VG Aachen, Urteil vom 29.01.2010 - 9 K 1439/09
Fundstelle
openJur 2011, 70661
  • Rkr:
Tenor

Es wird festgestellt, dass der Unterrichtsausschluss in dem Bescheid des Beklagten vom 16. Juni 2009 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide des Schulamtes für den Kreis E. vom 16. Juli 2009 rechtswidrig war.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.

Tatbestand

Die Kläger begehren die Feststellung, dass die von dem Beklagten im Juni 2009 ausgesprochene Ordnungsmaßnahme des vorübergehenden Ausschlusses der Klägerin zu 3. vom Unterricht rechtswidrig war.

Die Klägerin zu 3., die im Jahr 1997 geborene Tochter B. der Kläger zu 1. und 2., besucht nach dem Umzug der Familie nach E. seit dem 13. Februar 2009 die Gemeinschaftshauptschule E. -H. und war dort im Schuljahr 2008/09 Schülerin der Klasse 5a.

Am Dienstag, dem 16. Juni 2009 kam es in der zweiten Unterrichtsstunde im Kunstunterricht zu einem Vorfall, den der stellvertretende Schulleiter, Herr W. , (der Schulleiter Herr W1. war zu dieser Zeit erkrankt) in einer von der Klägerin zu 3. unterschriebenen Erklärung wie folgt beschrieb:

"Im Kunstunterricht haben mich mehrere Jungen mit Stiften beworfen; als ich zurückwarf, hat Frau C. dies gesehen und mich ermahnt (Tafelanschrieb). Als ich einige Zeit später wieder von Frau C. ermahnt wurde, sollte ich einen Text über Störungen abschreiben. Ich habe dann zu Frau C. gesagt: 'Fick dich, du alte Hure.'" Nach Vernehmung der Klägerin zu 3. nahm Herr W. telefonischen Kontakt mit der Mutter der Klägerin zu 3., der Klägerin zu 2., auf und teilte dieser den Vorfall sowie seine Absicht, einen viertägigen Unterrichtsausschluss gegen die Klägerin zu 3. zu verhängen, mit. Nach schriftlicher Fertigung der Ordnungsmaßnahme gab Herr W. die Entscheidung der Klägerin zu 3. mit und entließ diese nach Hause. Die Entscheidung lautet:

"Ordnungsmaßnahme nach § 53 Abs. 3 Ziff. 3 Schulgesetz NRW (SchulG) B. wird vom 16.06.2009 - 19.06.2009 einschließlich (vier Unterrichtstage) vom Unterricht ausgeschlossen. Rechtsgrundlage ist die o. g. Bestimmung des Schulgesetzes in Verbindung mit dem Abs. 6 des genannten Paragraphen.

Begründung:

B. hat im Kunstunterricht die Aufforderung der Fachlehrerin, nach einer wiederholten Störung einen Text abzuschreiben, mit der Bemerkung abgewiesen: 'Fick dich, du alte Hure.'

B. wurde zum Vorfall gehört."

Den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 17. Juni 2009 begründeten die Kläger zu 1. und 2. damit, dass die Ordnungsmaßnahme maßlos übertrieben sei und keine Strafe für B. darstelle, sondern eher noch "vorverlegte Ferien". Es liege auch ein Verfahrensfehler vor, weil den Eltern vor einer Ordnungsmaßnahme Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben sei und kein dringender Fall vorgelegen habe. Besser wäre gewesen, bei B. eine öffentliche Entschuldigung einzuholen oder ihr ungeliebte Strafarbeiten aufzugeben, zum Beispiel Hofdienst, Tafeldienst oder Kehrarbeiten.

Mit Beschluss vom 18. Juni 2009 (9 L 259/09) hat die Kammer auf entsprechenden Antrag die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Ordnungsmaßnahme des Beklagten vom 16. Juni 2009 mit der Begründung angeordnet, dass im Eilverfahren nicht ersichtlich sei, ob nicht eine erzieherische Maßnahme oder eine mildere Ordnungsmaßnahme zur Einwirkung auf die Schülerin ausgereicht hätte.

Der Beklagte half dem Widerspruch nicht ab und legte ihn dem Schulamt für den Kreis E. zur Entscheidung vor.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 16. Juli 2009 - zugestellt am 22. Juli 2009 - wies das Schulamt für den Kreis E. die Widersprüche der Kläger zu 1. und 2. als unzulässig zurück, da sich die Schulordnungsmaßnahme "Unterrichtsausschluss für die Zeit vom 16.06.2009 bis 19.06.2009" durch Zeitablauf erledigt habe. Damit fehle das für den Widerspruch erforderliche Rechtsschutzinteresse mit der Folge, dass der Widerspruch als unzulässig zurückzuweisen sei.

Die Kläger haben am 13. August 2009 (der Kläger zu 1.) und am 16. September 2009 (die Klägerinnen zu 2. und 3.) Klage erhoben. Sie machen geltend, dass die ergriffene Ordnungsmaßnahme überzogen sei. Zwar habe die Klägerin zu 3. ein Fehlverhalten gezeigt, dem aber mit erzieherischen Einwirkungen oder einer milderen Maßnahme hätte begegnet werden müssen. Keinesfalls habe gleich zum Mittel des vorübergehenden Ausschlusses vom Unterricht gegriffen werden dürfen. Da sich der Vorfall in der zweiten Stunde ereignet habe, müsse es zudem bei der nachfolgenden zwanzigminütigen Pause möglich gewesen sein, zunächst mit der Klassenlehrerin zu sprechen oder B. im Trainingsraum warten zu lassen. Die Rechtmäßigkeit dieser Ordnungsmaßnahme könne auch jetzt noch geltend gemacht werden, da ein sog. Fortsetzungsfeststellungsinteresse gegeben sei. Zum einen ergebe sich dies aus einem Rehabilitationsinteresse, zum anderen seien Auswirkungen auf künftige Ordnungsmaßnahmen nicht auszuschließen. B. sei kurz nach der Pause zwischen der zweiten und dritten Stunde etwa gegen 9.50 Uhr zu Hause gewesen. Er - der Kläger zu 1. - sei von seiner Ehefrau telefonisch und unmittelbar in Kenntnis gesetzt worden, als Herr W. mit ihr gesprochen habe und auch nachdem B. zu Hause gewesen sei.

Die Kläger beantragen,

festzustellen, dass der Unterrichtsausschluss in dem Bescheid des Beklagten vom 16. Juni 2009 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide des Schulamtes für den Kreis E. vom 16. Juli 2009 rechtswidrig war.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen. Er trägt vor, dass es den Klägern zu 1. und 2. an der Klagebefugnis fehle, weil sie nicht unmittelbar von der Ordnungsmaßnahme betroffen seien. Zudem sei ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu verneinen. Weder sei das geltend gemachte Rehabilitationsinteresse ersichtlich noch bestehe eine Wiederholungsgefahr, da eine solche davon abhängig sei, dass erneut ein Fehlverhalten auftrete, was in der Hand der Schülerin liege. Auch sei in der Sache der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt. B. Pflichtverletzung habe vor allem aufgrund der Wirkung auf die Mitschüler und die Lehrerin eine energische und spürbare Reaktion der Schule erfordert, auch um Wiederholungen und eine negative Vorbildfunktion zu vermeiden. Weitere erzieherische Einwirkungen wären hier aufgrund des Gewichts der Pflichtverletzung nicht mehr ausreichend gewesen, zumal zum Zeitpunkt der Ordnungsmaßnahme sowohl eine Ermahnung der Schülerin als auch die Aufforderung zur Anfertigung einer Strafarbeit bereits erfolgt gewesen seien. Ein schriftlicher Verweis als mildeste Ordnungsmaßnahme sei in Anbetracht der Intensität der Pflichtverletzung nicht gleich geeignet gewesen, den störungsfreien Unterrichtsverlauf wiederherzustellen. Im Übrigen sei die verhängte Ordnungsmaßnahme auch angemessen gewesen. Das Recht der Schülerin zur Teilnahme am Unterricht habe für diese begrenzte Zeit hinter dem Interesse aller Schüler und Lehrer an einem reibungslosen Ablauf des Unterrichts zurückzustehen gehabt. Infolge der massiven Beleidigung der Lehrerin und der Weigerung, eine ihr - der Klägerin zu 3. - als erzieherische Maßnahme auferlegte Strafarbeit auszuführen, sei eine deutliche Reaktion erforderlich gewesen. Die Entscheidung hinsichtlich der Dauer von vier Tagen befinde sich überdies deutlich noch im unteren Bereich des eingeräumten Ermessens (bis zu zwei Wochen). Maßnahmen im Sinne von § 53 Abs. 2 SchulG seien bis zum Tage des Vorfalls im Kunstunterricht nicht erforderlich gewesen; Klassenbucheinträge lägen für die Zeit vom Schulwechsel am 13. Februar 2009 bis zum 16. Juni 2009 nicht vor. Es sei nicht möglich gewesen, die Klassenlehrerin Frau F. vor Aushändigung des schriftlichen Unterrichtsausschlusses an die Klägerin zu 3. anzuhören, weil Frau F. bereits mit dem Unterricht der dritten Stunde in einem Nebengebäude begonnen gehabt habe. Sie habe die Klasse nicht allein lassen können. Er habe allerdings mit ihr in der kurzen Pause zwischen der dritten und vierten Stunde sprechen und ihr den Vorfall schildern können; sie sei mit der Maßnahme voll einverstanden gewesen. Nach der sechsten Stunde habe man dann ausführlich über die Sache gesprochen. Wenn er die Eltern nicht ans Telefon bekommen hätte, hätte er B. sicherlich in eine andere Klasse gesetzt. Er habe aber die Maßnahme abgewickelt, weil er ein Zeichen für nötig gehalten habe. B. habe auch keine weitere Reaktion gezeigt, etwa dass es ihr leid getan habe. Wenn er das verspürt gehabt hätte, hätte er das sicher berücksichtigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten - auch des Eilverfahrens 9 L 259/09 - und der vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klagebefugnis der Kläger ist gegeben. Für die Klägerin zu 3. folgt dies bereits daraus, dass sich die Ordnungsmaßnahme gegen sie richtet. Die Klagebefugnis der Kläger zu 1. und 2. ergibt sich aus ihrem in Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) verbürgten Elternrecht, das ihnen die Betroffenheit in eigenen Rechten vermittelt, wenn schulische Maßnahmen gegenüber ihrem Kind in Rede stehen.

Es kann offen bleiben, ob es sich bei einer Klage im Falle eines vor Klageerhebung erledigten Verwaltungsaktes um eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) analog oder um eine Feststellungsklage nach § 43 VwGO handelt. Der streitbefangene Unterrichtsausschluss für vier Unterrichtstage vom 16. bis 19. Juni 2009 hatte sich bereits vor Klageerhebung am 13. August 2009 erledigt. Da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. hierzu dessen Urteil vom 14. Juli 1999 - 6 C 7.98 -, juris,

für eine derartige "spezielle" Feststellungsklage weder die Durchführung eines Vorverfahrens erforderlich - ein solches ist hier sogar durchgeführt worden - noch die Einhaltung einer Klagefrist vorgeschrieben ist, ist ohne Bedeutung, dass die Klägerinnen zu 2. und 3. erst mit Schriftsatz vom 16. September 2009 Klage erhoben haben.

Schließlich haben die Kläger unter dem Gesichtspunkt eines Rehabilitationsinteresses auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Unterrichtsausschlusses, sodass es auf die Frage, ob auf eine Wiederholungsgefahr abzustellen sein könnte, nicht ankommt. Ein Rehabilitationsinteresse ergibt sich bereits aus der direkten Grundrechtsbezogenheit dieser Ordnungsmaßnahme (vgl. Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, Art. 6 Abs. 2 GG). Darüber hinaus sind der vorübergehende Schulausschluss der Klägerin zu 3. und der ihr zugrunde liegende ehrenrührige Sachverhalt zumindest der Schulöffentlichkeit und damit einem größeren Personenkreis bekannt geworden. Den Klägern ist vor diesem Hintergrund ein ideelles Interesse an der Beseitigung oder Minderung einer Beeinträchtigung ihres Ansehens mittels eines gerichtlichen Ausspruchs über die Rechtmäßigkeit des vorübergehenden Schulausschlusses von der Schule zuzuerkennen.

Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 18. Juli 1997 - 19 A 4686/96 -.

Die Begründetheit der Feststellungsklage ergibt sich daraus, dass der Unterrichtsausschluss in dem Bescheid des Beklagten vom 16. Juni 2009 rechtswidrig war.

Ermächtigungsgrundlage für den vorübergehenden Ausschluss vom Unterricht von einem Tag bis zu zwei Wochen und von sonstigen Schulveranstaltungen ist § 53 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit Abs. 6 SchulG. Danach entscheidet über Ordnungsmaßnahmen nach Abs. 3 Nrn. 1 bis 3 die Schulleiterin oder der Schulleiter nach Anhörung der Schülerin oder des Schülers. Nach § 53 Abs. 6 Satz 3 SchulG ist den Eltern und der Klassenlehrerin oder dem Klassenlehrer vor der Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Nach Satz 4 dieser Norm kann in dringenden Fällen auf vorherige Anhörungen verzichtet werden; sie sind dann nachzuholen.

Vorliegend fehlt es bereits an der formellen Rechtmäßigkeit der streitbefangenen Ordnungsmaßnahme, weil der Klassenlehrerin vor Erlass des Unterrichtsausschlusses keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden ist. Zwar hat der Beklagte nach den Angaben der Beteiligten telefonisch die Mutter der Klägerin zu 3. nach deren Anhörung informiert und diese hat unmittelbar danach den Kläger zu 1. in Kenntnis gesetzt. Indessen hat der Beklagte nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung mit der Klassenlehrerin Frau F. über diesen Vorfall erst gesprochen, nachdem die Ordnungsmaßnahme ergangen war. Dies entspricht nicht der Regelung des § 53 Abs. 6 Satz 3 SchulG, wonach nicht nur den Eltern, sondern auch der Klassenlehrerin oder dem Klassenlehrer vor der Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist. Soweit der Beklagte vorgetragen hat, die Anhörung der Klassenlehrerin sei noch am selben Tag und damit zeitnah erfolgt, wird dies der gesetzlichen Vorgabe nicht gerecht. Sinn und Zweck dieser Regelung ist ersichtlich, dass der Schulleiter vor einer beabsichtigten Ordnungsmaßnahme nicht nur den Eltern Gelegenheit zur Stellungnahme gibt, sondern auch die für den Schüler oder die Schülerin verantwortliche Klassenlehrerin oder den Klassenlehrer, die aufgrund ihrer Stellung der pädagogischen Entwicklung des betroffenen Schülers oder der betroffenen Schülerin besonders nahe stehen, einbezieht und auf deren Kenntnisse und pädagogische Beurteilung zurückgreift.

Zwar kann nach § 53 Abs. 6 Satz 4 SchulG in dringenden Fällen auf vorherige Anhörungen verzichtet werden; sie sind dann nachzuholen. Ein derartig dringender Fall lag aber nicht vor. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Unterrichtsausschluss der Klägerin zu 3. nicht erst nach der vierten Unterrichtsstunde dieses Tages - und damit nach der Anhörung der Klassenlehrerin - oder auch erst nach Unterrichtsende oder sogar noch später hätte ausgesprochen werden können. Dies ergibt sich zum einen bereits daraus, dass der Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass er B. zunächst sicherlich in eine andere Klasse gesetzt hätte, wenn er die Eltern nicht ans Telefon bekommen hätte. Zum anderen ist die Möglichkeit, erforderliche Anhörungen nachzuholen, ausdrücklich auf dringende Fälle beschränkt, in denen aufgrund der gegebenen Umstände ein Zuwarten mit einer Ordnungsmaßnahme nicht angezeigt ist. Dies ist dann denkbar, wenn beispielsweise einer akuten Gefahr zu begegnen ist, etwa wegen besonderer Renitenz oder auch Gewaltanwendung durch den betroffenen Schüler oder die betroffene Schülerin. Dies war vorliegend indessen nicht der Fall. B. hat zwar nach Angaben des Beklagten am Tag des Vorfalles keine Einsicht bezüglich ihres Fehlverhaltens oder eine sonstige Reaktion gezeigt. Dies allein begründet indessen keinen dringenden Fall im o.a. Sinne.

Angesichts der sich aus dem klaren Wortlaut ergebenden gesetzlichen Vorgabe, dass (auch) der Klassenlehrerin oder dem Klassenlehrer vor der Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist und nur in dringenden Fällen auf vorherige Anhörungen verzichtet werden kann, scheidet eine Anwendung von § 45 Abs. 1 Nr. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) aus, wonach eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, unbeachtlich ist, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird. Bei § 53 Abs. 6 Satz 4 SchulG handelt es sich um eine spezielle Regelung, die § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG NRW vorgeht.

Schließlich führt auch § 46 VwVfG NRW nicht zu einer anderen Beurteilung. Unabhängig von der Frage, ob diese Vorschrift zum einen wegen eines in § 53 Abs. 6 SchulG ausgestalteten Verwaltungsverfahrens mit Blick auf § 1 Abs. 1 VwVfG NRW und zum anderen im Falle einer (Fortsetzungs-)Feststellungsklage Anwendung finden kann,

vgl. zu Letzterem die Darstellung des Meinungsstandes in der Literatur bei Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Auflage 2008, § 46 Rdnr. 43; für eine Fortsetzungsfeststellungsklage offen lassend Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 15. Dezember 1983 - 3 C 27/82 -, juris; indes mit Anwendung BVerwG, Urteil vom 23. November 1999 - 1 C 12/98 -, juris,

liegen dessen Voraussetzungen nicht vor. Danach kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften u.a. über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Dass offensichtlich die unterbliebene vorherige Anhörung der Klassenlehrerin die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat, lässt sich nicht feststellen. Der Begriff "offensichtlich" ist objektiv zu verstehen. Die fehlende Kausalität muss für einen unvoreingenommenen Betrachter ohne Weiteres unter Heranziehung allein der bei Erlass des Verwaltungsaktes vorliegenden Umstände ersichtlich sein. Verbleibende Zweifel schließen die Anwendung des § 46 VwVfG NRW aus.

Vgl. Schemmer in Bader/Ronellenfitsch, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2010, § 46 Rdnrn. 41f.; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Auflage 2008, § 46 Rdnr. 83; Ziekow, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2006, § 46 Rdnr. 10.

Ein dem vergleichbarer Fall ist hier nicht gegeben. Zwar hat die Klassenlehrerin ihr Einverständnis mit der Ordnungsmaßnahme erklärt; doch geschah dies erst nach ihrem Erlass. Die Kammer vermag jedoch nicht von vornherein auszuschließen und insofern ist es nicht offensichtlich, dass die zu treffende Entscheidung bei Anhörung der Klassenlehrerin nicht anders ergangen wäre. Es ist nicht fernliegend, dass der Beklagte unter Berücksichtigung des pädagogischen Ermessens bei der Ahndung von Pflichtverletzungen aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles wie Anlass und Kontext der Äußerung, Alter des Schülers oder der Schülerin und den allgemeinen Sprachgebrauch unter Altersgenossen und Klassenkameraden

vgl. hierzu: OVG NRW, Beschluss vom 28. Oktober 2009 - 19 B 1530/09 -

bei Hinzuziehung der Klassenlehrerin auch zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können, etwa was Fragen des Umfangs des Unterrichtsauschlusses oder einer anderen Ordnungsmaßnahme, z.B. eines schriftlichen Verweises, anbetrifft.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.