 2004, 1732 und NJW-RR 2007, 925). Hierbei ist aber berücksichtigen, dass die erforderliche Aufklärung am Einzelfall zu messen ist. Vorliegend war eine solche aus drei Gründen nicht gegeben:

Erstens ist die 15 %-Grenze vorliegend nicht erreicht, weder nach dem Vortrag des Klägers, noch nach dem Vortrag der Beklagten.

Zweitens ist der Prospekt weist der Prospekt emissionsbedingten Nebenkosten klar erläutert aus, so dass für den Zedenten keine Unklarheit in Bezug auf die Höhe der Vertriebskosten entstehen konnte. Eine solche Unklarheit wäre jedoch erst die Voraussetzung, dass eine über den Prospekt hinausgehende Aufklärung durch den Anlagevermittler zu erfolgen hat (BGH, VUR 2008, 25).

Drittens ist die diese sogenannte "kickback-Rechtsprechung" nur im Rahmen von Beratungsverträgen nicht aber im Rahmen von Auskunftsverträgen maßgeblich. So betrafen die einschlägigen Entscheidungen (BGH, WM 2007, 487 und WM 2009, 405) sämtlich Banken. Diese stehen insoweit in einem Interessenkonflikt, zwischen ihrer Pflicht gegenüber dem Kunden aus dem Beratungsvertrag und der Möglichkeit eine Vergütung bei Empfehlung eines Fonds von diesem zu erhalten. Dieser Interessenkonflikt muss seitens der Bank aufgeklärt werden, damit der Kunde, der nämlich nicht mit einer solchen Rückvergütung rechnen muss, einschätzen kann, ob die Bank nur aus Eigeninteresse und somit ein eigenes finanzielles Interesse an der Vermittlung eines bestimmten Produkts hat.

Dies stellt aber den grundlegenden Unterschied zu einer Anlagevermittlung dar. Denn dort weiß der Kunde, dass der Vermittler sich aus den vermittelten Geschäften finanziert (OLG Celle, 11 U 140/08). Etwas anders gilt nur, soweit die Höhe der Kosten nicht eindeutig aus dem Prospekt hervorgeht.

cc. Mangels eines Beratungsfehlers der Beklagten, kommt es nicht mehr entscheidungserheblich auf die weiteren Tatbestandsmerkmale dieser Anspruchsgrundlage, nämlich Schaden und Kausalität, an.

b. Schadensersatzansprüche ergeben sich auch nicht aus den Grundsätzen der culpa in contrahendo gemäß §§ 398, 280 Abs. 1, 278, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB. Zwar kann ein solcher Anspruch nach einem Vertragsschluss bestehen bleiben, jedoch setzt dies voraus, dass dann sowohl während der Vertragsanbahnung als auch nach Vertragsschluss unabhängig von einander Pflichtverletzungen vorliegen. Eine Pflichtverletzung während der Vertragsanbahnung hat der Kläger aber nicht vorgetragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.